Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 22.09.2006

Gegen Geheimniskrämerei - Entscheidungen kommunaler Gesellschaften transparent gestalten

Die Debatte eröffnet der Kollege Dr. Max Stadler für die FDP-Fraktion.
Dr. Max Stadler (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Ende der heutigen Tagesordnung geht es um ein Thema, das auf der kommunalen Ebene viele Bürgerinnen und Bürger sehr stark bewegt, das aber bisher noch nicht so recht die Aufmerksamkeit des Deutschen Bundestages gefunden hat, obwohl wir für die Lösung des Problems zuständig sind. Deswegen möchte ich trotz der fortgeschrittenen Stunde am Freitagnachmittag die Gelegenheit nutzen, Sie mit der Thematik vertraut zu machen, und vor allem die Kolleginnen und Kollegen von der SPD und der CDU/CSU einladen, mit den Oppositionsfraktionen gemeinsam nach einer Lösung zu suchen.
Es geht, kurz gesagt, um Folgendes: Nach dem GmbH-Gesetz und nach dem Aktiengesetz tagen die Aufsichtsgremien, also die Aufsichtsräte, prinzipiell nicht öffentlich. Die Mitglieder der Aufsichtsräte sind zur Verschwiegenheit über das, was in diesen Sitzungen geschieht, verpflichtet. Das ist auch richtig, soweit es um echte private Gesellschaften geht. Dafür sind diese Gesetze auch geschaffen. Nun hat sich in letzter Zeit die Tendenz entwickelt, dass immer mehr kommunale Einrichtungen, Dienststellen und Verwaltungsstellen ebenfalls in die Rechtsform der GmbH und in größeren Städten sogar in die der Aktiengesellschaft überführt worden sind. Dabei handelt es sich aber nicht etwa um eine echte Privatisierung, sondern nur um eine Organisationsänderung, weil die Kommunen zugleich meistens zu 100 Pro-zent Inhaber dieser Gesellschaften geworden sind.
Damit ändert sich in den Sitzungen der Aufsichtsgremien scheinbar wenig. Es geht um kommunalpolitische Themen, um Busfahrpläne, um Stromtarife, um die Frage, ob eine Stadt ein Hallenbad baut, und ähnliches mehr, also um ganz normale kommunalpolitische Diskussionen und Entscheidungen. Aber eines ändert sich durch diese Organisationsform: Während das Kommunalrecht die Öffentlichkeit solcher Sitzungen vorsieht, schreibt, wie schon dargestellt, das Gesellschaftsrecht gerade die Nichtöffentlichkeit vor. Damit fehlt ein Stück Transparenz, es fehlt ein Stück demokratischer Diskussionskultur und demokratischer Kontrolle. Das zeigt uns, dass die Vorschriften, die für private Gesellschaften gedacht sind, auf die kommunalen Gesellschaften nicht passen.
Nun gibt es zwei höchstrichterliche Entscheidungen aus diesem Jahr, die uns deutlich vorgeben, dass der Grundsatz der Öffentlichkeit und Transparenz stärker zu beachten ist. Die erste Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Mai 2006 geht auf einen Rechtsstreit zurück, den eine Bürgerinitiative in Passau ausgelöst hat. Die Bürgerinitiative ist nämlich auf die Idee gekommen, zu verlangen, dass wenigstens die Tagesordnungen solcher Gremiensitzungen bekannt gegeben werden, damit die Bürgerinnen und Bürger zumindest wissen, worum es geht. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass diesem Begehren aufgrund der überragenden Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit und Transparenz stattzugeben ist.
Aber der Verwaltungsgerichtshof konnte sich natürlich nicht über die bundesgesetzliche Regelung hinwegsetzen, nach der die Sitzungen selbst nicht öffentlich bleiben müssen. Damit fehlt das Kernstück der öffentlichen Debatte, nämlich die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an dem, was in diesen Sitzungen gesprochen und entschieden wird. Dieses Problem müssen wir lösen.
Eine weitere Entscheidung, nämlich die des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 26. Juli 2006, gibt uns ebenfalls eine Richtschnur. Da ging es um das Problem, dass der Freistaat Bayern auf parlamentarische Anfragen hin erklärt hat, er gebe keine Auskunft, und dies damit begründet hat, dass die Anfragen wiederum solche Gesellschaften betreffen, die in privater Rechtsform betrieben werden, aber zu 100 Prozent staatlich sind. Hierzu hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof gesagt: Egal wie die öffentliche Hand tätig wird, in welcher Form, ob in den hergebrachten öffentlich-rechtlichen Formen oder in der Form privater Gesellschaften – die demokratische Kontrolle muss sichergestellt sein.
Die FDP schlägt daher vor, dass wir diese Grundsätze jetzt auf die Lösung unseres Problems übertragen. Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, dass wir im GmbH-Gesetz und im Aktiengesetz eine Öffnungsklausel einbauen, die es den Städten, Landkreisen und Gemeinden ermöglicht, diese Gremiensitzungen künftig genauso öffentlich abzuhalten wie zum Beispiel eine normale Stadtratsitzung. Natürlich wird es Teile geben, bei denen es um Interna geht, die nicht öffentlich bleiben müssen, aber im Grundsatz brauchen wir mehr Transparenz.
Gleichzeitig müssen dann natürlich die Vorschriften über die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsräte gelockert werden; das passt sonst nicht zusammen.
Wir können uns nicht darauf zurückziehen, dass wir die Lösung der weiteren Entwicklung in der Rechtsprechung überlassen; denn hier geht es um Bundesgesetze. Es ist unsere Verantwortung, uns des Themas anzunehmen.
(Beifall des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])
Ich darf mit dem Hinweis darauf schließen, dass die Praktiker auf ein Tätigwerden des Deutschen Bundestages warten. Der Passauer Oberbürgermeister Albert Zankl, der übrigens der CSU angehört, hat am 20. Sep-tember der Bundesjustizministerin einen Brief geschrieben und darin den Gleichklang von Kommunalrecht, das von der Öffentlichkeit von Sitzungen ausgeht, und Gesellschaftsrecht für kommunale GmbHs angemahnt. Er schreibt wörtlich – ich zitiere –:
Ich würde mich sehr freuen, wenn mein Schreiben, das die Meinung vieler Kommunen widerspiegelt, eine entsprechende Gesetzesänderung anstoßen würde.
(Uwe Barth [FDP]: Bravo!)
Ich bitte Sie, unseren Antrag nicht reflexartig abzulehnen, weil er von der Opposition kommt, und lade Sie ein, sich mit uns zu bemühen, dieses Problem, das, wie gesagt, viele Menschen in den Kommunen bewegt, im Deutschen Bundestag zu lösen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


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