Drei Minister, zwei Runde Tische
Justizministerium will Kirche und Betroffene zu Gesprächen bitten
Sigrid Averesch
BERLIN. Die schwarz-gelbe Koalition ist sich uneins über die Maßnahmen zur Aufklärung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche und an Schulen. Umstritten ist der von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder und Bundesbildungsministerin Annette Schavan (beide CDU) einberufene Runde Tisch zur Aufklärung von Missbrauchsfällen an Schulen. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Max Stadler (FDP), nannte das Vorhaben zwar berechtigt, um an den Schulen Prävention zu leisten. "Aber es ersetzt nicht das Vorhaben des Bundesjustizministeriums für einen Runden Tisch mit Vertretern der Kirche und den Betroffenen, um die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche aufzuarbeiten", sagte Stadler der Berliner Zeitung. In dieser Runde müsse geklärt werden, ob die Opfer eine finanzielle Entschädigung erhalten. Zudem müssten alle Themen besprochen werden, die die Justiz betreffen, sagte der FDP-Politiker. Dazu zähle die Frage, inwieweit staatliche Behörden von der katholischen Kirche bei Verdachtsfällen eingeschaltet würden.
Ministerin nicht geladen
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle an kirchlichen Institutionen die katholische Kirche kritisiert und sich für einen Runden Tisch mit den Opfern eingesetzt. Inzwischen haben das Bundesfamilienministerium und das Bundesbildungsministerium für ein Gespräch am 23. April geladen. An der Runde sollen nach Angaben des Familienministeriums Vertreter von Schulen und Internaten, der Länder und Kommunen sowie Ärzte und der Deutsche Lehrerverband teilnehmen. Sie soll ausloten, welche Hilfe und Unterstützung die Opfer benötigen und wie Missbrauch in Zukunft verhindert werden kann. Die FDP befürchtet, dass bei dieser Runde die Verantwortung der katholischen Kirche bei der Aufklärung von Missbrauchsfällen in den Hintergrund geraten könne.
Die Bundesjustizministerin ist nach Angaben ihres Ministeriums bisher nicht zum Runden Tisch des Familienministeriums geladen worden. Angefragt worden sei ein Ministeriums-Mitarbeiter. Kritik übte der FDP-Rechtspolitiker Christian Ahrendt. Die Tatsache, dass die Justizministerin nicht eingeladen worden sei, sei brüskierend, sagte er. Offensichtlich sei die Zusammensetzung des Runden Tisches "mit heißer Nadel gestrickt". So werde den Opfern nicht geholfen.
Unterdessen ist eine Debatte über längere Verjährungsfristen für die Entschädigung von Missbrauchsopfern entbrannt. Bisher gilt eine dreijährige Frist für Schadenersatz und Schmerzensgeld. "Das Bundesjustizministerium strebt eine Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährung an", sagte Stadler. "Die bisherige Frist ist zu kurz." Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Günter Krings (CDU) sprach sich für eine 30-jährige Frist aus. Stadler wandte sich aber gegen Forderungen, die strafrechtlichen Verjährungsfristen, die bis zu 20 Jahren betragen, zu verlängern. Er verwies darauf, dass bei zu langen Zeiträumen zwischen Tat und Gerichtsverfahren eine Aufklärung immer schwieriger werde. Das diene den Opfern nicht. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) forderte gestern schärfere Strafen.