Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Humanitäres Ausländerrecht

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
lieber Jürgen!

Mit Schreiben vom 19.7.2011 hast Du mir gegenüber - offenbar aber an einen größeren Adressatenkreis gewandt - dargelegt, dass im Rahmen der Auseinandersetzung um die Abschiebung des afghanischen Staatsangehörigen Ismail Afzali zu Unrecht Kritik am Ausländeramt der Stadt Passau geübt worden sei, und zwar in maßlos überzogener Weise, obwohl die Stadt Passau lediglich die bindende Gesetzeslage zu vollziehen gehabt habe.

Für dieses Schreiben danke ich Dir ausdrücklich. Ich teile Deine Auffassung voll und ganz und finde es richtig, dass Du Dich als Oberbürgermeister im Rahmen der Fürsorgepflicht vor die städtischen Mitarbeiter stellst.

Bei meinem eigenen Engagement für einen Verbleib von Ismail Afzali in Deutschland habe ich mich weder gegen das Ausländeramt der Stadt Passau noch gegen das Bayerische Innenministerium gewandt. Diese Behörden sind an die bestehenden Rechtsvorschriften gebunden. Dies kann man Ihnen, wie Du richtig schreibst, nicht zum Vorwurf machen. Ich habe mich vielmehr dafür eingesetzt, dass - da ja der Asylantrag schon rechtskräftig abgelehnt war - das Schicksal von Herrn Afzali der Härtefallkommission des Bayerischen Landtags vorgelegt wird. Dies ist dann (auch auf Betreiben der FDP-Landtagsabgeordneten Renate Will hin) durch einen Beschluss des ursprünglich damit befassten Petitionsausschusses so geschehen.

Ich halte das Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger zugunsten eines Verbleibs von Herrn Afzali für sehr begrüßenswert, denn die vorgetragenen Argumente erscheinen mir überzeugend. Es handelt sich dabei aber um humanitäre Gründe, die außerhalb der Rechtslage von der Härtefallkommission berücksichtigt werden können. Diese Kommission ist also die zuständige Stelle, um sich für Herrn Afzali einzusetzen, während der Ausländerbehörde der Stadt Passau die Hände gebunden waren.

Als ich für die FDP-Bundestagsfraktion im Vermittlungsausschuss vor mehreren Jahren die Verhandlungen über die Neugestaltung des Ausländerrechts führen durfte, habe ich sehr stark dafür plädiert, dass in den Bundesländern solche Härtefallkommissionen eingerichtet werden. Dagegen gab es ursprünglich von manchen Seiten Bedenken. Ich bin froh, dass wir diese Bedenken damals ausräumen konnten. Gerade das Beispiel des Herrn Afzali zeigt, dass es humanitäre Gründe gibt, die ausnahmsweise ein Abweichen von den eigentlich rechtlich gebotenen Konsequenzen angemessen erscheinen lassen.

Genau hierfür haben wir die Härtefallkommissionen eingerichtet.

Mit freundlichen Grüßen

Dein

Max Stadler. MdB

Thema Nominierung von Herr Frankenberger für den Politik-Award 2010

Pressebericht PNP 30.11.2010

Lieber Herr Kollege Frankenberger!


Wie ich gehört habe, sind Sie beim Politiker-Award nicht zum Preisträger gewählt worden. Dennoch  ist es eine hohe Ehre, dort nominiert gewesen zu sein.

Das hat mich auch nicht verwundert, denn Sie haben die Kampagne zum Rauchverbot in Bayern, die ich inhaltlich für falsch gehalten habe, bestens organisiert.

Damit haben Sie Ihr großes politisches Talent unter Beweis gestellt.

Mein Wunsch an Sie wäre, wie ich Ihnen auch schon persönlich gesagt habe, dass Sie in Ihrer politischen Arbeit mehr als bisher den Aspekt berücksichtigen, dass es in einer Demokratie wichtig ist, verschiedene Interessen zum Ausgleich zu bringen.

Politik ist nicht nur die Kunst des Möglichen, wie oft gesagt wird.

Politik sollte auch das Ziel haben, differenzierte Lösungen herbeizuführen. Lösungen, die einer Mehrheit entsprechen, aber eben auch Minderheitsinteressen berücksichtigen.

Bitte nehmen Sie diesen Ratschlag nicht als Besserwisserei eines älteren Politikers.

Mir geht es um ein fundamentales Prinzip, von dem ich nicht sicher bin, ob es ein  Grundprinzip Ihrer Partei ist, das aber für mich als Liberalen zentrale Bedeutung hat: den Schutz von Minderheiten.

Es ist meiner Meinung nach wenig damit gewonnen, die von einem selbst als richtig erkannte Position anderen aufzudrängen. Es kommt auch darauf an, die Interessen anderer zu einem vernünftigen Ausgleich zu bringen.

So gesehen, hätte auch ein Award für eine gelungene Kampagne nur eine begrenzte Aussagekraft gehabt.

Erfolgreich war beispielsweise heute auch die Kampagne in der Schweiz für eine rigorose Abschiebung von straffälligen Ausländern, ohne Prüfung der Umstände des Einzelfalls. Dennoch erschreckt es einen - da werden Sie mir zustimmen -, dass eine solche Kampagne Erfolg gehabt hat.

Ich war immer ein Verfechter von mehr direkter Demokratie, wie Sie auch.

Aber mich treibt die Sorge um, wie man dabei von holzschnittartigen Scheinlösungen wegkommt.

Das deutsche Ausländerrecht, durch ein parlamentarisches Verfahren ausdifferenziert, sieht durchaus auch strenge Ausweisungsregeln vor, lässt aber den Behörden genügend Spielraum für gerechte und humane Einzelentscheidungen. Zudem gibt es Härtefallkommissionen, die sich sehr bewährt haben. An diesen Regelungen durfte ich selber als früherer innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion mitwirken.

Dies scheint mir ein Beispiel dafür, dass der parlamentarische Entscheidungsweg zu guten Ergebnissen führt.

Meinen Respekt für Ihre Nominierung für den Kampagnen-Award verbinde ich daher mit der Bitte, die Schwarz-Weiß-Malerei von Kampagnen nicht absolut zu setzen, sondern offen zu sein für eine differenzierte Politik.

Mit den besten Wünschen für Sie
Ihr
Max Stadler

P.S. Da in den örtlichen Medien, z.B. im Bürgerblick, über Ihre Nominierung berichtet worden ist, darf ich meine Mail an Sie ebenfalls den Medien zur Verfügung stellen.


Besonnene Verfechter einer liberalen Rechtspolitik

PSt Dr. Max Stadler diskutierte an der Uni Passau Grundfragen des Strafrechts

PSt Dr. Max Stadler diskutierte am Freitagabend (26.11.2010) in der Universität Passau auf einem von Prof. Dr. Christian von Coelln (Universität Köln)moderierten Podiumsdiskussion über das Thema: „Jede Gesellschaft hat die Verbrecher, die sie verdient“. Diese sehr gut besuchte Veranstaltung bildete den Auftakt eines dreitägigen Seminars der Europäischen Jura-Studentenvereinigung Elsa: "Im Namen des Volkes... Lebenslänglich für das deutsche Strafrecht?". Mitdiskutanten auf dem Podium waren Prof. Dr. Heribert Prantl, Ressortleiter Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung, Prof. Dr. Grischa Merkel, Universität Rostock und Prof. Dr. Reinhard Merkel, Universität Hamburg. Anwesend war auch der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Winfried Hassemer, der am nächsten Tag über das Thema "Strafe muss sein" sprach.

PSt Dr. Stadler verteidigte trotz der neueren Forschungen (u.a. von Prof. Dr. Grischa Merkel), die aufgrund neurobiologischer Abläufe die These von der freien Willensentscheidung von Straftätern in Frage stellt), das geltende Konzept des Schuldstrafrechts. Stadler verwies auf die eingriffslimitierende Funktion des Schuldbegriffs, was auch ein Vorzug gegenüber dem von Arno Plack in den Siebziger Jahren vorgetragenen Konzepts der reinen Maßregelreaktionen sei (Plack: "Plädoyer für die Abschaffung des Strafrechts").

Prof. Dr. Reinhard Merkel sah ebenfalls keine echte Alternative zum Strafrecht, trat aber dafür ein, den Straftatenkatalog zu durchforsten. Insbesondere verhielt er sich skeptisch zu Delikten, mit denen Meinungsäußerungen pönalisiert würden. PSt Stadler verwies darauf, dass ein Teil dieses Anliegens demnächst erfüllt werden wird: Mit dem Gesetz zum Schutz der Pressfreiheit, das schon im ersten Durchgang vom Bundesrat beraten worden ist, wird die Koalition klarstellen, dass Journalisten sich bei Nutzung interner Behördeninformationen nicht wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat strafbar machen.

Zu Stadlers Bericht aus der Bundesratssitzung vom selben Vormittag (26.11.2010) über die Verschärfung des § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) merkte Moderator Prof. Dr. von Coelln allerdings an, dass der PSt noch vor einigen Monaten in der ZRP diese Änderung abgelehnt habe, aber dass es verständlicherweise auch Koalitionsrücksichtsnahmen gebe.

Prantls Verdikt jeglichen "Feindstrafrechts" wurde von Stadler ausdrücklich unterstützt, zumal - so der PSt - in der Terrorismusdebatte der letzten Tage wieder einige Elemente des "Feindstrafrechts" aufgetaucht seien. Zustimmung fand auch Grischa Merkels und Prantls Forderung, den Resozialisierungsgedanken im Strafvollzug wieder stärker zu betonen.

Damit kam die Diskussion zu dem Thema "Sicherungsverwahrung", denn PSt Stadler äußerte die Erwartung, dass gerade aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember 2009 der Vollzug der Sicherungsverwahrung künftiger therapeutischer ausgerichtet sein würde.

Ganz aktuell konnte Stadler dem Auditorium berichten, dass sich die Rechtspolitiker der Koalition vor wenigen Stunden auf die endgültigen Formulierungen der Reform der Sicherungsverwahrung geeinigt hätten. Dabei sei der Katalog der Anlasstaten noch einmal deutlich reduziert worden. Prof. Reinhard Merkel begrüßte insbesondere, dass künftig die nachträgliche SV entfallen wird, und maß der elektronischen Fußfessel durchaus präventive Wirkung zu.

Trotz Stadlers Hinweis, dass das ThUG nur für einen begrenzten Täterkreis eine neue Unterbringungsmöglichkeit schaffe, weil nach der EMRG-Entscheidung eine Ausnahmesituation entstanden sein, übte Prantl gerade an dieser Neuerung heftige Kritik. Es sei insbesondere unvertretbar, Personen, die nach dem EMRG-Urteil schon in Freiheit entlassen worden seien, wieder in Unterbringung zu nehmen.

Dennoch schloss Prantl mit dem Fazit, es sei sehr wichtig und wohltuend, dass jetzt an der Spitze des Bundesjustizministeriums besonnene und maßvolle Verfechter einer liberalen Rechtspolitik stünden.


FDP-Politiker fordert mehr Schutz für Bankdaten

Im Swift-Abkommen zwischen der EU und den USA sollen höhere Standards festgeschrieben werden

Sigrid Averesch

BERLIN. US-Präsident Barack Obama hat es zugegeben: Nicht fehlende Informationen oder mangelhafte Kontrollen waren die Ursache dafür, dass ein Attentäter zu Weihnachten beinahe eine US-Passagiermaschine in Detroit sprengen konnte. Vielmehr seien vorhandene Daten nicht korrekt ausgewertet und an die richtigen Stellen weitergegeben worden. Als eine Konsequenz aus diesem Versagen wies der Präsident die Geheimdienste an, ihre Listen mit den Namen von Terrorverdächtigen zu überarbeiten.

Die Datensammelwut der Amerikaner gibt indes auch deutschen Politikern zunehmend zu denken. So plädieren FDP und CSU für Korrekturen beim Austausch von Bankdaten zwischen der EU und den USA. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Max Stadler (FDP), forderte für ein geplantes dauerhaftes Abkommen, das das bisherige Interimsabkommen ersetzen soll, höhere Standards als bisher. "Auf keinen Fall darf es einen unkontrollierten, automatisierten Zugriff auf die Daten von außen geben, auch nicht von befreundeten Staaten", sagte Stadler der Berliner Zeitung. Daten dürften nur auf Anforderung und unter Angabe der Verdachtsmomente herausgegeben werden.

