Rede vom 05.06.2003
Europäische Ausländer-, Asyl- und Zuwanderungspolitik transparent machenRede von Dr. Max Stadler im Plenum des Deutschen Bundestages am 05.06.2003
zum Antrag der CDU/CSU zur europäischen Ausländerpolitik
(Es gilt das gesprochene Wort)
Anrede
Die FDP-Bundestagsfraktion tritt seit langem für eine bessere Mitwirkung des Bundestages an der europäischen Rechtssetzung ein. Dies ist unserer Meinung nach ein wirksamer Beitrag zum Abbau des viel beklagten Demokratiedefizits in der Europäischen Union.
Der CDU/CSU-Fraktion geht es mit ihrem Antrag ersichtlich darum, nach der Zuwanderungsdebatte vom 09. Mai ein weiteres Mal ihre abweichende Grundposition in der Migrationspolitik im Plenum darzustellen.
Dies erscheint mir nicht sonderlich sinnvoll, da sich in den wenigen Wochen die Grundlinien der Migrationspolitik der vier Bundestagsfraktionen kaum geändert haben dürften.
Dennoch kann man bei einigem Wohlwollen dem Antrag der Union einen positiven Aspekt abgewinnen. Es geht - losgelöst vom aktuellen Anlass - um die prinzipielle Frage, welchen Einfluss wir als nationale Parlamentarier auf Verhandlungen und Entscheidungen im EU-Ministerrat nehmen wollen und nehmen können.
In dieser Grundsatzfrage ergreift die FDP-Fraktion ganz eindeutig Partei für die Rechte des Parlaments.
Dabei können wir uns auf das Grundgesetz berufen. Zu Recht gibt Artikel 23 Absatz 2 dem Bundestag die Befugnis, in Angelegenheit der Europäischen Union mitzuwirken. Dies geschieht in erster Linie über den gemäss Artikel 45 des Grundgesetzes vom Bundestag gestellten Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union.
Jedoch reicht die Tätigkeit dieses speziellen Ausschusses alleine nicht aus. Denn bei den Tagungen der EU-Fachminister werden so viele Einzelfragen von großer Auswirkung auf das deutsche Recht beraten und beschlossen, dass eine begleitende Mitwirkung der Fachausschüsse des Deutschen Bundestages - wie z.B. des Innenausschusses - dringend notwendig ist.
Dies gilt um so mehr, als die Position des Europäischen Parlaments immer noch nicht zufriedenstellend ausgestaltet ist. Den selben umfassenden öffentlichen Diskurs, den wir in Deutschland über national bedeutsame politische Fragen führen, muss es auch auf der EU-Ebene geben. Dies ist eine Kernvoraussetzung eines wirklich demokratischen Entscheidungsprozesses innerhalb der EU.
Die FDP-Fraktion hat daher im Innenausschuss des Bundestages schon vor Jahren die Initiative ergriffen und hat im Einvernehmen mit den anderen Fraktionen dafür gesorgt, dass laufend über die Verhandlungen im EU-Rat der Justiz- und Innenminister berichtet und debattiert wird. Dies alles ist längst Praxis des Innenausschusses. In der laufenden Legislaturperiode haben wir uns alle gemeinsam bemüht diese Praxis noch zu verbessern.
Aus diesem Grund ist der Antrag der Union jedenfalls teilweise als überflüssig abzulehnen.
Er geht überdies in einem entscheidenden Punkt einen Schritt zu weit. Wir haben es bisher gemeinsam immer als die richtige Methode angesehen, der Bundesregierung unsere politischen Positionen als Parlament mitzugeben auf den Verhandlungsweg.
Von einer förmlichen Bindung, etwa gar - wie die Union will - durch einen Gesetzesbeschluss - haben wir in der Vergangenheit bewusst abgesehen. Eine solche förmliche Bindung entspräche nicht den praktischen Bedürfnissen eines Verhandlungsprozesses mit einer Vielzahl von europäischen Partnerstaaten. Hier muss man einer Bundesregierung ein gewisses Maß an Flexibilität einräumen. Würde jeder einzelne EU-Mitgliedsstaat das machen, was die CDU/CSU in ihrem Antrag fordert, nämlich die eigene Regierung förmlich auf eine bestimmte Verhandlungsposition festlegen, dann wäre die unschwer vorherzusagende Folge diejenige, dass Entscheidungen auf der EU-Ministerratsebene ganz unmöglich gemacht würden.
Dies wollen wir als FDP gerade nicht.
Allerdings steckt genau diese Absicht hinter dem Antrag der Union. Denn die Vorzeichen in der Migrationspolitik haben sich völlig geändert. Oft genug hat die Union gerade uns Liberalen vorgehalten, das Grundrecht auf Asyl werde sich auf der europäischen Ebene keinesfalls auf Dauer halten lassen.
Heute ist die Union damit konfrontiert, dass der Diskussionstand in Europa eine völlig neue Qualität erreicht hat. In der EU wird jetzt eine moderne, im besten Sinne liberale Migrationspolitik favorisiert. Somit findet sich die Union heute mit ihrer Position isoliert in der Europäischen Union. Dies ist der eigentliche Grund für den Antrag.
Somit wird die FDP diesen Antrag ablehnen, weil er erstens bei den berechtigten Anliegen einer optimalen Mitwirkung des Bundestages an EU-Angelegenheiten keine Neuerungen bringt. Zweitens mit einer förmlichen Festlegung der Bundesregierung den Einigungsprozess über eine europäische Migrationspolitik unmöglich machen will und drittens den untauglichen Versuch darstellt, die isolierte Minderheitenposition der CDU/CSU in der Ausländer-, Asyl- und Zuwanderungspolitik auf Umwegen festzuschreiben.
ENDE