Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
lieber Jürgen!
Mit Schreiben vom 19.7.2011 hast Du mir gegenüber - offenbar aber an einen größeren Adressatenkreis gewandt - dargelegt, dass im Rahmen der Auseinandersetzung um die Abschiebung des afghanischen Staatsangehörigen Ismail Afzali zu Unrecht Kritik am Ausländeramt der Stadt Passau geübt worden sei, und zwar in maßlos überzogener Weise, obwohl die Stadt Passau lediglich die bindende Gesetzeslage zu vollziehen gehabt habe.
Für dieses Schreiben danke ich Dir ausdrücklich. Ich teile Deine Auffassung voll und ganz und finde es richtig, dass Du Dich als Oberbürgermeister im Rahmen der Fürsorgepflicht vor die städtischen Mitarbeiter stellst.
Bei meinem eigenen Engagement für einen Verbleib von Ismail Afzali in Deutschland habe ich mich weder gegen das Ausländeramt der Stadt Passau noch gegen das Bayerische Innenministerium gewandt. Diese Behörden sind an die bestehenden Rechtsvorschriften gebunden. Dies kann man Ihnen, wie Du richtig schreibst, nicht zum Vorwurf machen. Ich habe mich vielmehr dafür eingesetzt, dass - da ja der Asylantrag schon rechtskräftig abgelehnt war - das Schicksal von Herrn Afzali der Härtefallkommission des Bayerischen Landtags vorgelegt wird. Dies ist dann (auch auf Betreiben der FDP-Landtagsabgeordneten Renate Will hin) durch einen Beschluss des ursprünglich damit befassten Petitionsausschusses so geschehen.
Ich halte das Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger zugunsten eines Verbleibs von Herrn Afzali für sehr begrüßenswert, denn die vorgetragenen Argumente erscheinen mir überzeugend. Es handelt sich dabei aber um humanitäre Gründe, die außerhalb der Rechtslage von der Härtefallkommission berücksichtigt werden können. Diese Kommission ist also die zuständige Stelle, um sich für Herrn Afzali einzusetzen, während der Ausländerbehörde der Stadt Passau die Hände gebunden waren.
Als ich für die FDP-Bundestagsfraktion im Vermittlungsausschuss vor mehreren Jahren die Verhandlungen über die Neugestaltung des Ausländerrechts führen durfte, habe ich sehr stark dafür plädiert, dass in den Bundesländern solche Härtefallkommissionen eingerichtet werden. Dagegen gab es ursprünglich von manchen Seiten Bedenken. Ich bin froh, dass wir diese Bedenken damals ausräumen konnten. Gerade das Beispiel des Herrn Afzali zeigt, dass es humanitäre Gründe gibt, die ausnahmsweise ein Abweichen von den eigentlich rechtlich gebotenen Konsequenzen angemessen erscheinen lassen.
Genau hierfür haben wir die Härtefallkommissionen eingerichtet.
Mit freundlichen Grüßen
Dein
Max Stadler. MdB
Lieber Herr Kollege Frankenberger!
Wie ich gehört habe, sind Sie beim Politiker-Award nicht zum Preisträger gewählt worden. Dennoch ist es eine hohe Ehre, dort nominiert gewesen zu sein.
Das hat mich auch nicht verwundert, denn Sie haben die Kampagne zum Rauchverbot in Bayern, die ich inhaltlich für falsch gehalten habe, bestens organisiert.
Damit haben Sie Ihr großes politisches Talent unter Beweis gestellt.
Mein Wunsch an Sie wäre, wie ich Ihnen auch schon persönlich gesagt habe, dass Sie in Ihrer politischen Arbeit mehr als bisher den Aspekt berücksichtigen, dass es in einer Demokratie wichtig ist, verschiedene Interessen zum Ausgleich zu bringen.
Politik ist nicht nur die Kunst des Möglichen, wie oft gesagt wird.
Politik sollte auch das Ziel haben, differenzierte Lösungen herbeizuführen. Lösungen, die einer Mehrheit entsprechen, aber eben auch Minderheitsinteressen berücksichtigen.
Bitte nehmen Sie diesen Ratschlag nicht als Besserwisserei eines älteren Politikers.
Mir geht es um ein fundamentales Prinzip, von dem ich nicht sicher bin, ob es ein Grundprinzip Ihrer Partei ist, das aber für mich als Liberalen zentrale Bedeutung hat: den Schutz von Minderheiten.
Es ist meiner Meinung nach wenig damit gewonnen, die von einem selbst als richtig erkannte Position anderen aufzudrängen. Es kommt auch darauf an, die Interessen anderer zu einem vernünftigen Ausgleich zu bringen.
So gesehen, hätte auch ein Award für eine gelungene Kampagne nur eine begrenzte Aussagekraft gehabt.