Ende November hatten die EU und die USA vereinbart, dass die US-Sicherheitsbehörden vorerst noch neun Monate lang die Daten des Finanzdienstleisters Swift erhalten, über den der europäische Zahlungsverkehr läuft. Für das Dauer-Abkommen plädierte Stadler für eine Zweckbindung beim Datentransfer: "Die Daten dürfen nicht an Dritte weitergegeben werden können", forderte er. "Es muss sichergestellt werden, dass sie nur bei den Sicherheitsbehörden bleiben, die darauf einen Anspruch haben." Zudem müsse der Rechtsschutz der Bürger verbessert werden.

Die CSU will die Aussetzung des Abkommens. "Für die Terrorismusabwehr gibt es keinen Mangel an Daten", erklärte Markus Ferber, Chef der CSU-Gruppe im Europaparlament. "Statt mit dem Swift-Abkommen pauschal weitere Informationen über Banküberweisungen von Millionen Europäern zu sammeln, sollten erst die vorhandenen Informationen besser ausgewertet und verbunden werden."

Verhalten äußerte sich Stadler zur Einführung von Körperscannern auf den Flughäfen. "Ich warne vor vorschnellen Entscheidungen", sagte er. "Wir müssen erst die technische Entwicklung abwarten." Drei Voraussetzungen müssten erfüllt sein: So müssten die Körperscanner die Intimsphäre wahren und gesundheitlich unbedenklich sein. "Außerdem muss mit ihnen ein erheblicher Sicherheitsgewinn verbunden sein", sagte der FDP Politiker. Er bezweifelte, dass die Geräte noch dieses Jahr eingeführt werden.

Unterdessen ist der verhinderte Flugzeugattentäter erstmals vor Gericht erschienen. Ein Richter verlas die Anklage, die ihn unter anderem des versuchten Einsatzes einer Massenvernichtungswaffe beschuldigt. Der 23-Jährige schwieg dazu. Seine Pflichtverteidigerin Miriam Siefer sagte, "zum derzeitigen Zeitpunkt" plädiere ihr Mandant in allen sechs Punkten auf nicht schuldig.

FDP kommt wieder

Natürlich hat Max Stadler gleich geantwortet. Es sei schon schmerzlicher für die Passauer Liberalen, den Politischen Aschermittwoch an die Straubinger Parteifreunde verloren zu haben. Das niederbayerische Landesvorstandsmitglied Gerhard Drexler aus Freyung hätte sich mächtig für Passau ins Zeug gelegt, aber mit der schönen Fraunhofer-Halle habe man nicht konkurrieren können. Dennoch: Der Politische Aschermittwoch der FDP in der guten, alten Peschl-Terrasse sei Tradition. Auch Stadler sagt: „Lieber ein überfüllter kleinerer Saal als eine halbleere große Halle.“ Immerhin hat er von „seiner Ministerin“ Sabine Leutheusser-Schnarrenberger schon das Versprechen erhalten, dass 2011 wieder neu entschieden wird. „Unser rühriger Kreisvorsitzender Korbinian Faltner und der Passauer FDP-Ehrenvorsitzende Rolf Frommelt werden mit mir gemeinsam alles dafür tun, dass Passau die FDP-Hochburg bleibt. Da gehört einfach der Aschermittwoch dazu.“

Bahngleise erhalten kirchlichen Segen

Fürsteneck. Sicher hat es das an den Gleisen der Ilztalbahn in diesem Abschnitt noch nie gegeben: Die mit Maschineneinsatz und viel ehrenamtlichem Einsatz des Fördervereins Ilztalbahn sanierte Schadstelle in Hutthurm-Voglöd unmittelbar am Bahnhof Fürsteneck wurde abschließend von Pfarrer Markus Krell aus Röhrnbach gesegnet.
Krell in seinem Segensgebet: „Unser Leben scheint oft sehr eingefahren zu sein, auf einem ganz bestimmten Gleis zu verlaufen. Gerade Jesus ermutigt uns aber dazu, auch einmal die eingefahrenen Gleise zu verlassen und eine Nebenstrecke zu befahren, die uns über den Tellerrand schauen lässt, die uns neue, engagierte Menschen kennenlernen lässt und andere Sicht- und Denkweisen.“
Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler (FDP) und MdL Eike Hallitzky (Grüne) betonten vor Ort die Bedeutung der Reaktivierung der Bahn für die gesamte Region, sowie deren grenzüberschreitende Wirkung und boten ihre weitere Unterstützung an. Stadler: „Lassen Sie nicht nach, sich für diese Reaktivierung einzusetzen. Die Region wird nie mehr Gleise bekommen, wenn sie einmal abgebaut sind. Diese Verkehrsinfrastruktur muss erhalten bleiben.“
MdL Hallitzky betonte in der anschließend stattfindenden kleinen Feierstunde, dass „die erstellten Gutachten der Bayerischen Eisenbahngesellschaft von 1998, das ITB-Konzept des Grenzüberschreitenden Freizeitverkehrs Donau-Ilz-Moldau und die soeben veröffentlichte Struktur- und Potenzialanalyse der Euregio vor allem im Bereich des derzeit nicht vorhandenen Wochenendverkehrs absolut deckungsgleich sind.“ Hallitzky: „Damit ist jetzt hoffentlich nach elf Jahren allen Akteuren klar geworden, dass wir mitten in Europa endlich einen Lückenschluss der Bahnlinien nach Böhmen brauchen. Dies trifft zuallererst auf die touristischen Wochenendverkehre im Korridor Passau - Nationalparkregion Bayerischer Wald/Sumuva zur Verbindung der Tourismusregionen beiderseits der Grenze zu“.
MdL Bernhard Roos (SPD) machte darauf aufmerksam, dass etwa ein Tausendstel der zur Rettung der „Hypo Alpe Adria/Bayerische Landesbank“ benötigten Gelder für eine Grundsanierung der Bahnstrecke reichen würden.
Die etwa 60 anwesenden Vereinsmitglieder ließen die würdevolle Feierstunde im Gasthaus „Zur Linde“ in Voglöd bei einer deftigen Brotzeit gut gelaunt ausklingen. - coy

Neue Passau Uhr – so tickt Dr. Max Stadler wirklich!

Wer schon immer wissen wollte, wie der Passauer FDP-Staatssekretär Dr. Max Stadler
wirklich tickt: Hier die Antwort! In seinem Berliner Büro hängt nämlich seit kurzem
eine schicke Passau-Uhr.
Oberbürgermeister Jürgen Dupper hatte Stadler nach dessen Ernennung zum
Parlamentarischen Staatssekretär eine Passau-Uhr geschenkt - ein sehr praktisches Präsent für den FDP-Mann, da in seinem neuen Amtszimmer bis dahin ein Zeitanzeiger fehlte.
Inzwischen ist das schicke Gerät mit den symbolisierten charakteristischen Dreiflüsse-
Domtürmen im Büro des Staatssekretärs in der Berliner Mohrenstraße aufgehängt worden.
Der Dreiflüsse-Ticker zeigt nicht nur zuverlässig die Zeit an, sondern „erinnert mich auch in
Berlin stets daran, was die Uhr in Passau geschlagen hat", kommentierte Stadler schmunzelnd

Europaregion als gemeinsames Ziel

Mitgliederversammlung der „Politischen Arbeitsgemeinschaft Unterer Bayerischer Wald“

Stellten sich zum traditionellen Familienfoto:  Arge-Geschäftsführer Kaspar Sammer mit Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer, Bezirksrat Horst Wipplinger, Altlandrat Alfons Urban, Botschafter Johannes Haindl, MdL Alexander Muthmann, Bürgermeister Josef Federhofer (Hauzenberg), Staatsminister Helmut Brunner, Bezirkstagsvizepräsident Max Brandl, Ehrenmitglied Bruni Irber, Staatssekretär Dr. Max Stadler, Regierungspräsident Heinz Grunwald, Landrat Ludwig Lankl, Europaabgeordneter Manfred Weber, Rosmarie Wagner von der Arge-Geschäftsstelle, Dr. Lenka Houskova, MdL Eike Hallitzky, Uni-Präsident Prof. Albert Schweitzer, MdL Walter Taubeneder, MdB Barthl Kalb, Heinrich Schmidhuber, Bürgermeister Dr. Olaf Heinrich (Freyung) und OB Jürgen Dupper. /(Foto: Peter)

Von Norbert Peter
*Freyung. *Am 24. April 1964 wurde die „Politische Arbeitsgemeinschaft Unterer Bayerischer Wald“ gegründet - seit diesem Tag hat dieser Verbund nichts von seiner Vitalität und Leistungsbereitschaft verloren. Ganz im Gegenteil - in den über 40 Jahren wurden die Herausforderungen immer größer. Bei der Mitgliederversammlung im Landhotel Brodinger stand diesmal unter Leitung des Vorsitzenden Jürgen Dupper, Oberbürgermeister der Stadt Passau, der Aufbau der „Europaregion Donau-Moldau“ im Mittelpunkt.
Staatsminister Helmut Brunner betonte dazu in einem politischen Statement, es gehe für die Region im Dreiländereck um die Nutzung von Chancen in der Globalisierung, „denn im Vergleich zu modernen Infrastrukturen großer Metropolen bestehen Defizite“. Prognosen sagen für den Bayerischen einen Bevölkerungsschwund vorher. „Vitale Gemeinden und Regionen sind aber das Rückgrat lebensfähiger ländlicher Räume, und das muss unser Ziel sein.“ Globale Herausforderungen erfordern grenzübergreifende Lösungen - eben die Europaregion „Donau-Moldau“.
„Die EU eröffnet Chancen, die wir nutzen sollten“, betonte Brunner. Daher müssten finanzielle Mittel zur Förderung grenzüberschreitender Zusammenarbeit für die nächste Finanzperiode von 2013 bis 2020 gesichert werden.
An Themen sollten dabei aufgegriffen werden: Länderübergreifende Projekte im Bereich des ländlichen Tourismus, Ausbau der Regionalvermarktung, Intensivierung der forstwirtschaftlichen Zusammenarbeit, ein internationales Cluster-Management, vernetzte Bildung von Fachhochschulen und der Universitäten Passau, Linz, Budweis und Pilsen, grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Agrar- und Umweltbereich.
Aber: „Die Politik kann nur die notwendigen Plattformen schaffen und Denkanstöße geben, die Projekte müssen von den Städten und Kommunen kommen“, erklärte Brunner. Die Bayerisch Staatsregierung werde Ideen unterstützen im Hinblick auf den historischen und europäischen Auftrag. „Dafür werde ich mich einsetzen, die ländlichen Räume wettbewerbsfähig und auch lebensfähig zu machen. Die Europaregion Donau-Moldau kann dabei den richtigen Impuls geben.“
Doch wie sieht und fördert die EU ein derartiges Gebilde? Europaabgeordneter Manfred Weber teilte mit, dass ein Europäischer Verband für territoriale Zusammenarbeit „EVTZ“ möglich sei. Inhalt dieses EVTZ sei, dass die harmonische Entwicklung eine territoriale Zusammenarbeit voraussetzt. Mit der Bildung der Europaregion Donau-Moldau wäre ein Eckpfeiler geschaffen.
In der derzeitigen Konzentrierungsphase sei es ein Glücksfall, so Weber, dass der Österreicher Hahn als EU-Kommissar die Strukturpolitik leiten wird, der auch Bayern bestens kennt - „und da kann es dann rund laufen“. Den Metropolregionen solle man mit Regionalmetropolen begegnen, erklärte Weber. Aber dazu sollte man nicht mit leeren Papieren nach Brüssel reisen, sondern mit konkreten und ausgereiften Vorhaben und Projekten. „Die Europaregion Donau-Moldau ist ein Zukunftsmodell, das auch Erfolg verspricht.“
Doch ganz in trockenen Tüchern ist der Aufbau der „Europaregion Donau-Moldau“ hinsichtlich der Förderung noch nicht, informierte Arge-Geschäftsführer Kaspar Sammer. Bis Juli 2012 seien die Vorarbeiten zu leisten, um eine Organisationsstruktur für die Europaregion zu schaffen, thematische Schwerpunkte mit mittelfristigen Entwicklungszielen und Strategien zu setzen.Während der Aufbau Österreich-Tschechien mit 450 000 Euro und Bayern-Österreich mit 337 500 Euro ohne Widerstände genehmigt wurden, kam aus der Oberpfalz und aus Pilsen ein Veto für die ausgearbeitete Struktur Bayern-Tschechien, für die 345 000 Euro angesetzt sind. In weiteren Verhandlungen will man nun erreichen, dass auch dieses Projekt umgesetzt werden kann. Das Verhalten der Oberpfälzer entfachte den Unmut der Arge.
Bundestagsabgeordneter Barthl Kalb erinnerte, dass es möglich sein müsste, so schnell wie bei der Grenzöffnung eine Ebene der Zusammenarbeit zu finden. Landrat Ludwig Lankl meinte, es sei eine Diskussion entstanden, die zu keiner Konfrontation führen dürfe.
Botschafter Johannes Haindl von der Deutschen Botschaft in Prag sah in seinen „Perspektiven der deutsch-tschechischen Zusammenarbeit“ die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft Unterer Bayersicher Wald von grundlegender Bedeutung. Er könne keine Probleme in der bilateralen Zusammenarbeit feststellen, betonte Haindl. „Deutschland und Tschechien sind ein Zukunftsland - und mit guten Projekten sollte man darauf bauen“, meinte Johannes Haindl.
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Max Stadler vom Bundesministerium der Justiz betonte, „die Zeiten sind derzeit politisch nicht einfach“. Im grenzüberschreitenden Konzept wurde mit der tschechischen Republik ein Übereinkommen zur gemeinsamen Bekämpfung der Kriminalität vereinbart.
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen meinte, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit brauche auch Wege, um zueinander zu kommen.

