Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 11.11.2004

Änderung des Aufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze

Anrede
Es kommt sicher nicht alle Tage vor, dass ein Gesetz, das noch gar nicht in Kraft getreten ist, bereits wieder korrigiert werden muss. So gesehen ist es kein Ruhmesblatt für den Gesetzgeber, wenn wenige Monate nach Verabschiedung des Zuwanderungskompromisses schon wieder ein erstes Reparaturgesetz im Bundestag beraten und beschlossen werden muss. Allerdings muss zur Entschuldigung aller Beteiligten gesagt werden, dass die meisten Änderungen dadurch veranlasst worden sind, dass zwischenzeitlich zu anderen Materien Gesetzesbeschlüsse gefasst worden sind, an die das am 1. Januar 2005 in Kraft tretende Aufenthaltsgesetz mit Nebenmaterien nunmehr angepasst werden muss.

Demgemäß handelt es sich um eine ziemlich unübersichtliche Vielzahl von redaktionellen Änderungen und Angleichungen an andere Gesetze, die im wesentlichen zwischen den Fraktionen des Bundestages unstrittig sind. Gerade wegen der Kompliziertheit der Materie wäre es aber angebracht gewesen, die Ausschussberatungen erst nach einem erichterstattergespräch zwischen den Regierungs- und Oppositionsfraktionen abzuschließen. Statt dessen hat die rot-grüne Koalition wieder einmal gezeigt, dass sie intern oft große Probleme hat, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Noch bis Dienstag dieser Woche, also in letzter Minute, sind von der rot-grünen Koalition Änderungsanträge vorgelegt worden. Da der Zuwanderungskompromiss am Ende einvernehmlich vereinbart worden war, wäre es auch anzustreben gewesen, über das erste Änderungsgesetz Konsens zwischen den Fraktionen zu erzielen. Aufgrund des Zeitdrucks, den die Koalition selbst zu verantworten hat, hat sie dann aber den Oppositionsfraktionen eine Berichterstatterrunde zur intensiven Beratung verweigert.

Dennoch stimmt die FDP-Bundestagsfraktion dem Änderungsgesetz zu, weil die vorgelegten Regelungen durchaus sachgerecht sind. Dies gilt sowohl für die Errichtung einer Fundpapierdatenbank beim Bundesverwaltungsamt, mit der der Missbrauch, dass Ausländer sich bewusst ihrer Ausweispapiere entledigen, um einer Rückführung zu entgehen, bekämpft werden soll, als auch für die Neuregelung, traumatisierten Personen medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Es ist für die FDP nicht recht verständlich, warum die CDU/CSU-Fraktion im Innenausschuss diese letztere Maßnahme kritisiert hat. Denn für die Hilfeleistungen gegenüber Traumatisierten existiert eine EU-Richtlinie, zu deren Umsetzung in nationales Recht die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist. Es spricht daher nichts dagegen, diese ohnehin notwendige Umsetzung der Richtlinie gleich im Änderungsgesetz zum Aufenthaltsgesetz vorzunehmen.

Die FDP kann sich auch der Kritik der CDU/CSU-Fraktion an einer Klarstellung im Bereich der Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht anschließen. Diese Flüchtlinge erhalten nach drei Jahren eine Niederlassungserlaubnis, wenn ihnen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitgeteilt wurde, dass die Voraussetzungen für Widerruf oder Rücknahme der Anerkennung nicht vorliegen. Die Neuregelung fingiert jetzt diese Mitteilung für diejenigen Ausländer, die vor dem 1. Januar 2005 seit mehr als drei Jahren eine Aufenthaltsbefugnis besitzen. Damit wird unnötiger Verwaltungsaufwand vermieden. Denn ohne diese Klarstellung wäre das Bundesamt unter den zeitlichen Druck geraten, in den verbleibenden Wochen des Jahres 2004 zahlreiche Einzelfälle zu prüfen und über die Mitteilung, dass keine Widerrufs- oder Rücknahmegründe vorliegen, zu entscheiden. Eine ungerechtfertigte Bevorzugung ist mit der nun vorgesehen gesetzlichen Fiktion nicht verbunden. Sobald nämlich im Einzelfall Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Flüchtlingsstatus zu widerrufen oder zurückzunehmen sei, hat das Bundesamt nach wie vor das Recht, gemäß § 73 des Asylverfahrensgesetzes die Anerkennung nach Ermessen wieder zu beseitigen.