Erfolgreich war beispielsweise heute auch die Kampagne in der Schweiz für eine rigorose Abschiebung von straffälligen Ausländern, ohne Prüfung der Umstände des Einzelfalls. Dennoch erschreckt es einen - da werden Sie mir zustimmen -, dass eine solche Kampagne Erfolg gehabt hat.
Ich war immer ein Verfechter von mehr direkter Demokratie, wie Sie auch.
Aber mich treibt die Sorge um, wie man dabei von holzschnittartigen Scheinlösungen wegkommt.
Das deutsche Ausländerrecht, durch ein parlamentarisches Verfahren ausdifferenziert, sieht durchaus auch strenge Ausweisungsregeln vor, lässt aber den Behörden genügend Spielraum für gerechte und humane Einzelentscheidungen. Zudem gibt es Härtefallkommissionen, die sich sehr bewährt haben. An diesen Regelungen durfte ich selber als früherer innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion mitwirken.
Dies scheint mir ein Beispiel dafür, dass der parlamentarische Entscheidungsweg zu guten Ergebnissen führt.
Meinen Respekt für Ihre Nominierung für den Kampagnen-Award verbinde ich daher mit der Bitte, die Schwarz-Weiß-Malerei von Kampagnen nicht absolut zu setzen, sondern offen zu sein für eine differenzierte Politik.
Mit den besten Wünschen für Sie
Ihr
Max Stadler
P.S. Da in den örtlichen Medien, z.B. im Bürgerblick, über Ihre Nominierung berichtet worden ist, darf ich meine Mail an Sie ebenfalls den Medien zur Verfügung stellen.
Fürsteneck. Sicher hat es das an den Gleisen der Ilztalbahn in diesem Abschnitt noch nie gegeben: Die mit Maschineneinsatz und viel ehrenamtlichem Einsatz des Fördervereins Ilztalbahn sanierte Schadstelle in Hutthurm-Voglöd unmittelbar am Bahnhof Fürsteneck wurde abschließend von Pfarrer Markus Krell aus Röhrnbach gesegnet.
Krell in seinem Segensgebet: „Unser Leben scheint oft sehr eingefahren zu sein, auf einem ganz bestimmten Gleis zu verlaufen. Gerade Jesus ermutigt uns aber dazu, auch einmal die eingefahrenen Gleise zu verlassen und eine Nebenstrecke zu befahren, die uns über den Tellerrand schauen lässt, die uns neue, engagierte Menschen kennenlernen lässt und andere Sicht- und Denkweisen.“
Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler (FDP) und MdL Eike Hallitzky (Grüne) betonten vor Ort die Bedeutung der Reaktivierung der Bahn für die gesamte Region, sowie deren grenzüberschreitende Wirkung und boten ihre weitere Unterstützung an. Stadler: „Lassen Sie nicht nach, sich für diese Reaktivierung einzusetzen. Die Region wird nie mehr Gleise bekommen, wenn sie einmal abgebaut sind. Diese Verkehrsinfrastruktur muss erhalten bleiben.“
MdL Hallitzky betonte in der anschließend stattfindenden kleinen Feierstunde, dass „die erstellten Gutachten der Bayerischen Eisenbahngesellschaft von 1998, das ITB-Konzept des Grenzüberschreitenden Freizeitverkehrs Donau-Ilz-Moldau und die soeben veröffentlichte Struktur- und Potenzialanalyse der Euregio vor allem im Bereich des derzeit nicht vorhandenen Wochenendverkehrs absolut deckungsgleich sind.“ Hallitzky: „Damit ist jetzt hoffentlich nach elf Jahren allen Akteuren klar geworden, dass wir mitten in Europa endlich einen Lückenschluss der Bahnlinien nach Böhmen brauchen. Dies trifft zuallererst auf die touristischen Wochenendverkehre im Korridor Passau - Nationalparkregion Bayerischer Wald/Sumuva zur Verbindung der Tourismusregionen beiderseits der Grenze zu“.
MdL Bernhard Roos (SPD) machte darauf aufmerksam, dass etwa ein Tausendstel der zur Rettung der „Hypo Alpe Adria/Bayerische Landesbank“ benötigten Gelder für eine Grundsanierung der Bahnstrecke reichen würden.
Die etwa 60 anwesenden Vereinsmitglieder ließen die würdevolle Feierstunde im Gasthaus „Zur Linde“ in Voglöd bei einer deftigen Brotzeit gut gelaunt ausklingen. - coy
Wer schon immer wissen wollte, wie der Passauer FDP-Staatssekretär Dr. Max Stadler
wirklich tickt: Hier die Antwort! In seinem Berliner Büro hängt nämlich seit kurzem
eine schicke Passau-Uhr.
Oberbürgermeister Jürgen Dupper hatte Stadler nach dessen Ernennung zum
Parlamentarischen Staatssekretär eine Passau-Uhr geschenkt - ein sehr praktisches Präsent für den FDP-Mann, da in seinem neuen Amtszimmer bis dahin ein Zeitanzeiger fehlte.
