Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung
Bundesratsprotokoll Nr. 901 - Rede vom 12. Oktober 2012
Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung – gemäß Artikel 76 Absatz 2 GG – (Drucksache 515/12)
Präsident Horst Seehofer: Danke!
Letzter Redner: Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Stadler (Bundesministerium der Justiz).
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die bisherigen sehr differenzierten Beiträge haben gezeigt, dass wir es heute mit einer Debatte über ethisch und juristisch sehr schwierige Fragen zu tun haben.
Wie komplex dieses Thema ist, zeigt sich bereits daran, dass sich der Bundesrat seit dem Jahr 2006 damit befasst, ohne dass er sich auf einen konkreten Gesetzentwurf hat verständigen können. Dies beweist, wie schwierig eine Einigung zu finden ist.
Ich darf den Ausgangspunkt darstellen! Allgemein gilt in unserem Strafrecht: Eine Beihilfehandlung ist dann strafbar, wenn eine sogenannte strafbare Haupttat vorliegt, zu der man Beihilfe leistet. Eine Selbsttötung stellt für sich gesehen keine Straftat dar, es liegt somit keine Haupttat vor. Deswegen ist auch die Hilfe zum Suizid grundsätzlich straflos. In der derzeitigen Diskussion geht es also allein um die Frage, inwieweit bestimmte Formen der Suizidhilfe nun erstmals isoliert unter Strafe gestellt werden sollen.
Nach den Ausschussempfehlungen scheint sich die Debatte im Bundesrat auf den von Rheinland-Pfalz vorgelegten Gesetzentwurf einerseits und den Entwurf der Bundesregierung andererseits zu fokussieren. Der noch im Jahr 2010 von den Ausschüssen empfohlene sehr weitgehende Vorschlag, auch jede von einer Vereinigung gewährte Suizidhilfe unter Strafe zu stellen, wird offenbar nicht mehr verfolgt.
Der rheinland-pfälzische Entwurf lehnt sich an den Straftatbestand der Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft an und will nur das öffentliche Werben für die Suizidbeihilfe unter Strafe stellen.
Die Bundesregierung geht einen anderen Weg. Wir sehen in Umsetzung des Koalitionsvertrags vor, die Suizidhilfe selbst unter Strafe zu stellen, wenn sie gewerbsmäßig angeboten wird. Gewerbsmäßig heißt: mit Gewinnerzielungsabsicht und auf Wiederholung ausgerichtet. Die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung in Form des Gewährens, Verschaffens oder Vermittelns einer Gelegenheit zur Selbsttötung soll nach dem Regierungsentwurf pönalisiert werden. Dem liegt folgende Überlegung zugrunde:
Es erscheint uns moralisch verwerflich, mit dem Suizidwunsch eines Menschen ein Geschäft machen zu wollen. Dem wollen wir entgegentreten. Allerdings – insofern gebe ich Ihnen recht, Herr Staatsminister – ist das Strafrecht immer Ultima Ratio, letztes Mittel, zur Steuerung gesellschaftlicher Entwicklungen. Es ist grundsätzlich nicht darauf ausgerichtet, allein moralisch abzulehnende Handlungsweisen zu sanktionieren. Vielmehr muss eine Strafnorm dem Schutz eines bestimmten Rechtsgutes dienen. Ein solches – zudem sehr hochrangiges – Rechtsgut stellt ohne Zweifel das Leben des Suizidwilligen dar. Wenn ein kommerzielles Angebot Menschen verleiten könnte, sich selbst zu töten, die dies ohne ein solches Angebot nicht getan hätten, lässt sich eine strafrechtliche Verbotsregelung sehr wohl begründen.
Andererseits will ich in dieser Debatte eine Erfahrung nicht verschweigen: Beim Bundesministerium der Justiz gehen immer wieder Schreiben vor allem von älteren oder kranken Menschen ein, die sich strikt gegen solche Regelungen wenden. Sie argumentieren, dass der Staat nicht das Recht habe, sich in eine höchstpersönliche Entscheidung einzumischen, die sie zum Beispiel im Fall einer schweren, nicht mehr erträglichen Krankheit treffen. Ich erwähne dies nur, weil solche Meinungsäußerungen zusätzlich deutlich machen, wie vielschichtig diese Problematik ist.
Ich ziehe daraus aber einen anderen Schluss, nämlich wie wichtig es ist, bei alten, kranken, verzweifelten Menschen gar nicht erst den Wunsch nach einem kommerziellen Suizidhilfeangebot aufkommen zu lassen. Verzweifelte Menschen in großer seelischer oder körperlicher Not benötigen menschliche Zuwendung und optimale medizinische Versorgung, um eine lebensbejahende Haltung bei ihnen zu ermöglichen. Bei starken Schmerzen benötigen sie bestmögliche palliativmedizinische Behandlung. Das ist außerhalb des Strafrechts zu leisten.
Weil es in der Debatte erwähnt worden ist, lassen Sie mich abschließend auf einen Einzelaspekt des Regierungsentwurfs eingehen, über den in der Öffentlichkeit schon diskutiert worden ist!
Der Entwurf möchte immer dort nicht eingreifen, wo Suizidhilfe in einer emotional schwierigen Konfliktsituation im Familienkreis und aus rein altruistischen – also fremdnützigen – Gründen gewährt wird. Aus diesen intimen zwischenmenschlichen Beziehungen sollte sich der Staat auch zukünftig heraushalten. Der Entwurf stellt daher sicher, dass Personen, die zu Gunsten eines Angehörigen oder einer sonst ihnen nahestehenden Person an der Tat des Suizidhelfers lediglich teilnehmen, ohne selbst gewerbsmäßig zu handeln, weiterhin straffrei bleiben. Das kann zwar auch einmal für einen Arzt gelten; denn auch Ärzte können Angehörige oder etwa ehe¬ähnliche Lebenspartner sein.
Der Regierungsentwurf beinhaltet aber gerade keine Regelung, die die Beteiligung eines Arztes an einer Selbsttötung legalisiert. Insoweit bleibt es bei der bisherigen Rechtslage; denn der Entwurf führt nicht zu neuen Freistellungen vom Strafrecht, sondern schafft im Gegenteil neues Strafrecht und stellt bestimmte Verhaltensweisen, die bislang straffrei sind, von denen wir aber der Auffassung sind, dass wir mit dem Mittel des Strafrechts schützend eingreifen müssen, unter Strafe. Das gilt uneingeschränkt auch für Ärzte.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass der Entwurf der Bundesregierung, wie es in einigen Redebeiträgen angeklungen ist, auch für den Bundesrat eine Basis ist, diese schwierige Thematik endlich gesetzgeberisch zu lösen. Es ist Zeit dafür.
Präsident Horst Seehofer: Danke, Herr