Stadler hat auch in Berlin den Landkreis am Hals

Passau. Bei seinem Empfang für die beiden neuen Passauer Staatssekretäre hatte
Landrat Franz Meyer Max Stadler und Andreas Scheuer als Geschenk je eine
Landkreiskrawatte überreicht. Während Scheuer den Binder sofort an Ort und Stelle
im Landratsamt anlegte, versprach sein FDP-Kollege, dies demnächst im Plenum des
Bundestags nachzuholen. Gesagt, getan: Am vergangenen Freitag saßen die beiden
Passauer in Vertretung ihrer Minister gemeinsam auf der Regierungsbank. Und bei
dieser Gelegenheit löste Stadler sein Versprechen ein: Er trug die Landkreis-
Krawatte.

Blick nach vorne

Der Passauer FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Max Stadler erklärte nach der ersten Sitzung der FDP-Landesgruppe in Berlin, dass sich die Liberalen künftig verstärkt um die regionalen bayerischen Interessen kümmern würden. Dazu sei eine kollegiale Zusammenarbeit mit den Abgeordneten aus den Reihen des Koalitionspartners CSU erforderlich. "Der Konkurrenzkampf aus der Vorwahlzeit ist Vergangenheit - jetzt geht es um ein gemeinsames Engagement für die Zukunft der Region.", betonte Stadler. Die Wählerinnen und Wähler hätten in Passau dem direkt gewählten CSU-MdB Dr. Andreas Scheuer und ihm - Stadler - als Mitglieder der künftigen Regierungsfraktionen eine besondere Verantwortung auferlegt, die örtlichen Probleme miteinander anzupacken. "Die Themen liegen auf der Hand: Erhalt von Arbeitsplätzen, schneller Internetzugang, Verkehrsinfrastruktur, raschere Zugverbindung nach München, Gesamtkonzept für das Dreiländereck Niederbayern, Oberösterreich, Südböhmen.", meinte Stadler.

Der FDP-Politiker plädierte dafür, die früher üblichen regelmäßigen Gesprächsrunden mit Oberbürgermeister Jürgen Dupper und Landrat Franz Meyer wieder zu intensivieren. Stadler verwies zudem darauf, dass die bayerische FDP-Landesgruppe mit vierzehn Abgeordneten so groß wie nie zuvor sei. Auch die FDP-Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger habe sich in der ersten Fraktionssitzung dafür ausgesprochen, dieses verstärkte Gewicht der bayerischen Liberalen in Berlin in die Waagschale zu werfen, um bayerische Themen im Bund anzusprechen. Stadler ergänzte, dass die FDP-Landesgruppe dabei auch den kurzen Draht zum bayerischen Wirtschaftsminister Martin Zeil und zu Wissenschaftsminister Dr. Wolfgang Heubisch (beide FDP) nutzen wolle.  Man werde auch den Freyunger Stadt- und Kreisrat Gerhard Drexler, der erster Nachrücker für den Bundestag sei, in die Arbeit einbeziehen, zumal Drexler dem FDP-Landesvorstand angehört.

Für seine eigene Arbeit wies Stadler darauf hin, dass mit Ablauf der Legislaturperiode auch der BND-Untersuchungsausschuss beendet sei. Die Tätigkeit in diesem Ausschuss sei zwar hochinteressant und wichtig gewesen, habe aber viel Zeit in Anspruch genommen. Die durch den Wegfall des Untersuchungsausschusses gewonnene Zeit wolle er vorrangig für die Wahlkreisarbeit verwenden.

BND-Untersuchungsausschuss war richtig, wichtig und erfolgreich

Hat sich die damalige rot-grüne Regierung entgegen aller Beteuerungen doch am Irak-Krieg mitgewirkt? Gaben die zwei Agenten des Bundesnachrichtendienstes in Bagdad den US-Streikräften kriegsdienliche Hinweise? Um dies herauszufinden, hatte sich der BND-Untersuchungsausschuss im April 2006 konstituiert. Die Gremiumsmitglieder versuchten des weiteren zu klären, warum der türkischstämmige Bremer Murat Kurnaz so lange unschuldig im US-Gefangenenlager Guantanamo einsitzen musste und warum sich Flugzeuge des US-Geheimdienstes CIA mit entführten Gefangenen unbehelligt im deutschen Luftraum bewegen konnten.

Drei Jahre nach Beginn der Untersuchung bezeichnete Max Stadler die Arbeit des Untersuchungsausschusses als "notwendig und erfolgreich". Nur ein solches Gremium habe die Ergebnisse zu Tage befördern können, die dem Bundestag jetzt vorliegen, betonte Stadler. Für ihn steht fest: Die Rechte Einzelner mussten unter der rot-grünen Regierung hinter die "Grundräson der Sicherheit" zurücktreten.

Konkret nannte Stadler drei Ergebnisse: Seiner Ansicht nach steht fest, dass der BND rechtswidrig Journalisten bespitzelt hat. Damit hat der Dienst in die Persönlichkeits- und Pressefreiheitsrechte eingegriffen. Zum zweiten hat die rot-grüne Regierung durch den BND Informationen aus Bagdad an die USA übermittelt. Diese hätten nicht unerhebliche Bedeutung für die Kampfhandlungen gehabt, so Stadler. Drittens hat das "offizielle Nein" der Bundesregierung dazu geführt, dass Deutschland weitere Streitpunkte mit den USA vermeiden wollten. Dies hatte nach Überzeugung Stadlers die Konsequenz, dass sich die Regierung, insbesondere der damalige Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD), nicht um eine Freilassung des in Guanatanamo inhaftierten Murat Kurnaz bemüht habe. Obwohl gegen Kurnaz keine stichhaltigen Beweise vorgelegen haben, monierte Stadler.

Nach Ansicht Stadlers ist in dieser Zeit ein fataler Paradigmenwechsel vollzogen worden. Statt "im Zweifel für die Freiheit" zu entscheiden habe die damalige Regierung nach dem Motto "im Zweifel für die Sicherheit" gehandelt. Zudem steht für Stadler der BND-Einsatz in Bagdad im Widerspruch zur öffentlich definierten Irak-Politik der rot-grünen Bundesregierung und vor allem zu den Wahlkampfäußerungen von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD).

60 Jahre Grundgesetz - Vortrag in Nürnberg

Die Entstehung des Grundgesetzes ist aus dem historischen Kontext heraus zu verstehen. Das Grundgesetz war sowohl eine Antwort auf die Schwächen der Weimarer Republik und ist deshalb als „wehrhafte Demokratie“ ausgestaltet worden, als auch eine Antwort auf die Tyrannei des Nationalsozialismus - deshalb sind die Grundrechte besonders betont worden.

Im Organisationsteil hat das Grundgesetz Fehler der Weimarer Verfassung vermieden. Die Vorschriften sind daher zum Teil sehr vorsichtig angelegt. Nachdem sich in sechs Jahrzehnten in Deutschland eine stabile Demokratie entwickelt hat, könnte auch an der einen oder anderen Stelle eine Änderung vorgenommen werden (während es dringend erforderlich ist, die Grundrechte in ihrer Substanz zu bewahren!).

Beispielsweise hat das Grundgesetz bewusst keine Direktwahl des Bundespräsidenten vorgesehen, um ihm nicht dieselbe Stellung wie dem Reichspräsidenten in der Weimarer Republik zuzuweisen. Der wiedergewählte Bundespräsident Horst Köhler hat selbst zu erwägen gegeben, ob es nicht mittlerweile an der Zeit wäre, die Direktwahl des Bundespräsidenten einzuführen.

Auch die Zurückhaltung des Grundgesetzes gegenüber Plebisziten sollte dazu dienen, dass sich eine stabile repräsentative Demokratie entwickelt. Wegen der guten Erfahrungen in den Ländern mit Volksbegehren und Volksentscheiden könnten auch an dieser Stelle - wie ebenfalls Bundespräsident Köhler vorgeschlagen hat - vorsichtige Schritte in Richtung mehr direkte Demokratie erwogen werden. Beispielsweise wäre an das sogenannte kassatorische Referendum zu denken, mit dem Gesetzbeschlüsse des Bundestages per Volksentscheid aufgehoben werden können. Dann bliebe gleichwohl die Gesetzgebungshoheit beim Repräsentativorgan Bundestag (und Bundesrat).

Auch die Institute der Grundrechtsverwirkung und des Parteienverbots (dazu gibt es ja die aktuelle NPD-Debatte) sind Elemente der wehrhaften Demokratie. Bewusst hat das Grundgesetz im Sinne einer Gewaltenteilung - auch auf Wunsch der Alliierten - dem Bundesrat und damit den Bundesländern eine starke Stellung zugewiesen. Dies führte allerdings in der Praxis zum Beispiel in den 90er Jahren zu einer Art Blockadepolitik, als Lafontaine als damaliger Ministerpräsident des Saarlands über den Bundesrat eine notwendige Steuersenkung verhinderte.

Aus diesem Grund wurde versucht, die Zuständigkeiten durch eine Föderalismusreform besser zu verteilen. Dieser Reform fehlt aber eine klare Linie.

Insgesamt haben sich die stabilisierenden Elemente im Organisationsteil des Grundgesetzes bewährt und verhindert, dass die Demokratie so wie in der Weimarer Republik gefährdet gewesen wäre. Einzelne Änderungen könnten daher durchaus ohne Schaden gewagt werden.

Weniger eine Antwort auf Weimar als eine Antwort auf die Nazizeit ist die geradezu revolutionäre Entscheidung der Väter und Mütter des Grundgesetzes, den Grundrechtsteil an die erste Stelle der Verfassung zu setzen noch vor dem Organisationsteil. Insbesondere wurde bewusst die Menschenwürde in Artikel 1 des Grundgesetzes verankert. Diese Bestimmung wie auch der Kern der Grundrechte sind unabänderlich.

Darin kommt die Erkenntnis von Carlo Schmid zum Ausdruck: „Der Staat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Staat“.

Hinsichtlich der Grundrechte muss man als Liberaler „konservativ“ sein, dass heißt sie sind zum Teil unabänderlich, zum Teil müssen sie jedenfalls im Kern bewahrt bleiben.

Das bedeutet, dass die Grundrechte des einzelnen Individuums beachtet werden müssen. Dies ist beispielsweise, wie der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages herausgearbeitet hat, bei den Methoden der Terrorismusbekämpfung nach dem 11.09.2001 nicht immer beachtet worden (Fälle Kurnaz, Kafaghy, El Masri).

Durch die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich bei Grundrechtseingriffen folgende Dreistufigkeit:

1) Manche Eingriffe sind gänzlich unzulässig (Beispiele: Folter; Überwachung des Kernbereichs privater Lebensführung; Entscheidung des BVG zum Luftsicherheitsgesetz). Das Bundesverfassungsgericht bezieht sich hierbei des öfteren auf die Menschenwürde, weil diese nicht relativierbar ist, auch nicht durch EU-Recht!

2) Manche Engriffe in Bürgerrechte sind zulässig, unterliegen aber dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Genau dies ist nach dem 11.09.2001 von den deutschen Behörden häufig nicht eingehalten worden.

3) Schließlich gibt es das Prinzip, notwendige Grundrechtseingriffe zumindest durch geeignete Verfahrensregelungen unter Kontrolle zu halten („Grundrechtsschutz durch Verfahren“). Deshalb gibt es etwa bei Maßnahmen wie Telefonüberwachungen den Richtervorbehalt. Die FDP lehnt es ab, Eilzuständigkeiten zu schaffen - wie dies die Koalition beim BKA-Gesetz versucht hat, - um den Richtervorbehalt zu umgehen. Außerdem hat die FDP darauf hingewirkt, dass die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste durch den Gesetzgeber verbessert wird.

