Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Datenherausgabe an Ermittlungsbehörden der USA

Fragestunde - Protokoll Nr. 213 vom 12.12.2012

Verfahren der Datenherausgabe aus der Vorratsdatenspeicherung an Ermittlungsbehörden der USA und Deutschland

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/11786, Frage 64):

Welche verschiedenen Instanzen bzw. deren Abteilungen müssen jeweils an den Rechtshilfeersuchen beteiligt werden, über die Ermittlungsbehörden aus den USA und Deutschland – Bund und Länder – Vorratsdaten aus der Telekommunikation austauschen, wie es das Magazin heise online am 6. Oktober 2012 unter anderem für einen „Elefantenpfad“ beschreibt, wonach der Ablauf über Bundeskriminalamt, Auswärtiges Amt, State Department, Justice Department, FBI bis zu neun Monate dauere – bitte auch die zugrunde liegenden Abkommen anführen und schildern, wenn der Prozess juristisch oder diplomatisch abgekürzt werden kann –, und inwiefern gelten diese Verfahren auch für die Herausgabe von Daten aus der Cloud, was nach Berichten von heise online -europäische Schutzbestimmungen verletzt (6. Dezember 2012)?

Bitte erlauben Sie, dass ich auf die Frage in gedanklichen Abschnitten antworte.

Erstens. Rechtsgrundlage für Rechtshilfeersuchen zur Übermittlung von Telekommunikationsdaten ist im Wesentlichen der Vertrag vom 14. Oktober 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in Strafsachen in Verbindung mit dem Zusatzvertrag vom 18. April 2006 zu dem vorbezeichneten Vertrag. Solche Ersuchen zur Übermittlung von Daten aus der Telekommunikation richten sich im Einzelnen nach Art. 12 Nr. 1 dieses Rechtshilfevertrags vom 14. Oktober 2003.

Zweitens. Im ersten Teil der Frage erkundigen Sie sich nach den beteiligten Instanzen an Rechtshilfeersuchen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland. Hierzu gilt:

Bei der Rechtshilfe in Strafsachen für Ersuchen um Übermittlung von Telekommunikationsdaten findet der justizministerielle Geschäftsweg Anwendung. Rechtshilfeersuchen werden zwischen dem Bundesamt für Justiz einerseits und dem US-amerikanischen Justizministerium andererseits übermittelt. In dringenden Fällen können Ersuchen zwischen den Justizministerien der Länder – Landesjustizverwaltungen – einerseits und dem US-amerikanischen Justizministerium andererseits übermittelt werden. So sieht es der deutsch-amerikanische Rechtshilfevertrag in Art. 2 vor.

Ersuchen um Datensicherung können in Eilfällen auch von den Kontaktstellen eines von den G8-Staaten initiierten 24/7-Netzwerkes übermittelt werden. Deutsche Kontaktstelle ist das Bundeskriminalamt. Die Herausgabe und Verwertung in diesem Verfahren gesicherter Daten setzt dann aber wiederum ein justizielles Rechtshilfeersuchen voraus.

Diese Erläuterungen beziehen sich ausschließlich auf die Übermittlung von Telekommunikationsdaten. Eine sogenannte und von Ihnen in Ihrer Frage erwähnte Vorratsdatenspeicherung, das heißt eine Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten von einem Anlass unabhängig und unabhängig von einem gerichtlichen Beschluss, findet in Deutschland nicht statt.

Drittens. Der zweite Teil Ihrer Frage betrifft den Zugang der Ermittlungsbehörden zu Daten, die im Wege des Cloud Computing gespeichert wurden.

Bei der Frage, auf welchem Weg auf Daten zugegriffen werden kann, die in der Cloud gespeichert sind, sind verschiedene Fallkonstellationen zu unterscheiden: Ausgangspunkt ist dabei, dass der Zugriff auf die Daten in dem Staat erfolgt, in dem sie lagern oder in dem der Cloud Provider seinen Sitz hat. Der Zugriff erfolgt nach den strafverfahrensrechtlichen Regelungen in diesem Staat. Dieser Staat ist, falls erforderlich, um Rechtshilfe zu ersuchen.

In der ersten Phase sind die Daten schnell zu sichern. Anschließend muss die Herausgabe und Verwertung der Daten unter sorgfältiger Prüfung rechtsstaatlicher Standards ermöglicht werden.

