Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 14.11.2003

Bundesgrenzschutz für die EU-Osterweiterung tauglich machen

Dr. Max Stadler (FDP):

Der Bundestag versäumt heute eine große Chance, einen prinzipiellen Fehler des § 22 BGS zu beheben. Auch die FDP wollte nach Öffnung der Grenzen keine Sicherheitslücken und hat daher 1998 der Einführung verdachtsunabhängiger Kontrollen als Ersatz für Grenzkontrollen zugestimmt. Wir verkennen auch nicht, dass durch die neuen Befugnisse des BGS-Gesetzes viele Aufgriffe vorgenommen worden sind. Dennoch werden wir der bloßen Verlängerung dieser Vorschrift heute nicht zustimmen, sondern uns der Stimme enthalten. Zum einen hat es keine echte Evaluierung gegeben,sondern lediglich einen Erfahrungsbericht der Bundesregierung. Bei der Neueinführung 1998 hatte die FDP eine Befristung auf fünf Jahre durchgesetzt, damit die Erfahrungen gründlich ausgewertet werden können. Dies ist nicht geschehen. Rot-Grün ist offenbar derselben Meinung, denn sonst wäre der Evaluierungsantrag der Koalitionsfraktionen für das Jahr 2008 nicht verständlich. Entscheidend dafür, dass die FDP heute nicht mit Ja stimmt, ist aber ein anderer Gesichtspunkt. Verdachtsunabhängige Kontrollen im Inland sollten – so die Grundidee– an die Stelle der früheren, ebenfalls verdachtsunabhängigen
Grenzkontrollen treten. Die vorliegende Regelung geht aber weit darüber hinaus, weil sie verdachtsunabhängige Kontrollen in Bahnanlagen und Zügen im gesamten Inland erlaubt. Unserer Meinung nach müssten diese Kontrollen auf einen kilometermäßig begrenzten Bereich entlang der Grenzen sowie auf die Flughäfen beschränkt werden, denn verdachtsunabhängige Kontrollen sind im deutschen Polizeirecht ein
Fremdkörper, sodass sie nur bei engem, auch räumlichen Grenzbezug vertretbar erscheinen.
Im Verfassungsstaat ist nicht der Bürger polizeipflichtig, sondern es muss immer ein konkreter Anlass für polizeiliches Einschreiten bestehen; sonst würden wir auf den Stand des preußischen Polizeirechts von 1850 zurückfallen.
Herr Kollege Wiefelspütz hat bei der Beratung im Innenausschuss die These formuliert, heute müsste angesichts erhöhter Bedrohungen eine abstrakte Gefahr ausreichen, um polizeiliche Eingriffe zu rechtfertigen. Eine solche These bedeutet eine gefährliche Abkehr vom klassischen Polizeirecht unter Geltung des Grundgesetzes.
Es ist ein elementarer Grundsatz, dass niemals von einer Aufgabe auf eine polizeiliche Befugnis geschlossen werden darf, wie dies Herr Wiefelspütz tut.
Die Aufgabe ist klar: Unterbindung grenzüberschreitender Kriminalität. Die Befugnis muss exakt darauf abgestellt und begrenzt sein. Deshalb hätte § 22 BGS dahin gehend geändert werden müssen, dass verdachtsunabhängige Kontrollen ausschließlich bei eindeutigem Grenzbezug erlaubt sind. Andernfalls wäre es ehrlicher, wenn der Gesetzgeber verdachtsunabhänige Kontrollen schlechthin zulassen
würde. Dies wollen wir nicht und die Koalition will dies angeblich auch nicht. Die Regelung, die heute mit den Stimmen der Koalition und der Union verlängert wird, ist aber nichts anderes als eine verdeckte Erlaubnis für schrankenlose verdachtsunabhängige Kontrollen.


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