Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Sicherungsverwahrung

Bundesrat - 878. Sitzung - 17. Dezember 2010

Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen (Drucksache 794/10)

Präsidentin Hannelore Kraft: Das Wort hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Stadler (Bundesministerium der Justiz).

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie entscheiden heute über eines der umfangreichsten, schwierigsten und dringendsten rechtspolitischen Vorhaben dieser Legislaturperiode.

Es handelt sich um die größte Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung aus einem Guss seit 1970. Damit soll in Abkehr von den zahlreichen Detailkorrekturen der vergangenen Jahre ein neues, aufeinander abgestimmtes System geschaffen werden. Dieses neue System genügt nach meiner Überzeugung vollauf rechtsstaatlichen Anforderungen und wahrt die berechtigten Sicherheitsinteressen der Bevölkerung. Übrigens hat sich die Koalition auf diese Reform schon im Koalitionsvertrag vom Oktober 2009 verständigt, also noch vor der mehrfach zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Ich möchte kurz die wesentlichen Punkte noch einmal nennen und dabei auf die soeben geäußerte Kritik eingehen.

Erstens. Der Katalog der Anlass- und Vortaten, bei denen Sicherungsverwahrung überhaupt möglich ist, wird deutlich eingeschränkt. Damit kommt sehr klar zum Ausdruck, dass die Sicherungsverwahrung – also eine weitere Inhaftierung nach Verbüßung einer schuldangemessenen Strafe – in einem Rechtsstaat nur das letzte Mittel, die Ultima Ratio, sein kann. Im Wesentlichen werden zukünftig nur noch Gewalt- und Sexualdelikte und einige weitere schwere Straftaten mit hoher Strafandrohung Anlass für eine Sicherungsverwahrung sein können. Der Rechtsausschuss des Bundestages hat in seinen Beratungen den Vortatenkatalog noch einmal erheblich eingeschränkt, so dass ich der Überzeugung bin, der Ultima-Ratio-Gedanke wird eindeutig gewahrt.

Zweitens. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung hat in der Vergangenheit in der Tat mehr Probleme geschaffen als gelöst; darin stimme ich Ihnen zu. Stattdessen werden wir daher jetzt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung ausbauen. Ich bin nicht so skeptisch, wie es in zwei Reden zum Ausdruck gekommen ist, dass der Vorbehalt für den Strafvollzug schädlich sei. Im Gegenteil! In den Sachverständigenanhörungen haben auch Vollzugspraktiker die Auffassung vertreten – sie erscheint mir einleuchtend –, dass der Vorbehalt sehr wohl die eigenen Resozialisierungsanstrengungen der Betroffenen fördern kann.

Im Übrigen ist es richtig, dass in dem Gesetz das Thema Reform des Jugendgerichtsgesetzes noch nicht aufgegriffen worden ist. Dafür hat sich die Koalition ein eigenes Gesetzgebungsverfahren vorgenommen.

Ich komme zu dem dritten Punkt; er war in der Tat besonders schwierig zu lösen. Wir reagieren mit dem Gesetz auf die spezielle Situation, die sich auf Grund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das vor genau einem Jahr ergangen ist, ergeben hat. Auf Grund dieses Urteils sind solche Verurteilte in Freiheit entlassen worden oder noch in Freiheit zu entlassen, die als gefährlich eingestuft worden sind. Das Urteil bezog sich auf die Frage des Rückwirkungsverbots. Dies ist, wie gesagt, eine besondere Situation. Ausschließlich auf diese Fälle bezieht sich das Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter. Ich bin der Meinung, dass der Bund damit das tut, was ihm zur Bewältigung dieser schwierigen Sondersituation möglich ist.

Lassen Sie mich anfügen: Alternativen habe ich auch in der heutigen Debatte nicht gehört.

Schließlich ist zu Recht erwähnt worden, dass wir flankierend die Möglichkeiten der Führungsaufsicht verbessern, insbesondere indem die elektronische Aufenthaltsüberwachung im Rahmen von Weisungen in der Führungsaufsicht neu eingeführt wird. Selbstverständlich ist dies kein Allheilmittel. Aber es ist ein zusätzlicher Schutzmechanismus. Würden wir ihn nicht schaffen, würde uns zu Recht entgegengehalten, dass wir eine mögliche Maßnahme versäumten, die in manchen Einzelfällen eben doch präventive Wirkung nach sich ziehen kann.

Meine Damen und Herren, ich darf Sie abschließend darum bitten, der Empfehlung des Gesundheitsausschusses des Bundesrates auf Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht zu folgen.

Der Gesundheitsausschuss möchte eine Änderung von § 2 des Therapieunterbringungsgesetzes erreichen, in dem es um die Frage der möglichen und zulässigen Unterbringung im Maßregelvollzug oder in einem anderen psychiatrischen Krankenhaus geht. Eine solche Unterbringungsmöglichkeit wird aber
nicht zwingend vorgeschrieben; vielmehr kann die Unterbringung auch in einer Einrichtung eigener Art vollzogen werden. Es ist dann Sache der Länder selbst, nach den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten zu beurteilen, in welcher Einrichtung die Betroffenen untergebracht werden sollen. Ich finde, dass wir die Handlungsoptionen der Länder durch die vom Gesundheitsausschuss angestrebte Regelung nicht einschränken sollten.

Ich darf Sie abschließend darum bitten, dieses äußerst wichtige Gesetzesvorhaben unverändert zu unterstützen, so dass es tatsächlich am 1. Januar 2011 in
Kraft treten kann. – Vielen Dank.



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