Die Hauptgefährdungen für die Grundrechte gehen leider vom Gesetzgeber aus. Das Bundesverfassungsgericht musste in den vergangenen Jahren in einer Vielzahl von markanten Entscheidungen Gesetzesbeschlüsse wegen Verfassungswidrigkeit aufheben. Es ist die Aufgabe des Gesetzgebers, nicht darauf zu warten, was Karlsruhe sagt, sondern von selbst für eine verfassungskonforme Gesetzgebung zu sorgen.

In der an sich wünschenswerten und notwendigen internationalen Zusammenarbeit gehen bisweilen rechtsstaatliche Standards verloren. Beispielsweise gibt es einen umfangreichen Datenaustausch (Stichwort: Abkommen über Austausch von Passagierdaten im Flugverkehr mit den USA), wobei der datenschutzrechtliche Standard nicht immer gewahrt ist. Hier besteht Nachbesserungsbedarf.

Schließlich führt auch die weitere Entwicklung der Europäischen Union zu neuen Problemen beim Grundrechtsschutz. Die FDP als Europapartei befürwortet aus voller Überzeugung die weitere europäische Integration. Die FDP-Bundestagsfraktion hat daher zu Recht auch für den Lissabonvertrag gestimmt.

Die europäische Gerichtsbarkeit ist aber schon aus praktischen Gründen derzeit noch nicht in der Lage, einen vollständigen Grundrechtsschutz zu gewährleisten, wie ihn das Bundesverfassungsgericht so erfolgreich praktiziert. Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sind 80.000 Verfahren anhängig, die Verfahrensdauer beträgt fünf bis neun Jahre. Die Entscheidungen haben keine unmittelbar bindende Wirkung für die Mitgliedsstaaten. Zum Europäischen Gerichtshof gelangt man nicht durch individuelle Verfassungsbeschwerde, sondern ist auf eine Richtervorlage angewiesen.

Unter diesen Umständen ist es wünschenswert, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem im Juni 2009 zu erwartenden Lissabon-Urteil sich die Prüfungskompetenz zur Wahrung des Grundrechtsschutzes weiterhin vorbehalten wird. Die „Solange“ - Rechtssprechung muss aktualisiert werden. Noch ist der Zeitpunkt nicht gekommen, in dem der Grundrechtsschutz durch die europäischen Institutionen in vollem Umfang übernommen werden könnte.

Bleibt das Bundesverfassungsgericht ein Verfassungsgericht?

(Überarbeitete Fassung eines Beitrags für "Ossietzky", Zweiwochenschrift für Politik/Kultur/Wirtschaft, dort in der ursprünglichen Version erschienen am 18.4.2009)


Für Mitte Mai 2009 wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon erwartet. Niemand glaubt im Ernst daran, dass die Klage der Linken, der Ökolgisch-Demokratischen Partei sowie des CSU-Politikers Peter Gauweiler dieses Vertragswerk der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu Fall bringen wird. Aber in einem Detailaspekt hoffe auch ich als Befürworter des Lissabon-Vertrags auf ein Wort der Karlsruher Richter in eigener Sache. Denn die EU zieht immer mehr Kompetenzen an sich, auch hinsichtlich der Rechtsprechung. Namhafte innenpolitische Kommentatoren wie etwa Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung befürchten daher eine Entmachtung des Bundesverfassungsgerichts durch den Lissabon-Vertrag, indem der Grundrechtsschutz künftig (nicht nur hinsichtlich der EU-Rechtsakte)ausschließlich dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zukomme.

Diese Entwicklung wird von Bürgerrechtlern skeptisch beurteilt und zumindest als verfrüht angesehen. Zuletzt hat der EuGH am 10. Februar 2009 eine Klage gegen die Vorratsdatenspeicherung abgewiesen, während gleichzeitig sich in Deutschland die umfangreichste Verfassungsbeschwerde aller Zeiten mit über 30.000 Beschwerdeführern dagegen wendet, dass Telekommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger ohne Verdacht für staatliche Zwecke gespeichert werden. Deren Hoffnungen richten sich nach dem Fehlschlag in Luxemburg nunmehr auf Karlsruhe. Dem EuGH traut man noch nicht dasselbe Maß an Grundrechtssensibilität zu.

Ähnlich argumentierte bisher das Bundesverfassungsgericht selbst in seiner berühmtem „Solange I-Entscheidung". Solange auf der EU-Ebene nicht derselbe Standard an Grundrechtsschutz erreicht sei wie in Deutschland, behalte sich das Bundesverfassungsgericht die Zuständigkeit hierfür vor. Dies wurde durch die "Solange II- Entscheidung" scheinbar revidiert. tatsächlich hatte sich das BVerfG auch dort weiterhin eine Grundprüfungskompetenz vorbehalten.

Nicht nur die Gegner, sondern auch viele Befürworter des Lissabon-Vertrags hoffen darauf, dass bei der Urteilsverkündung im Mai 2009 diese „Solange“-Rechtsprechung fortgesetzt wird und sich Karlsruhe selbst die Kompetenz für den Grundrechtsschutz erhält. Eine Abtretung gerade dieser Kompetenz an EU-Institutionen wäre wohl ein unkalkulierbares Risiko.

Dies zeigt, dass das Bundesverfassungsgericht nach wie vor höchstes Ansehen genießt und dass die Bürgerinnen und Bürger ihm am meisten vertrauen, wenn es um den Schutz der Bürgerrechte geht. Von der Verfahrensordnung her ist dies durch das – grundgesetzlich abgesicherte – Institut der Verfassungsbeschwerde möglich geworden. Andere Prozessarten wie die Normenkontrolle, die beispielsweise ein Drittel der Mitglieder des Bundestags einreichen kann, spielen praktisch keine so große Rolle. Die Verfassungsbeschwerde ist zwar keine Popularklage. Sie gestattet es nicht, dass jeder Bürger ein Gesetz in Karlsruhe auf seine Verfassungsmäßigkeit hin überprüfen lassen könnte. Aber jeder, der selbst in seinen Grundrechten betroffen kann, ist befugt, Verfassungsbeschwerde zu erheben. Damit ist die Möglichkeit eröffnet worden, dass der Gesetzgeber immer damit rechnen muss, von den Karlsruher Richtern am Maßstab des Grundgesetzes gemessen zu werden. Beispielsweise konnte jeder Flugpassagier geltend machen, er könne vom Luftsicherheitsgesetz, das den Abschuss entführter Passagiermaschinen erlauben wollte, möglicherweise persönlich betroffen sein. Dies genügte, damit Verfassungsbeschwerden wegen möglicher Beeinträchtigung des Grundrechts auf Leben zulässigerweise erhoben werden konnten; sie waren auch begründet und damit insgesamt erfolgreich.

Dass die Verfassungsbeschwerde zu einer Erfolgsstory im Sinne der Bürgerrechte geworden ist, liegt aber selbstverständlich nicht nur an Zulässigkeitsregelungen, sondern vor allem daran, dass die Karlsruher Richter über die Jahre hinweg einen klaren inhaltlichen Kurs strikt eingehalten haben. Dies hat sich besonders nach dem 11.9.2001 bestätigt, als es geradezu zu einer Polarisierung zwischen Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht gekommen ist. Sowohl der Bundestag als auch viele Landtage verfolgten mehrheitlich die Devise „Sicherheit zuerst“. Karlsruhe beharrte dagegen auf dem Freiheitsgehalt des Grundgesetzes.

Somit kam es in den letzten fünf Jahren zu einer dramatischen Abfolge von markanten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts: Karlsruhe verwarf den großen Lauschangriff in der ursprünglichen Fassung, rügte einen Kompetenzverstoß bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung, hielt die Telekommunikations- und Postüberwachung durch das Zollkriminalamt für verfassungswidrig und entschied gegen die vorbeugende Telefonüberwachung. Der Europäische Haftbefehl und das Luftsicherheitsgesetz wurden für nichtig erklärt, die Rasterfahndung ohne konkreten Anlass wurde verworfen, beim Online-Zugriff auf Kontostammdaten sahen die Richter den Bestimmtheitsgrundsatz als verletzt an. Mit dem Cicero-Urteil wurde die Pressefreiheit gestärkt, die heimlichen Online-Durchsuchungen nach Muster des Landes NRW wurden für nichtig erklärt, ebenso die automatische Kennzeichenerfassung. Schließlich wurden Teile der Vorratsdatenspeicherung sogar durch einstweilige Anordnung außer Kraft gesetzt. Genauso verfuhr das Gericht zuletzt mit dem bayerischen Versammlungsgesetz. Immer ging es darum, unverhältnismäßige Eingriffe in die verbrieften Grundrechte abzuwehren.

Diese eindrucksvolle Bilanz führte auch jüngst wieder zu Gegenreaktionen aus der Politik. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ließ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 8. März 2009 wissen, das Gericht mische sich zu sehr in die Politik ein. Dieses Empfinden hatten Politiker auch schon in früheren Zeiten. Von Herbert Wehner, einem führenden Sozialdemokraten, wurde der Ausspruch kolportiert, man lasse sich doch die Ostpolitik nicht Karlsruhe kaputtmachen. Wehner hat dies in seiner ihm eigenen Art mit einer hier nicht zu zitierenden unflätigen Wortwahl formuliert, die heute nicht mehr gesellschaftsfähig wäre. Aber dahinter steckte die Grundsatzfrage, ob es Bereiche gibt, die nicht justiziabel sind, etwa Fragen des richtigen außenpolitischen Kurses. Sollte es der sozialliberalen Koalition in den Siebziger Jahren wirklich von Verfassungs wegen verboten sein, einen Ausgleich mit der UdSSR und mit Polen zu suchen? Am Ende hat das Bundesverfassungsgericht die Klagen gegen die Ostverträge abgewiesen, aber die Frage nach einem „judicial self restraint“, nach richterliche Selbstbeschränkung blieb.

Sie gewann Aktualität angesichts des Karlsruher Verdikts von 1975 gegen die Fristenlösung im Dauerstreit um § 218 StGB. Was ist noch richterliche Auslegung der Verfassung und wo beginnen die Richter, selbst Politik zu machen? Sind wirklich dem Grundgesetz Vorgaben für Steuersätze (Halbteilungsgrundsatz) zu entnehmen, wonach die steuerliche Belastung der Bürger fünfzig Prozent ihres Einkommens nicht übersteigen darf? Oder handelt es sich hierbei in Wahrheit um eine Aufgabe der Politik, endlich - wie wir Liberale seit langem fordern - für ein einfacheres Steuersystem mit niedrigeren und gerechteren Steuersätzen zu sorgen?

An diesen Beispielen wird ein Grundproblem deutlich: ein Verfassungsgericht mit so weit reichenden Konsequenzen könnte man als systemfremd ansehen, weil nur den Parlamenten die Legitimierung für politische Entscheidungen durch die Wähler erteilt wird. Wie kann es dann angehen, dass eine mehrheitlich im Parlament getroffene Entscheidung von einem Richtergremium aus acht Personen aufgehoben werden darf?

Die Antwort ist klar. Auch der Gesetzgeber unterliegt Bindungen. Er kann nicht schrankenlos seine Entscheidungen treffen, sondern ist dabei an die Verfassung gebunden. Folglich muss es eine Instanz geben, die durch Auslegung verbindlich den Inhalt der Verfassung feststellt, und die beurteilen darf, ob sich der Gesetzgeber an diesen Inhalt gehalten hat oder nicht.

Also ist das System durchaus stimmig. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Grenzen in der Vergangenheit weitgehend eingehalten und es hat umgekehrt in einer Fülle glanzvoller Entscheidungen den Grundrechten, wie sie auf dem Papier stehen, Leben eingehaucht. Mit dem berühmten „Lüth-Urteil“ vom 15.1.1958 hat es Grundrechte nicht nur im klassisch liberalen Sinne als Abwehrrechte gegen den Staat definiert, sondern aus der Gesamtheit der Grundrechte eine objektive Werteordnung entnommen. Demnach wirken die Grundrechte mittelbar auch auf das Privatrecht ein. Ein weiterer Meilenstein in der Rechtsprechungsgeschichte war das Volkszählungsurteil von 1983, mit dem der Datenschutz Grundrechtsqualität erlangte, indem aus Artikel 2 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) ein „Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“ herausgelesen wurde.

