Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 29.11.2007

Haushaltsdebatte - Bundesministerium des Innern

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon nach zwei Jahres ihres Bestehens ist die Große Koalition in der Innenpolitik praktisch handlungsunfähig.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Oh! Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Recht hat er!)

- Doch. Der Tagesspiegel hat am Samstag unter der Überschrift „Koalition des Misstrauens“ zu Recht geschrieben:
Die Innenpolitiker von SPD und Union misstrauen sich von Herzen … Es ist hier gut zu beobachten, wie aus Partnern Opponenten geworden sind …

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Andere Journalisten sind da anders informiert!)

Das ist eigentlich ein verheerender Befund über den Zustand dieser Regierung.
Aber Politik ist manchmal paradox: Man muss geradezu froh sein, dass sich Union und SPD nicht mehr auf neue Gesetze einigen können.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn was die Koalition in den bisherigen zwei Jahren in der Gesetzgebung gemacht hat, war ja nichts anderes als eine Kaskade von Einschnitten in die Grundrechte. Mit ihrer bürgerrechtsunfreundlichen Politik hat diese Koalition nahtlos die Politik der rot-grünen Vorgängerregierung fortgesetzt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die innere Zerrissenheit der Koalition zeigt sich im Großen wie im Kleinen. Sie streiten ja nicht nur über zentrale Themen wie die heimliche Onlinedurchsuchung, sondern wir haben hier im Plenum auch oft die Spannungen in dieser Koalition live miterlebt, wenn sich die Kontrahenten aus Union und SPD beispielsweise über das Ausländerrecht coram publico gestritten haben. Sie sind nicht in der Lage, eine wirkliche Modernisierung des öffentlichen Dienstes auf den Weg zu bringen, und greifen die Vorschläge und Eckpunkte, die Otto Schily zusammen mit dem Deutschen Beamtenbund und mit Verdi vereinbart hat, eben gerade nicht auf. Sie versuchen, die Organisation der Bundespolizei neu zu regeln. Das hat bisher hauptsächlich zu Unruhe bei den Polizeibeamten geführt, aber nicht mehr Sicherheit produziert. Jetzt zeigt sich, wie der Spiegel am Montag geschrieben hat, Herr Körper:
Nach monatelangem Stillhalten torpediert die SPD
- der eigene Koalitionspartner! - nun die Reform der Bundespolizei.

(Fritz Rudolf Körper (SPD): Wir machen eine gute Reform!)

Ein letztes Beispiel würde man vielleicht eher als eine Begebenheit am Rande einstufen; es wirft aber ein bezeichnendes Schlaglicht auf den Zustand dieser Koalition. Sie wissen, dass in der Vorgängerregierung durch eine Verfügung des damaligen Staatssekretärs Lutz Diwell heimliche Onlinedurchsuchungen erlaubt worden sind. Wir haben im Innenausschuss den Wunsch, dass Herr Diwell uns dies persönlich erklärt; denn er hat nachher öffentlich gesagt, ihm sei gar nicht bewusst gewesen, was er da unterschrieben hat. Das scheint mir bei einem solchen Grundrechtseingriff doch ein sehr beachtlicher Vorgang. Daher haben wir Auskunft von Herrn Diwell im Innenausschuss erbeten.

(Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mehrfach!)

Die CDU/CSU hat unserem Ansinnen vernünftigerweise zugestimmt sehr zum Missfallen der SPD.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Nein!)

Das ist nur eine Begebenheit am Rande, die aber, wie ich glaube, doch zeigt, wie es um den Zustand dieser Koalition bestellt ist.

(Beifall bei der FDP – Reinhard Grindel (CDU/CSU): Er ist sehr, sehr gut! - Dr. Michael Bürsch (SPD): Herr Diwell hat doch schriftlich Auskunft gegeben!)

Meine Damen und Herren, kommen wir jetzt aber zur zentralen Kritik der FDP an der Innenpolitik dieser Koalition, kommen wir zum alles entscheidenden Thema in der Innenpolitik, nämlich dem Verhältnis von Sicherheit und Freiheit.
Ich möchte durchaus feststellen, dass es um die innere Sicherheit in Deutschland alles in allem befriedigend steht

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der SPD: Gut! - Reinhard Grindel (CDU/CSU): Man kann auch sagen: Gut!)

dank der guten Arbeit der Sicherheitsbehörden.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU):Und des Ministers!)

Beispielsweise hat die Verhaftung von drei Verdächtigen, die offenbar einen Bombenanschlag geplant hatten, gezeigt, dass unsere Polizeibehörden eine gute Arbeit leisten,

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das gelang wegen der akustischen Wohnraumüberwachung!)

und zwar auf der Basis der bestehenden Gesetze und ohne heimliche Onlinedurchsuchungen.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Aber mit der akustischen Wohnraumüberwachung! Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Die FDP war auch dagegen!)

