Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 20.06.2008

Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt

Dr. Max Stadler (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Streit zwischen der CDU/CSU und der SPD um das neue Gesetz über das Bundeskriminalamt ist ein deutliches Zeichen für die Handlungsunfähigkeit der Koalition in der Innenpolitik.
(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ja, ja, das hätten Sie gerne!)
Allerdings hat diese Zerstrittenheit in dem speziellen Fall ihr Gutes: Jeder, der sich um den Schutz der Bürgerrechte sorgt, muss froh sein, wenn dieser Gesetzentwurf so am Ende nicht verabschiedet wird.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Wir sind allerdings skeptisch, ob der in dieser Woche neuerdings von Herrn Wiefelspütz formulierte Widerspruch der SPD wirklich ernst gemeint ist. Frau Justizministerin Zypries, es trifft sich gut, dass Sie der Debatte hier beiwohnen; denn Sie haben in der Öffentlichkeit monatelang mit Erfolg den Eindruck erweckt, als seien Sie eine entschiedene Gegnerin heimlicher Onlinedurchsuchungen von privaten Computern. Jetzt haben Sie im Kabinett einem Gesetzentwurf zugestimmt, der genau diese tief in die Privatsphäre eingreifende Maßnahme beinhaltet. Daher sind wir im Zweifel darüber, ob das, was die SPD macht, wirklich mehr als ein taktischer Widerstand ist.
Herr Minister Schäuble, es geht hier keineswegs darum, wie bei einem Puzzle aus den verschiedenen Landespolizeigesetzen die dort formulierten Befugnisse zu einem BKA-Gesetz zusammenzufügen, sodass das Ganze nur eine Sammlung ohnehin bestehender Normen auf Bundesebene wäre. Es geht vielmehr um eine grundsätzliche Änderung des Sicherheitssystems, und zwar in einer Weise, die wir als FDP entschieden ablehnen.
(Beifall bei der FDP)
Ich nenne Ihnen auch die Hauptgründe. Man könnte ja über viele Punkte sprechen. Frau Piltz hat unsere Kritik an der heimlichen Onlinedurchsuchung zu Recht schon erwähnt. Ich will mich hier jetzt auf drei Kerngesichtspunkte beschränken:
Erstens. Die Polizei ist im Grundgesetz aus gutem Grunde als Ländersache definiert. Mit diesem Gesetzentwurf wird ohne Not in die bewährte Arbeit der Landeskriminalämter und der Landespolizeien eingegriffen.
(Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau!)
Kompetenzstreitigkeiten und Reibungsverluste werden die Folge sein. Die Abgrenzungskriterien sind unscharf. Ich sage Ihnen: Das ist kein Sicherheitsgewinn, sondern ein ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber der ausgezeichneten Arbeit der Landespolizeien. Das ist das, was Sie hier veranstalten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Frank Hofmann (Volkach) (SPD): Die Länder sehen das aber anders! Sonst hätten sie nicht zugestimmt!)
Zweitens. Durch dieses Gesetz wird eine Fülle von Grundrechtseingriffen ohne ausreichende Begrenzung zugelassen. Lieber Kollege Wolfgang Bosbach, das ist eben keine einfache Übernahme von Vorschriften, die in den Ländern entsprechend definiert sind. Wenn man etwas genauer hinschaut, dann erkennt man, dass das BKA Eingriffsbefugnisse erhält, für die die Voraussetzungen bei Weitem nicht so streng sind.
Ich nenne als Beispiel den sogenannten Spähangriff, also die Videoüberwachung von Wohnungen. Jeder wird ja wohl zustimmen, dass das ein immenser Eingriff in die Privatsphäre bzw. sogar in die Intimsphäre ist. In Landespolizeigesetzen wird dafür immerhin die Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben verlangt. Das ist in Ihrem Entwurf des BKA-Gesetzes gerade nicht der Fall. Dies ist ein Beispiel dafür, dass Sie hier Grundrechtseingriffe zulassen und keineswegs die bewährte Polizeirechtstradition übernehmen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn man sich zugleich vor Augen führt, dass das Bundeskriminalamt jetzt weit in den präventiven Bereich hinein tätig werden darf das heißt, es wird dort vorbeugend tätig, wo noch gar keine konkreten Straftaten drohen , und wenn man bedenkt, dass dieser Behörde Maßnahmen gestattet werden, die vom Typ her nachrichtendienstlicher Art sind, dann kommt man eben zu dem Ergebnis das ist unsere Bewertung : Sie schaffen eine Mischform von Polizei- und Nachrichtendienst und verstoßen damit zugleich in eklatanter Weise gegen den bewährten Grundsatz der Trennung von Polizeiarbeit und nachrichtendienstlicher Arbeit. Das ist unser zweiter Einwand.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Ich nenne drittens noch ein kleines, aber markantes Beispiel, wie Sie mit den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger umgehen. Wenn gegen eine Person heimlich vorgegangen und in die Grundrechte eingegriffen wird das betrifft nicht nur Verdächtige, sondern auch viele andere Personen , dann kann man zumindest erwarten, dass anschließend eine Benachrichtigung erfolgt, damit man sich gerichtlich zur Wehr setzen kann.
(Klaus Uwe Benneter (SPD): So ist es!)
Nicht einmal das ist in Ihrem Gesetzentwurf sichergestellt.
(Klaus Uwe Benneter (SPD): Das werden wir sicherstellen! Darauf können Sie sich verlassen!)
Darin liegt ein eklatanter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes.
(Beifall bei der FDP)
Die Liste der Kritikpunkte ließe sich beliebig fortsetzen. Ich komme zu dem Fazit: Die Koalition hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die bewährte Sicherheitsstruktur im föderalistischen Staatsaufbau zerstört, der keinen erheblichen Sicherheitsgewinn bringt, der aus dem Bundeskriminalamt eine Mischform zwischen Polizei und Nachrichtendienst macht und der in Teilen offenkundig verfassungswidrig ist. Wir stimmen dem Gesetzentwurf keinesfalls zu.
(Beifall bei der FDP)
Ich komme zum Schluss. Herr Minister Schäuble, vor drei Wochen haben Sie in der Akademie für Politische Bildung in Tutzing Ihre Vorstellungen der Sicherheitspolitik dargelegt. Dort hat am selben Tag der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor Papier, gesprochen. Er hat seinen sehr bemerkenswerten Vortrag mit einem bekannten Zitat des Philosophen Spinoza begonnen: „Der Zweck des Staates ist in Wahrheit die Freiheit.“ Zu diesem Staatszweck leistet Ihr Gesetzentwurf keinen Beitrag.
(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))


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