Die Voraussetzungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sind unterschiedlich, wenn der berechtigte Nutzer die Daten selbst und freiwillig auf seinen Rechner zurückholt, wenn er das Passwort bekannt gibt oder die Daten nicht gesichert sind, aber ein deutscher Ermittler am ausländischen Standort hoheitlich tätig wird, oder wenn der berechtigte Nutzer nicht mit der Rückholung der Daten einverstanden ist.

Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den USA erfolgt dabei auf der Grundlage des deutsch-amerikanischen Rechtshilfevertrages und des Übereinkommens des Europarates über Computerkriminalität, das die USA gezeichnet und in Kraft gesetzt haben.

Danach ergibt sich Folgendes:

Handelt der Nutzer selbst, ist weder für die Datensicherung noch für die Datenverwertung ein Rechtshilfeersuchen erforderlich.

Handelt ein Polizeibeamter, ist für die Datensicherung dann kein Ersuchen erforderlich, wenn die Daten öffentlich zugänglich sind oder der Nutzer zustimmt, Art. 32 Buchstaben a und b des Übereinkommens des Europarates über Computerkriminalität. Handelt ein Polizeibeamter und stimmt der Nutzer nicht zu, ist für die Datensicherung nach allgemeinen Grundsätzen ein Rechtshilfeersuchen zu stellen, wobei der Geschäftsweg zwischen den Polizeibehörden stattfindet, Art. 29 des genannten Übereinkommens.

Handelt ein Polizeibeamter, ist für die anschließende justizielle Verwertung der Daten regelmäßig ein justizielles Rechtshilfeersuchen nach allgemeinen Grundsätzen erforderlich, unabhängig davon, ob die Daten öffentlich zugänglich sind, der Nutzer zustimmt oder nicht zustimmt.

Prüfung der GEMA-Tarifreform

Fragestunde - Protokoll Nr. 210 vom 28.11.2012

Prüfung der Angemessenheit der GEMA-Tarifreform; Initiativen der Bundesregierung zugunsten einvernehmlicher Regelungen zwischen der GEMA und ihren Gesamtvertragspartnern


Wir kommen nun zur Frage 16, gestellt von unserem Kollegen Burkhard Lischka:

Begleitet die Bundesregierung den Prozess der Prüfung der Angemessenheit der GEMA-Tarifreform, mit der das Bundesministerium der Justiz die Staatsaufsicht beim Deutschen Patent- und Markenamt beauftragt hat, und, wenn ja, in welcher Weise geschieht das?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Präsident! Herr Kollege Lischka, ich darf die Frage 16 wie folgt beantworten: Die Bundesregierung ist über das Bundesministerium der Justiz, dem die Aufsicht über die Staatsaufsicht beim Deutschen Patent- und Markenamt obliegt, in die aufsichtsrechtlichen Prüfungen der Angemessenheit der neuen Tarife der GEMA einbezogen. Die Staatsaufsicht über die Verwertungsgesellschaften prüft intern und berichtet dem Bundesministerium der Justiz fortlaufend über den aktuellen Stand der aufsichtsrechtlichen Prüfungen.

 Herr Präsident, die Frage 17 betrifft den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen. Vielleicht bietet es sich an, sie ebenfalls jetzt zu beantworten und dann die Nachfragen en bloc zu stellen.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Wie ich sehe, ist der Kollege Lischka damit einverstanden. Dann machen wir das so.

Ich rufe also noch die Frage 17 des Abgeordneten Burkhard Lischka auf:

Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Verhandlungen, und was unternimmt die Bundesregierung, damit es zu einvernehmlichen Regelungen zwischen der GEMA und ihren Gesamtvertragspartnern kommt?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Der Bereich der gesamtvertraglichen Einräumung von Nutzungsrechten an urheberrechtlich geschützten Werken unterliegt bekanntlich der Privatautonomie der Verhandlungspartner. Deshalb sollte vorrangig eine Einigung zwischen den Verhandlungspartnern angestrebt werden.

Nach Kenntnis der Bundesregierung hat sich die GEMA mit dem Bund Deutscher Karneval e. V., den Schützenbünden, dem Verband Deutscher Musikschaffender, den Deutschen Diskotheken Unternehmern sowie der Deutschen Disc-Jockey Organisation gesamtvertraglich auf Grundlage der neuen Veranstaltungstarife geeinigt. Dies begrüßen wir selbstverständlich.

