Studie: Vorratsdatenspeicherung wirkt nicht
Laut FDP-Gutachten keine Auswirkungen auf Aufklärungsquote von Straftagen - Widerspruch von der Union
Von Andreas Herholz
Berlin. Der Vorstoß war sorgfältig vorbereitet. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger denkt nicht daran, im Koalitionsstreit um die Vorratsdatenspeicherung einzulenken. Die FDP-Politikerin legt ein juristisches Gutachten vor, das den Nutzen der Vorratsdatenspeicherung in Frage stellt.
Die Auseinandersetzung um die Nutzung von Kommunikationsdaten zur Ermittlung bei Straftaten zwischen Union und FDP spitzt sich weiter zu. Die Liberalen und ihre Ministerin lehnen die von der Union geforderte und von der EU-Kommission angemahnte Rückkehr zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung weiter strikt ab.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) beharrt als Kompromiss in der Auseinandersetzung mit der Union auf die Einführung des sogenannten Quick-Freeze-Verfahrens. Danach würden Telefon- und Internetanbieter nur bei einem Verdacht auf schwere Straftaten von den Sicherheitsbehörden angewiesen, Kommunikationsdaten zu speichern. Per Gerichtsbeschluss könnten die Behörden dann die Nutzung erreichen.
Leutheusser-Schnarrenberger sieht sich durch ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg bestätigt. Die Expertenstudie über mögliche Schutzlücken durch den Wegfall der Vorratsdatenspeicherung kommt zu dem Ergebnis, dass diese Methode nicht zu einer systematisch höheren Aufklärung geführt hätte. Allerdings weisen die Juristen auch darauf hin, dass von Praktikern aus Justiz und Sicherheitsbehörden in dem von der Ministerin geforderten Quick-Freeze-Verfahren "kein taugliches Äquivalent zur Vorratsdatenspeicherung" gesehen werde. Eine Argumentationshilfe, die sich die Ministerin immerhin 20 000 Euro aus ihrem Etat hat kosten lassen.
"Die Studie zeigt, dass die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung nicht empirisch belegt, sondern nur ein Gefühl der Praktiker ist", erklärte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium der Justiz, Max Stadler (FDP). Die Vorratsdatenspeicherung habe keinen messbaren Einfluss auf Aufklärungsquoten, bekräftigte er die Ablehnung der Liberalen. Wenn Ermittler etwas anderes behaupteten und dabei auf Einzelfälle verwiesen, sei dies "weder belegt noch belegbar", so Stadler. "Wir treten als Alternative für das Quick-Freeze-Verfahren ein, bei dem Daten nur aus konkretem Anlass gespeichert werden", erklärte er.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erfuhr von der Studie erst aus den Medien. Der Minister und die Union beharren darauf, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuletzt auf eine schnelle Einigung zwischen dem Justiz- und dem Innenressort gedrängt – vergeblich. Ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung werde keine Zustimmung der FDP finden, heißt es aus der Parteiführung. "Unverständlich", "abenteuerlich", "Milchmädchenrechnung", kritisieren CSU-Spitzen die Liberalen und die Justizministerin. In den Reihen der Union verweist man auf eine EU-Richtlinie, die eine sechs Monate lange Vorratsdatenspeicherung vorschreibt. Die Kommission droht Deutschland bereits mit Bußgeld im Falle der Nichteinhaltung.
Wird der Streit um die Vorratsdatenspeicherung jetzt zur Chefsache? Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte gestern, die Kanzlerin sei ständig mit den beiden Ministerin im Gespräch. Spätestens beim nächsten Koalitionsgipfel dürfte das Thema ganz oben auf der Tagesordnung stehen.