Um die innere Sicherheit mache ich mir daher keine so großen Sorgen, um die innere Liberalität in diesem Land aber schon.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann es Ihnen nicht ersparen, dies zum wiederholten Male festzustellen: Der Schutz der Grundrechte ist bei Ihnen nicht in den besten Händen. Ich nenne Ihnen beispielhaft ein Zitat, das Ihnen doch zu denken geben müsste. Der renommierte Staatsrechtler und Verfassungsrichter Professor Udo di Fabio hat Ihnen ins Stammbuch geschrieben ich zitiere wörtlich aus der Süddeutschen Zeitung, was er gesagt hat :
Ich halte es für eine Krankheit, dass ständig unser System in Frage gestellt wird.
Das war an die Adresse dieser Großen Koalition gerichtet, und das müsste Ihnen doch endlich zu denken geben; denn Professor di Fabio hat recht.
Das erkennen wir an dem jüngsten Beispiel, nämlich der Vorratsdatenspeicherung. In der Debatte hier vor knapp zwei Wochen am 16. November 2007 war eines wirklich nicht nachvollziehbar: Die Redner der Großen Koalition haben entweder nicht verstanden oder nicht verstehen wollen, dass mit der Vorratsdatenspeicherung jetzt eine neue Qualität der Überwachung gesetzlich eingeführt worden ist; denn Sie sind damit von einem wichtigen Grundsatz abgewichen. Dieser Grundsatz lautet: Eingriffe in Bürgerrechte sind dann gerechtfertigt, wenn es konkrete Verdachtsmomente gegen konkrete Beschuldigte oder Verdächtige gibt. Das ist die notwendige Begrenzung, damit nicht uferlos und schrankenlos in die Grundrechte eingegriffen wird.
Wenn jemand konkret in Verdacht steht, eine schlimme Straftat zu planen, dann mag es richtig sein, sein Telefon zu überwachen oder die Telefonverbindungsdaten zu speichern. Es ist aber etwas fundamental Neues und anderes, die Daten von Millionen unverdächtigen Bürgerinnen und Bürgern zu speichern.

(Clemens Binninger (CDU/CSU): Sie werden doch zurzeit schon gespeichert!)

Das ist der Systemwechsel, den Udo di Fabio Ihnen vorwirft.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Minister Schäuble, deswegen sind wir auch bei Ihren zahlreichen Interviewäußerungen misstrauisch. Ich nehme eine heraus, die öffentlich vielleicht wenig bemerkt worden ist, mir aber sehr verdächtig erscheint. Nur Sie selber wissen, was Sie gemeint haben mir ist das nicht ganz klar , als Sie am 9. Juli 2007 im Spiegel erklärt haben:
Wir sollten versuchen, ... Rechtsgrundlagen zu schaffen, die uns die nötigen Freiheiten im Kampf gegen den Terrorismus bieten.
Was soll das eigentlich heißen? Haben wir denn die nötigen Rechtsgrundlagen nicht?

(Reinhard Grindel (CDU/CSU):Nein! Norbert Barthle (CDU/CSU): Keine ausreichenden!)

Der Rechtstaat ist wehrhaft. Er kann sich auf der Basis der geltenden Gesetze zur Wehr setzen.
Wenn ich mir noch einmal das Stakkato, wie der Bundespräsident es bezeichnet hat, Ihrer Interviewäußerungen vor Augen führe, in denen Sie über Inhaftierung auf Verdacht, gezielte Tötungen targeted killing und anderes gesprochen und die Unschuldsvermutung relativiert haben, muss ich Ihnen sagen: Ein solcher Satz, mit dem Sie Freiheiten bei der Terrorismusbekämpfung beanspruchen, weckt in uns Liberalen den Verdacht, dort solle einem neuen Feindstrafrecht das Wort geredet werden, wie es manche in der strafrechtlichen Literatur verlangen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Kaffeesatzleserei!)

Auch dagegen hat sich Udo di Fabio in seinem Beitrag in der Welt massiv verwahrt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir wollen keinen Systemwechsel. Wir wollen, dass der Rechtsstaat sich so bewährt, wie er von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes gestaltet worden ist.
In dem eingangs zitierten Artikel des Tagesspiegel hieß es am Schluss, mit der FDP in einer Regierung wäre es in der Innenpolitik auch schwierig. Meine Damen und Herren, das nehmen wir erstens als Kompliment; denn wenn es darum geht, die Grundrechte zu bewahren, muss man sperrig sein. Zweitens sage ich Ihnen Folgendes: Mit uns ist einfach zusammenzuarbeiten. Mit der FDP ist einfach zu regieren, wenn eine Politik betrieben wird, die sich strikt an den Grundrechten orientiert.

(Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie bei Herrn Wolf in Nordrhein-Westfalen!)

Ihre Politik tut dies leider nicht.

(Beifall bei der FDP)


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