Selbstverständlich finden sich in einer bis auf den September 1951 zurückreichenden Judikatur hinreichend Urteile, die kritisch zu bewerten wären. Oft spürt man auch den Kompromisscharakter der Entscheidungsfindung, denn die Besetzung der Richterbank wird von den beiden großen Fraktionen CDU/CSU und SPD maßgeblich gestaltet. Wegen der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit gibt es einen Zwang zur Einigung, also eine faktische große Koalition auch in Zeiten anderer als der derzeitigen Regierungskonstellation. Demgemäß achteten Union und SPD immer auf eine hälftige Aufteilung in jedem der beiden Senate des Bundesverfassungsgerichts. Die Erwartung, „ihre“ Richterinnen und Richter würden dann im jeweiligen Parteisinne judizieren, wurde aber ebenso regelmäßig enttäuscht. Noch dazu gilt seit langem eine zwölfjährige Amtszeit ohne Wiederwahlmöglichkeit. Letzteres hat vermutlich die Unabhängigkeit der Verfassungsrichter von den sie vorschlagenden Parteien noch einmal erhöht. Beispielsweise wird der derzeitige Verfassungsgerichtspräsident Professor Hans-Jürgen Papier der CSU zugerechnet. Unter seinem Vorsitz ergingen aber viele der eingangs genannten bürgerrechtfreundlichen Urteile, die ganz und gar nicht der innenpolitischen Linie der CSU entsprechen.

Insgesamt hat sich Karlsruhe viel Vertrauen erarbeitet. Das geht manchmal sogar so weit, dass groteskerweise Abgeordnete entgegen ihrer eigenen Meinung (aber entsprechend der Fraktions- und Koalitionsdisziplin) einem Gesetz zustimmen in der Hoffnung, das Bundesverfassungsgericht werde korrigierend eingreifen. Genau dies erklärte freimütig der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD) bei der Verabschiedung der umstrittenen Regelung, dass aus dem Ausland nachziehende Ehegatten zuerst eine Deutschprüfung in ihrem Herkunftsstaat bestehen müssten. Edathy beugte sich der hierzu getroffenen Abmachung von CDU/CSU und SPD, brachte aber in der Plenardebatte seine Erwartung zum Ausdruck, dass Karlsruhe ein solches gegen den Grundrechtsschutz von Ehen gerichtetes Gesetz ohnehin einkassieren würde.

Der Vorgang zeigt, dass bei aller Unwägbarkeit von Verfassungsauslegung sich durch die jahrzehntelange Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts schon ein Stück Berechenbarkeit herausgebildet hat, wie Karlsruhe einen Sachverhalt bewerten wird. Diese (relative) Klarheit bietet der europäische Grundrechtsschutz offenkundig noch nicht.

Man hat früher gerne unterschieden zwischen Staatsgerichtshöfen, die Streitigkeiten zwischen Staatsorganen schlichten (Beispiel: Organklagen, wie sie auch das Grundgesetz zulässt) und Verfassungsgerichten, die (auch) dem Grundrechtsschutz dienen). Es ist kein Anflug von Nationalismus, sondern ein berechtigtes Beharren auf einem einmal erreichten Standard, wenn man auch als überzeugter Europäer hoffen darf: Das Bundesverfassungsgericht wird in der Lissabon-Entscheidung dafür sorgen, dass es kein Staatsgerichtshof wird, sondern ein echtes Verfassungsgericht bleibt.

Sollte bei Abstimmungen im Bundesrat künftig die einfache Mehrheit gelten?

Gastbeitrag für Pro und Contra in der Braunschweiger Zeitung vom 1.2.2009

Die bestehenden Abstimmungsregelungen im Bundesrat haben sich bewährt. Votiert wird vielfach nicht entlang der üblichen Parteilinien, sondern - wie es der Idee der Mitwirkung des Bundesrats entspricht - nach Länderinteressen. Diese lassen sich derzeit effektiv durchsetzen. Wenn die notwendige Mehrheit nicht erreicht wird, besteht die Möglichkeit, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Dessen praktische Erfolgsquote ist durchaus beachtlich. Er zwingt die Beteiligten zu Kompromissen. Alles in allem funktioniert das System. Deshalb müssten die Verfechter neuer Abstimmungsregeln beweisen, unabweisbarer Änderungsbedarf besteht.

Dies wäre nur der Fall, wenn der Bundesrat als Blockadeinstrument missbraucht würde. Eine solche Phase gab es in den Neunziger Jahren. Damals hat die SPD unter Lafontaine die Steuerreformpläne der schwarz-gelben Bundesregierung aus parteitaktischen Motiven verhindert.

Diese damalige Fehlentwicklung hat sich seither nicht wiederholt. Ein sachliches Bedürfnis für eine ��nderung der Abstimmungsregeln wurde daher zu Recht von keiner Seite thematisiert. Solange die große Koalition die absolute Mehrheit im Bundesrat hatte, haben weder CDU/CSU noch SPD an eine Änderung der Regeln gedacht. Erst durch die Ergebnisse der Landtagswahlen in Bayern und Hessen und den damit einhergehenden veränderten Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat wird das bisherige Verfahren plötzlich zur Disposition gestellt. Dies zeigt, dass parteipolitische Motive zu der Reformdebatte geführt haben. Solche Motive wären ein schlechter Ausgangspunkt für eine so einschneidende Veränderung der Rolle des Bundesrats.

Gerade im Interesse des Föderalismus sollte es daher bei den bestehenden Regeln bleiben.

Sollen die deutschen Geheimdienste abgeschafft werden?

(Debattenbeitrag für die Zeitung "Neues Deutschland" vom 9.1.2009)

Selten passt die Redensart, man solle das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, so gut wie auf die Forderung nach der Abschaffung der Geheimdienste. Zwar hat es im Zusammenhang mit der Arbeit der Dienste in den letzten Jahren so viele Probleme gegeben, dass der Deutsche Bundestag einen eigenen Untersuchungsausschuss eingerichtet hat. Aber schon die Bezeichnung „BND-Untersuchungsausschuss“ greift zu kurz. Überwiegend geht es um Fehler der politischen Ebene, also der jeweiligen Bundesregierung, nur zum Teil um eigenständiges Fehlverhalten des Bundesnachrichtendienstes.

Es ist nachvollziehbar, dass die Frage nach der Notwendigkeit von Geheimdiensten immer wieder gestellt wird, zumal diese in einem äußerst grundrechtssensiblen Bereich tätig sind. Das gilt aber auch für die Polizei. Trotzdem käme niemand auf die Idee, die Abschaffung der Polizei vorzuschlagen, sondern zu Recht dreht sich die Debatte darum, wie in einem Rechtsstaat die polizeilichen Eingriffsbefugnisse beschaffen sein müssen. Regelungen wie das neue BKA-Gesetz gehen weit über das Ziel hinaus. Die Folgerung kann aber nicht sein, das Bundeskriminalamt abzuschaffen, sondern ihm einen angemessenen Rechtsrahmen vorzugeben.

Ähnliches gilt für die Dienste. Auch die Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist in vielen (nicht allen!) Bereichen unerlässlich. Beispielsweise stellt das Erstarken der Neonazi-Szene den Staat vor die Notwendigkeit, Informationen auch schon im Vorfeld von Straftaten zu sammeln. Die Abwehr konkreter Gefahren ist typische Polizeiaufgabe, die Erkenntnisgewinnung im Vorfeld eine Aufgabe für den Verfassungsschutz. Es wäre gerade jetzt nicht zu verantworten, darauf zu verzichten. Selbst die Fehler, die im Zusammenhang mit dem NPD-Verbotsverfahren von 2003 begangen worden sind, als es an der Koordination der verschiedenen Verfassungsschutzämter fehlte, sind kein Argument dafür, dass die Beobachtung der rechtsextremen Szene durch den Verfassungsschutz unnötig wäre.

Legitim ist auch das Interesse der Bundesrepublik Deutschland, beispielsweise außenpolitische Entscheidungen auf einem Fundament umfassender und zuverlässiger Nachrichten treffen zu können. Auch die Informationsgewinnung mit nachrichtendienstlichen Mitteln kann zur Qualität politischer Entscheidungen beitragen.

Der umstrittene Einsatz des BND vor und während des Irak-Kriegs in Bagdad ist daher nicht schon aus dem Grunde kritikwürdig, weil die damalige rot/grüne Bundesregierung ein eigenständiges Lagebild haben wollte. Es lag vielmehr im deutschen Interesse, bei der Lagebeurteilung nicht etwa auf die Amerikaner oder Briten angewiesen zu sein. Die berechtigte Kritik setzt vielmehr an der Tatsache an, dass durch den BND militärisch relevante Informationen an die USA als Kriegspartei geliefert wurden, während der eigenen Bevölkerung gegenüber der Anschein der Nichtbeteiligung erweckt worden war. Diese zwiespältige Politik ist aber der Bundesregierung und nicht dem BND anzulasten.

Ein weiteres Faktum ist völlig unverständlich. Die Vertreter der damaligen Bundesregierung berufen sich darauf, sie hätten für die Informationsweitergabe an die Amerikaner einschränkende Kriterien formuliert. Dann wäre erwarten gewesen, dass die Einhaltung dieser restriktiven Kriterien strengstens kontrolliert worden ist. Das Gegenteil war der Fall: Kanzleramt und BND-Spitze überließen nach eigenen Angaben die Auswahl der weiterzuleitenden Informationen einem Referatsleiter beim BND. Dieses Kontrolldefizit belegt nicht, dass der Dienst unkontrollierbar sei, sondern besagt, dass das Kanzleramt seine Aufsichtsfunktion auch tatsächlich wahrnehmen muss.

Der Untersuchungsausschuss hat sich des weiteren ausgiebig mit dem Fall Murat Kurnaz befasst. Der gebürtige Bremer war fünf Jahre ohne stichhaltige Beweise in Guantanamo inhaftiert und der Folter ausgesetzt. Gegen ihn ist eine Wiedereinreisesperre nach Deutschland verhängt worden, obwohl nur vage Verdachtsmomente vorlagen. Das war rechtsstaatlich verfehlt und ist später gerichtlich beanstandet worden Die BND-Spitze war an der Vorbereitung dieser Entscheidung beteiligt, indem sie an den Beratungen in der so genannten Präsidentenrunde im Kanzleramt mitgewirkt hat. Verfügt wurde die Einreisesperre jedoch letztendlich nicht vom BND, sondern vom Bundesinnenministerium. Dort ist daher die politische Verantwortung festzumachen.

Problematisch sind auch Befragungen im Ausland, wenn die befragten Personen zuvor gefoltert worden sind (Guantanamo), oder wenn sie unter folterähnlichen Umständen inhaftiert waren. Beamte des BKA haben sich im Fall Kafaghy geweigert, unter solchen Umständen eine Vernehmung durchzuführen. Die Dienste hielten später nicht denselben rechtsstaatlichen Maßstab ein. Es wäre aber (auch) Sache der politischen Ebene gewesen, Kriterien für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Befragungen zu entwickeln.

Somit steht fest, dass manche der skandalösen Ereignisse sich zwar in Mitverantwortung des BND, aber in hauptsächlicher Verantwortung der Politik ereignet haben. Es ist zu hoffen, dass der BND-Untersuchungsausschuss dazu beiträgt, dass gerade das Kanzleramt als Aufsichtsbehörde wieder zu strikt rechtsstaatlichen Vorgaben für das Agieren des BND findet.

Gleichwohl muss jeder BND-Präsident und jede Bundesregierung penibel darauf achten, dass sich nicht Teile des Dienstes verselbständigen und damit der These von der Unkontrollierbarkeit Nahrung geben. Es ist völlig inakzeptabel, dass Weisungen, die Bespitzelung von Journalisten zu unterlassen, kurz darauf im bekannten Fall der Spiegel-Journalistin Susanne Koelbl missachtet worden sind.

Gerade solche Skandale zeigen, dass vor allem die Möglichkeiten der parlamentarischen Kontrolle effizienter ausgestaltet werden müssen. Die Vorschläge hierfür liegen auf dem Tisch, sind aber von der großen Koalition bisher vor sich hergeschoben worden. All diese politischen Versäumnisse rechtfertigen jedoch nicht die Abschaffung der Dienste.

Beharrlicher Verfechter der Errungenschaften des Rechtsstaats

Für die FDP-Bundestagsfraktion ist Dr. Max Stadler eine Art "Geheimwaffe". Er ist Obmann der FDP im BND-Untersuchungsausschuss und stellvertretender Vorsitzender im Parlamentarischen Kontrollgremium. Zwei wichtige Ämter in zwei hochbrisanten Institutionen. Außerdem leitet der Jurist den Arbeitskreis IV - Innen und Recht - der Fraktion. Im Nachgefragt-Interview erzählt Max Stadler, wie er die Daten(skandal)flut bewältigt, die Geheimdienste hinterfragt, die Regierung kritisch kontrolliert und wie er trotz allem auch noch ruhig schlafen kann.