Also eignet sich dieser Punkt nach Meinung der FDP ebenso wenig für einen neue politischen Streit in der Migrationsdebatte wie die vorgesehene Neuregelung, dass der Anspruch auf Teilnahme an Integrationskursen auch für die im Jahr 2004 anerkannten Asylbewerber gelten soll.

Somit bleibt von denjenigen Punkten, die im Innenausschuss zu einer langen Debatte geführt haben, aus Sicht der FDP nur die Frage nach einer Altfallregelung übrig. Dass gerade darüber am längsten gesprochen wurde, ist etwas eigenartig, weil das heute zu beschließende Gesetz eine solche Bleiberechtsregelung für lange in der Bundesrepublik Deutschland rechtmäßig lebende Ausländer gar nicht vorsieht. Vielmehr handelt es sich um eine Frage, die im Rahmen des Zuwanderungskompromisses nicht gelöst werden konnte, weil die CDU/CSU zu einer Altfallregelung nicht bereit war. Ohne Zustimmung der Union kann sie auch jetzt nicht eingeführt werden. Aus Sicht der FDP wäre sie aber dennoch zweckmäßig, so wie sie auch vom Ausschuss für Menschenrechte gefordert worden ist. Die praktische Erfahrung lehrt, dass die Gründe für einen schon längeren Aufenthalt ohne gesicherten rechtlichen Status vielfältig sind. Keineswegs liegt immer ein Verschulden der Asylbewerber oder eine bewusste Ausnutzung von Möglichkeiten zur Verfahrensgestaltung vor.

Immer dann, wenn die Betroffenen nicht selbst zu vertreten haben, dass nach langen Jahren über ihren weiteren Verbleib keine endgültige Entscheidung getroffen worden ist, wäre es aber richtig, auf den erreichten Stand der Integration in Deutschland abzustellen. Jeder von uns hat immer wieder mit Petitionen zu tun, mit denen ganze Dorfgemeinschaften, die Kirchen, Arbeitgeber, Sportvereine uns mitteilen, dass gerade der seit zehn oder zwölf Jahren in Deutschland aufhältliche Ausländer, der jetzt doch noch abgeschoben werden soll, bestens sozial und gesellschaftlich integriert sei. Mit einer sinnvollen Altfallregelung, die nicht etwa Gesetzesverstöße belohnt, aber erreichte Integration anerkennt, könnte hier durch den Gesetzgeber geholfen werden.

Solange diese Position, die von der FDP auch in den Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz klar vertreten worden ist, mit der CDU/CSU nicht gemeinsam zu vereinbaren ist, muss man sich mit der Regelung für Härtefälle aus dem Zuwanderungskompromiss behelfen. Wie die Länder, in deren Ermessen es übrigens liegt, ob sie überhaupt Härtefallkommissionen einrichten, diese Möglichkeit praktizieren werden, muss man erst noch abwarten. Manche Vorstellungen bei den Zuwanderungsverhandlungen gingen ja dahin, Härtefälle lediglich bei schwerer Krankheit oder ähnlichen persönlichen Schicksalen anzunehmen. Die FDP meint, dass eine praxisgerechte Anwendung auch zumindest einen Teil der sogenannten Altfälle einbeziehen müsste.

Da, aber wie schon gesagt, dieser Streitpunkt gar nicht Inhalt des heute zu beschließenden Gesetzes ist, besteht kein Anlass zu einer aufgeregten Diskussion. Die Migrationspolitik in Deutschland hat mit dem Zuwanderungsgesetz eine neue Qualität erreicht. Nach dem heute zu beschließenden redaktionellen Änderungen, Anpassungen und geringfügigen Ergänzungen sollte jetzt die Praxis eine faire Chance erhalten, die Bestimmungen des Zuwanderungsgesetzes sinnvoll anzuwenden.


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