Rede vom 25.11.2009
Haushaltsdebatte - Innen Einzelplan 06Dr. Max Stadler (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Schäuble, niemand und schon gar nicht die Freie Demokratische Partei will hier offene Debatten abwürgen. Aber Sie müssen sich schon sagen lassen: Wenn Sie einen Vorschlag für die Änderung der Abstimmungsregeln im Bundesrat ausgerechnet zu dem Zeitpunkt erneut – Sie haben es auch schon früher getan – in die öffentliche Debatte bringen, wo Sie Gefahr laufen, mit Ihrem BKA-Gesetz im Bundesrat zu scheitern, dann ist natürlich der Verdacht naheliegend, dass man die Regeln so gestalten möchte, dass eine Mehrheit für das eigene Gesetzesvorhaben zustande kommt, die nach den jetzt gültigen Vorschriften nicht in Sicht ist.
Es ist nicht die FDP allein, die Sie in diesem Punkt kritisiert hat, sondern es gibt auch Kritiker aus Ihren eigenen Reihen: Ole von Beust, Hamburgs Erster Bürgermeister, hat gesagt, aktuelle Schwierigkeiten sollten nicht ein Grund dafür sein, das zu ändern, was sich über Jahrzehnte bewährt hat. Wolfgang Böhmer, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, hat Kritik geübt. Sogar der bayerische Innenminister Joachim Herrmann hat dies getan. Ich will jetzt nicht auf das näher eingehen, was Bremens Bürgermeister, der der SPD angehört, gesagt hat, der von einem Anschlag auf bewährte parlamentarische Prinzipien gesprochen hat.
Debatten müssen zur richtigen Zeit geführt werden. Dann ist allerdings in der Tat – da stimme ich Ihnen zu – eine Tabuisierung nicht der richtige Weg. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass wir vorhin – vielleicht hat es nicht jeder bemerkt – Zeugen einer Art Tabuisierung waren, gegen die wir uns wehren. Herr Kollege Luther, vielleicht haben Sie es nicht so gemeint, als Sie vorhin zu der rhetorischen Figur der präemptiven Schuldzuweisung gegriffen haben.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Sie haben nämlich gesagt: Wer dieses BKA-Gesetz verhindert, der trägt die Verantwortung dafür – ich will es einmal so auf den Punkt bringen –, wenn später etwas passiert. Dagegen wehren wir uns allerdings.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Denn die deutschen Sicherheitsbehörden haben jede Menge Eingriffsbefugnisse, und sie haben in der Vergangenheit mit den geltenden Gesetzen erfreulicherweise schlimme Anschläge verhindern können. Sie können uns hier nicht einreden, dass nur mit dem neuen BKA-Gesetz die Sicherheit in Deutschland gewährleistet sei.
Herr Minister Schäuble hat neulich in einem Interview im Stern zu einem kühnen Vergleich gegriffen, als er auf Wallensteins Kriegsführung rekurriert hat, um das BKA-Gesetz zu rechtfertigen. Uns erscheint etwas anderes aus dem 17. Jahrhundert passender, nämlich das Zitat von Thomas Hobbes, der von „bellum omnium contra omnes“ gesprochen hat, also von der Auseinandersetzung jeder gegen jeden. Das ist das, was wir derzeit in der Großen Koalition erleben: beim BKA-Gesetz, bei der Auseinandersetzung um die Abstimmungsregeln im Bundesrat und – das liegt schon etwas länger zurück – bei der Maßnahme, die Sie vorhin so gepriesen haben, nämlich bei der Forderung, Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug nachzuweisen. Dazu hat der Kollege Edathy, immerhin Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestages, gesagt – ich werde dies nie vergessen –, er stimme dem Gesetz zu, hoffe aber, dass das Bundesverfassungsgericht es aufheben wird.
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Aber wir
haben es!)
Das ist symptomatisch für den Zustand der Großen Koalition.
Herr Minister Schäuble, Sie haben in der letzten Ausgabe des Stern eines sehr richtig gesagt und damit das eigentliche Stichwort für die heutige Haushaltsdebatte geliefert. Sie haben nämlich gesagt:
Ich bin kein Anhänger der Großen Koalition … Sie ist vom System her falsch.
Völlig richtig, füge ich hinzu. Ich zitiere Sie – am Ende des Interviews – noch einmal:
Wir hatten gute Vorsätze, haben auch manches vorangebracht, aber es ist gut, wenn es vorbei ist.
Dem stimmen wir wirklich zu.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)