Änderungsbedarf Verjährungsfristen sexuellen Missbrauchs
Fragestunde - Protokoll Nr. 210 vom 28.11.2012
Änderungsbedarf bei strafrechtlichen Verjährungsfristen in Bezug auf sexuellen Missbrauch
Vizepräsident Eduard Oswald:
Vielen Dank. – Wir kommen zur Frage 18 unserer Kollegin Sonja Steffen:
Welche Änderungen beabsichtigt die Bundesregierung in Bezug auf die strafrechtlichen Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch noch in dieser Legislaturperiode in den Deutschen Bundestag einzubringen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Die Frage einer Änderung der Fristen der strafrechtlichen Verjährung bei sexuellem Missbrauch wird derzeit im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs erörtert. Die Entscheidung darüber, welches Ergebnis am Ende erzielt wird, liegt somit beim Deutschen Bundestag.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin.
Sonja Steffen (SPD):
Teilt das BMJ die Erkenntnis, dass bei vielen Sexualstraftaten, die während der Minderjährigkeit der Opfer begangen wurden, ein sogenanntes Coming-out erst sehr spät erfolgt, also die Opfer oftmals sehr spät erst in der Lage sind, über die Tat, die an ihnen begangen wurde, zu reden?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Frau Kollegin Steffen, diese Erkenntnis ist zweifellos richtig. Sie ist auch beim Runden Tisch, den die Bundesregierung initiiert hat, erörtert worden. Das Bundesministerium der Justiz orientiert sich bei seinem weiteren Vorgehen sehr stark an den Ergebnissen des Runden Tisches. Das hat dazu geführt, dass wir mit dem von mir gerade schon erwähnten Gesetzentwurf dafür eintreten, die Frist der zivilrechtlichen Verjährung in solchen Fällen deutlich, nämlich auf 30 Jahre auszudehnen – bisher waren es drei Jahre – und es entgegen ursprünglichen Überlegungen dabei zu belassen, dass die Verjährungsfrist erst mit dem 21. Lebensjahr beginnt, sodass den Opfern viel Zeit bleibt, ihre Ansprüche geltend zu machen.
Zwischen den Fraktionen gibt es Gespräche, ob man bei der strafrechtlichen Verjährung in ähnlicher Weise vorgehen könnte. Es ist kein Geheimnis, dass auch hier überlegt wird, den Beginn der Verjährungsfrist auf ein späteres Lebensjahr hinauszuschieben, sodass die Opfer bei einem späteren Coming-out auch strafrechtlich gegen den Täter vorgehen können.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre weitere Nachfrage, Frau Kollegin.
Sonja Steffen (SPD):
Das Ergebnis der Diskussionen des Runden Tisches in Bezug auf die zivilrechtlichen Verjährungsfristen war relativ eindeutig. 30 Jahre sind eine lange Zeit. Viele von uns wünschen sich eine entsprechende Verlängerung der Verjährungsfrist im Strafrecht.
Was mich in diesem Zusammenhang besonders umtreibt, ist die Tatsache, dass sich die Beweislage im Laufe der Zeit verschlechtert; es ist ein großes Problem, dass es nach dieser langen Zeit Beweisschwierigkeiten gibt. Im Grunde genommen sind diese Schwierigkeiten in zivilrechtlichen Verfahren wesentlich größer, weil es hier den Parteien überlassen ist, die Beweisführung anzutreten. In einem strafrechtlichen Verfahren hingegen ist dies wesentlich einfacher, weil man hier eben auch die Hilfe der Staatsanwaltschaft und der Polizei in Anspruch nehmen kann.
Ganz konkret gefragt: Gehen Sie davon aus, dass sich Ihr Ministerium in dieser Legislaturperiode noch mit den strafrechtlichen Verjährungsfristen befassen wird? Es gibt bereits entsprechende Gesetzesinitiativen; darauf haben Sie hingewiesen.
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Frau Kollegin Steffen, Sie haben völlig zu Recht auf fortschreitende Beweisschwierigkeiten hingewiesen. Je länger ein Sachverhalt zurückliegt, desto schwieriger ist die Aufklärung durch die Gerichte. Das ist unter anderem ein Grund dafür, dass es überhaupt Verjährungsfristen gibt. Der Staat verzichtet aufgrund dieser Erwägung auf die Durchsetzung des Strafanspruches nach einem gewissen Zeitablauf.
In diesem speziellen Bereich ist von der Bundesregierung auf Grundlage eines Entwurfs des Bundesministeriums der Justiz ein Gesetz auf den Weg gebracht worden, nämlich das sogenannte StORMG. Die Fraktionen überlegen jetzt, wie man die strafrechtliche Verjährung dort ändert. Es gibt noch keine Einigung auf ein genaues Modell, aber Sie können davon ausgehen, dass es am Ende auf einen längeren Zeitraum, in dem eine solche Straftat noch verfolgt werden kann, hinauslaufen wird.