Rede vom 20.01.2006
Bericht über die Rolle von BND-Mitarbeitern vor und während des Irakkrieges12. Sitzung des Deutschen Bundestages am 20.01.2006
Dr. Max Stadler (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Schmidbauer hat mit einem netten Zitat die Frage zu beantworten versucht, ob wir diesen Untersuchungsausschuss brauchen. Insofern haben wir heute wirklich etwas dazugelernt.
Eingangs der Debatte hat Herr Minister Steinmeier eine für mich etwas unverständliche These formuliert. Herr Minister Steinmeier hat gesagt, die FDP werfe Traditionen über Bord, wenn sie dieses parlamentarische Instrument benutze. Das Gegenteil ist richtig, Herr Minister Steinmeier. Unser Ziel ist es, rechtsstaatliche Traditionen in unserer Sicherheitspolitik zu bewahren. Deswegen brauchen wir diesen Ausschuss.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Herr Kollege Scholz, Sie haben in beachtlich sachlicher Weise die Vorgänge erörtert, aber doch in einem Punkt nicht ganz den richtigen Eindruck erweckt. Auch wenn von den vielen verschiedenen Fragen, die von uns aufgeworfen worden sind, das Parlamentarische Kontrollgremium zu einer Detailfrage eine Bewertung abgegeben hat, dann bleiben noch etliche andere Fragen offen. Es kann nicht deswegen schon die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses entfallen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)
Wir sehen ihn aus einem Grund als erforderlich an – das geht weit über das Thema BND-Einsatz im Irak hinaus –: Jeder weiß – die Nachrichtendienste betonen es selber immer wieder –, dass sich seit dem 11. Sep-tember 2001 für unsere Sicherheitsbehörden eine neue Aufgabenstellung ergeben hat: der Schutz vor der terroristischen Bedrohung. Deswegen ist das Spannungsfeld zwischen der einen Notwendigkeit einer umfassenden Informationsgewinnung und der anderen Notwendigkeit, sich dabei unter Geltung des Grundgesetzes an rechtsstaatliche Prinzipien zu halten, so groß geworden.
Wir haben den Eindruck, dass in diesem neuen Spannungsfeld die Maßstäbe durch die Politik noch nicht abschließend und richtig formuliert worden sind. Das zeigt sich an den Verhören in Syrien, auf Guantanamo und möglicherweise auch im Libanon. Das zeigt sich ebenso an der Reaktion der Bundesregierung auf den Entführungsfall el-Masri, die wir für unzureichend halten. Die Frage der CIA-Flüge beschäftigt jetzt auch das Europaparlament. Da gibt es also offenkundig Aufklärungsbedarf.
(Vorsitz: Präsident Dr. Norbert Lammert)
Wir von der FDP sagen sehr deutlich: Es ist nicht zulässig, dass wir die Verantwortung für schwierige Grenzziehungen, was im Einzelfall noch erlaubt ist, etwa bei der Informationsgewinnung, auf einzelne Mitarbeiter von Behörden abwälzen. Es ist die Aufgabe der Bundesregierung und des Parlaments, hier Maßstäbe zu formulieren.
(Beifall bei der FDP)
Dies ist die eigentliche Rechtfertigung für den von uns vorgeschlagenen Untersuchungsausschuss. Es sind die konkreten Fälle, die Anlass geben, zu zweifeln, ob die Grenzen immer richtig definiert worden sind, präzise aufzuklären. Das funktioniert in einem Untersuchungsausschuss viel besser als im normalen Parlamentsbetrieb, wie wir in diversen Ausschusssitzungen erlebt haben.
Nach der Aufklärung wird sich das Parlament mit den Fragen zu befassen haben, was an Informationsgewinnung zulässig ist, wenn zum Beispiel klare Hinweise vorliegen, dass Gefangene gefoltert oder unter folterähnlichen Bedingungen inhaftiert worden sind. Die Bundesregierung ist in ihrer eigenen Haltung noch nicht klar, wie die unterschiedlichen Äußerungen der Justizministerin und des Innenministers zu diesem Problem zeigen.
(Beifall bei der FDP und der LINKEN)
Deswegen brauchen wir eine präzise und umfassende Aufklärung des Sachverhalts, damit wir daraus die richtigen politischen Leitlinien für die Zukunft formulieren können. Sie können sicher sein, dass die FDP ihre parlamentarischen Rechte in dieser schwierigen Frage im Interesse des gesamten Staates und der Bewahrung des Rechtsstaates vollständig und verantwortungsbewusst nutzen wird.
Vielen Dank.