Dr. Max Stadler

zurück | | Sitemap | Seite weiterempfehlen | Druckversion | 
Donnerstag, 3. Januar 2013

Anmerkungen zu Schäuble

Bundespräsident Horst Köhler hat – ein äußerst seltener und daher sehr bemerkenswerter Vorgang! – zu Recht kritisiert, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble „in einer Art Stakkato“ Forderungen nach weiteren Gesetzesverschärfungen vorträgt. Man müsse sich fragen, ob dies für die Bevölkerung nachvollziehbar sei.

Tatsächlich geht es sowohl um die vom Bundespräsidenten kritisierte Art der Debattenführung als auch besonders um Schäubles Inhalte und seinen Denkansatz.

Schäuble lässt kein Reizthema aus. Unentwegt verlangte er den Einsatz der Bundeswehr im Inneren, sei es während der Fußball-Weltmeisterschaft, sei es während des G8-Gipfels in Heiligendamm.

Die Unschuldsvermutung, ein Fundament des Rechtsstaates, relativierte Schäuble hinsichtlich der Gefahrenabwehr in missverständlicher Weise (auch bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr braucht man einen gewissen Verdachtsgrad).

Eine breitere Öffentlichkeit brachte Schäuble mit seiner Forderung nach heimlichen Online-Durchsuchungen von privaten PC’s gegen sich auf. Seither hat er in Meinungsumfragen keine Mehrheiten mehr für seine Politik.

Aber Schäuble geht es nicht um diese oder jene Einzelmaßnahme.

Er vertritt offenkundig folgenden Grundgedanken:

Die Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Sicherheit sei nicht mehr zeitgemäß. Daraus folgt logisch, man müsse gegen Terrorismus auch mit militärischen Mitteln vorgehen. Dafür gelten dann die rechtlichen Bindungen des Polizeirechts, der Strafprozessordnung und des Strafrechts nicht.

Die USA haben diesen Grundgedanken weiterentwickelt und die Figur des enemy combattant formuliert, für den nicht einmal Kriegsrecht gilt, also für den weder die Schutzmechanismen der Genfer Konvention noch der Strafprozessordnung eingreifen.

Deshalb werden Verdächtige bewusst auf Guantanamo festgehalten, weil dies kein amerikanisches Territorium ist und demnach die Rechtsordnung der USA nicht gilt. Gefangene dürfen nach amerikanischer Doktrin gefoltert werden, da dies Menschenleben schützen könne.
Sie werden ohne Haftbefehl jahrelang inhaftiert, sind für längere Zeit ohne Kontakt zu ihren Angehörigen oder zu Anwälten aufnehmen, sie erhalten jahrelang keine Anklage und auch kein Urteil durch ein unabhängiges Gericht.


Man darf Herrn Schäuble natürlich keinesfalls unterstellen, dass er dies alles gutheißen würde. Aber das Denkmuster, neue rechtliche Kategorien einzuführen, scheint im Spiegel-Interview vom 9. Juli 2007 durch, wenn Schäuble sagt: „Wir sollten versuchen, … Rechtsgrundlagen zu schaffen, die uns die nötigen Freiheiten im Kampf gegen den Terrorismus bieten.“ Gemeint ist wohl, hinderliche Bindungen an Vorschriften des Rechtsstaates sollen außer Kraft gesetzt werden, damit ein – nach Schäubles Meinung – wirksame Terrorismusabwehr möglich wird.

Aus diesem Denkansatz heraus erklären sich Schäubles Fragestellungen zur Inhaftierung auf Verdacht (Schilys alte Forderung nach „Sicherungshaft“) und zum targeted killing. Beides ist in einem Rechtsstaat völlig inakzeptabel.

Davon, dass Schäuble missverstanden worden sei, weil er ja nur Fragen gestellt habe, kann jedoch keine Rede sein.

Wolfgang Schäuble hat diese Fragen bewusst aufgeworfen, um das denken über diese Themen zu verändern und den Boden für andere Regelungen zu bereiten.

Die liberale Gegenposition lautet:

Terrorismus ist eine besonders verwerfliche Form der Schwerkriminalität, der mit den Mitteln des Rechtsstaats und der wehrhaften Demokratie entgegenzutreten ist, ohne Grundprinzipien des Rechtsstaats aufzugeben.

 zurück | Startseite | Seite weiterempfehlen | Druckversion | zum Seitenanfang