Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Keine befriedigende Lösung

Zur Neuordnung der Sicherungsverwahrung
Von Gundula Geuther, Hauptstadtstudio

Die Sicherungsverwahrung neu zu ordnen, sei eines der größten und wichtigsten rechtspolitischen Projekte der Legislaturperiode, rühmte heute der parlamentarische Staatssekretär Max Stadler. Das ist so. Ob es gelungen ist, steht auf einem anderen Blatt.

Klar ist: Befriedigende Lösungen für diese vielleicht sensibelste Frage der Rechtspolitik kann es kaum geben. Wie geht der Rechtsstaat um mit seinen schwierigsten Klienten? Dabei sind sich heute die meisten einig in Deutschland, dass Straftäter aus dem Verkehr gezogen werden müssen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder Töten oder Vergewaltigen würden. Damit aber ist wenig gesagt. Denn wer zu diesem hoch gefährlichen Kreis gehört, kann niemand sicher vorhersagen. Welcher Maßstab an Wahrscheinlichkeit anzulegen ist, durch welche und wie viele Delikte ein Straftäter seine Gefährlichkeit unter Beweis gestellt haben muss, ist eine politische Entscheidung. Auf der einen Seite steht die Sicherheit, auf der anderen die Gefahr, dass ein Mensch möglicherweise nie wieder in Freiheit kommt, obwohl er seine Strafe verbüßt hat. Und vor allem: Obwohl er vielleicht nie wieder schlimme Taten begangen hätte. Wie viele - wenn man so will - zu Unrecht verwahrt werden, kann man nur raten.

Hochrechnungen gehen davon aus, dass es acht oder neun von zehn sind. Das kann, wer will, bezweifeln. Sicher ist: In den letzten zwölf Jahren, in denen alle Koalitionen den Schwerpunkt immer weiter hin zur Sicherheit verlagert haben, ist die Zahl derer, die nach verbüßter Haft weiter einsitzen um mehr als 160 Prozent gestiegen, auf mehr als 520 Personen. Und nach der heutigen Entscheidung des Bundestages ist es wahrscheinlich, dass es noch einmal sehr viel mehr werden.

Dabei ist der Bundesjustizministerin, zusammen mit der FDP und auf den letzten Metern zusammen mit der SPD, eine wesentliche Weichenstellung gelungen: Für notorische Betrüger oder Einbrecher wird es keine Sicherungsverwahrung mehr geben. Und - nach einer langen Übergangszeit von zehn und mehr Jahren - wird nur noch der Tatrichter die Verwahrung anordnen können, mindestens unter Vorbehalt. Der Preis dafür ist, dass Gewalt- oder Sexualverbrecher in Zukunft viel leichter weiter festgehalten werden können. Und die Gefahr besteht, dass Richter das auch mindestens vorläufig regelmäßig so sehen werden. Denn ihre Entscheidung kann ja später noch revidiert werden.

Das Problem: Wird die Sicherungsverwahrung weiter so vollzogen, wie bisher, dann wird es sehr oft dabei bleiben. Nicht jeder, der will, bekommt eine Therapie. Wer mit seinem Therapeuten nicht zurechtkommt, hat oft keine Alternative. Wer keinen Freigang hat, kann sich nicht bewähren. Und kann so den ersten Eindruck der Gefährlichkeit kaum widerlegen. Die Länder müssen ihren Vollzug ändern, das steht ohnehin fest. Was die Reform wert ist, wird davon abhängen, ob sie das wirklich umfassend tun. Und es wird davon abhängen, wie Richter und Gutachter mit dem neuen Gesetz umgehen. Das hat die Verantwortung für die Abwägung zwischen Sicherheit der Bevölkerung und Rechten der Straftäter noch viel weiter auf Gutachter und Richter abgeschoben als es bisher der Fall war. Die brauchen in Zukunft mehr Zivilcourage, wenn sie ihre Entscheidung verantwortungsvoll treffen wollen. Jeder von ihnen weiß, was noch vor wenigen Jahren Gemeingut war: Absolute Sicherheit kann es nicht geben. Danach zu handeln wird schwieriger in einer Zeit, in der dieser gesellschaftliche Konsens geschwunden ist.




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