Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 26.08.2009

Dr. Max Stadler (FDP):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird Sie nicht überraschen, dass wir die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juni 2009 ganz anders beurteilen als mein Vorredner, der geschätzte Kollege Kauder. Wir sind der Meinung: Wir, die Opposition, haben mit unserer Verfassungsklage eine geradezu epochale Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwirkt.

 

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

 Ich stehe nicht an, an dieser Stelle dem jetzigen Pr��sidenten des Deutschen Anwaltsvereins, Herrn Professor Wolfgang Ewer, der uns in Karlsruhe anwaltlich vertreten hat, für seine erfolgreiche Prozessführung ebenso zu danken wie unserem Fraktionsjustiziar Rainer Funke und meinen Kollegen Hellmut Königshaus, Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Ne?kovi? und Professor Paech, die sich besonders um die Abgeordnetenbetreuung bei dieser Klage verdient gemacht haben.

 (Beifall bei der FDP und der LINKEN)

 Was ist das Besondere an dieser Entscheidung? Das Bundesverfassungsgericht hat das Verhältnis von Parlament und Regierung in grundsätzlicher Weise neu bestimmt. Es hat die Kontrollmöglichkeiten des Regierungshandelns als eine Aufgabe des gesamten Parlaments definiert und sie deutlich verbessert. Das ist nur zu begrüßen.

 (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

 Leider mischt sich in diesen positiven Befund eine bittere Erkenntnis: Die Opposition hat diese Rechte, die dem gesamten Parlament zugutekommen, in Karlsruhe allein erstreiten müssen. Die Regierungsfraktionen haben uns dabei leider im Stich gelassen.

 (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

 Kein einziges Mal haben Sie von der Koalition uns im Untersuchungsausschuss unterstützt, wenn es darum gegangen ist, der Bundesregierung bei der unberechtigten Weigerung, Akten vollständig herauszugeben, entgegenzutreten.

 (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts als Zynismus!)

 Sie haben uns nicht unterstützt, als wir kritisiert haben, dass die Aussagegenehmigungen für wichtige und wichtigste Zeugen unzulässig eingeschränkt worden sind.

 (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Das ist der Hochmut der Großen Koalition! Der kommt vor dem Fall!)

 Aus diesem Grund hat sich im BND-Untersuchungsausschuss ein strukturelles Problem großer Koalitionen deutlich erwiesen. In Zeiten großer Koalitionen fallen Teile des Parlaments als Kontrollorgan der Regierung tendenziell leider aus. Das ist die eigentliche Erkenntnis aus dieser Entscheidung.

 (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ? Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Schauen Sie sich die FDP in Bayern an!)

 Die CDU/CSU hat uns erst am Schluss der Ausschussarbeit in unserem Aufklärungsbemühen unterstützt, nämlich als es um die Rolle von Herrn Steinmeier bei der Beteiligung am Irak-Krieg gegangen ist. Sonst haben auch Sie fast immer der SPD zugestimmt, die unsere Beweisanträge abgelehnt hat.

 (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das waren Hilfsbeamte der Regierung!)

 Erst vom Bundesverfassungsgericht sind uns die Rechte, die uns zustehen, zugesprochen worden.

 (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

 Ich kann nur feststellen: Es ist ein unguter Zustand, wenn mehr als zwei Drittel der Abgeordneten des Deutschen Bundestags ihre Kontrollaufgabe nicht erfüllen; das konnte man jetzt an einem konkreten Fall nachweisen. Es wird höchste Zeit, diesen Zustand zu beenden.

 (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

 Herr Kollege Kauder hat die Bedeutung der Entscheidung ein wenig heruntergespielt. Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich hervorgehoben, dass auch dem Parlament die Wahrung des Staatswohls anvertraut ist. Das ist deswegen wichtig, weil die Bundesregierung den Parlamentariern künftig nicht mehr mit dem pauschalen Verweis auf vorgebliche Staatswohlgründe Informationen verweigern kann. Das geht weit über den aktuellen Anlass des Untersuchungsausschusses hinaus. Das betrifft die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums, des Innenausschusses, aller Ausschüsse und das Frage- und Auskunftsrecht der einzelnen Abgeordneten. Deswegen hat die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung.

 (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

 Nun stellt sich freilich die Frage: Wie können die neu definierten Rechte von uns noch zu weiterer Aufklärung genutzt werden? Es nützt nichts, heute ? Ende August ?einen neuen Untersuchungsausschuss einzurichten.

 (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! Kollege, da haben Sie uns im Stich gelassen!)

 Wir wissen alle ? Herr Kollege Ströbele und ich haben uns darüber unterhalten ?: Die Geschäftsordnungsmehrheit der Koalition hätte ? ich bin da wenig optimistisch ? viele Möglichkeiten, die Tagungen eines solchen Ausschusses hinauszuzögern.

 (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man soll die Hoffnung nie aufgeben!)

 Man muss eines wissen: Mit Ende der Legislaturperiode endet ein solcher Ausschuss automatisch.

 (Dr. Norman Paech [DIE LINKE]: Das kann aber auch am 1. November sein!)

 Er kommt also zu spät. Wir schlagen daher einen Weg vor, der wirklich nützlich ist. Es gibt Beweisbeschlüsse. Wir wollen, dass uns diese Akten herausgegeben werden. Wenn der Bundestag dies gerade beschlossen hätte, würde ich keine rechtlichen Hindernisse sehen, warum uns die von uns bereits beantragten, aber nicht vollständig übermittelten Akten nicht jetzt noch zugeteilt werden könnten. Denn dann hätten wir die Möglichkeit, ohne Sondersitzungen im Aktenstudium noch für Aufklärung zu sorgen. Angesichts dessen, was wir jetzt über die Folterpraktiken der CIA erfahren, hätten wir genug Anlass dafür. Deshalb schließe ich mit einem Appell an die Bundesregierung: Auch wenn unser Antrag hier gerade bedauerlicherweise keine Mehrheit gefunden hat, wird Sie niemand daran hindern, dem Aufklärungsinteresse des Parlaments zu entsprechen. Überlassen Sie uns sofort die Akten, die wir längst beantragt haben. Dann können wir noch sinnvolle Aufklärungsarbeit leisten. Vielen Dank.

 (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



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