Nach Kenntnis der Bundesregierung verhandelt die GEMA daneben mit weiteren großen Nutzervereinigungen, etwa mit dem Deutschen Olympischen Sportbund, dem Deutschen Tanzsportverband, der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände sowie der Bundesvereinigung der Musikveranstalter.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Herr Kollege Lischka, Sie haben nun insgesamt vier Nachfragen. Bitte schön.

Burkhard Lischka (SPD):
Herr Präsident, vielen Dank. Ich möchte nur von zwei Nachfragen Gebrauch machen. – Herr Staatssekretär, vor einigen Wochen, am 26. Oktober, fand im Deutschen Patent- und Markenamt eine Anhörung zur geplanten Tarifstrukturreform statt, gemeinsam mit den unterschiedlichen Verbänden, die dort involviert sind. Liegen Ihnen Ergebnisse dieser Anhörung vor, und, wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diese Ergebnisse?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
In der Tat hat das Bundesministerium der Justiz im Rahmen seiner aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten darauf hingewirkt, dass es zu einem solchen Gespräch im Deutschen Patent- und Markenamt gekommen ist. Dieses Gespräch hat am 26. Oktober stattgefunden, und zwar mit zahlreichen Beteiligungen.

Nach dem, was ich über den Verlauf erfahren habe, war diese Zusammenkunft sehr nützlich, weil dort eine Vielzahl von Fragen, die in der öffentlichen Diskussion aufgeworfen wurden, erörtert werden konnte. Es stellte sich heraus, dass man bei einigen Themen noch zusätzliche Erkenntnisse zum Sachverhalt braucht, sodass den Beteiligten Gelegenheit gegeben worden ist, diese nachzuliefern.

Im Moment läuft die Auswertung dieser Anhörung. Die Ergebnisse werden dann in die weitere Meinungsbildung einfließen.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre weitere Nachfrage, Kollege Burkhard Lischka.

Burkhard Lischka (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich habe noch eine abschließende Nachfrage. Herr Stadler, angenommen, dass es in dem weiteren Verfahrensablauf nicht zu einem Abschluss der Verhandlungen und auch nicht zu einer Einigung bzw. zu einem allgemein akzeptierten Einigungsspruch kommt: Kann sich die Bundesregierung vorstellen, in diesem Zusammenhang eine Vermittlerrolle zu übernehmen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Die Bundesregierung hat insoweit schon vermittelnd eingewirkt, als sie – wie ich geschildert habe – daran beteiligt war, dieses umfassende Gespräch zu initiieren, und sich auch Fragestellungen erbeten hat, die in diesem Zusammenhang erörtert wurden. Nunmehr liegt die weitere Diskussion bei den Beteiligten: der GEMA auf der einen Seite und den Verbänden auf der anderen Seite.

Ich finde es sehr erfreulich, dass insbesondere mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter – nach meiner Kenntnis am morgigen Tag – ein Gespräch stattfinden wird. Hier lagen in den letzten Monaten die Vorstellungen über die neuen Tarife wohl recht weit auseinander, sodass es günstig ist, wenn der Gesprächsfaden jetzt wieder aufgenommen wird.

Man muss zudem noch erwähnen, dass es einige Schiedsverfahren gibt. Das ist nämlich der rechtsförmliche Weg, wie man zu einem Vermittlungsergebnis kommt. In einem dieser Schiedsverfahren hat es bereits eine mündliche Verhandlung gegeben, und zwar am 21. November. Eine weitere mündliche Verhandlung ist für den 19. Dezember vorgesehen. Sie sehen also, dass die Bemühungen um eine konsensuale Lösung in vollem Gange sind.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Der Kollege Paul Lehrieder hat eine Nachfrage. Bitte schön, Kollege Paul Lehrieder.

Paul Lehrieder (CDU/CSU):
Herr Staatssekretär, ich habe eine Frage hinsichtlich des von Ihnen angesprochenen Schiedsverfahrens: Gibt es Bestrebungen des Bundesjustizministeriums, auf die GEMA insofern Einfluss zu nehmen, als man bis zum Abschluss des Schiedsverfahrens von der beabsichtigten Inkraftsetzung der neuen Tarife, die nach jetzigem Stand zum 1. April erfolgen soll, absehen möge?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lehrieder, wie Sie wissen, gibt es keine Möglichkeit der rechtlichen Einflussnahme auf die GEMA. Sie ist ein Verein, der die Interessen seiner Mitglieder, beispielsweise der Komponisten, der Textdichter, der Kreativen, treuhänderisch wahrzunehmen hat. Wohl aber beobachten wir, dass die GEMA die neuen Tarife entgegen ursprünglichen Vorstellungen nicht zum 1. Januar 2013, sondern zum 1. April 2013 in Kraft setzen möchte. Bis dahin ist also noch viel Zeit, sich zu einigen. Ich habe bereits erwähnt, dass am 19. Dezember eine mündliche Verhandlung stattfindet. Wir sollten jetzt diesen Prozess der Einigung zwischen den Vertragspartnern abwarten und dann weitere Diskussionen darüber führen.

