Stadtrat beschließt härtere Sperrzeit-Regelung
24:19-Mehrheit für Lokalschluss um 2 Uhr (wochentags) und 3 Uhr (Wochenende) - Ab 1. November probeweise für ein Jahr - Ausnahmeregelungen möglich
Von Christian Karl
Nach gut eineinhalb Jahre währender Debatte hat das Stadtrats-Plenum gestern mit 24:19-Mehrheit eine neue und einschneidendere Sperrzeiten-Verordnung beschlossen. Die ab 1. November gültige Regelung sieht in der Innenstadt Lokalschlusszeiten von 2 Uhr (wochentags) und 3 Uhr (samstags, sonntags und an Feiertagen) vor. Bis dato schließen vor allem Clubs im Umfeld von Fuzo und Ludwigsplatz teils erst um 5 Uhr. Der Beschluss beinhaltet aber zugleich Ausnahmeregelungen „für Betriebe, bei denen keine besonderen Störungen der Nachbarschaft zu erwarten sind“. Der Ordnungsausschuss hat demnächst darüber zu befinden, welche Nachtlokale, die sich zudem noch außerhalb des „Problembereichs“ zwischen Paulusbogen und Nikolastraße/Frauengasse befinden müssen, diese Kriterien erfüllen. Mit dem Beschluss wurde ein Antrag von Dr. Max Stadler (Fraktionsvorsitzender FDP/Passauer Liste) befürwortet, der auf einem Empfehlungsbeschluss des Ordnungsausschusses und einem Verwaltungsvorschlag basiert. Sowohl bei den 25 Befürwortern als auch bei den 19 Gegnern fanden sich parteiübergreifend Stadträte wieder, die ohne Fraktionszwang entschieden.
„Wir werden uns aber selbstverständlich in einem Jahr wieder unterhalten - in die eine oder andere Richtung“, sagte OB Jürgen Dupper kurz vor Abstimmung und mit Blick auf die einjährige Probezeit und einhergehende Überprüfung, die der neuen Sperrzeitverlängerung zusätzlich auferlegt wurde.
Dem Beschluss vorausgegangen war eine knapp zweistündige lebhafte Debatte, die im Großen Rathaussaal ausgetragen wurde. Der Umzug in den riesigen Sitzungsraum trug der großen Zuhörer-Erwartung Rechnung und war durchaus gerechtfertigt. Rund 200 Bürger jeglichen Alters verfolgten die Sitzung - die meisten junge Ausgeh-Anhänger, aber auch viele Anwohner und Gastronomen, die die Argumente im Plenum zu insgesamt vier verschiedenen Beschluss-Vorschlägen verfolgten
Die neue Verordnung wurde zuvorderst begründet durch ein erforderliches „öffentliches Bedürfnis“, das Ordnungs-Referent Josef Zacher mit Blick auf die seit gut eineinhalb Jahren währenden Dauerdebatte skizzierte. Dieses „Bedürfnis“ wurde in vielen öffentlichen Diskussionen und auch verwaltungsinternen Gesprächsrunden immer wieder gesehen in einer intensiven Lärmbelästigung von Bewohnern vor allem im Umfeld der rund 25 Lokale in der „Ausgehmeile“ rund um die Fußgängerzone (Klingergasse, Rosstränke, Heuwinkel). Hinzu kamen immer wieder ins Spiel gebrachte zunehmende Sicherheitsstörungen, wie sie die Polizei öfters in Statistiken vorbrachte. So wurden zum Beispiel im vergangenen Jahr 131 Körperverletzungsdelikte bearbeitet (rund 40 Prozent mehr als im Vorjahr). 77 Prozent dieser Delikte wurden am Wochenende begangen. 83 Prozent entfielen laut Polizei auf die zweite Nachthälfte – vorwiegend ab 2 Uhr. Hinzu kamen 2011 allein rund 200 Polizeieinsätze wegen Ruhestörungen und 61 wegen Randalierens (plus 19 %).
In der gestrigen Sitzung waren vier Vorschläge zur Sprache gekommen. Gemäß der Geschäftsordnung des Passauer Stadtrats wird zunächst über die jeweils „weitreichendsten“ Anträge abgestimmt. Allen voran stand der Empfehlungsbeschluss des Ordnungsausschusses vom 10. Juli (Öffnungszeiten für alle Innenstadt-Lokale wochentags bis 2 Uhr und am Wochenende sowie Feiertagen bis 3 Uhr). Mit 12:31 Stimmen wurde dieses restriktive Vorgehen abgelehnt. Es folgte das Votum über den Antrag von Dr. Max Stadler (FDP/Passauer Liste), der sich an den der Empfehlungsbeschluss anlehnte, zusätzlich aber soll für Betriebe, „bei denen keine besonderen Störungen der Nachbarschaft zu erwarten sind, kann der Ordnungsausschuss die in der Verordnung festgelegten Sperrzeiten im Einzelfall verkürzen“ (Ausnahmegenehmigungen). Probezeit ein Jahr. Die Verwaltung wird beauftragt, dem Ordnungsausschuss im Herbst 2013 zu berichten.
Nach dem Mehrheits-Votum kam der Antrag der Stadträte Armin Dickl (CSU)/Karin Kasberger (SPD) nicht mehr zur Abstimmung. Darin hätten die derzeit geltenden Sperrzeiten vorläufig nicht geändert werden sollen und die Wirte im Innenstadtbereich Gelegenheit erhalten sollen, freiwillige Maßnahmen umzusetzen wie die Schließung der Lokale von Montag bis Mittwoch um 2 Uhr, Donnerstag und Freitag um 3 Uhr, Samstag sowie Sonn- und Feiertage um 4 Uhr sowie die Beauftragung eines privaten Sicherheitsdienstes zu den jeweiligen Öffnungszeiten organisieren sollen. Auch der Antrag von Stephan Bauer (Grüne), der keine Änderung bis Ende 2013 und dafür eine Anordnung rigoroser Sperrzeit-Verlängerungen „bei problematischen Lokalen“, Quartiersgespräche der Verwaltung mit Anwohnern, Wirten und Polizei sowie Lokalverbote und Platzverweise für „Krawallmacher“ und eine „bessere Polizei-Präsenz“ vorsah, kam nicht mehr zur Abstimmung.
Die neue Sperrzeiten-Regelung soll zum 1. November in Kraft treten. Zum einen gebe dieser Zeitpunkt den Gaststättenbetreibern noch etwas Spielraum, sich auf die neue Situation einzustellen. Zum Anderen können gegebenenfalls die Kriterien für Ausnahmegenehmigungen durch den Ordnungsausschuss noch vor diesem Termin beschlossen werden. Der nächste Sitzungstermin für den Ordnungsausschuss, in dem Prinzipien und vielleicht sogar schon Namen für mögliche Ausnahmegenehmigungen genannt werden könnten, wäre der 9. Oktober. Die gestern beschlossene neue Verordnung gilt - so heißt es zumindest in §5 der Rechtsvorschrift - 20 Jahre. Aber, wie vom OB erwähnt: Nach dem einen Jahr Probezeit soll die Regelung nochmals auf Vor- und Nachteile abgeklopft werden. Änderungen „in die eine oder andere Richtung“ nicht ausgeschlossen.