"Nachgefragt" ist ein neues Format der FDP-Bundestagsfraktion, in dem ab sofort wöchentlich Abgeordnete im großen Interview zu Wort kommen.


Herr Dr. Stadler, Sie sind bestimmt sehr im Stress, Ihre Themen haben Konjunktur! Ob BND-Untersuchungsausschuss, BKA-Gesetz oder die Datenskandale bei großen deutschen Unternehmen – in der Innenpolitik geht es gerade hoch her. Wie schaffen Sie es, immer auf dem Laufenden zu bleiben?

Die aktuellen innenpolitischen Debatten führe ich sehr gerne, weil sie grundlegende Fragen des Staatsverständnisses und des Verhältnisses der Bürgerinnen und Bürger zum Staat betreffen. Diese Themen sind daher bestens geeignet, liberale Positionen zu verdeutlichen. Dabei hilft mir sehr, dass alle Mitglieder des von mir geleiteten Arbeitskreises IV (Innen- und Rechtspolitik) ausgewiesene Fachleute sind und wir in einem sehr kollegialen Dialog unsere Stellungnahmen zu den aktuellen innenpolitischen Fragen gemeinsam erarbeiten. Gerade bei dem besonders wichtig gewordenen Thema Datenschutz ist die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, eine Spezialistin, von deren Fachwissen auch ich sehr profitiere. Nicht zu vergessen ist die exzellente Zuarbeit durch die in diesem Politikbereich bei uns tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.


Gerade in Ihrer Funktion als Mitglied des BND-Untersuchungsausschusses und des Parlamentarischen Kontrollgremiums können Sie ja oft nicht auf die Hilfe von Mitarbeitern zurückgreifen, sondern müssen alles selbst lesen, da viele Dokumente der Geheimhaltung unterliegen. Für Sie eher Privileg oder Bürde?

Im Parlamentarischen Kontrollgremium ist man „Einzelkämpfer“. Es ist zwar ehrenvoll, wenn einem das Vertrauen entgegen gebracht wird, geheimzuhaltende Sachverhalte zu beurteilen. Dennoch hat sich bei allen Fraktion die Auffassung durchgesetzt, dass die Kontrolle der Geheimdienste noch effektiver wäre, wenn - wie in allen anderen Ausschüssen üblich - auch im Parlamentarischen Kontrollgremium eine Zuarbeit durch sachkundige Mitarbeiter zulässig wäre. Diese Frage ist Gegenstand von Gesprächen der FDP mit CDU/CSU und SPD über ein Reformgesetz. Im Untersuchungsausschuss wendet mein Kollege Hellmut Königshaus, obwohl er „nur“ stellvertretendes Mitglied ist, enorm viel Arbeitskraft auf, um mit mir gemeinsam die Sitzungen vorzubereiten und zu bestreiten. Zu zweit sind wir mit Sicherheit ein viel schlagkräftigeres Team als ich es alleine sein könnte. Zudem sind im Untersuchungsausschuss Mitarbeiter für uns tätig (dort ist dies erlaubt), die Herrn Königshaus und mir in vorbildlicher Weise bei der Bewältigung der Aufgabe helfen.


Wenn man über so viel geheimes Wissen verfügt, schläft man dann nicht manchmal unruhig?

Ich würde viel unruhiger schlafen, wenn es - trotz aller Unzulänglichkeiten - die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten nicht gäbe. Sowohl die Möglichkeit, bestimmte Vorgänge in Untersuchungsausschüssen gründlich aufzuklären, als auch die laufende Überwachung der Arbeit der Nachrichtendienste im Parlamentarischen Kontrollgremium sind wertvolle Errungenschaften der Demokratie und des Rechtsstaats.


Haben Sie das Gefühl, dass sich Ihre Mühen - z.B. im BND-Untersuchungsausschuss - lohnen?

Gerade die zeitlich äußerst aufwendige Arbeit im BND-Untersuchungsausschuss hat gezeigt, dass kaum ein anderes parlamentarisches Gremium in der Lage ist, problematische Sachverhalte so ausführlich zu behandeln wie dies dort möglich ist. Dadurch konnte herausgearbeitet werden, dass nach dem 11.09.2001 in dem verständlichen Bestreben nach Sicherheit verantwortliche Stellen rechtsstaatliche Grundsätze mehrfach nicht mehr eingehalten haben. Obwohl der Untersuchungsausschuss seine Arbeit noch nicht beendet hat, haben seine Verhandlungen und die Zwischenergebnisse auf die heutige Praxis der Sicherheitsbehörden bereits positive Auswirkungen gezeitigt. Beispielsweise ist es mittlerweile zu einer Regelung gekommen, dass im Rechtshilfeverkehr mit ausländischen Staaten Informationen nur dann weitergegeben werden dürfen, wenn sichergestellt ist, dass deren Verwendung nicht zu Folter, rechtsstaatswidrigen Verfahren oder zu Verhängung der Todesstrafe führt. Da somit der Untersuchungsausschuss dazu beigetragen hat, dass an sich selbstverständliche, aber in der Praxis nicht mehr gewährleistete rechtsstaatliche Prinzipien in der Alltagsarbeit wieder vollständig eingehalten werden, sehe ich die Mitwirkung in diesem Ausschuss als sehr lohnenswert an.


Stichwort Parlamentarisches Kontrollgremium: Sie setzen sich für eine Reform des Gremiums ein, um zum Beispiel die Arbeit des Nachrichtendienstes besser kontrollieren zu können. Was genau fordern Sie?

Bei der Reform des Parlamentarischen Kontrollgremiums kommt es vor allem darauf an, die Berichtspflicht der Bundesregierung an dieses Gremium zu präzisieren. Es kann nicht angehen, dass das Parlament über Vorfälle aus dem Bereich der Nachrichtendienste aus den Medien erfährt und erst verspätet von der Bundesregierung informiert wird. Deshalb sollte es Mitarbeitern der Nachrichtendienste auch erlaubt sein, Missstände direkt dem Gremium mitzuteilen. Die jetzt schon vorgesehene Regelung, in bestimmten Fällen in geeigneter Weise nach den Sitzungen die Öffentlichkeit zu informieren, muss ergänzt werden um das Recht der Opposition, abweichende Beurteilungen vorzunehmen und zu publizieren. Schließlich könnte die Effizienz der Kontrolle dadurch erhöht werden, dass (sicherheitsüberprüfte) Mitarbeiter bei der Tätigkeit der Abgeordneten helfen dürfen.


Wo wird die FDP-Bundestagsfraktion im AK IV in den kommenden Monaten bis zum Bundestagswahl noch Schwerpunkte setzen?

Ein besonderer Schwerpunkt in der Tätigkeit des Arbeitskreises IV in den kommenden Monaten wird darin liegen, aus verschiedenen Datenschutzskandalen der letzten Zeit die notwendigen gesetzgeberischen Folgerungen zu ziehen. In der Vergangenheit spielte vor allem der Datenschutz der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Staat eine große Rolle, für die Zukunft muss man Möglichkeiten finden, den Datenschutz im Privatrechtsverkehr zu verbessern.

Zugleich wird die Auseinandersetzung um das richtige Maß an polizeilichen Eingriffsbefugnissen und um die Wahrung des Kernbereichs privater Lebensführung am Beispiel des BKA-Gesetzes weiter gehen. Nachdem sich andere Länder dem Vorbild der von der FDP mitregierten Bundesländer angeschlossen haben und ihre Bedenken zum BKA-Gesetz formuliert haben, wird es zu einem Vermittlungsverfahren kommen, möglicherweise auch zu einer Verfassungsklage. Daher bleibt das Generalthema der richtigen Balance von Freiheit und Sicherheit auf der Agenda des AK IV.

Kriminelle Jugendliche: Geltendes Recht konsequent anwenden!

Nach dem brutalen Angriff zweier Jugendlicher auf einen Rentner in einer Münchner U-Bahn-Station ist die Debatte um eine Verschärfung des Jugendstrafrechts entfacht. FDP-Innenpolitiker Max Stadler sprach sich dafür aus, das geltende Recht konsequent anzuwenden. Es sei selbstverständlich, dass eine so brutale Tat hart geahndet werden müsse. Dafür biete schon das geltende Jugendgerichtsgesetz (JGG) die Möglichkeiten. „Wir haben alle rechtlich nötigen Instrumente", erklärte Stadler in der Berliner Zeitung." Das JGG enthalte für Jugendliche (bis zu 18 Jahren) immerhin eine Strafandrohung von bis zu zehn Jahren Jugendstrafe, für Heranwachsende (18-20 jährige Täter) bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe, im Einzelfall sogar lebenslange Haft. Bei einer Verurteilung ab zwei Jahren Jugendstrafe ohne Bewährung sei zudem die Ausweisung ausländischer Verurteilter die regelmäßige Folge.

Stadler betonte zugleich, man müsse auch die Ursachen von Aggressivität bekämpfen. Es diene dem Schutz potentieller Opfer, gefährdete oder kriminelle Jugendliche früher aufzufangen. "Das ist zwar eine aufwändige Aufgabe, aber lohnenswert." Notwendig sei eine Erziehung, bei der Jugendlichen vermittelt werde, dass Gewaltanwendung absolut verwerflich sei. Gefragt seien das Elternhaus, die Behörden, die Schule sowie die Kommunen, die dafür Geld bereitstellen müssten. Auch die Justiz müsse dafür sorgen, dass straffällig gewordenen Jugendlichen schnell der Prozess gemacht werde. Dies wäre hilfreicher als der Ruf nach Gesetzesveränderungen.

Zwei 20 und 17 Jahre alte Männer hatten in der vergangenen Woche in München einen Rentner attackiert und ihm dabei einen mehrfachen Schädelbruch zugefügt. Die Täter sitzen wegen des Vorwurfs des versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung in Untersuchungshaft. Die grobe Gewalt, mit der die Täter vorgingen, löste bundesweit Entsetzen aus.

Fehlentwicklungen der deutschen Innenpolitik

Ein Beitrag zur aktuellen Debatte um Sicherheit und Freiheit

Spätestens seit dem 11.9.2001 ist die Innenpolitik der jeweiligen Mehrheit des Bundestags gekennzeichnet durch laufende legislatorische Eingriffe in Grundrechte. Das berechtigte Anliegen, die Bürgerinnen und Bürger vor den unbestreitbaren Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus zu schützen, wurde nicht - was richtig wäre - durch eine optimale personelle und technische Ausstattung der Sicherheitsbehörden erfüllt. Vielmehr gab es immer wieder Grenzüberschreitungen bei der Gesetzgebung, so dass das Bundesverfassungsgericht wiederholt korrigierend eingreifen musste.

Die Karlsruher Richter taten dies konsequent und bisweilen mit sehr deutlichen Worten. Das Luftsicherheitsgesetz wurde als verfassungswidrig verworfen, weil es unter Geltung des Grundgesetzes schlechthin undenkbar sei, gesetzlich die Tötung unschuldiger Passagiere und Besatzungsmitglieder zuzulassen. In anderen Entscheidungen - wie etwa zum „großen Lauschangriff“ - hob das höchste deutsche Gericht hervor, dass der Kernbereich privater Lebensführung für den Staat unantastbar bleiben müsse.

Dennoch fordert der Bundesinnenminister die heimliche Online-Durchsuchung von Privatcomputern - ein Eingriff von mindestens ebenso starker Intensität wie die akustische Wohnraumüberwachung. Das Karlsruher Urteil zu den parallelen Regelungen für Online-Durchsuchungen in NRW will Schäuble nicht abwarten, obwohl alle Fachleute davon ausgehen, dass das Bundesverfassungsgericht dieses Landesgesetz jedenfalls so nicht bestätigen wird.

Soll man sich über das Eindringen des Staates in die Privatsphäre deswegen keine Sorgen machen, weil die Zahl der Maßnahmen - so die Befürworter - gering bleiben werde? Dieses Quantitätsargument zieht nicht. Alleine die theoretische Möglichkeit, dass man überwacht werden könnte, ist ein Stück Freiheitsverlust und führt bereits jetzt zu verändertem Kommunikationsverhalten. Wer bespricht denn heute noch wichtige Fragen, beispielsweise mit einem Anwalt, am Telefon? Wenn Ermittlungsrichter und Staatsanwälte auf die Idee kommen, das Telefon des Anwalts eines Verbrechensopfers überwachen zu lassen (so geschehen im Fall des von der CIA verschleppten Khaled el Masri!), ist offenbar Vorsicht geboten.

