Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Rede vom 08.09.2009

Rede zum Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege

Dr. Max Stadler (FDP): 

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Thema ist so wichtig, dass es richtig gewesen ist, sich darauf zu einigen, am Ende der Legislaturperiode noch eine Aussprache im Plenum durchzuführen und nicht, wie manche überlegt haben, die Reden zu Protokoll zu geben.


Bereits seit mehreren Jahren diskutiert der Bundestag über die Aufhebung von NS-Urteilen wegen Kriegsverrats. Die FDP freut sich, dass es zum Ende dieser Legislaturperiode gelungen ist, fraktionsübergreifend einen Konsens zu finden. Wenn der Deutsche Bundestag heute mit den Stimmen aller Fraktionen den vorliegenden Gesetzentwurf verabschiedet, so ist dies bei diesem sensiblen Thema ein wichtiges Zeichen für die Betroffenen, aber auch für den Rechtsstaat.

Der Umgang mit Urteilen aus der Nazizeit hat den Deutschen Bundestag wiederholt beschäftigt. In der 13. Wahlperiode hat die damalige Koalition aus CDU/ CSU und FDP das NS-Aufhebungsgesetz auf den Weg gebracht. Einstimmig wurde 1998 beschlossen, dass solche strafgerichtlichen Verurteilungen durch Gesetz aufgehoben werden, die gegen elementare Grundsätze der Gerechtigkeit verstoßen haben und die nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung der Politik des Naziregimes gefällt worden sind.

Davon betroffen waren insbesondere Entscheidungen, die auf gesetzlichen Vorschriften beruhten, die in einer Anlage zu dem Gesetz zusammengefasst worden sind. Ausdrücklich hat der Gesetzgeber aber immer die Auffassung vertreten, dass auch andere Verurteilungen Gegenstand der Generalklausel des § 1 des NS-Aufhebungsgesetzes sein könnten. Das bedeutet: Auch Urteile, die nicht ausdrücklich in der Anlage erwähnt sind oder die Sachverhalte betroffen haben, die dort nicht aufgeführt sind, konnten sehr wohl als nichtig angesehen werden, weil sie gegen elementare Rechtsgrundsätze verstoßen haben. Dazu gehörten nach Auffassung der FDP unzweifelhaft auch Entscheidungen wegen Kriegsverrats.

Der Gesetzgeber hat längere Zeit gemeint, dass mit der Gesetzgebung von 1998 das Thema angemessen behandelt worden sei. Dies ist auch die Auffassung der FDP-Fraktion gewesen. Gleichwohl ist es in der Folgezeit immer wieder zu Forderungen gekommen, ausdrücklich die heute in Rede stehenden Urteile per Gesetz aufzuheben. Grund dafür waren neuere wissenschaftliche Abhandlungen; Sie haben es bereits erwähnt, Herr Kollege Dressel. Insbesondere war für die FDP-Fraktion auch das Gutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Professor Klein von Bedeutung. Darin wurde ausgeführt, dass die Vorschriften über den Kriegsverrat mit rechtsstaatlichen Grundsätzen schlechterdings unvereinbar gewesen seien. Der Sachverhalt, der zu einer Verurteilung habe führen können, sei dort nicht präzise beschrieben. Es mangelte also an dem Grundsatz der Bestimmtheit einer Strafnorm. Auch was die Rechtsfolgen betrifft ? ausnahmslos musste die Todesstrafe verhängt werden, was völlig unverhältnismäßig war ?, kann dieses damalige Gesetz nur als Unrecht bezeichnet werden. 

Aufgrund dieser neueren Erkenntnisse hat sich die Frage gestellt, ob es nachträglich doch noch geboten ist, die Vorschriften über den Kriegsverrat in die Anlage zum NS-Aufhebungsgesetz aufzunehmen. Diese Auffassung hat sich nunmehr durchgesetzt. Ich will gerne anerkennen, dass sich aus den Reihen der Parlamentarier der Kollege Jan Korte in dieser Angelegenheit besonders engagiert hat.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörg Tauss [fraktionslos])

Dies gilt ebenso für den Kollegen Wolfgang Wieland im Innenausschuss und die Kollegin Christine Lambrecht im Rechtsausschuss.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die FDP war immer der Auffassung, dass es sich bei diesen Urteilen um typisches NS-Unrecht gehandelt hat. Wir waren also nicht der Meinung, dass die Entscheidung des Gesetzgebers von 1998 solche Urteile nicht betroffen hätte. Aber wir schließen uns gerne der sich mittlerweile durchsetzenden Auffassung an, dass es ein richtiges Zeichen ist, wenn der Gesetzgeber diese Urteile heute noch einmal ausdrücklich aufhebt. Deswegen stimmen wir dem fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



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