Dr. Max Stadler

zurück | | Sitemap | Seite weiterempfehlen | Druckversion | 
Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 01.06.2006

Wirksamere Kontrolle der Geheimdienste

Rede im Plenum des Deutschen Bundestages am 01.06.2006
zum Thema „Wirksamere Kontrolle der Geheimdienste“
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Max Stadler von der FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Dr. Max Stadler (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Forderung nach mehr und besserer Kontrolle richtet sich nicht gegen die Geheimdienste; Kontrolle ist vielmehr ein wesentlicher Teil der Legitimation der Arbeit von Geheimdiensten in einer Demokratie.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Leider müssen wir feststellen, dass es mit der Kontrolle der Arbeit der Geheimdienste, zuletzt des Bundesnachrichtendienstes, schon ein rechtes Kreuz ist. Die Bundesregierung hat vor einigen Wochen einen sehr umfangreichen Bericht über verschiedene in der Öffentlichkeit diskutierte Vorgänge über die Entführung und Verschleppung eines deutschen Staatsangehörigen, über Vernehmungen auf Guantanamo und in Syrien unter fragwürdigen Umständen und über andere Vorgänge vorgelegt. Nach der Vorstellung dieses Berichts meinte der Kollege Olaf Scholz ich habe es noch im Ohr , von diesem Zeitpunkt an sei alles aufgeklärt, es blieben keine Fragen mehr unbeantwortet. Wir von der Opposition haben diesem Frieden nicht getraut und entschieden, einen Untersuchungsausschuss einzurichten.
(Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr wohl!)
Heute hat sich etwas höchst Ungewöhnliches ereignet. Noch ehe dieser Untersuchungsausschuss den ersten Zeugen vernommen hat, stellte sich heraus, dass die Bundesregierung ihren umfangreichen Bericht an einer wichtigen Stelle in einem wichtigen Punkt korrigieren muss. Ein Geheimdienstmitarbeiter hat, weil er vor sich sah, im Untersuchungsausschuss unter Wahrheitspflicht aussagen zu müssen, von sich aus jetzt sein Wissen über die Verhaftung el-Masris in Mazedonien offenbart, das er bisher für sich behalten hat. Ich werte das so: Der Untersuchungsausschuss entfaltet bereits Wirkung. Er war und ist deshalb dringend notwendig.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Wolfgang Neskovic (DIE LINKE))
Nun sagt Herr Ströbele, dass hier ein Einzelner etwas über die Vernehmung el-Masris gewusst habe, sei nicht glaubhaft. Wir haben da auch Zweifel. Geheimdienstarbeit bedeutet ja nicht, dass man eine Information geheim für sich behält. Das Normale ist, dass man sie dem Vorgesetzten mitteilt. Das werden wir klären.
Die Argumentation, da handele es sich um das Versagen eines Einzelnen, haben wir schon bei der Frage der rechtswidrigen Observation von Journalisten erlebt. Auch da wird es so dargestellt, dass sich eine bestimmte Abteilung verselbstständigt habe. Aber wenn das so sein sollte, meine Damen und Herren, dann wäre das immerhin ein Zeichen dafür, dass es höchste Zeit ist, Ordnung im eigenen Haus zu schaffen.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Geheimdienstkontrolle bedeutet in erster Linie zunächst einmal interne Kontrolle. Ich stehe nicht an, zu sagen: Die organisatorischen Sofortmaßnahmen, die Herr Fritsche und Herr de Maizière vorgesehen haben, finden die Unterstützung der FDP. - Aber wir dürfen dabei nicht stehen bleiben. Wir brauchen natürlich auch eine effektivere parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste. Ich sagte schon: Das dient der Legitimation der Arbeit unserer Sicherheitsbehörden.
Herr Kollege Binninger, Sie haben Recht: Die FDP hat als erste Fraktion einen Gesetzentwurf dazu vorgelegt, über den wir jetzt in erster Lesung beraten. Wir wollen, dass wir vom Allgemeinen zum Konkreten kommen. Ich höre überall, eine Reform sei notwendig, aber einen konkreten Gesetzentwurf vermisse ich bisher von der CDU/CSU genauso wie von der SPD.
Wir haben diesen Entwurf mit einer internen Sachverständigenanhörung sorgfältig vorbereitet und genau Ihre Forderung erfüllt, nämlich Parlamentarier, die früher in dem Gremium tätig waren, zu Rate gezogen. Dabei hat sich ergeben: Der Hauptfehler in der jetzigen Konstruktion liegt darin, dass das Parlamentarische Kontrollgremium oft zu spät und unvollständig, jedenfalls so, dass es seine Arbeit nicht richtig machen konnte, informiert worden ist. Das ist der Grund dafür, dass wir in unserem Gesetzentwurf noch einmal klarstellen: Es ist eine Bringschuld der Bundesregierung, die Parlamentarier zu unterrichten, damit die Kontrolle wirksam ausgeübt werden kann.
