Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 11.11.2010

Gesetzes zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

(Drucksache 17/3617) Rede zu Protokoll Nr. 71 vom 11.11.2010

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Kinderschutz ist ein zentrales Thema, das wir alle sehr ernst nehmen. Ein wichtiger Bestandteil des Kinderschutzes in unserer Rechtsordnung ist das Vormundschaftsrecht. In der Vergangenheit haben Fälle von Kindesmisshandlungen und Kindesvernachlässigungen mit Todesfolge oder mit der Folge erheblicher Körperverletzung gezeigt, dass leider in der Praxis des Vormundschaftsrechts Defizite bestehen. Auch ein bestellter Vormund hat die ihm anvertrauten Kinder – hier sei nur an den kleinen Kevin aus Bremen erinnert – nicht immer hinreichend vor den Gefährdungen aus ihrem Lebensumfeld geschützt.

Das Bundesministerium der Justiz hat als Reaktion auf die bekannt gewordenen Fälle von Kindesvernachlässigungen die Arbeitsgruppe „Familiengerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls – § 1666 BGB“ einberufen. Diese hat festgestellt, dass eine der Hauptursachen dafür, dass Missstände und Vernachlässigungen nicht abgestellt worden sind, vor allem die zu hohe Fallzahl bei den Amtsvormündern ist. Übrigens haben mehrere Vertreter der Länder an der Arbeitsgruppe mitgewirkt. Die Amtsvormünder kennen angesichts hoher Fallzahlen ihre Mündel oftmals im Wesentlichen nur aus den Akten. Einige Amtsvormünder sind für über 200 Mündel zuständig. So war es im Fall Kevin. Das Landgericht Bremen hat das Strafverfahren gegen den Amtsvormund im August dieses Jahres gegen die Zahlung eines Geldbetrages eingestellt. Der Amtsvormund habe unter starker Arbeitsbelastung gestanden und trage deshalb nur geringe persönliche Schuld an dem tragischen Vorfall. Ein Sachverständiger hatte zuvor im Gerichtsverfahren bestätigt, dass jeder Bremer Amtsvormund für durchschnittlich 240 Kinder zuständig gewesen sei und sich praktisch nur zwei Minuten pro Woche um die Einzelfälle habe kümmern können, meist nur nach Aktenlage. Überlastungsanzeigen der Behördenmitarbeiter seien „teilweise unbeantwortet geblieben“.
Hier setzen wir mit unserem Gesetzgebungsvorhaben an. Die Bundesregierung will, dass Kinder durch die Rechtsordnung bestmöglich vor Vernachlässigung, Gewalt und Missbrauch geschützt werden. Gerade die Vormünder, also auch die Amtsvormünder, müssen als Verantwortliche für die Personensorge der ihnen anvertrauten Kinder angehalten werden, sich selbst in jedem Fall direkt mit der Situation auseinanderzusetzen und sich nicht nur auf die Aussagen von anderen zu verlassen.
Der Gesetzentwurf hat das zentrale Ziel, den Kontakt zwischen Vormund und Mündel zu stärken, damit der Vormund Anzeichen für eine Kindeswohlgefährdung frühzeitig erkennen und dagegen einschreiten kann. Bereits das geltende Recht setzt den persönlichen Kontakt des Vormunds zu dem Mündel voraus. Ohne persönlichen Kontakt kann der Vormund die Pflicht und das Recht, die Pflege und Erziehung des Mündels zu fördern und zu gewährleisten, nicht wahrnehmen. Das geltende Recht setzt auch eine Begrenzung der Fallzahlen voraus, da nur so sichergestellt ist, dass der Vormund die ihm übertragenen Aufgaben verantwortungsbewusst ausüben kann. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter hat hierfür bereits im Jahr 2000 eine Obergrenze von 50 Vormundschaften und Pflegschaften pro vollzeitbeschäftigtem Mitarbeiter empfohlen.
In der Praxis werden diese Pflichten und Empfehlungen aber offenbar nicht in jedem Fall ernst genug genommen. Es ist daher unerlässlich, klare Zahlen – sowohl bei der Kontakthäufigkeit als auch bei den Fall-zahlen – ins Gesetz zu schreiben. Nur so können wir nach meiner festen Überzeugung tatsächlich eine Änderung im Verhalten mancher Vormünder und in der Ausgestaltung mancher Amtsvormundschaften bewirken. Es geht uns nicht darum, neue Vorgaben und Pflichten für den Vormund einzuführen, sondern es soll stattdessen klargestellt und festgeschrieben werden, wie es eigentlich schon nach dem geltenden Recht in der Vormundschaft laufen sollte.
Wir sind uns darüber im Klaren, dass es bei der Umsetzung des Gesetzentwurfes zu Mehrkosten für einige Kommunen kommen kann. Einige Kommunen, Länder und auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände haben hierauf auch ausdrücklich hingewiesen und sich mit entsprechenden Schreiben an Mitglieder des Deutschen Bundestages gewandt. Die Bundesregierung hat dies bei der Ausarbeitung der Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates nochmals überdacht. Wir sind der Auffassung, dass an der Fallzahl von 50 nicht gerüttelt werden sollte. Die vorgeschlagene Fallzahl entspricht den fachlichen Empfehlungen. Der Bundesrat selbst geht in seiner Begründung davon aus, dass „ein Orientierungsrahmen von 50 Vormundschaften oder Pflegschaften angemessen ist“. Ohne die ausdrückliche Festschreibung im Gesetz ist – wie die derzeitige Praxis zeigt – nicht hinreichend sichergestellt, dass die fachlichen Empfehlungen in der Praxis umgesetzt werden. Ich halte die Mehrkosten deshalb für akzeptabel. Ein verbesserter Kinderschutz durch mehr persönliche Zuwendung eines Vormundes zu seinen Mündeln ist eben nicht zum Nulltarif zu haben. Viele Kommunen kommen ihren Verpflichtungen schon jetzt nach. Die Mehrkosten betreffen also nur die Kommunen, die bislang ihre Amtsvormünder mit einer zu hohen Zahl von Mündeln belastet haben.
Ich bitte Sie daher bei den Beratungen um Unterstützung unseres Gesetzentwurfes gerade auch mit den konkreten Pflichten für Vormünder und Kommunen, damit zukünftig Kindern wie dem kleinen Kevin auch tatsächlich ein besserer Schutz gewährt werden kann.



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