Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

„Wir sind in einer Koalition die zweitstärkste Kraft“


PNP-Interview mit der bayerischen FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger - Westerwelle als Fraktionsvorsitzender bestätigt

"Hinterkopf haben, dass sie doppelt so stark ist wie die CSU"
 
Berlin/Passau.  Der FDP-Parteivorsitzende Guido Westerwelle ist fast einstimmig (eine Stimme war ungültig) als Chef der neuen FDP-Bundestagsfraktion bestätigt worden. Die anderen Mitglieder der Fraktionsführung bleiben kommissarisch im Amt bis zur Bildung der neuen Regierung. Da Westerwelle vermutlich Vizekanzler und Außenminister wird, muss dann die Fraktionsführung neu gewählt werden. Dafür gehandelt wird die baden-württembergische Landeschefin Birgit Homburger.
Der FDP-Chef sprach von einer „ganz wichtigen Rückendeckung“ für die Koalitionsverhandlungen mit der Union. Das FDP-Präsidium wird voraussichtlich am Donnerstag die Mitglieder der Verhandlungskommission benennen.
Die bayerische FDP-Chefin und Bundes-Vize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger pochte derweil im Interview mit der PNP darauf, bei den Verhandlungen mehr auf Inhalte denn auf das Tempo zu achten: „Von diesem Koalitionsvertrag muss auf jeden Fall ein Aufbruchsignal ausgehen.“

Die Union will die Koalitionsverhandlungen bis Ende Oktober abschließen. Hat es die FDP auch so eilig?

Leutheusser-Schnarrenberger:  Wir wollen auch, dass zügig verhandelt wird. Aber klar ist, dass wir zuerst auf Inhalte und Sorgfalt setzen und nicht auf Tempo.

Gibt es für die FDP Grundsätze, die nicht verhandelbar sind?

Leutheusser-Schnarrenberger:  Wir bleiben bei unserem Wahlprogramm. Steuersenkungen, mehr Geld für Bildung und die
Stärkung der Bürgerrechte - das sind unsere Kernpunkte. Wir gehen jetzt aber nicht in die
Gespräche mit Forderungen, die für uns unverhandelbar sind. Von diesem Koalitionsvertrag muss auf jeden Fall ein Aufbruchsignal ausgehen. Es muss klar sein, dass die Weichen anders gestellt werden.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel kann sich auch stufenweise Steuersenkungen vorstellen, mit einem Einstieg bei den Familien.
 
Leutheusser-Schnarrenberger: Das wäre eine Möglichkeit. Wir brauchen aber auch Korrekturen bei der Unternehmensteuerreform. Mit einem ersten Schritt würde die Koalition ein Zeichen des Aufbruchs setzen.

Was sind für Sie die wichtigsten Punkte, die aus der Zeit der Großen Koalition korrigiert werden müssen?

Leutheusser-Schnarrenberger: Die Freiheits- und Bürgerrechte müssen gestärkt werden. Die FDP will Korrekturen beim BKA-Gesetz. Das Paket mit den Anti-Terror-Gesetzen ist viel zu umfangreich geschnürt. Die FDP wird sich auch gegen Internetsperren einsetzen. Diese Zugangseinschränkung wollen wir verhindern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt Korrekturen beim Gesundheitsfonds strikt ab . . .

Leutheusser-Schnarrenberger: In unserem Wahlprogramm steht ganz klar, dass wir den Gesundheitsfonds abschaffen wollen. Das ist unsere gesundheitspolitische Forderung. Wir brauchen andere Weichenstellungen. Da sind wir uns mit der CSU völlig einig.

Mit der geplanten Abschaffung der Wehrpflicht haben Sie sich auch in der Vergangenheit nicht durchsetzen können . . .
 
Leutheusser-Schnarrenberger: Die Aussetzung der Wehrpflicht, bei der wir die fehlende Wehrgerechtigkeit beklagen, bleibt ein Streitthema mit der Union. Das kommt auf den Verhandlungstisch. Sicher wird es schwierig.

Im Wahlkampf hat der politische Gegner gewarnt, dass es mit der FDP zu sozialen Einschnitten kommen würde . . .
 
Leutheusser-Schnarrenberger: Diese Vorwürfe sind absurd. In unserem Programm ist nichts enthalten, was zu sozialem Kahlschlag führen würde. Im Gegenteil: Wir wollen das Schonvermögen für Langzeitarbeitslose im Hinblick auf Alterssicherung anheben. Es wird mit uns keinen Kahlschlag geben. Wir müssen aber prüfen, wie die Sozialsysteme zukunftsfähig gemacht werden können.

1990 stellte die FDP bei einem Wahlergebnis von 11 Prozent fünf Minister in der Regierung Kohl. Heute liegen Sie bei knapp 15 Prozent. Wie viel Regierungsposten dürfen es jetzt sein?

Leutheusser-Schnarrenberger: Vor Beginn der Verhandlungen erheben wir keine Ansprüche auf Ministerposten. Aber jeder sieht an unserem Ergebnis, wie stark wir sind. Wir sind in einer Koalition mit der CDU und der CSU wohlgemerkt die zweitstärkste Kraft. Es ist klar, dass sich das im Kabinett widerspiegeln muss. Aber übers Personal reden wir zum Schluss.

Die CSU und ihr Chef Horst Seehofer haben die FDP im Wahlkampf attackiert. Jetzt sitzen beide Parteien am Verhandlungstisch. Zeit für ein Mea culpa?

Leutheusser-Schnarrenberger: Die FDP wird ihren Stil beibehalten. Gerade auch in Bayern. Wir stellen die Sachpolitik in den Vordergrund, andere nicht. Wenn wir einen Koalitionsausschuss haben, werden wir in Ruhe über diese Themen reden. Das muss natürlich noch mal ein Stück aufgearbeitet werden, da ist die Stimmungslage nicht mehr so gut. Dennoch: Wir werden nüchtern und professionell verhandeln. Die FDP wird immer im Hinterkopf haben, dass sie doppelt so stark ist wie die CSU. Das wird sich dann auch am Ende entsprechend niederschlagen.

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Interview: Andreas Herholz


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