Die Passauer Zeitung „Am Sonntag“ berichtete kürzlich, dass ein Lehrer mit einem Schüler (dummerweise am Telefon) über die Eingrenzung des Prüfungsstoffes auf bestimmte Gebiete gesprochen hat, so wie dies üblich war und wie er dies mit der ganzen Klasse machte. Das Telefon dieses betreffenden Schülers wurde aber abgehört, weil der Schüler einer Straftat im Sinne von § 100 a StPO verdächtig war. Gegen den Lehrer läuft jetzt ein Disziplinarverfahren. Wie kam der Vorgang zur Disziplinarbehörde? Regelt nicht § 100a StPO, dass Abgehörtes nur zur Verfolgung der dort genannten (schweren) „Katalogtaten“ verwendet werden darf?

Daher beruhigt auch die Idee des „Grundrechtsschutzes durch Verfahren“ nicht wirklich. Ist ein Eingriff erst einmal gesetzlich erlaubt, wird er erfahrungsgemäß mit wachsender Zahl und Intensität praktiziert. Die Max-Planck-Untersuchungen zur Telefonüberwachung haben erschreckend deutlich gemacht, dass Verfahrensregelungen den Grundrechtsschutz oft nur unzureichend sichern. Selbst der Richtervorbehalt nützt nicht immer. Was soll man davon halten, wenn sich ein Bürger der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verdächtig gemacht hat, weil er zweimal bei Treffen mit einem anderen Beschuldigten kein Handy dabei hatte. Sind das wirklich Indizien für Konspiration oder ist das nicht der Beweis dafür, wie sehr Verdachtsschwellen in der Praxis abgesenkt werden?

Daher wird immer wieder von CDU/CSU und SPD argumentiert, man werde neue Einschränkungen von Grundrechten nur in engen Grenzen einführen. Aber der Gesetzgeber, dem die Bürger den kleinen Finger reichen, nimmt später doch die ganze Hand. Online-Abfragen von Bankdaten sollten sich ursprünglich gegen Geldwäsche und Organisierte Kriminalität richten - mittlerweile sind sie Alltagsroutine. Mautdaten sollten nur zu Zwecken der Abrechnung mit der Privatfirma (!) Toll Collect erhoben werden - heute wird im Parlament lautstark gefordert, die ausdrückliche Begrenzung auf diesen Verwendungszweck aufzugeben. Der Gesetzgeber handelt sich auf diese Weise selbst das Misstrauen ein, das ihm von immer mehr Bürgerinnen und Bürgern entgegengebracht wird.

Sogar Bundespräsident Horst Köhler hat kritisiert, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble „in einer Art Stakkato“ Forderungen nach weiteren Gesetzesverschärfungen vorträgt. Man müsse sich fragen, ob dies für die Bevölkerung nachvollziehbar sei.

Tatsächlich geht es nicht nur um die Form („Stakkato“), sondern um Schäubles Inhalte und seinen Denkansatz.

Schäuble lässt kein Reizthema aus. Unentwegt verlangt er den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Die Unschuldsvermutung, ein Fundament des Rechtsstaates, relativierte Schäuble hinsichtlich der Gefahrenabwehr in missverständlicher Weise. Richtig ist dagegen, dass man auch bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr einen gewissen Verdachtsgrad braucht. Aber Schäuble will den Präventionsstaat immer mehr ausdehnen. Damit geht die Gefahr einher, dass Eingriffsschranken nicht mehr klar definiert werden, da man zur Verhinderung von Verbrechen (fast) alles tun dürfe. Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten knüpft nicht mehr in klassischer Weise an konkrete Verdachtsmomente an, sondern greift in die Privatsphäre von Millionen Menschen ohne jeden Verdacht ein. Dies zeigt eine Tendenz vom vorsorgenden Präventionsstaat hin zum Überwachungsstaat.

Auch die Behauptung, die Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Sicherheit sei nicht mehr zeitgemäß, soll einen Paradigmenwechsel vorbereiten. Denn daraus folgt logisch, man müsse gegen Terrorismus auch mit militärischen Mitteln vorgehen. Dafür gelten dann die rechtlichen Bindungen des Polizeirechts, der Strafprozessordnung und des Strafrechts nicht.

Die USA haben diesen Grundgedanken weiterentwickelt und die Figur des enemy combattant formuliert, für den nicht einmal Kriegsrecht gilt, also für den weder die Schutzmechanismen der Genfer Konvention noch der Strafprozessordnung eingreifen.

Deshalb werden Verdächtige bewusst auf Guantanamo festgehalten, weil dies kein amerikanisches Territorium ist und demnach die Rechtsordnung der USA nicht gilt. Gefangene dürfen nach amerikanischer Doktrin gefoltert werden, da dies Menschenleben schützen könne. Sie werden ohne Haftbefehl inhaftiert, werden für längere Zeit gehindert, Kontakt zu ihren Angehörigen oder zu Anwälten aufnehmen, sie erhalten jahrelang keine Anklage und auch kein Urteil durch ein unabhängiges Gericht. Kurz: die USA praktizieren genau das, was manche deutsche Rechtswissenschaftler unter dem Stichwort „Feindstrafrecht“ propagieren.

Man darf Herrn Schäuble natürlich keinesfalls unterstellen, dass er dies alles gutheißen würde. Aber das Denkmuster, neue rechtliche Kategorien einzuführen, scheint im Spiegel-Interview vom 9. Juli 2007 durch, wenn Schäuble sagt: „Wir sollten versuchen, … Rechtsgrundlagen zu schaffen, die uns die nötigen Freiheiten im Kampf gegen den Terrorismus bieten.“ Gemeint ist wohl, hinderliche Bindungen an Vorschriften des Rechtsstaates sollen außer Kraft gesetzt werden, damit eine - nach Schäubles Meinung - wirksame Terrorismusabwehr möglich wird.

Aus diesem Denkansatz heraus erklären sich Schäubles Fragestellungen zur Inhaftierung auf Verdacht (Schilys alte Forderung nach „Sicherungshaft“) und zum targeted killing. Beides ist in einem Rechtsstaat völlig inakzeptabel.

Davon, dass Schäuble missverstanden worden sei, weil er ja nur Fragen gestellt habe, kann jedoch keine Rede sein. Er ist klug genug, solche Fragen bewusst aufzuwerfen, um den Boden f��r eine Abkehr vom klassischen rechtsstaatlichen Denken zu bereiten.

Die liberale Gegenposition betrachtet Terrorismus als eine besonders verwerfliche Form der Schwerkriminalität, der mit den Mitteln des Rechtsstaats und der wehrhaften Demokratie entgegenzutreten ist, ohne Grundprinzipien des Rechtsstaats aufzugeben.

Anmerkungen zu Schäuble

Bundespräsident Horst Köhler hat – ein äußerst seltener und daher sehr bemerkenswerter Vorgang! – zu Recht kritisiert, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble „in einer Art Stakkato“ Forderungen nach weiteren Gesetzesverschärfungen vorträgt. Man müsse sich fragen, ob dies für die Bevölkerung nachvollziehbar sei.

Tatsächlich geht es sowohl um die vom Bundespräsidenten kritisierte Art der Debattenführung als auch besonders um Schäubles Inhalte und seinen Denkansatz.

Schäuble lässt kein Reizthema aus. Unentwegt verlangte er den Einsatz der Bundeswehr im Inneren, sei es während der Fußball-Weltmeisterschaft, sei es während des G8-Gipfels in Heiligendamm.

Die Unschuldsvermutung, ein Fundament des Rechtsstaates, relativierte Schäuble hinsichtlich der Gefahrenabwehr in missverständlicher Weise (auch bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr braucht man einen gewissen Verdachtsgrad).

Eine breitere Öffentlichkeit brachte Schäuble mit seiner Forderung nach heimlichen Online-Durchsuchungen von privaten PC’s gegen sich auf. Seither hat er in Meinungsumfragen keine Mehrheiten mehr für seine Politik.

Aber Schäuble geht es nicht um diese oder jene Einzelmaßnahme.

Er vertritt offenkundig folgenden Grundgedanken:

Die Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Sicherheit sei nicht mehr zeitgemäß. Daraus folgt logisch, man müsse gegen Terrorismus auch mit militärischen Mitteln vorgehen. Dafür gelten dann die rechtlichen Bindungen des Polizeirechts, der Strafprozessordnung und des Strafrechts nicht.

Die USA haben diesen Grundgedanken weiterentwickelt und die Figur des enemy combattant formuliert, für den nicht einmal Kriegsrecht gilt, also für den weder die Schutzmechanismen der Genfer Konvention noch der Strafprozessordnung eingreifen.

Deshalb werden Verdächtige bewusst auf Guantanamo festgehalten, weil dies kein amerikanisches Territorium ist und demnach die Rechtsordnung der USA nicht gilt. Gefangene dürfen nach amerikanischer Doktrin gefoltert werden, da dies Menschenleben schützen könne.
Sie werden ohne Haftbefehl jahrelang inhaftiert, sind für längere Zeit ohne Kontakt zu ihren Angehörigen oder zu Anwälten aufnehmen, sie erhalten jahrelang keine Anklage und auch kein Urteil durch ein unabhängiges Gericht.


Man darf Herrn Schäuble natürlich keinesfalls unterstellen, dass er dies alles gutheißen würde. Aber das Denkmuster, neue rechtliche Kategorien einzuführen, scheint im Spiegel-Interview vom 9. Juli 2007 durch, wenn Schäuble sagt: „Wir sollten versuchen, … Rechtsgrundlagen zu schaffen, die uns die nötigen Freiheiten im Kampf gegen den Terrorismus bieten.“ Gemeint ist wohl, hinderliche Bindungen an Vorschriften des Rechtsstaates sollen außer Kraft gesetzt werden, damit ein – nach Schäubles Meinung – wirksame Terrorismusabwehr möglich wird.

Aus diesem Denkansatz heraus erklären sich Schäubles Fragestellungen zur Inhaftierung auf Verdacht (Schilys alte Forderung nach „Sicherungshaft“) und zum targeted killing. Beides ist in einem Rechtsstaat völlig inakzeptabel.

Davon, dass Schäuble missverstanden worden sei, weil er ja nur Fragen gestellt habe, kann jedoch keine Rede sein.

Wolfgang Schäuble hat diese Fragen bewusst aufgeworfen, um das denken über diese Themen zu verändern und den Boden für andere Regelungen zu bereiten.

Die liberale Gegenposition lautet:

Terrorismus ist eine besonders verwerfliche Form der Schwerkriminalität, der mit den Mitteln des Rechtsstaats und der wehrhaften Demokratie entgegenzutreten ist, ohne Grundprinzipien des Rechtsstaats aufzugeben.

Menschenwürde, Wahrheit und praktische Politik

Anrede,

zu der heutigen Veranstaltung darf ich zugleich die Grüße der Stadt Passau und des Herrn Oberbürgermeisters Albert Zankl übermitteln. Es ist mir eine besondere Ehre, bei der Katholischen Deutschen StudentenVerbindung Oeno-Danubia den Festvortrag halten zu dürfen. Denn mit der Mitgliedschaft haben Sie sich die Prinzipien des Cartellverbandes katholischer deutscher Studentenverbindungen (CV) zu eigen gemacht:
religio (Religion), scientia (Wissenschaft), amicitia (Freundschaft) und patria (Vaterland).
Dies ist ein anspruchsvolles Programm. Gerade das Prinzip ?religio? - wörtlich ?Bindung? - bedeutet, dass Sie sich für ein werteorientiertes Handeln entschieden haben.

Das ist kein bequemer Weg. Die christliche Botschaft ist eine radikale Botschaft. Sie setzt hohe Maßstäbe und stellt hohe Ansprüche an unser Verhalten im Alltag. Hans Küng formuliert dies in seinem Buch ?Christ sein? (Seite 239) so: ?Jesus erwartet einen anderen, neuen Menschen: ein radikal verändertes Bewusstsein, eine grundsätzlich andere Haltung, eine völlig neue Orientierung im Denken und handeln.?
Christliche Werteorientierung ist also keine bloße Theorie, sondern hat konkrete Auswirkungen z.B. auch auf politische Haltungen und Entscheidungen.
Ich bin eingeladen worden, um über meine aktuelle politische Arbeit im Bundestag hier zu sprechen. Dies möchte ich gerne verbinden mit dem Versuch, anhand einiger konkreter aktueller Problemstellungen zu zeigen, wie wertorientierte Ansätze in praktische Politik einfließen.

