Rede vom 27.06.2008
Gegen Geheimniskrämerei - Entscheidungen kommunaler Gesellschaften transparten gestaltenAnrede,
Die große Koalition hätte heute die Chance, aufgrund eines Antrags der FDP-Bundestagsfraktion die Bundesregierung zur Lösung eines Problems aufzufordern, das in den Kommunen sehr viele Menschen beschäftigt. Es geht um mehr Öffentlichkeit und Transparenz bei der Entscheidungsfindung in der Kommunalpolitik. Die Lösung wäre, wie ich noch ausführen werde, einfach. Mir ist völlig unverständlich, warum CDU/CSU und SPD offenbar dieses Thema nicht anpacken wollen.
Tatsache ist, dass aus unterschiedlichen Gründen landauf, landab vielfach die Erfüllung kommunaler Aufgaben in neu gegründete Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder sogar Aktiengesellschaften ausgelagert worden sind. Wir reden nicht über echte Privatisierung, sondern nur über eine Änderung der Rechtsform, denn der FDP-Antrag bezieht sich auf solche Gesellschaften, die vollständig in kommunaler Hand sind.
Dabei handelt es sich beispielsweise um den Betrieb von Schwimmbädern, die Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge, die Verwaltung kommunaler Grundstücke, die örtliche Energieversorgung.
Diesen Beispielen ist gemeinsam, dass in den Aufsichtsgremien der so gegründeten Gesellschaften kommunalpolitische Entscheidungen getroffen werden, übrigens regelmäßig von denselben Kommunalpolitikern, die vorher Mitglieder des entsprechenden Stadtrats- oder Kreistages- oder Gemeinderatsausschusses gewesen sind.
Wir haben es aufgrund dieser Organisationsprivatisierungen also mit kommunalpolitischer Entscheidungsfindung im privatrechtlichen Gewande zu tun.
Dass es diese Entwicklung gegeben hat, hat nachvollziehbare, häufig steuerrechtliche Gründe.
Zu Recht wird aber von interessierten Bürgerinnen und Bürger als Manko empfunden, dass damit kommunalpolitische Debatten in nicht öffentlichen Sitzungen stattfinden. Dies ist ein Verlust an Offenheit und Transparenz, der nicht sein müsste, wenn man für kommunale Gesellschaften Sonderregeln zulassen würde.
Das GmbH-Gesetz schreibt zwingend die Nicht-Öffentlichkeit von Aufsichtsratssitzungen vor und unterwirft die Aufsichtsratsmitglieder einer Verschwiegenheitspflicht. Diese strengen Regelungen sind verständlich, da sie ursprünglich natürlich für echte private Gesellschaften vorgesehen waren.
Auf die Entscheidungsfindung kommunaler GmbHs passen diese Vorschriften nicht. Vielmehr gilt im Kommunalrecht der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlungen. Kommunalrecht als Landesrecht hat aber hinter Bundesrecht zurückzutreten.
Dies ist unbefriedigend. Selbstverständlich gibt es auch nach Auffassung der FDP in kommunalen Gesellschaften einzelne Fragen, die nicht öffentlich zu verhandeln wären, wie etwa Personalfragen oder Themen, bei denen eine GmbH im Wettbewerb zu anderen GmbHs steht. Die allermeisten Fragen könnten aber ohne irgendeinen Schaden für die kommunalen GmbHs öffentlich und ohne Verschwiegenheitspflicht verhandelt werden.
Dies wird zunehmend auch in der Rechtssprechung so gesehen. Das Verwaltungsgericht Regensburg hat in einer Entscheidung vom 02.02.2005 den Grundsatz der Öffentlichkeit für vorrangig erklärt.
Mit Hinweis auf diese Tendenz in der Rechtssprechung meint die Koalition offenbar, es bestehe keinerlei Handlungsbedarf. In den Ausschussberatungen ist von der Koalition vorgetragen worden, die gewünschte Transparenz könne auch durch örtliches Satzungsrecht hergestellt werden. Dieser Lösungsvorschlag reicht jedoch nicht aus. Denn nach wie vor bewegt sich eine untergerichtliche Rechtssprechung, die nur aus allgemeinen Erwägungen heraus den Öffentlichkeitsgrundsatz für vorrangig erklärt, auf schwankendem juristischen Boden. Den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch den Mitgliedern der Aufsichtsgremien, wäre mehr gedient, wenn im Bundesrecht eine eindeutige Klärung der strittigen Rechtslage erfolgen würde. Zu denken wäre etwa daran, im GmbH-Gesetz eine Öffnungsklausel für kommunale GmbHs vorzusehen, so dass die ansonsten im GmbH-Gesetz angelegt strikte Nichtöffentlichkeit gelockert werden könnte.
Solange der Bundesgesetzgeber diese seine Aufgabe der Klarstellung nicht erfüllt, besteht die Gefahr, dass öffentlich gefasste Beschlüsse rechtswidrig sind, und dass Aufsichtsratsmitglieder sich wegen Verletzung von Verschwiegenheitspflichten schadensersatzpflichtig oder sogar strafbar machen könnten.
Es wird auch noch eingewandt, in der Gesellschafterversammlung - also beispielsweise in einem Stadtratsplenum - könnten Themen, die im Aufsichtsrat einer städtischen GmbH nicht öffentlich beraten worden sind, nachträglich der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Dies geht an der Realität vorbei. Wieso soll man denn eine Wiederholung von Beratungen in einem anderen Gremium vorschlagen, wenn es mit einem kleinen Federstrich des Gesetzgeber möglich wäre, sofort die Original-Beratung der Öffentlichkeit zugängig zu machen?
Daher setzen sich diejenigen, die dem Anliegen der FDP nicht folgen, dem Verdacht aus, sie wollten in Wahrheit die von vielen Bürgerinnen und Bürgern gewünschte Transparenz kommunaler Entscheidungsfindung gar nicht herstellen.
Sollte dieser Vorwurf unberechtigt sein, dann sind wir gespannt, welche Alternativen denn die Koalition vorschlägt. Bisher tragen CDU/CSU und SPD unverständlicher Weise nichts zur Lösung des Problem bei.