Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 01.07.2004

Rede Dr. Stadler zum Zuwanderungsgesetz

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf an das anschließen, was Ministerpräsident Müller am Schluss gesagt hat: Die Arbeit hat sich gelohnt.

Das neue Zuwanderungsgesetz ist vielleicht kein historischer Kompromiss, es ist aber eine durch und durch vernünftige Neuregelung der deutschen Migrationspolitik. Dieses Gesetz eröffnet große Chancen: Erstens. Es bietet eine vorsichtige Öffnung des Arbeitsmarktes für ausländische Arbeitnehmer, die uns helfen werden, Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern und neue zu schaffen.
Zweitens. Dieses Gesetz bewahrt die humanitäre Tradition des Grundgesetzes und baut sie sogar aus, etwa mit neuen Regelungen zur geschlechtsspezifischen Verfolgung und zur nichtstaatlichen Verfolgung.
Drittens. Dieses Gesetz ist der Einstieg in eine bessere Integrationspolitik. Es war von Anfang an ein zentraler Aspekt bei diesem Gesetzgebungsvorhaben, dass wir denjenigen, die schon in Deutschland leben, und denjenigen, die neu kommen, mehr Integrationsmöglichkeiten bieten müssen, aber auch von ihnen Integrationsbemühungen
verlangen dürfen.

Natürlich lässt der Kompromiss manche Wünsche offen. Als FDP kritisieren wir vor allem, dass jetzt ein ungeheuer bürokratisches Verfahren erforderlich ist, um Zugang zum Arbeitsmarkt zu erlangen. An manchen Stellen spiegelt sich eine große Ängstlichkeit mancher an den Verhandlungen Beteiligter wider.

Trotz aller Kritik meine ich aber, dass das, was vereinbart worden ist, insgesamt ein Zeichen für Liberalität, Weltoffenheit und Integrationsbereitschaft in Deutschland ist, ohne falsche Romantisierung und ohne Verdrängung der Probleme, die es natürlich auch zu lösen gilt. Das Gesetz ist auch ein Dokument der Entscheidungsfähigkeit der deutschen Politik, auch wenn es lange gedauert hat.

Der entscheidende Gesichtspunkt aus meiner Sicht ist folgender: Das Thema „Zuwanderung“ – das haben all diejenigen gespürt, die Versammlungen abgehalten und mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert haben – ist bis zum heutigen Tag bei vielen Bürgerinnen und Bürgern angstbesetzt. Viele meinen, ein Zuwanderungsgesetz bedeute ein unverträgliches Maß an mehr Zuwanderung, und haben Sorge, dass dies nicht bewältigt werden könnte. Dadurch, dass die deutsche Politik es geschafft hat, sich jetzt auf ein solches Gesetz zu verständigen, besteht die Chance, dass wir das Thema „Zuwanderung“ aus der Angstecke herausholen und wir hiermit ein Grundgesetz für eine rationale Zuwanderungspolitik schaffen. Das ist das Entscheidende.

Die FDP hatte von Haus aus bei diesem Thema einen einfachen Grundgedanken: Zuwanderung ist existent, also liegt es in unserem Interesse, wenn wir sie steuern. Deswegen haben wir die Debatte hier im Deutschen Bundestag mit unserem Gesetzentwurf vom 18. November 1998 angestoßen; lange bevor andere überhaupt bereit waren, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, gemeinsam mit der von Ihnen geführten Landesregierung hat die FDP über Rheinland-Pfalz und insbesondere Justizminister Peter Caesar, den ich erwähnen möchte – leider ist er früh verstorben –, weil er große Verdienste erworben hat, 1999 einen neuen Versuch unternommen. Schließlich haben wir als FDP im Jahre 2003 mit dem von Frau Werwigk-Hertneck initiierten Gesetzentwurf noch einmal unsere inhaltliche Position hier im Bundestag dargestellt. Weil wir immer eine klare Position hatten, war es möglich, im Spannungsfeld zwischen den Maximalforderungen der Grünen auf der einen Seite und den zu zögerlichen Vorstellungen der CDU/CSU auf der anderen Seite zu vermitteln. Wir freuen uns, dass dies durch die klare Haltung der FDP-Fraktion möglich war und dass Guido Westerwelle mit seinem Gespräch beim Bundeskanzler dazu einen wichtigen Beitrag geleistet hat.

Die Arbeit für Rita Süssmuth, Cornelia Schmalz-Jacobsen und andere aus der Süssmuth-Kommission hat sich gelohnt, die den Boden dafür bereitet haben, dass es dieses Gesetz überhaupt gibt. Die Arbeit – lieber Kollege Bürsch, das Lob wird von mir auf alle Seiten gleichmäßig verteilt – hat sich insbesondere für den Bundesinnenminister Otto Schily gelohnt. Der FDP-Fraktion steht nicht an zu sagen: Wir sind der Meinung, kein anderer als er hätte es geschafft, ein solch schwieriges Gesetz in dieser Verhandlungskonstellation überhaupt durchzusetzen, dies natürlich mit der Unterstützung von Peter Müller, der in der entscheidenden kritischen Verhandlungsphase und in der schwierigen Situation, als die Verhandlungsrunde am 1. Mai 2004 auseinander zu brechen drohte – entschuldigen Sie, wenn ich das so sage –, dieselben Vermittlungsvorschläge wie die FDP gemacht hat, sodass am Ende eine Brücke gebaut werden konnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns kam es darauf an – das will ich in der Sache doch noch erwähnen –, dass der Zuzug Selbstständiger etwas großzügiger geregelt worden ist als im ersten Entwurf. Nunmehr wird es auch für Menschen mit mittlerer beruflicher Qualifikation möglich sein, nach Deutschland zu kommen, wenn ein Arbeitsplatz mit Inländern nicht besetzt werden kann. Wir haben einen Vorschlag für eine Härtefallregelung gemacht, die nicht zu neuen Rechtswegen führt, sodass auch dieser Punkt allseits akzeptabel geworden ist und eingeführt werden konnte. Bei den Sicherheitsfragen kam es für die FDP darauf an, dass die Regelungen rechtsstaatlich einwandfrei sind. Deswegen war mit uns eine Sicherungshaft auf Verdacht nie zu machen, auch nicht eine Ausweisung auf Verdacht, sondern nur aufgrund gerichtsverwertbarer Tatsachen. Ich komme damit zum Schluss und darf noch einen Punkt anführen. Dieses Gesetz legt den Behörden, die es jetzt in die Praxis umzusetzen haben, eine sehr große Verantwortung auf. Es enthält viele Ermessensspielräume und unbestimmte Rechtsbegriffe. Die FDP erwartet und vertraut darauf, dass die praktische Anwendung von Liberalität, Weltoffenheit und zugleich Wahrung unserer eigenen Interessen geprägt sein wird.
Vielen Dank.


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