Schon aus dem Grundgesetz ergibt sich diese Anforderung an die Politik. Denn der Grundrechtskatalog verbürgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eben nicht nur - im liberalen Sinne - Abwehrrechte der Bürger gegen den Staat, sondern enthält eine objektive Werteordnung.
Diese Ordnung ist vielfach christlich geprägt. Zu nennen ist beispielhaft
1.etwa die Ausgestaltung der Eigentumsgarantie in Artikel 14 GG. Dort ist der freiheitsverbürgenden, sozusagen ?liberalen? Gewährleistung des Eigentums des Absatzes 1 ein Absatz 2 hinzugefügt, der die Sozialpflichtigkeit des Eigentums betont - ein wichtiger Gedanke aus der katholischen Soziallehre.
2. Der Schutz des Lebens in Artikel 2 II GG wurde und wird in der politischen Debatte um den § 218 StGB immer wieder von den christlichen Kirchen angemahnt mit der Betonung, dass dieser Schutz auch dem ungeborenen Leben zukommt. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht auch nie von einem ?Recht auf Abtreibung? gesprochen, sondern nur gesagt, dass der Staat den gebotenen Lebensschutz nicht nur durch strafrechtliche Sanktionen sichern könne, sondern ergänzend oder statt dessen mit sozialpolitischen und fürsorgerischen Mitteln.

3. Asyl ist eine Schutzgewährung in langer christlicher Tradition. Das Asylprivileg ist schon unter Kaiser Konstantin auf die christlichen Kirchen übergegangen. Im kanonischen Recht heißt es: ?Ecclesia iure asyli gaudet ita ut rei, qui ad illam confugerint, inde non sint extrahandi? - Die Kirche erfreut sich des Asylrechts, zu ihr Geflüchtete dürfen von dort nicht von den weltlichen Behörden in ihre Gewalt gebracht werden. Somit erweist sich das Asylgrundrecht als traditionell christlicher Gedanke. Die praktische Umsetzung freilich stößt - wie die Asyldebatte der Neunziger Jahre gezeigt hat - an gewisse Grenzen.

Die wenigen Beispiele bestätigen den Eingangsgedanken, wonach werteorientiertes Handeln kein einfacher Lösungsweg ist, denn oft ergeben sich Abwägungsprobleme wie etwa die Frage der Asylgewährung einerseits und der Aufnahmekapazität des Gastlandes andererseits. Solche Spannungsfelder führen zu politischen Entscheidungen wie den so genannten Asylkompromiss von 1993.

Bisweilen geben uns jedoch sowohl das GG als auch die Maßstäbe christlicher Ethik die Pflicht zur Kompromisslosigkeit vor.
Ich spreche vom Schutz der Menschenwürde, der an erster Stelle im Grundrechtskatalog des GG stehenden zentralen Vorschrift: ?Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.?

Diese Grundnorm verlangt, so das BVerfG im 45. Band Seite 228, dass der ?Mensch als selbstverantwortliche Persönlichkeit mit Eigenwert? anerkannt wird?.

Die Wurzeln des Begriffs der Menschenwürde liegen - ich zitiere Reinhold Zippelius - außerhalb der Jurisprudenz, nämlich vor allem im christlichen Würdebegriff. Nach christlicher Auffassung ist jeder Mensch Gottes Ebenbild, so dass ihm ein Eigenwert zukommt. Die Lehre von der personalen Würde des Individuums war ein epochaler Fortschritt, den das Christentum gebracht hat.
Dazu heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der deutschen Bischofskonferenz und der EKD von 1989 (?Gott ist ein Freund des Lebens?): ?Die Vorstellung vom Menschen als dem "Bild Gottes" stammt aus dem ersten Schöpfungsbericht der Bibel (Gen/ 1 Mose 1,26f). Nach der heute vorherrschenden Deutung zielt ihr ursprünglicher Sinn darauf, dass der Mensch für die Schöpfungswelt zum Repräsentanten und Statthalter Gottes eingesetzt ist. Jedoch verbinden sich in der Auslegungsgeschichte von Gen/1 Mose 1,26f und im Denken und Glauben der Kirche mit dem Gedanken der Gottebenbildlichkeit des Menschen weiter gefasste Inhalte. Die Gottebenbildlichkeit wird darum in der geistigen Welt des Christentums zu einem Zentralbegriff in der Beschreibung der besonderen Würde des menschlichen Lebens. Auch Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes steht in diesem Traditionszusammenhang.?
Die Konsequenzen sind bis in die heutige Zeit dramatisch, wie wir gleich anhand einiger aktueller Beispiele sehen werden:

1. Der Gesetzgeber wollte das schwierige Problem lösen, wie man Flugzeugangriffe wie die des 11. Septembers abwehren könne. Das Luftsicherheitsgesetz gab die Befugnis, entführte Passagierflugzeuge abzuschießen. Dem ist Karlsruhe - unter Berufung auf Artikel 1 GG - in einer wirklich an Radikalität des Denkens und der Sprache nicht zu überbietenden Entscheidung vom 15. Februar 2006 - entgegengetreten: ?Es ist unter der Geltung des Art. 1 Abs. 1 GG schlechterdings unvorstellbar, auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich wie die Besatzung und die Passagiere eines entführten Luftfahrzeugs in einer für sie hoffnungslosen Lage befinden, vorsätzlich zu töten.? Eine Abwägung von Leben gegen Leben hat das Bundesverfassungsgericht nicht zugelassen. Auch die morituri genießen den vollen Grundrechtsschutz! Karlsruhe hat ein an sich unauflösbares ethisches Dilemma kompromisslos gelöst.
Ich zitiere wörtlich: Das menschliche Leben ist die vitale Basis der Menschenwürde als tragendem Konstitutionsprinzip und oberstem Verfassungswert. Jeder Mensch besitzt als Person diese Würde, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seinen körperlichen oder geistigen Zustand, seine Leistungen und seinen sozialen Status. Sie kann keinem Menschen genommen werden. ? Das gilt unabhängig auch von der voraussichtlichen Dauer des individuellen menschlichen Lebens.
2. Auch das Folterverbot gilt absolut. Die Begründung folgt wiederum aus der Achtung der Menschenwürde - auch der Menschenwürde eines Verdächtigen. Abstrakt wird dies jeder teilen. In konkreten Fällen gerät die Gewissheit rasch ins Wanken - s. Fall Jakob von Metzler. Und doch darf das Rechtsbewußtsein nicht erodieren. Im Fall Kafaghy war es noch intakt. Deutsche Kriminalbeamte lehnten Vernehmung eines alten Mannes, der gefoltert worden war, und unter entwürdigenden Umständen aussagen sollte ab, obwohl sie damit eine Möglichkeit der Informationsgewinnung ungenutzt ließen.
Heute ist es eher herrschende Meinung, wenigstens an den Früchten des verbotenen Baumes zu partizipieren. Das bringt die Gefahr mit sich, ungewollt Folter zu legitimieren. Andererseits: Sollte die Bundesregierung die gestern geschilderten Warnungen vor Anschlägen ignorieren, weil sie womöglich von Geheimdiensten stammen, für deren Methoden wir die Hand nicht ins Feuer legen können? Das wäre kaum zu verantworten. Sollte ein mutmaßlicher Kofferbomber unbehelligt ausreisen können, weil die entscheidenden Informationen für seine Festnahme aus dem Libanon stammten? Ich meine: Nein. Aber die Beispiele zeigen, dass schwierige Abgrenzungsfragen noch einer in sich stimmigen Lösung harren.

3. Völlig einig ist sich dagegen der Bundestag in der Forderung, die Schließung von Guantanamo zu verlangen. Die USA halten Verdächtige bewusst außerhalb ihres Territoriums fest, damit diesen in einem ?rechtsfreien Raum? keinerlei Verfahrensgarantien zustehen sollen. Daraus folgt nach Meinung der Bush-Administreation die Rechtsfertigung der Anwendung der Folter, die von Murat Kurnaz in seinem bewegenden Buch ?Fünf Jahre meines Lebens? mit schlichten Worten und gerade deshalb so eindringlich geschildert worden ist. Guantanamo ist mit europäischer Rechtstradition nicht vereinbar.
Da die Täter des 11. September die Menschenwürde der Opfer negiert haben, steht ihnen in einer Art ?Negation der Negation? nach der Lehre vom ?Feindstrafrecht? ihrerseits keinerlei Menschenwürde zu. Guantanamo ist somit ein Synonym für die Abkehr von der christlichen Lehre der personalen Würde des Individuums.

Dennoch verstehen es viele Menschen nicht, wenn man sich in einem konkreten Fall dafür einsetzt, dass ein Gefangener von dort freikommt. Angela Merkel hat dies getan und Murat Kurnaz herausgeholt. Für mich ist das kein Zufall, denn als Tochter eines protestantischen Pfarrers hat Angela Merkel eine andere Prägung als die Akteure aus der Vorgängerregierung, die sich offenbar mehr von Nützlichkeitsargumenten leiten ließen. Angela Merkel wusste: die Würde jedes Menschen ist unantastbar.
Ein Zeuge hat vor zwei Wochen dagegen klar geschildert, warum die frühere Regierung gegen Kurnaz eine Wiedereinreisesperre verhängt hatte: aus Angst vor dem zu erwartenden ?Pressehype.?
Eine nach dem Prinzip der Wertorientierung unvertretbare Entscheidung wurde also aus Angst vor politischem Ansehensverlust getroffen, da es in der Abwägung mehr eigenen Nutzen zu bringen schien, sich gegen Kurnaz zu wenden:

a) Kurnaz war zwar in Bremen geboren und hat nur dort gelebt, ist aber türkischer Staatsangehöriger - ein Inländer ohne deutschen Pass. Man konnte sagen. Dafür war nur die Türkei zuständig. Aber sind wir für Inländer ohne deutschen Pass gänzlich unzuständig? Wir sagten eingangs: christliche Wertorientierung ist unbequem. Im Fragen der Menschenrechte ist der Verweis auf Unzuständigkeit nicht überzeugend, seit die Ausrede ?Bin ich denn meines Bruders Hüter? als mangelhaft verworfen worden ist.
b) Kurnaz wirkt befremdlich, wahrscheinlich unsympathisch. Die Bildzeitung zeigte ein Foto von ihm mit seinem langen Bart und titelte: ?So sieht er aus - der Bremer Taliban?. Wer sich für ihn einsetzte, konnte nicht auf Wählerstimmen hoffen. Aber- darf das Aussehen eines Menschen, dürfen Sympathie und Antipathie Maßstab eines werteorientierten Handelns sein?
c) Kurnaz war verdächtig. Das alleine konnte der akzeptable Grund sein, ihm die Rückkehr nach Bremen zu verweigern. Im Zusammenhang damit ist ein Streit um die Reichweite der Unschuldsvermutung entstanden. Gefahrenabwehr ist selbstverständlich auch gegen Verdächtige, also möglicherweise Unschuldige, zulässig. Aber je schwerwiegender der Eingriff, umso valider müssen die Beweise sein. Vage Verdachtsmomente genügen, um einen Menschen zu beobachten. Um ihm die Rückkehr in das Land, in dem er berechtigt sich aufhält, zu verweigern, braucht man schon belastbare Indizien.
Frau Merkel hat entschieden, dass es diese Indizien nicht im ausreichenden Maße gab. Sie hat eine unbequeme, unpopuläre Entscheidung getroffen. Aber es war eine Entscheidung im Sinne christlicher Wertorientierung und im Sinne des Grundgesetzes.

Somit zeigt sich, dass sowohl Gesetzgebung als auch konkretes Regierungshandeln ohne Rückgriff auf ein inhaltliches Fundament zu bloßen Opportunitätsentscheidungen verkommen würde. Sich nur an kurzfristigem Eigennutz zu orientieren ist nicht der Weg, für den Sie sich als Mitglieder einer Katholischen Deutschen Studentenverbindung entschieden haben. Sie haben sich vorgenommen, tiefer zu schürfen bei der Suche nach der Wahrheit, bei der ewigen Frage des Pilatus an Jesus aus Johannes 18, 38. ?Was ist Wahrheit??
Es lohnt sich - trotz all unserer begrenzten Erkenntnismöglichkeiten -, den Versuch zu unternehmen, unser praktisches Verhalten an Werten und Wahrheiten auszurichten, wie schon das Alte Testament Tobias 4,6) empfiehlt:
Denn wenn du dich an die Wahrheit hältst, wirst du bei allem, was du tust, erfolgreich sein?.

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