Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 11.09.2007

Haushaltsdebatte im Bereich Inneres

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich möchte einen Gedanken von Minister Schäuble aufgreifen. Herr Minister, Sie haben gesagt: Wir können auf die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden vertrauen. Der Meinung sind wir als FDP auch. Der Fahndungserfolg der letzten Woche war ein Beleg für die gute Arbeit der Sicherheitsbehörden.

Aber die Sicherheitsbehörden brauchen dafür auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Durch die Politik der letzten Monate mit einem unangebrachten Stakkato von unausgegorenen Verschärfungsvorschlägen wurde
gerade dieses Vertrauen gestört.

Ich will versuchen, Ihnen an einem Beispiel deutlich zu machen, welche Fehlentwicklung die Innenpolitik hier nimmt. Sie sagten heute in Ihrer Rede hier und auch zuvor im Morgenmagazin, die umstrittene Onlinedurchsuchung sei eine Maßnahme, die in nur ganz wenigen Fällen im Jahr in Betracht komme. Das glaubt nach den Erfahrungen, die die Bürgerinnen und Bürger mit der Innenpolitik machen mussten, niemand.

Ich nenne folgende Beispiele:

Dieser Bundestag hat einmütig beschlossen, dass wir keine Speicherung der Telekommunikationsdaten, der Daten von Millionen unverdächtiger Bürgerinnen und Bürger, auf Vorrat haben wollen. Die Bundesregierung beschließt auf EU-Ebene genau das Gegenteil mit.

Erinnern wir uns an den Onlinezugriff auf Bankdaten. Dieser Onlinezugriff war ursprünglich zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität geplant. Er kann heute jede Bürgerin und jeden Bürger treffen.

Herr Minister Schäuble, Sie persönlich waren es, der bei dem Thema Mautdaten in gleicher Weise agierte. Dieser Bundestag hat bei Einführung der Lkw-Maut einstimmig beschlossen, dass die dabei erhobenen Daten nur für Abrechnungszwecke verwendet werden sollen. Die CDU/CSU hat übrigens besonderen Wert auf diesen Passus im Gesetz gelegt. Als ein schlimmes Verbrechen an einer Autobahnraststätte geschah, haben Sie, Herr Minister Schäuble, als einer der Ersten verlangt, dass die Daten selbstverständlich auch für polizeiliche Zwecke zur Verfügung stehen.

Ich will gar nicht darüber diskutieren, ob es richtig oder falsch ist. Mir geht es darum, dass hier von der Bundesregierung, aber auch von der Mehrheit im Parlament immer wieder versprochen wird, dass eine bestimmte Maßnahme die Ausnahme bleibt. Am Ende wird diese Ausnahme dann immer weiter ausgeweitet, und ganz am Schluss ist es eine Standardmaßnahme. Das ist die Realität, auf die wir uns einstellen müssen.

Wem das noch nicht genügt, der möge einen Blick in § 100 a Strafprozessordnung werfen, der die Telefonüberwachung regelt. Damit hat man im Jahr 1968 begonnen; bezüglich vier schwerer Delikte war Telefonüberwachung zulässig. Ich habe jetzt einmal in diesem ellenlangen Paragrafen die möglichen Delikte gezählt. Bei 90 Delikten habe ich aufgehört, zu zählen. So ist das ausgeweitet worden.

Herr Minister Schäuble, daher besteht unser Misstrauen. Sie sagen: Regt euch nicht auf, ein Eingriff in die Privatsphäre ja, aber für wenige Fälle im Jahr. Später werden immer mehr Fälle dazukommen; es wird immer mehr ausgeweitet. Der hessische Datenschutzbeauftragte, ein angesehener Professor für öffentliches Recht, Michael Ronellenfitsch – installiert von der Regierung Koch –, hat davor gewarnt, indem er in einer Fachzeitschrift schrieb:

Sind Zugriffsmöglichkeiten einmal geschaffen, verselbständigen sie sich leicht gegenüber ihrem ursprünglichen Zweck.

Dagegen müssen wir als Opposition angehen.

Herr Minister, Sie haben heute – das sei zugestanden – eine relativ moderate Rede gehalten.

Aber es ist noch nicht sehr lange her – deswegen muss man hier im Hohen Haus nach der Sommerpause daran erinnern –, dass Sie Interviews gegeben haben, wie etwa im Spiegel, die – ich sage das einmal vorsichtig – grenzwertig waren: mit der Relativierung der Unschuldsvermutung, mit dem Aufwerfen der Frage der gezielten Tötung von Terrorverdächtigen und anderem.

Minister Schäuble hat sich darauf berufen, er habe Fragen aufgeworfen und das dürfe man doch wohl noch.
Wir sagen: Das reicht uns nicht. Von einem Verfassungsminister erwarten wir Antworten, und zwar Antworten, die Freiheit und Sicherheit miteinander verknüpfen. Diese Antworten von Ihnen vermissen wir.


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