Inzwischen ist das schicke Gerät mit den symbolisierten charakteristischen Dreiflüsse-
Domtürmen im Büro des Staatssekretärs in der Berliner Mohrenstraße aufgehängt worden.
Der Dreiflüsse-Ticker zeigt nicht nur zuverlässig die Zeit an, sondern „erinnert mich auch in
Berlin stets daran, was die Uhr in Passau geschlagen hat", kommentierte Stadler schmunzelnd
Hat sich die damalige rot-grüne Regierung entgegen aller Beteuerungen doch am Irak-Krieg mitgewirkt? Gaben die zwei Agenten des Bundesnachrichtendienstes in Bagdad den US-Streikräften kriegsdienliche Hinweise? Um dies herauszufinden, hatte sich der BND-Untersuchungsausschuss im April 2006 konstituiert. Die Gremiumsmitglieder versuchten des weiteren zu klären, warum der türkischstämmige Bremer Murat Kurnaz so lange unschuldig im US-Gefangenenlager Guantanamo einsitzen musste und warum sich Flugzeuge des US-Geheimdienstes CIA mit entführten Gefangenen unbehelligt im deutschen Luftraum bewegen konnten.
Drei Jahre nach Beginn der Untersuchung bezeichnete Max Stadler die Arbeit des Untersuchungsausschusses als "notwendig und erfolgreich". Nur ein solches Gremium habe die Ergebnisse zu Tage befördern können, die dem Bundestag jetzt vorliegen, betonte Stadler. Für ihn steht fest: Die Rechte Einzelner mussten unter der rot-grünen Regierung hinter die "Grundräson der Sicherheit" zurücktreten.
Konkret nannte Stadler drei Ergebnisse: Seiner Ansicht nach steht fest, dass der BND rechtswidrig Journalisten bespitzelt hat. Damit hat der Dienst in die Persönlichkeits- und Pressefreiheitsrechte eingegriffen. Zum zweiten hat die rot-grüne Regierung durch den BND Informationen aus Bagdad an die USA übermittelt. Diese hätten nicht unerhebliche Bedeutung für die Kampfhandlungen gehabt, so Stadler. Drittens hat das "offizielle Nein" der Bundesregierung dazu geführt, dass Deutschland weitere Streitpunkte mit den USA vermeiden wollten. Dies hatte nach Überzeugung Stadlers die Konsequenz, dass sich die Regierung, insbesondere der damalige Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD), nicht um eine Freilassung des in Guanatanamo inhaftierten Murat Kurnaz bemüht habe. Obwohl gegen Kurnaz keine stichhaltigen Beweise vorgelegen haben, monierte Stadler.
Nach Ansicht Stadlers ist in dieser Zeit ein fataler Paradigmenwechsel vollzogen worden. Statt "im Zweifel für die Freiheit" zu entscheiden habe die damalige Regierung nach dem Motto "im Zweifel für die Sicherheit" gehandelt. Zudem steht für Stadler der BND-Einsatz in Bagdad im Widerspruch zur öffentlich definierten Irak-Politik der rot-grünen Bundesregierung und vor allem zu den Wahlkampfäußerungen von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD).
(Überarbeitete Fassung eines Beitrags für "Ossietzky", Zweiwochenschrift für Politik/Kultur/Wirtschaft, dort in der ursprünglichen Version erschienen am 18.4.2009)
Für Mitte Mai 2009 wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon erwartet. Niemand glaubt im Ernst daran, dass die Klage der Linken, der Ökolgisch-Demokratischen Partei sowie des CSU-Politikers Peter Gauweiler dieses Vertragswerk der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu Fall bringen wird. Aber in einem Detailaspekt hoffe auch ich als Befürworter des Lissabon-Vertrags auf ein Wort der Karlsruher Richter in eigener Sache. Denn die EU zieht immer mehr Kompetenzen an sich, auch hinsichtlich der Rechtsprechung. Namhafte innenpolitische Kommentatoren wie etwa Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung befürchten daher eine Entmachtung des Bundesverfassungsgerichts durch den Lissabon-Vertrag, indem der Grundrechtsschutz künftig (nicht nur hinsichtlich der EU-Rechtsakte)ausschließlich dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zukomme.
Diese Entwicklung wird von Bürgerrechtlern skeptisch beurteilt und zumindest als verfrüht angesehen. Zuletzt hat der EuGH am 10. Februar 2009 eine Klage gegen die Vorratsdatenspeicherung abgewiesen, während gleichzeitig sich in Deutschland die umfangreichste Verfassungsbeschwerde aller Zeiten mit über 30.000 Beschwerdeführern dagegen wendet, dass Telekommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger ohne Verdacht für staatliche Zwecke gespeichert werden. Deren Hoffnungen richten sich nach dem Fehlschlag in Luxemburg nunmehr auf Karlsruhe. Dem EuGH traut man noch nicht dasselbe Maß an Grundrechtssensibilität zu.