Aber wir halten das noch nicht für ausreichend. Wir meinen auf den Rat von Sachverständigen hin; Herr Werthebach ist ein profilierter CDU-Politiker, der uns dankenswerterweise auch beraten hat , dass es heilsam sein kann, wenn Mitarbeiter der Dienste das Recht erhalten, sich unmittelbar, ohne den Dienstweg einzuhalten, an die Parlamentarier zu wenden, um Missstände aufzuzeigen.
(Beifall bei der FDP)
Das könnte dazu führen, dass wir künftig eher von Fehlentwicklungen erfahren und dass das Kontrollgremium nicht immer nur nachträglich eingreift, sondern auch in laufende Prozesse eingreift.
(Dr. Peter Struck (SPD): Das kann doch nicht sein, Herr Stadler! Sie können doch nicht in laufende Verfahren eingreifen! Das ist unmöglich!)
Ein Aufsichtsrat in der freien Wirtschaft, der erst informiert wird, wenn die Firma schon pleite ist, ist offenkundig überflüssig.
(Beifall bei der FDP)
In laufende Prozesse muss man eingreifen können.
(Dr. Peter Struck (SPD): Was meinen Sie mit „laufende Prozesse“?)
Dazu haben wir eine Reihe von Vorschlägen gemacht, Herr Struck; ich hoffe, Sie haben das alles gelesen. Im Ausschuss können wir gern darüber diskutieren.
Ich greife nur einen Punkt auf, nämlich den Geheimdienstbeauftragten des Parlaments.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Stadler, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Struck?
Dr. Max Stadler (FDP):
Sehr gern; denn sonst wäre meine Redezeit zu Ende und so kann ich noch antworten.
(Heiterkeit bei der FDP)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Struck, bitte schön.
Dr. Peter Struck (SPD):
Ich helfe Ihnen ja gern, Herr Kollege Stadler. Für die Nöte kleiner Fraktionen bin ich immer offen.
Sie sagen: in laufende Prozesse eingreifen. Ich möchte Sie fragen: Heißt das, dass sich nach Ihrer Vorstellung Mitarbeiter des BND an das PKGr wenden können, wenn eine Operation läuft, und sagen können: „Herr Stadler, was mein Vorgesetzter da macht, das geht nicht; das akzeptiere ich nicht“? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Herr Stadler;
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
denn das würde die Funktionsfähigkeit eines Dienstes nachhaltig beeinträchtigen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dr. Max Stadler (FDP):
Verehrter Herr Kollege Struck, es kann nicht Ihr Ernst sein, dass es richtig sein soll, dass Journalisten über Jahre hinweg in rechtswidriger Weise ausspioniert werden,
(Iris Gleicke (SPD): Was soll das jetzt?)
wie ein neutraler Gutachter feststellt, unter Verletzung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit, das dafür zuständige Kontrollgremium nach Jahren erstmals davon erfährt und erst dann Gelegenheit hat, sich dazu zu äußern. Wenn es solche offenkundigen Fehltendenzen in einzelnen Abteilungen eines Dienstes gibt, dann habe ich das Vertrauen, dass es Mitarbeiter gibt, die eine derartige Entwicklung mit Sorge sehen und uns informieren, damit wir an die Bundesregierung die richtigen Fragen stellen, nämlich: Was läuft da in Bezug auf Eigensicherung? Mit welchen Methoden wird hier versucht was an sich legitim ist , undichte Stellen im eigenen Apparat aufzudecken? Ist das, was da geschieht, noch im Rahmen des gesetzlich Zulässigen? Dann mag uns die Bundesregierung die richtigen Antworten oder die richtige Sachverhaltsdarstellung geben. Die Schwierigkeit, die wir im Kontrollgremium haben, ist, dass wir gar nicht zu den richtigen Fragen kommen. Manchmal ist es schwieriger, die richtige Frage zu wissen als die richtige Antwort.
(Beifall bei der FDP)
Deswegen, Herr Kollege Struck, laden wir alle Fraktionen dazu ein, die Vorschläge, die wir gemacht haben, zu erörtern. Ich möchte einen Vorschlag noch ganz kurz erwähnen
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege, bitte!
Dr. Max Stadler (FDP):
- in einem Satz -: Ein Geheimdienstbeauftragter des Parlaments darf nicht an die Stelle des Kontrollgremiums treten, sondern soll ihm zuarbeiten; denn die Kontrolle der Dienste ist und bleibt eine Aufgabe aller Fraktionen des Bundestages.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Selber vernehmen!)
Dass sie besser erfüllt wird als bisher, dazu soll unser Gesetzentwurf beitragen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Klaus Uwe Benneter von der SPD-Fraktion.


 zurück | Startseite | Seite weiterempfehlen | Druckversion | zum Seitenanfang