Rede vom 29.05.2009
Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des BundesVizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat Kollege Max Stadler für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Dr. Max Stadler (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den Anschlägen in den USA am 11. Septem-ber 2001 haben die Nachrichtendienste auch in der Bundesrepublik Deutschland so viele Befugnisse erhalten wie nie zuvor. Für die FDP war immer klar: Je mehr Befugnisse Geheimdienste haben, umso besser muss die parlamentarische Kontrolle ausgestaltet werden.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Daran hat es bisher aber gemangelt. Diese Kontrolldefizite werden mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz verringert.
Erinnern wir uns: Einsatz von BND-Agenten während des Irak-Kriegs in Bagdad trotz gegenteiliger Selbstdarstellung der damaligen rot-grünen Bundesregierung, rechtswidrige Bespitzelung von Journalisten, fragwürdige Amtshilfe des Nachrichtendienstes gegenüber Polizeibehörden. All diese Vorgänge sind in der Vergangenheit am dafür berufenen Parlamentarischen Kontrollgremium vorbeigegangen. Das war nicht länger akzeptabel. Das wissen alle in diesem Hohen Haus zwar seit Jahren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Aber nur die FDP-Fraktion hat schon am 6. April 2006 einen Reformentwurf in den Bundestag eingebracht.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Sie jetzt für erledigt erklären, Herr Kollege!)
– Ja, weil wir daraus jetzt ein Gesetz machen. Das ist genau der Gedankengang, den ich vortragen wollte, lieber Herr Kollege Ströbele. – Wir sind sehr zufrieden, dass es jetzt nach dreijähriger Debatte gelungen ist, obwohl die Koalition das Thema jahrelang nicht angepackt hat, die Regierung „not amused“ war und nichts voranzugehen schien, zu einem gemeinsamen Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD und FDP zu kommen.
Es passiert nicht jeden Tag, dass man aus der Opposition heraus gemeinsam mit den Regierungsfraktionen einen Gesetzentwurf initiieren kann.
(Beifall bei der FDP – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo bleiben denn Ihre Forderungen?)
Das wäre auch in diesem Fall nicht möglich gewesen, wenn sich nicht einzelne Abgeordnete der Koalitionsfraktionen des Themas besonders angenommen hätten. Das sind Kollege Uhl, der gerade gesprochen hat, Kollege Röttgen und Kollege Oppermann. Ich will in aller Deutlichkeit sagen, dass auch die Diskussionsbeiträge des Kollegen Ströbele von den Grünen und des Kollegen Nešković von der Linkspartei die Reformdebatte befruchtet haben.
Dagegen lesen wir in seriösen Zeitungen, dass offenbar mehrere Minister der amtierenden Bundesregierung hinhaltenden Widerstand gegen diesen ohnehin moderaten Gesetzentwurf geleistet haben.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das kann ich mir gar nicht vorstellen! – Gisela Piltz [FDP]: Wir sind das Parlament, Herr Stadler!)
Es ist nicht dementiert worden, dass die Minister Schäuble, Steinmeier und Jung wieder einmal das Argument benutzt haben, dass eine stärkere parlamentarische Kontrolle die Arbeit der Geheimdienste erschweren und unsere Sicherheit gefährden würde.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das kann ich mir nicht vorstellen! – Zuruf von der FDP: Was ist denn das für ein Parlamentsverständnis!)
Das ist völliger Unsinn. Wir sagen dazu: Für die FDP kam es überhaupt nicht infrage, diesem Druck, der offenbar von der Regierung auf das Parlament ausgeübt werden sollte, in irgendeiner Weise nachzugeben.
(Beifall bei der FDP)
Im Gegenteil: Der Gesetzentwurf ist nach einer Sachverständigenanhörung, die am Montag stattgefunden hat, im Ausschuss noch deutlich verbessert worden. Ich nenne folgende Punkte: Mit diesem Gesetzentwurf wird erstmals in den Fällen, in denen das Gremium Vorgänge öffentlich bewertet – das ist allerdings die Ausnahme, weil es weiterhin prinzipiell nicht öffentlich tagt –, das Recht der Opposition auf ein Sondervotum bei diesen Bewertungen festgeschrieben. Das ist ein erheblicher Fortschritt. Allerdings findet sich im Gesetzentwurf eine wirklich unpassende Formulierung, nach der solche Sondervoten der Opposition dem Gremium vorher vorzulegen sind. Wir haben nicht das Bedürfnis, diejenigen, die wir kontrollieren wollen und nach dem gesetzlichen Auftrag kontrollieren müssen, vorher um Erlaubnis zu bitten. Es ist klargestellt, dass diese Passage, die ohnehin nicht im Gesetz stand, sondern nur in der Begründung, keine Bedeutung hat.
(Beifall bei der FDP)
Ich nenne einen zweiten Punkt: Wir haben in den letzten Beratungen in dieser Woche erreicht, dass die Mitarbeiter, die uns neu zuarbeiten können, weil vier Augen nun einmal mehr sehen als zwei Augen, auf Beschluss des Gremiums auch Zugang zu den Sitzungen und damit zu der mündlichen Unterrichtung der Abgeordneten haben.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur im Einzelfall und mit Zweidrittelmehrheit!)
Das wird ebenfalls die Kontrollmöglichkeiten deutlich verbessern und ist ein Fortschritt gegenüber dem, was zu Beginn unserer Beratungen im Gesetzentwurf vorgesehen war.
Nun ist mir eines noch besonders wichtig, meine Damen und Herren; auch dies hat die FDP mit Unterstützung von CDU/CSU und SPD im Innenausschuss klargestellt: Erstmals wird das Parlamentarische Kontrollgremium auch in der Verfassung selbst verankert. Mit dieser besonderen Hervorhebung des Gremiums werden aber die Rechte einzelner Abgeordneter oder sonstiger Parlamentsausschüsse wie etwa Innenausschuss oder Rechtsausschuss in keiner Weise beeinträchtigt. Das Parlamentarische Kontrollgremium ist in besonderem Maße zur Kontrolle befugt, aber andere Ausschüsse haben ebenfalls ihre Rechte, etwa wenn Polizeien wie das Bundeskriminalamt gemeinsam, womöglich unter Verletzung des Trennungsgebotes, mit Geheimdiensten tätig sind.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Wolfgang Nešković [DIE LINKE])
Für uns ist klar, dass die Rechte des Parlaments unberührt bleiben. Es kommt im Gegenteil insgesamt zu einer verbesserten Kontrolle.
Auch die FDP sagt: Wir brauchen die Dienste, aber die Dienste brauchen auch uns Kontrolleure; denn eine Tätigkeit, die sich im Geheimen abspielt, kann nur Vertrauen beanspruchen, wenn es eine ausreichende Kontrolle gibt. Da könnte man sich immer noch mehr vorstellen – das weiß jeder –; trotzdem sage ich in der Gesamtabwägung: Mit diesem Gesetz, das wir heute beschließen, wird die notwendige Kontrolle ein gutes Stück vorangebracht.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)