Ähnlich argumentierte bisher das Bundesverfassungsgericht selbst in seiner berühmtem „Solange I-Entscheidung". Solange auf der EU-Ebene nicht derselbe Standard an Grundrechtsschutz erreicht sei wie in Deutschland, behalte sich das Bundesverfassungsgericht die Zuständigkeit hierfür vor. Dies wurde durch die "Solange II- Entscheidung" scheinbar revidiert. tatsächlich hatte sich das BVerfG auch dort weiterhin eine Grundprüfungskompetenz vorbehalten.
Nicht nur die Gegner, sondern auch viele Befürworter des Lissabon-Vertrags hoffen darauf, dass bei der Urteilsverkündung im Mai 2009 diese „Solange“-Rechtsprechung fortgesetzt wird und sich Karlsruhe selbst die Kompetenz für den Grundrechtsschutz erhält. Eine Abtretung gerade dieser Kompetenz an EU-Institutionen wäre wohl ein unkalkulierbares Risiko.
Dies zeigt, dass das Bundesverfassungsgericht nach wie vor höchstes Ansehen genießt und dass die Bürgerinnen und Bürger ihm am meisten vertrauen, wenn es um den Schutz der Bürgerrechte geht. Von der Verfahrensordnung her ist dies durch das – grundgesetzlich abgesicherte – Institut der Verfassungsbeschwerde möglich geworden. Andere Prozessarten wie die Normenkontrolle, die beispielsweise ein Drittel der Mitglieder des Bundestags einreichen kann, spielen praktisch keine so große Rolle. Die Verfassungsbeschwerde ist zwar keine Popularklage. Sie gestattet es nicht, dass jeder Bürger ein Gesetz in Karlsruhe auf seine Verfassungsmäßigkeit hin überprüfen lassen könnte. Aber jeder, der selbst in seinen Grundrechten betroffen kann, ist befugt, Verfassungsbeschwerde zu erheben. Damit ist die Möglichkeit eröffnet worden, dass der Gesetzgeber immer damit rechnen muss, von den Karlsruher Richtern am Maßstab des Grundgesetzes gemessen zu werden. Beispielsweise konnte jeder Flugpassagier geltend machen, er könne vom Luftsicherheitsgesetz, das den Abschuss entführter Passagiermaschinen erlauben wollte, möglicherweise persönlich betroffen sein. Dies genügte, damit Verfassungsbeschwerden wegen möglicher Beeinträchtigung des Grundrechts auf Leben zulässigerweise erhoben werden konnten; sie waren auch begründet und damit insgesamt erfolgreich.
Dass die Verfassungsbeschwerde zu einer Erfolgsstory im Sinne der Bürgerrechte geworden ist, liegt aber selbstverständlich nicht nur an Zulässigkeitsregelungen, sondern vor allem daran, dass die Karlsruher Richter über die Jahre hinweg einen klaren inhaltlichen Kurs strikt eingehalten haben. Dies hat sich besonders nach dem 11.9.2001 bestätigt, als es geradezu zu einer Polarisierung zwischen Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht gekommen ist. Sowohl der Bundestag als auch viele Landtage verfolgten mehrheitlich die Devise „Sicherheit zuerst“. Karlsruhe beharrte dagegen auf dem Freiheitsgehalt des Grundgesetzes.
Somit kam es in den letzten fünf Jahren zu einer dramatischen Abfolge von markanten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts: Karlsruhe verwarf den großen Lauschangriff in der ursprünglichen Fassung, rügte einen Kompetenzverstoß bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung, hielt die Telekommunikations- und Postüberwachung durch das Zollkriminalamt für verfassungswidrig und entschied gegen die vorbeugende Telefonüberwachung. Der Europäische Haftbefehl und das Luftsicherheitsgesetz wurden für nichtig erklärt, die Rasterfahndung ohne konkreten Anlass wurde verworfen, beim Online-Zugriff auf Kontostammdaten sahen die Richter den Bestimmtheitsgrundsatz als verletzt an. Mit dem Cicero-Urteil wurde die Pressefreiheit gestärkt, die heimlichen Online-Durchsuchungen nach Muster des Landes NRW wurden für nichtig erklärt, ebenso die automatische Kennzeichenerfassung. Schließlich wurden Teile der Vorratsdatenspeicherung sogar durch einstweilige Anordnung außer Kraft gesetzt. Genauso verfuhr das Gericht zuletzt mit dem bayerischen Versammlungsgesetz. Immer ging es darum, unverhältnismäßige Eingriffe in die verbrieften Grundrechte abzuwehren.
