Rede vom 30.09.2010
Top 9 Gesetzes zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht
Drucksache 17/2637
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Max Stadler für die Bundesregierung das Wort.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Folgender Fall hat sich tatsächlich zugetragen: Das Opfer einer schweren Straftat, nämlich einer Entf��hrung, hat einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt. Daraufhin sind die Telefone dieses Anwalts – sowohl die in der Kanzlei als auch das Mobiltelefon – durch gerichtlichen Beschluss überwacht worden.
Erst das Bundesverfassungsgericht hat diese Überwachungsmaßnahme aufgehoben.
Immerhin wurde den Karlsruher Richtern durch diesen unglaublichen Vorgang die Gelegenheit geboten, in dem Beschluss vom 30. April 2007 – ich zitiere – „die herausgehobene Bedeutung einer nicht-kontrollierten Berufsausübung eines Rechtsanwalts zum Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant“ hervorzuheben.
Meine Damen und Herren, über diese Bedeutung des Schutzes des Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant und Anwalt sind wir uns alle hier im Hohen Haus sicher einig. Es war ja auch mit § 160 a Abs. 1 StPO der Versuch unternommen worden, dieses Vertrauensverhältnis vor staatlichen Eingriffen zu schützen. Aber die bisherige Regelung ist nach unserer Auffassung unzureichend. Das korrigieren wir jetzt. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf unternehmen wir einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Bürgerrechte.
Wir sorgen dafür, dass in Zukunft wieder alle Rechtsanwälte und nicht alleine die Strafverteidiger gleichermaßen vor heimlichen Ermittlungsmaßnahmen des Staates geschützt werden. Damit stärken wir das Vertrauensverhältnis zwischen Mandanten und Anwälten, und wir stärken zugleich das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den freiheitlichen Rechtsstaat.
Die Koalition setzt damit ein wichtiges Vorhaben aus ihrem Regierungsprogramm um. Für mich ist das praktizierte Bürgerrechtspolitik. Wir erfüllen damit das Versprechen, das ungestörte Vertrauensverhältnis zwischen Anwälten und Mandanten als das Fundament jeder anwaltlichen Tätigkeit besonders anzuerkennen.
Was war unzureichend am bisherigen § 160 a StPO? Er erstreckte diesen Schutz nur auf das Verhältnis von Mandanten zu Strafverteidigern. Es ist aber nicht einzusehen, dass dieser Schutz nicht gleichermaßen für das Vertrauensverhältnis der Bürger zu einem Anwalt gelten soll, den sie beispielsweise mit der Wahrnehmung zivilrechtlicher Aufgaben oder in sozialrechtlichen Fällen oder verwaltungsrechtlichen Fällen oder womit auch immer betrauen.
Deshalb werden in Zukunft nach unserem Gesetzentwurf alle Rechtsanwälte den gleichen absoluten Schutz in § 160 a Abs. 1 StPO bekommen.
Sofern also nicht gegen Anwälte wegen eines Tatverdachts selbst ermittelt wird, dürfen Angehörige der Anwaltschaft und der anderen genannten Berufsgruppen nicht zum Objekt strafrechtlicher Ermittlungen werden, wenn dadurch Informationen erlangt würden, die von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht umfasst sind.
Eine Telefonüberwachung, wie ich sie in dem Eingangsbeispiel geschildert habe, oder eine längerfristige Observation – um nur zwei Beispiele zu nennen – sind in Zukunft in diesen Fällen nicht mehr zulässig.
Die bisherige Regelung, die wir vorgefunden haben, war auch völlig praxisfremd. Denn es ist in der Praxis keine Seltenheit, dass andere Rechtsgebiete immer wieder mit strafrechtlichen Fragen in einem Zusammenhang stehen. So kann eine Beratung, die ein Anwalt in einer zivilrechtlichen oder einer steuerrechtlichen Angelegenheit durchführt, durchaus ergeben, dass auch eine Strafverteidigung nötig wird. Aus diesem Grund hat die bisherige Regelung auch aus Praktikabilitätserwägungen zu Recht die Kritik der Anwaltschaft gefunden.
Dass diese Kritik heutzutage weitverbreitet ist, zeigte übrigens jüngst eine Entschließung des Bundesrats. Der Bundesrat hat nämlich zu § 20 u des BKA-Gesetzes, des Gesetzes über das Bundeskriminalamt, festgestellt, dass auch dort dieselbe nicht nachvollziehbare Unterscheidung wie in der bisherigen Vorschrift des § 160 a StPO enthalten sei, und hat uns aufgefordert, diese Unterscheidung auch dort zu beseitigen.
Meine Damen und Herren, wir sind bereit, diesen Vorschlag des Bundesrats zu prüfen, genauso wie wir auch prüfen wollen, ob nicht weitere Berufsgeheimnisträger, die bislang nur einen relativen Schutz genießen, in § 160 a StPO besser geschützt werden sollen, zum Beispiel Steuerberater, Notare oder Ärzte.
Ich freue mich, dass es mit dem heutigen Gesetzentwurf möglich ist, eine Vereinbarung, die CDU/CSU und FDP im Koalitionsvertrag getroffen haben, umzusetzen. Dies ist ein Projekt zum besseren Schutz der Bürgerrechte. Ich hoffe darauf, dass wir dafür die breite Unterstützung des Hauses finden.