Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses des ACTA-Abkommens
Fragestunde - Protokoll Nr. 164 vom 07.03.2012
Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses des ACTA-Abkommens im Falle der Feststellung der Rechtmäßigkeit durch den Europäischen Gerichtshof
Vizepräsident Eduard Oswald:
Ich rufe die Frage 16 auf:
Plant die Bundesregierung, den Ratifizierungsprozess des Handelsübereinkommens ACTA fortzusetzen, sofern die Prüfung durch ein Gutachten des Europäischen Gerichtshofs dessen Rechtmäßigkeit ergibt?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ich darf die Frage folgendermaßen beantworten: Das Bundeskabinett hat am 30. November 2011 der Zeichnung von ACTA durch die Bundesrepublik Deutschland zugestimmt. Ein konkreter Zeichnungstermin und weitere Planungen zum Ratifikationsverfahren stehen derzeit nicht fest.
Die Bundesregierung wird bei ihrer Entscheidung zum weiteren Vorgehen das Gutachten des Europäischen Gerichtshofs ebenso wie die weitere Diskussion und Beschlussfassung im Europäischen Parlament berücksichtigen.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege.
Burkhard Lischka (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, falls ACTA, aus welchen Gründen auch immer, scheitert: Plant die Bundesregierung in diesem Fall auf internationaler Ebene Initiativen zur Bekämpfung der Produktpiraterie, oder sind für die Bundesregierung dann auch entsprechende Initiativen ad acta gelegt?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lischka, ich wäre beinahe versucht zu sagen: Es freut mich, dass Sie als Oppositionspolitiker der Bundesregierung so weitreichende Planungen zutrauen. Ich glaube, das richtige Vorgehen besteht jetzt darin, abzuwarten, wie sich die durch die Entscheidung der Europäischen Kommission entstandene neue Situation darstellt.
Die Kommission hat bekanntlich die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs beschlossen. Demgemäß muss man als Nächstes dies abwarten. Es ist das Euro-päische Parlament am Zug. Denn es handelt sich bei ACTA um ein Abkommen, das von der Europäischen Union verhandelt worden ist. Die beiden Akteure, die ich gerade genannt habe, sind als Nächstes am Zug. Dann wird die Bundesregierung weitere Schritte überlegen.
Richtig ist aber, was in Ihrer Frage durchscheint, dass es sehr wohl – auch das muss man betonen – in der derzeitigen Debatte ein erhebliches Interesse der Bundesregierung gibt, der Produktpiraterie entgegenzutreten. Das steht außer jedem Zweifel.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre zweite Nachfrage.
Burkhard Lischka (SPD):
Herr Staatssekretär, Ihr Kollege, Herr Staatssekretär Otto, hat in der vergangenen Woche in einer Podiumsdiskussion des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco angekündigt, dass in Kürze ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zum dritten Korb des Urheberrechts vorgelegt wird. Ist dem so, und wenn ja: Wann ist damit zu rechnen?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lischka, wie Sie wissen, hat am Sonntag der Koalitionsausschuss getagt. Es gab dabei auch eine Beschlussfassung zu urheberrechtlichen Themen. Diese wird jetzt umgesetzt, indem an den dort behandelten Themen weiter gearbeitet wird. Ich kann Ihnen aber zum heutigen Tag kein Datum nennen, wann ein Gesetzentwurf vorgelegt wird.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Eine weitere Frage hat unser Kollege Christian -Ströbele.
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke. – Herr Kollege Stadler, Sie alle kennen die Kritik insbesondere aus der User-Szene an ACTA. Hat die Bundesregierung gerade auch angesichts ihrer Bemühungen um eine Neuregelung des Urheberrechts in Deutschland zu den Formulierungen, wie sie in ACTA weitgehend ohne Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit, insbesondere der User, zustande gekommen sind, berücksichtigt, welche anderen Möglichkeiten des Urheberrechts, aber auch des Schutzes der Interessen derer, die leichter von den modernen Möglichkeiten der Nutzung dessen, was im Internet zu haben ist, Gebrauch machen, infrage kommen?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Ströbele, zunächst einmal gibt mir Ihre Frage die Gelegenheit, noch einmal eine Selbstverständlichkeit zu betonen: Die Bundesregierung fühlt sich selbstverständlich dem Schutz des geistigen Eigentums verpflichtet. Ebenso habe ich aus Ihrer Fraktion die Äußerung gehört, dass dies auch für Bündnis 90/Die Grünen gelte; denn dies sei schließlich die Partei von -Heinrich Böll. Ich weiß nicht genau, welche Ihrer Kolleginnen das gesagt hat. Jedenfalls hat sich auch Ihre Fraktion mit diesem Satz zum Schutz des geistigen Eigentums und zum Urheberrecht bekannt.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wie!)
Die Kritik an ACTA ging zum Teil davon aus – das kann ich ein Stück weit gut nachvollziehen –, dass die Verhandlungen, die, wie gesagt, nicht von der Bundes-regierung, sondern von der Europäischen Union mit anderen Staaten geführt worden sind, zunächst, wie bei derartigen internationalen Verhandlungen nicht unüblich, hinter verschlossenen Türen geführt worden sind. Wir, die Bundesregierung, haben uns aber dafür eingesetzt, dass ab 2010 alle maßgeblichen Dokumente veröffentlicht worden sind; denn wir sind der Auffassung, dass man mit Transparenz Kritikpunkten, die sonst zu Unrecht auftauchen, vorbeugt.
Beispielsweise wird unentwegt – auch von Ihrer Parteivorsitzenden Claudia Roth – behauptet, wegen ACTA könnten keine Generika mehr nach Afrika geliefert werden, was dort zu Gesundheitsgefährdungen von Menschen führe. Da kann ich nur sagen: Das hat mit ACTA nichts zu tun, sondern ist Thema in anderen Abkommen – um nur das aufzugreifen, was Sie zur Kritik gesagt haben.
Nun ging es im Kern Ihrer Frage darum, über Änderungen im Urheberrecht nachzudenken. Ich darf festhalten: ACTA zwingt zu keiner Änderung der Rechtslage in Deutschland, insbesondere nicht zur Einführung von Internetsperren. Das will ich auch einmal betonen, weil es dazu in der öffentlichen Debatte manchmal nichtzutreffende Behauptungen gibt.
Dass wir uns insgesamt über das Urheberrecht Gedanken machen, ist schon durch die Antwort auf die Frage des Kollegen Lischka deutlich geworden. Darin habe ich ja gesagt: Im Anschluss an den Koalitionsausschuss wird es Überlegungen zu Änderungen im Urheberrecht geben; diese werden zunächst intern abgestimmt.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Vielen Dank. – Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Justiz.