Diese eindrucksvolle Bilanz führte auch jüngst wieder zu Gegenreaktionen aus der Politik. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ließ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 8. März 2009 wissen, das Gericht mische sich zu sehr in die Politik ein. Dieses Empfinden hatten Politiker auch schon in früheren Zeiten. Von Herbert Wehner, einem führenden Sozialdemokraten, wurde der Ausspruch kolportiert, man lasse sich doch die Ostpolitik nicht Karlsruhe kaputtmachen. Wehner hat dies in seiner ihm eigenen Art mit einer hier nicht zu zitierenden unflätigen Wortwahl formuliert, die heute nicht mehr gesellschaftsfähig wäre. Aber dahinter steckte die Grundsatzfrage, ob es Bereiche gibt, die nicht justiziabel sind, etwa Fragen des richtigen außenpolitischen Kurses. Sollte es der sozialliberalen Koalition in den Siebziger Jahren wirklich von Verfassungs wegen verboten sein, einen Ausgleich mit der UdSSR und mit Polen zu suchen? Am Ende hat das Bundesverfassungsgericht die Klagen gegen die Ostverträge abgewiesen, aber die Frage nach einem „judicial self restraint“, nach richterliche Selbstbeschränkung blieb.
Sie gewann Aktualität angesichts des Karlsruher Verdikts von 1975 gegen die Fristenlösung im Dauerstreit um § 218 StGB. Was ist noch richterliche Auslegung der Verfassung und wo beginnen die Richter, selbst Politik zu machen? Sind wirklich dem Grundgesetz Vorgaben für Steuersätze (Halbteilungsgrundsatz) zu entnehmen, wonach die steuerliche Belastung der Bürger fünfzig Prozent ihres Einkommens nicht übersteigen darf? Oder handelt es sich hierbei in Wahrheit um eine Aufgabe der Politik, endlich - wie wir Liberale seit langem fordern - für ein einfacheres Steuersystem mit niedrigeren und gerechteren Steuersätzen zu sorgen?
An diesen Beispielen wird ein Grundproblem deutlich: ein Verfassungsgericht mit so weit reichenden Konsequenzen könnte man als systemfremd ansehen, weil nur den Parlamenten die Legitimierung für politische Entscheidungen durch die Wähler erteilt wird. Wie kann es dann angehen, dass eine mehrheitlich im Parlament getroffene Entscheidung von einem Richtergremium aus acht Personen aufgehoben werden darf?
Die Antwort ist klar. Auch der Gesetzgeber unterliegt Bindungen. Er kann nicht schrankenlos seine Entscheidungen treffen, sondern ist dabei an die Verfassung gebunden. Folglich muss es eine Instanz geben, die durch Auslegung verbindlich den Inhalt der Verfassung feststellt, und die beurteilen darf, ob sich der Gesetzgeber an diesen Inhalt gehalten hat oder nicht.
Also ist das System durchaus stimmig. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Grenzen in der Vergangenheit weitgehend eingehalten und es hat umgekehrt in einer Fülle glanzvoller Entscheidungen den Grundrechten, wie sie auf dem Papier stehen, Leben eingehaucht. Mit dem berühmten „Lüth-Urteil“ vom 15.1.1958 hat es Grundrechte nicht nur im klassisch liberalen Sinne als Abwehrrechte gegen den Staat definiert, sondern aus der Gesamtheit der Grundrechte eine objektive Werteordnung entnommen. Demnach wirken die Grundrechte mittelbar auch auf das Privatrecht ein. Ein weiterer Meilenstein in der Rechtsprechungsgeschichte war das Volkszählungsurteil von 1983, mit dem der Datenschutz Grundrechtsqualität erlangte, indem aus Artikel 2 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) ein „Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“ herausgelesen wurde.
Selbstverständlich finden sich in einer bis auf den September 1951 zurückreichenden Judikatur hinreichend Urteile, die kritisch zu bewerten wären. Oft spürt man auch den Kompromisscharakter der Entscheidungsfindung, denn die Besetzung der Richterbank wird von den beiden großen Fraktionen CDU/CSU und SPD maßgeblich gestaltet. Wegen der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit gibt es einen Zwang zur Einigung, also eine faktische große Koalition auch in Zeiten anderer als der derzeitigen Regierungskonstellation. Demgemäß achteten Union und SPD immer auf eine hälftige Aufteilung in jedem der beiden Senate des Bundesverfassungsgerichts. Die Erwartung, „ihre“ Richterinnen und Richter würden dann im jeweiligen Parteisinne judizieren, wurde aber ebenso regelmäßig enttäuscht. Noch dazu gilt seit langem eine zwölfjährige Amtszeit ohne Wiederwahlmöglichkeit. Letzteres hat vermutlich die Unabhängigkeit der Verfassungsrichter von den sie vorschlagenden Parteien noch einmal erhöht. Beispielsweise wird der derzeitige Verfassungsgerichtspräsident Professor Hans-Jürgen Papier der CSU zugerechnet. Unter seinem Vorsitz ergingen aber viele der eingangs genannten bürgerrechtfreundlichen Urteile, die ganz und gar nicht der innenpolitischen Linie der CSU entsprechen.
