Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 30.11.2006

Entschädigung für Opfer nationalsozialistischer Verfolgung

Anrede,

mit diesem Antrag zielt die Fraktion Die Linke darauf ab, bestimmte Regelungen des Bundesentschädigungsgesetzes zu revidieren. Nach § 6 Absatz 1 Nr. 2 BEG wurden Personen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekämpft haben, von Entschädigungsleistungen ausgeschlossen. Die Fraktion Die Linke möchte erreichen, dass dieser Entschädigungsausschluss nicht auf Mitglieder der damaligen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und andere Personen, die sich als Kommunisten politisch betätigten, angewandt wird.

Wenn man diesem Antrag folgen würde, würde im nachhinein eine gesetzgeberische Grundentscheidung aus den 50er Jahren aufgehoben, obwohl der Sachverhalt bereits abgeschlossen ist. Dies begegnet rechtsstaatlichen Bedenken.

Zwar ist richtig, dass das KPD-Verbot historisch im Kontext des „kalten Krieges“ zu sehen ist. Das damalige Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist historisch zu bewerten auf dem Hintergrund der deutschen Teilung. Ähnliche Verfahren gab es anderen westlichen Demokratien wie Frankreich, Österreich oder Italien gerade nicht. Andererseits besteht kein Zweifel, dass dieses Verbot auf der Grundlage des Artikels 21 Abs. 2 des Grundgesetzes rechtmäßig zustande gekommen ist und in Rechtskraft erwachsen ist.

Der Gesetzgeber des Bundesentschädigungsgesetzes von 1956 hatte einen Ermessensspielraum, welcher Personenkreis Anspruch auf Entschädigungsleistungen haben sollte, und wer nicht. Hiervon hat er unter Berücksichtigung der damaligen Verhältnisse maßvoll Gebrauch gemacht. In der Gesetzesbegründung heißt es ausdrücklich: „Es sei staatspolitisch geboten und rechtlich vertretbar, Verfolgte von der Entschädigung auszuschließen, die durch ihr Verhalten die politische Ordnung des heutigen Staates gestört haben. Doch liege in einer bloßen Mitgliedschaft in einer Partei, z. B. in der KPD oder SED, noch kein Bekämpfen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung; dieser Tatbestand sei nur bei einem aktiven Verhalten erfüllt“. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit der Ausschlussformel bestätigt, aber zugleich festgestellt, dass der Ausschluss eines Verfolgten von Entschädigungsleistungen nicht damit begründet werden könne, er habe die freiheitliche demokratische Grundordnung „bekämpft“, wenn sich seine Tätigkeit darin erschöpfte, im Rahmen einer noch nicht verbotenen verfassungswidrigen Partei sich für die Verwirklichung ihrer Ziele mit allgemein erlaubten Mitteln einzusetzen. Von einem flächendeckenden Ausschluss früherer Kommunisten von Entschädigungsleistungen kann also keine Rede sein.

Wenn die Antragsteller mit ihrem Anliegen Erfolg haben wollen, müssen sie mögliche Gerechtigkeitslücken schon sorgfältiger herausarbeiten. Nach unserer Auffassung muss eine Entschädigungsleistung jedenfalls dann ausgeschlossen bleiben, wenn der Betroffene die freiheitlich demokratische Grundordnung in strafrechtlich relevanter Weise bekämpft hat.


Unabhängig davon ist es eine Sache der Diskussion unter Historikern, den Widerstand gegen den Nationalsozialismus und dabei auch den von Kommunisten geleisteten Widerstand angemessen zu würdigen und sich mit der Behandlung dieses Personenkreises in der Frühphase der Bundesrepublik Deutschland auseinanderzusetzen.

ENDE


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