Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 14.12.2001

Stadler zum Terrorismusgesetz

Rede im Plenum des Deutschen Bundestag
am 13.12.2001 zum
Terrorismusbekämpfungsgesetz
(Es gilt das gesprochene Wort!)



Die schrecklichen Ereignisse vom 11. September haben der Bundesregierung, vor allem dem Bundesinnenminister, aber auch dem gesamten Parlament die besondere Verantwortung auferlegt, alle geeigneten und rechtsstaatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Erhöhung der inneren Sicherheit zu ergreifen.
Die FDP hat sich an dieser Aufgabe von Anfang an konstruktiv beteiligt. Wir wissen uns einig mit vielen Praktikern, dass der wirkungsvollste Beitrag zur Erhöhung der inneren Sicherheit die bessere finanzielle, personelle und technische Ausstattung der Sicherheitsbehörden ist. Die gesetzlichen Grundlagen für eine effektive Arbeit von Polizei, Geheimdiensten und Justiz ist längst gelegt. Insbesondere durch eine umfangreiche Gesetzgebungstätigkeit der damaligen Koalition von FDP, CDU und CSU in den Jahren 1990 bis 1998.
Mittlerweile ist unser ständiges ceterum censeo vom Vollzugsdefizit Allgemeingut im Deutschen Bundestag geworden. Es kommt darauf an, die bestehenden Gesetze konsequent anzuwenden. Die FDP hat die ersten Schritte des Bundesinnenministers, hierfür die notwendigen Haushaltsmittel einzustellen, befürwortet.
Darüber hinaus haben wir notwendige gesetzgeberische Neuerungen wie etwa das sogenannte Sicherheitspaket Schily I ebenfalls unterstützt.
Mit dem Regierungsentwurf des Terrorismusbekämpfungsgesetzes ist aber von Anfang an die gebotene Balance zwischen sicherheitserhöhenden Maßnahmen einerseits und zu weitgehenden Eingriffen in die persönliche Freiheit der Bürgerinnen und Bürger andererseits nicht gewahrt worden. Dies ist durch die vielfache Kritik in der Sachverständigenanhörung am Entwurf Schily II deutlich geworden.
Daher wäre eine besonders sorgfältige parlamentarische Beratung trotz aller Eilbedürftigkeit der Entscheidung notwendig gewesen.
Denn dieses Gesetz ist von elementarer Bedeutung für die Frage, wie ein freiheitlicher Rechtsstaat auf eine neue Bedrohung der Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger reagiert.
Bei einem solchen Gesetz gilt die alte Forderung von Professor Niklas Luhmann: „Legitimation durch Verfahren“.
Die beispiellose Mißachtung der Rechte des Parlaments bei diesem Gesetzgebungsverfahren führt jedoch im Gegenteil zu der Feststellung: Durch das Verfahren hat dieses Gesetz seine Legitimation verloren.
Niemand macht dem Innenminister und der Koalition streitig, dass intern durchaus eine solche intensive Beratung stattgefunden hat. Im Gegenteil, wir erkennen ausdrücklich an, dass die nach der Sachverständigenanhörung von der FDP in einem Entschließungsantrag formulierten Kritikpunkte ihre Wirkung auf die Koalition nicht verfehlt haben. Mehrere unserer Forderungen nach besserer Kontrolle der mit neuen Eingriffsbefugnissen versehenen Geheimdienste oder etwa nach einer besseren Erfolgskontrolle der neuen Maßnahmen durch das Parlament sind in die endgültige Gesetzesfassung eingeflossen.
Die ausgiebige Beratungszeit, die die Koalition für sich selber in Anspruch genommen hat, hat sie jedoch der Opposition verweigert. Das Verfahren im Innenausschuß war eine beispiellose Beschneidung der Mitberatungsmöglichkeiten der Opposition.
Bis zum Dienstagabend brauchte die Koalition, um sich auf den endgültigen Gesetzestext zu verständigen. 30 Seiten Änderungsanträge sind uns somit erst unmittelbar vor der einzigen und abschließenden Beratung in den Ausschüssen zugegangen. Kollege Zeitlmann von der CSU, der bestimmt zu den Hardlinern bei der inneren Sicherheit zu rechnen ist, hat im Innenausschuß zu Recht erklärt, dass er in 18 Jahren Zugehörigkeit zu diesem Gremium sich an einen solchen Vorgang nicht erinnern kann. Er hat ferner zu Recht darauf hingewiesen, dass von der Sache her keinerlei Anlaß war, mit dieser übertriebenen Hektik die Opposition praktisch zu übergehen.
Tatsächlich gibt es nur eine einzige Erklärung für diese Mißachtung des Parlaments:
Die rot-grüne Koalition möchte mit der raschen Verabschiedung von Schily II Handlungsfähigkeit und Stärke demonstrieren, in Wahrheit ist aber das Vorgehen der Koalition ein Beweis ihrer inneren Schwäche. Denn die Koalition hat eine qualifizierte, umfangreiche parlamentarische Erörterung vermieden, weil sie sich des eigenen Zusammenhalts in dieser wichtigen Frage nicht sicher sein konnte. Die vermeintliche Demonstration von Stärke gerät somit zu einem Ausdruck eigener Schwäche. Das zeigt sich schon an der unterschiedlichen
Bewertung des Gesetzes durch den Bundesinnenminister einerseits und die Grünen andererseits. Herr Schily behauptet, die Änderungen seien nur „marginales Grün“ Herr Wiefelspütz und Herr Özedmir machen geltend, Sie hätten den Entwurf so verändert, dass man ihn nicht mehr wiedererkenne.
Die FDP-Fraktion ist unter diesen Umständen nicht bereit, dem Gesetz zuzustimmen.
Dafür gibt es allerdings auch eine Reihe von inhaltlichen Erwägungen. Beispielhaft nenne ich folgende Punkte:

1) Die Geheimdienste erhalten Zugriff auf Kundendaten von Banken, Telekommunikationsunternehmen, Post und Luftfahrtunternehmen.

2) Wir hätten uns eine vorrangige richterliche Kontrolle gewünscht, wie sie auch der Präsident der Bundesamtes für Verfassungsschutz in der Sachverständigenanhörung akzeptiert hat.

3) Bei der Benachrichtigung Betroffener stellt sich dasselbe Problem, das schon im Zusammenhang mit dem G 10 Gesetz diskutiert worden ist:
In manchen Fällen wird der Betroffene einer Überwachungsmaßnahme überhaupt nicht informiert mit der Folge, dass der nachträgliche gerichtliche Rechtsschutz entfällt.

4) Die für die Polizei geltende Verfahrensregelung bei Informationsgewinnung kann umgangen werden.

5) Diejenigen, deren Bankkonten künftig von Geheimdiensten überprüft werden, müssen keineswegs selber im Verdacht terroristischer Betätigung stehen. Auch völlig Unverdächtige können auf diese Weise überprüft werden, wie überhaupt mit diesem Gesetz eine Vielzahl unbeteiligter Bürger in Berührung mit den Nachrichtendiensten kommen wird.

6) Der Bundesnachrichtendienst, der für die Auslandsaufklärung zuständig ist, bekommt mit diesem Gesetz erweiterte Operationsbefugnisse im Inland.

7) Wer Personen aus dem Ausland zu einem Besuch in der Bundesrepublik Deutschland einlädt, kann künftig in bestimmten Fällen selbst von den Geheimdiensten überprüft werden.

8) Selbstverständlich sollen Personen, die die öffentliche Sicherheit gefährden, nicht in die Bundesrepublik einreisen dürfen oder, sofern sie sich hier schon aufhalten, ausgewiesen werden können. Die hierfür vorgesehenen Neuerungen sind von den Voraussetzungen her sehr unbestimmt. Minister Schily hat im Innenausschuß selbst problematisiert, dass nach dem Gesetzeswortlaut auch Freiheitskämpfern, die gegen ein Unrechtsregime kämpfen, die Einreise in die Bundesrepublik verweigert werden könnte, und er hat sich dabei aus der Geschichte auf die Widerstandskämpfer vom 20. Juli bezogen, die bei wörtlicher Anwendung dieses Gesetzes kein Einreisevisum in die Bundesrepublik Deutschland erhalten würden. Dieses absurde Ergebnis muß vermieden werden. Die entsprechende Kritik der Sachverständigenanhörung blieb bisher unberücksichtigt.

9) Und schließlich der politisch bedeutendste Gesichtspunkt:
Wenn künftig biometrische Daten wie z.B. Fingerabdrücke in Ausweispapieren aufgenommen werden, dann soll nach dem Willen der Datenschützer und nach der Beschlußlage der FDP keine zentrale Vergleichsdatei errichtet werden, da damit dem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet würde. Der nun neuerdings im Gesetz vorgesehene Ausschluß einer bundesweiten Datei reicht nicht aus, denn der Effekt einer nicht wünschenswerten Vergleichsdatei wäre selbstverständlich bei 15 miteinander vernetzten Länderdateien derselbe, so daß der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen in diesem Punkt zu kurz greift.

Unser Fazit:
Die FDP will Verbesserungen bei der inneren Sicherheit. Schily II schießt nach wie vor über das Ziel hinaus. Zusammen mit dem unzumutbaren Ablauf des Beratungsverfahrens kann daher unser Votum trotz punktueller Übereinstimmung nur auf Ablehnung lauten.


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