Insgesamt hat sich Karlsruhe viel Vertrauen erarbeitet. Das geht manchmal sogar so weit, dass groteskerweise Abgeordnete entgegen ihrer eigenen Meinung (aber entsprechend der Fraktions- und Koalitionsdisziplin) einem Gesetz zustimmen in der Hoffnung, das Bundesverfassungsgericht werde korrigierend eingreifen. Genau dies erklärte freimütig der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD) bei der Verabschiedung der umstrittenen Regelung, dass aus dem Ausland nachziehende Ehegatten zuerst eine Deutschprüfung in ihrem Herkunftsstaat bestehen müssten. Edathy beugte sich der hierzu getroffenen Abmachung von CDU/CSU und SPD, brachte aber in der Plenardebatte seine Erwartung zum Ausdruck, dass Karlsruhe ein solches gegen den Grundrechtsschutz von Ehen gerichtetes Gesetz ohnehin einkassieren würde.
Der Vorgang zeigt, dass bei aller Unwägbarkeit von Verfassungsauslegung sich durch die jahrzehntelange Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts schon ein Stück Berechenbarkeit herausgebildet hat, wie Karlsruhe einen Sachverhalt bewerten wird. Diese (relative) Klarheit bietet der europäische Grundrechtsschutz offenkundig noch nicht.
Man hat früher gerne unterschieden zwischen Staatsgerichtshöfen, die Streitigkeiten zwischen Staatsorganen schlichten (Beispiel: Organklagen, wie sie auch das Grundgesetz zulässt) und Verfassungsgerichten, die (auch) dem Grundrechtsschutz dienen). Es ist kein Anflug von Nationalismus, sondern ein berechtigtes Beharren auf einem einmal erreichten Standard, wenn man auch als überzeugter Europäer hoffen darf: Das Bundesverfassungsgericht wird in der Lissabon-Entscheidung dafür sorgen, dass es kein Staatsgerichtshof wird, sondern ein echtes Verfassungsgericht bleibt.
Gastbeitrag für Pro und Contra in der Braunschweiger Zeitung vom 1.2.2009
Die bestehenden Abstimmungsregelungen im Bundesrat haben sich bewährt. Votiert wird vielfach nicht entlang der üblichen Parteilinien, sondern - wie es der Idee der Mitwirkung des Bundesrats entspricht - nach Länderinteressen. Diese lassen sich derzeit effektiv durchsetzen. Wenn die notwendige Mehrheit nicht erreicht wird, besteht die Möglichkeit, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Dessen praktische Erfolgsquote ist durchaus beachtlich. Er zwingt die Beteiligten zu Kompromissen. Alles in allem funktioniert das System. Deshalb müssten die Verfechter neuer Abstimmungsregeln beweisen, unabweisbarer Änderungsbedarf besteht.
Dies wäre nur der Fall, wenn der Bundesrat als Blockadeinstrument missbraucht würde. Eine solche Phase gab es in den Neunziger Jahren. Damals hat die SPD unter Lafontaine die Steuerreformpläne der schwarz-gelben Bundesregierung aus parteitaktischen Motiven verhindert.
Diese damalige Fehlentwicklung hat sich seither nicht wiederholt. Ein sachliches Bedürfnis für eine Änderung der Abstimmungsregeln wurde daher zu Recht von keiner Seite thematisiert. Solange die große Koalition die absolute Mehrheit im Bundesrat hatte, haben weder CDU/CSU noch SPD an eine Änderung der Regeln gedacht. Erst durch die Ergebnisse der Landtagswahlen in Bayern und Hessen und den damit einhergehenden veränderten Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat wird das bisherige Verfahren plötzlich zur Disposition gestellt. Dies zeigt, dass parteipolitische Motive zu der Reformdebatte geführt haben. Solche Motive wären ein schlechter Ausgangspunkt für eine so einschneidende Veränderung der Rolle des Bundesrats.
Gerade im Interesse des Föderalismus sollte es daher bei den bestehenden Regeln bleiben.
Für die FDP-Bundestagsfraktion ist Dr. Max Stadler eine Art "Geheimwaffe". Er ist Obmann der FDP im BND-Untersuchungsausschuss und stellvertretender Vorsitzender im Parlamentarischen Kontrollgremium. Zwei wichtige Ämter in zwei hochbrisanten Institutionen. Außerdem leitet der Jurist den Arbeitskreis IV - Innen und Recht - der Fraktion. Im Nachgefragt-Interview erzählt Max Stadler, wie er die Daten(skandal)flut bewältigt, die Geheimdienste hinterfragt, die Regierung kritisch kontrolliert und wie er trotz allem auch noch ruhig schlafen kann.
"Nachgefragt" ist ein neues Format der FDP-Bundestagsfraktion, in dem ab sofort wöchentlich Abgeordnete im großen Interview zu Wort kommen.
