Neuregelung des Sorgerechts nicht verheirateter Väter
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler zur Verfügung. Zunächst die Frage 12 des Kollegen Burkhard Lischka:
Plant die Bundesregierung für die Neuregelung des Sorgerechts nicht verheirateter Väter eine Widerspruchslösung, sodass ledige Väter künftig automatisch das gemeinsame Sorgerecht erhalten würden, oder eine Antragslösung, sodass Väter auf Antrag das Sorgerecht für ihr Kind bekommen können, und wann ist mit der Vorlage eines Gesetzentwurfs für die Neuregelung des Sorgerechts zu rechnen?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lischka, Sie weisen in Ihrer Frage zu Recht darauf hin, dass die Bundesregierung derzeit an einer Neuregelung des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern arbeitet. Wir tun dies nicht nur aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen, sondern auch aus der Überzeugung heraus, dass es dem Kindeswohl entspricht, wenn Väter stärker als in der Vergangenheit in die Verantwortung für das Kind einbezogen werden.
Mit welchem Modell man dies erreicht, ist aber derzeit noch in der Diskussion. Die Überlegungen im Ministerium sind schon sehr weit fortgeschritten, und in der Diskussion wird, wie es in Ihrer Frage angesprochen ist, tatsächlich zwischen der Möglichkeit einer sogenannten Antragslösung, bei der die Väter bei Gericht einen Antrag auf gemeinsame Sorge stellen müssten, und der Möglichkeit einer Widerspruchslösung, bei der erst eine gemeinsame Sorge entsteht und die Mütter dann bei Gericht dagegen Widerspruch einlegen können, unterschieden.
Die Vor- und Nachteile beider Regelungsmodelle werden derzeit sorgfältig gegeneinander abgewogen. Deshalb lässt sich Ihre Frage, wann genau mit der Vorlage eines Gesetzentwurfs zu rechnen sei, derzeit noch nicht präzise beantworten. Wir hoffen aber, möglichst noch im Herbst 2010 einen Gesetzentwurf vorstellen und beraten zu können.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Bitte schön, Kollege Lischka, eine Nachfrage.
Burkhard Lischka (SPD):
Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, Sie haben die Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle angesprochen. Welche gravierenden Vorteile oder Nachteile sehen Sie bei dem einen oder anderen Modell, das derzeit diskutiert wird? In verschiedenen europäischen Staaten gibt es Vorbilder oder Beispiele für diese unterschiedlichen Modelle. Werden sie derzeit auch durch das BMJ ausgewertet?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Selbstverständlich werten wir auch die Beispiele aus anderen europäischen Ländern aus. Wir beziehen in unsere Überlegungen auch ein, dass bei dem schon möglichen gemeinsamen Sorgerecht nach Scheidung oder Trennung durchaus gute Erfahrungen gemacht worden sind. Dies hat sich sehr wohl bewährt.
Für die unterschiedlichen Modelle gibt es natürlich eine Fülle von Gesichtspunkten, wobei man zunächst darauf hinweisen muss, dass wir dann, wenn sich die beiden Elternteile einvernehmlich auf die gemeinsame Sorge einigen, ohnehin keine Problemfälle haben. Es geht also nur um die streitigen Fälle.
Dabei könnte man zugunsten des Antragsmodells ins Feld führen, dass es damit eine klare Entscheidung der Väter wäre, dass sie sich um die gemeinsame Sorge bemühen. Es ist nicht unzumutbar, dies zum Ausdruck zu bringen, indem man im Streitfall bei Gericht hierfür einen Antrag stellt.
Auf der anderen Seite hat das Widerspruchsmodell selbstverständlich auch Vorteile. Da entsteht zunächst eine gemeinsame Sorge kraft Gesetzes. Man kann die Hoffnung hegen, dass diese Phase dazu genutzt wird, dass sich die Elternteile im Laufe der Zeit – womöglich einvernehmlich – auf die gemeinsame Sorge einigen. Umgekehrt muss es für die Frauen die Möglichkeit eines Widerspruchs geben, weil die Lebenssachverhalte sehr unterschiedlich sind und somit durchaus Konstellationen denkbar sind, in denen es nicht dem Kindeswohl entsprechen würde, wenn der Vater gemeinsam mit der Mutter die Sorge ausüben würde. All dies muss bedacht werden.
Am Ende ist es auch ein Kriterium, dass man vermeiden möchte, dass zu viele Fälle zu Gericht gehen. Eine Einigung zwischen den Beteiligten ist selbstverständlich vorzugswürdig.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Nachfrage? – Bitte.
Burkhard Lischka (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort von der „Überzeugung“ gesprochen, „dass es dem Kindeswohl entspricht, wenn Väter stärker als in der Vergangenheit in die Verantwortung für das Kind einbezogen werden“. Das hat sich vonseiten der heutigen Bundesjustizministerin, als sie im vergangenen Jahr noch auf den Oppositionsbänken saß, anders angehört: Sie hat damals gesagt, dass ein gemeinsames Sorgerecht ohne die Zustimmung der Mutter eigentlich untunlich sei. Darf ich Ihre erste Antwort so verstehen, dass dies nicht mehr Auffassung des BMJ ist, unabhängig von den gerichtlichen Entscheidungen?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lischka, jedenfalls gibt es höchstrichterliche Entscheidungen – sowohl auf europäischer Ebene als auch vom Bundesverfassungsgericht –, die zum Inhalt haben, dass es den Vätern möglich sein muss, die Mitsorge zu erlangen, auch ohne Einverständnis der Mutter. Dabei kann selbstverständlich nur das Kindeswohl das Kriterium sein. Wir diskutieren jetzt über die Frage, welches Verfahren wir für die Streitfälle vorsehen sollten. Beide Modelle, die Sie in der Frage angesprochen haben – Antragsmodell und Widerspruchsmodell –, haben etwas für sich. Darüber wird politisch zu entscheiden sein; die endgültige Entscheidung wird hier vom Parlament zu treffen sein.