Herr Dr. Stadler, Sie sind bestimmt sehr im Stress, Ihre Themen haben Konjunktur! Ob BND-Untersuchungsausschuss, BKA-Gesetz oder die Datenskandale bei großen deutschen Unternehmen – in der Innenpolitik geht es gerade hoch her. Wie schaffen Sie es, immer auf dem Laufenden zu bleiben?
Die aktuellen innenpolitischen Debatten führe ich sehr gerne, weil sie grundlegende Fragen des Staatsverständnisses und des Verhältnisses der Bürgerinnen und Bürger zum Staat betreffen. Diese Themen sind daher bestens geeignet, liberale Positionen zu verdeutlichen. Dabei hilft mir sehr, dass alle Mitglieder des von mir geleiteten Arbeitskreises IV (Innen- und Rechtspolitik) ausgewiesene Fachleute sind und wir in einem sehr kollegialen Dialog unsere Stellungnahmen zu den aktuellen innenpolitischen Fragen gemeinsam erarbeiten. Gerade bei dem besonders wichtig gewordenen Thema Datenschutz ist die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, eine Spezialistin, von deren Fachwissen auch ich sehr profitiere. Nicht zu vergessen ist die exzellente Zuarbeit durch die in diesem Politikbereich bei uns tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Gerade in Ihrer Funktion als Mitglied des BND-Untersuchungsausschusses und des Parlamentarischen Kontrollgremiums können Sie ja oft nicht auf die Hilfe von Mitarbeitern zurückgreifen, sondern müssen alles selbst lesen, da viele Dokumente der Geheimhaltung unterliegen. Für Sie eher Privileg oder Bürde?
Im Parlamentarischen Kontrollgremium ist man „Einzelkämpfer“. Es ist zwar ehrenvoll, wenn einem das Vertrauen entgegen gebracht wird, geheimzuhaltende Sachverhalte zu beurteilen. Dennoch hat sich bei allen Fraktion die Auffassung durchgesetzt, dass die Kontrolle der Geheimdienste noch effektiver wäre, wenn - wie in allen anderen Ausschüssen üblich - auch im Parlamentarischen Kontrollgremium eine Zuarbeit durch sachkundige Mitarbeiter zulässig wäre. Diese Frage ist Gegenstand von Gesprächen der FDP mit CDU/CSU und SPD über ein Reformgesetz. Im Untersuchungsausschuss wendet mein Kollege Hellmut Königshaus, obwohl er „nur“ stellvertretendes Mitglied ist, enorm viel Arbeitskraft auf, um mit mir gemeinsam die Sitzungen vorzubereiten und zu bestreiten. Zu zweit sind wir mit Sicherheit ein viel schlagkräftigeres Team als ich es alleine sein könnte. Zudem sind im Untersuchungsausschuss Mitarbeiter für uns tätig (dort ist dies erlaubt), die Herrn Königshaus und mir in vorbildlicher Weise bei der Bewältigung der Aufgabe helfen.
Wenn man über so viel geheimes Wissen verfügt, schläft man dann nicht manchmal unruhig?
Ich würde viel unruhiger schlafen, wenn es - trotz aller Unzulänglichkeiten - die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten nicht gäbe. Sowohl die Möglichkeit, bestimmte Vorgänge in Untersuchungsausschüssen gründlich aufzuklären, als auch die laufende Überwachung der Arbeit der Nachrichtendienste im Parlamentarischen Kontrollgremium sind wertvolle Errungenschaften der Demokratie und des Rechtsstaats.
Haben Sie das Gefühl, dass sich Ihre Mühen - z.B. im BND-Untersuchungsausschuss - lohnen?
Gerade die zeitlich äußerst aufwendige Arbeit im BND-Untersuchungsausschuss hat gezeigt, dass kaum ein anderes parlamentarisches Gremium in der Lage ist, problematische Sachverhalte so ausführlich zu behandeln wie dies dort möglich ist. Dadurch konnte herausgearbeitet werden, dass nach dem 11.09.2001 in dem verständlichen Bestreben nach Sicherheit verantwortliche Stellen rechtsstaatliche Grundsätze mehrfach nicht mehr eingehalten haben. Obwohl der Untersuchungsausschuss seine Arbeit noch nicht beendet hat, haben seine Verhandlungen und die Zwischenergebnisse auf die heutige Praxis der Sicherheitsbehörden bereits positive Auswirkungen gezeitigt. Beispielsweise ist es mittlerweile zu einer Regelung gekommen, dass im Rechtshilfeverkehr mit ausländischen Staaten Informationen nur dann weitergegeben werden dürfen, wenn sichergestellt ist, dass deren Verwendung nicht zu Folter, rechtsstaatswidrigen Verfahren oder zu Verhängung der Todesstrafe führt. Da somit der Untersuchungsausschuss dazu beigetragen hat, dass an sich selbstverständliche, aber in der Praxis nicht mehr gewährleistete rechtsstaatliche Prinzipien in der Alltagsarbeit wieder vollständig eingehalten werden, sehe ich die Mitwirkung in diesem Ausschuss als sehr lohnenswert an.
Stichwort Parlamentarisches Kontrollgremium: Sie setzen sich für eine Reform des Gremiums ein, um zum Beispiel die Arbeit des Nachrichtendienstes besser kontrollieren zu können. Was genau fordern Sie?
Bei der Reform des Parlamentarischen Kontrollgremiums kommt es vor allem darauf an, die Berichtspflicht der Bundesregierung an dieses Gremium zu präzisieren. Es kann nicht angehen, dass das Parlament über Vorfälle aus dem Bereich der Nachrichtendienste aus den Medien erfährt und erst verspätet von der Bundesregierung informiert wird. Deshalb sollte es Mitarbeitern der Nachrichtendienste auch erlaubt sein, Missstände direkt dem Gremium mitzuteilen. Die jetzt schon vorgesehene Regelung, in bestimmten Fällen in geeigneter Weise nach den Sitzungen die Öffentlichkeit zu informieren, muss ergänzt werden um das Recht der Opposition, abweichende Beurteilungen vorzunehmen und zu publizieren. Schließlich könnte die Effizienz der Kontrolle dadurch erhöht werden, dass (sicherheitsüberprüfte) Mitarbeiter bei der Tätigkeit der Abgeordneten helfen dürfen.
Wo wird die FDP-Bundestagsfraktion im AK IV in den kommenden Monaten bis zum Bundestagswahl noch Schwerpunkte setzen?
Ein besonderer Schwerpunkt in der Tätigkeit des Arbeitskreises IV in den kommenden Monaten wird darin liegen, aus verschiedenen Datenschutzskandalen der letzten Zeit die notwendigen gesetzgeberischen Folgerungen zu ziehen. In der Vergangenheit spielte vor allem der Datenschutz der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Staat eine große Rolle, für die Zukunft muss man Möglichkeiten finden, den Datenschutz im Privatrechtsverkehr zu verbessern.
Zugleich wird die Auseinandersetzung um das richtige Maß an polizeilichen Eingriffsbefugnissen und um die Wahrung des Kernbereichs privater Lebensführung am Beispiel des BKA-Gesetzes weiter gehen. Nachdem sich andere Länder dem Vorbild der von der FDP mitregierten Bundesländer angeschlossen haben und ihre Bedenken zum BKA-Gesetz formuliert haben, wird es zu einem Vermittlungsverfahren kommen, möglicherweise auch zu einer Verfassungsklage. Daher bleibt das Generalthema der richtigen Balance von Freiheit und Sicherheit auf der Agenda des AK IV.
Nach dem brutalen Angriff zweier Jugendlicher auf einen Rentner in einer Münchner U-Bahn-Station ist die Debatte um eine Verschärfung des Jugendstrafrechts entfacht. FDP-Innenpolitiker Max Stadler sprach sich dafür aus, das geltende Recht konsequent anzuwenden. Es sei selbstverständlich, dass eine so brutale Tat hart geahndet werden müsse. Dafür biete schon das geltende Jugendgerichtsgesetz (JGG) die Möglichkeiten. „Wir haben alle rechtlich nötigen Instrumente", erklärte Stadler in der Berliner Zeitung." Das JGG enthalte für Jugendliche (bis zu 18 Jahren) immerhin eine Strafandrohung von bis zu zehn Jahren Jugendstrafe, für Heranwachsende (18-20 jährige Täter) bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe, im Einzelfall sogar lebenslange Haft. Bei einer Verurteilung ab zwei Jahren Jugendstrafe ohne Bewährung sei zudem die Ausweisung ausländischer Verurteilter die regelmäßige Folge.
Stadler betonte zugleich, man müsse auch die Ursachen von Aggressivität bekämpfen. Es diene dem Schutz potentieller Opfer, gefährdete oder kriminelle Jugendliche früher aufzufangen. "Das ist zwar eine aufwändige Aufgabe, aber lohnenswert." Notwendig sei eine Erziehung, bei der Jugendlichen vermittelt werde, dass Gewaltanwendung absolut verwerflich sei. Gefragt seien das Elternhaus, die Behörden, die Schule sowie die Kommunen, die dafür Geld bereitstellen müssten. Auch die Justiz müsse dafür sorgen, dass straffällig gewordenen Jugendlichen schnell der Prozess gemacht werde. Dies wäre hilfreicher als der Ruf nach Gesetzesveränderungen.
Zwei 20 und 17 Jahre alte Männer hatten in der vergangenen Woche in München einen Rentner attackiert und ihm dabei einen mehrfachen Schädelbruch zugefügt. Die Täter sitzen wegen des Vorwurfs des versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung in Untersuchungshaft. Die grobe Gewalt, mit der die Täter vorgingen, löste bundesweit Entsetzen aus.