Änderungsbedarf Verjährungsfristen sexuellen Missbrauchs

Fragestunde - Protokoll Nr. 210 vom 28.11.2012

Änderungsbedarf bei strafrechtlichen Verjährungsfristen in Bezug auf sexuellen Missbrauch

Vizepräsident Eduard Oswald:

Vielen Dank. – Wir kommen zur Frage 18 unserer Kollegin Sonja Steffen:

Welche Änderungen beabsichtigt die Bundesregierung in Bezug auf die strafrechtlichen Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch noch in dieser Legislaturperiode in den Deutschen Bundestag einzubringen?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Die Frage einer Änderung der Fristen der strafrechtlichen Verjährung bei sexuellem Missbrauch wird derzeit im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs erörtert. Die Entscheidung darüber, welches Ergebnis am Ende erzielt wird, liegt somit beim Deutschen Bundestag.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin.

Sonja Steffen (SPD):
Teilt das BMJ die Erkenntnis, dass bei vielen Sexualstraftaten, die während der Minderjährigkeit der Opfer begangen wurden, ein sogenanntes Coming-out erst sehr spät erfolgt, also die Opfer oftmals sehr spät erst in der Lage sind, über die Tat, die an ihnen begangen wurde, zu reden?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Frau Kollegin Steffen, diese Erkenntnis ist zweifellos richtig. Sie ist auch beim Runden Tisch, den die Bundesregierung initiiert hat, erörtert worden. Das Bundesministerium der Justiz orientiert sich bei seinem weiteren Vorgehen sehr stark an den Ergebnissen des Runden Tisches. Das hat dazu geführt, dass wir mit dem von mir gerade schon erwähnten Gesetzentwurf dafür eintreten, die Frist der zivilrechtlichen Verjährung in solchen Fällen deutlich, nämlich auf 30 Jahre auszudehnen – bisher waren es drei Jahre – und es entgegen ursprünglichen Überlegungen dabei zu belassen, dass die Verjährungsfrist erst mit dem 21. Lebensjahr beginnt, sodass den Opfern viel Zeit bleibt, ihre Ansprüche geltend zu machen.

Zwischen den Fraktionen gibt es Gespräche, ob man bei der strafrechtlichen Verjährung in ähnlicher Weise vorgehen könnte. Es ist kein Geheimnis, dass auch hier überlegt wird, den Beginn der Verjährungsfrist auf ein späteres Lebensjahr hinauszuschieben, sodass die Opfer bei einem späteren Coming-out auch strafrechtlich gegen den Täter vorgehen können.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre weitere Nachfrage, Frau Kollegin.

Sonja Steffen (SPD):
Das Ergebnis der Diskussionen des Runden Tisches in Bezug auf die zivilrechtlichen Verjährungsfristen war relativ eindeutig. 30 Jahre sind eine lange Zeit. Viele von uns wünschen sich eine entsprechende Verlängerung der Verjährungsfrist im Strafrecht.
Was mich in diesem Zusammenhang besonders umtreibt, ist die Tatsache, dass sich die Beweislage im Laufe der Zeit verschlechtert; es ist ein großes Problem, dass es nach dieser langen Zeit Beweisschwierigkeiten gibt. Im Grunde genommen sind diese Schwierigkeiten in zivilrechtlichen Verfahren wesentlich größer, weil es hier den Parteien überlassen ist, die Beweisführung anzutreten. In einem strafrechtlichen Verfahren hingegen ist dies wesentlich einfacher, weil man hier eben auch die Hilfe der Staatsanwaltschaft und der Polizei in Anspruch nehmen kann.

Ganz konkret gefragt: Gehen Sie davon aus, dass sich Ihr Ministerium in dieser Legislaturperiode noch mit den strafrechtlichen Verjährungsfristen befassen wird? Es gibt bereits entsprechende Gesetzesinitiativen; darauf haben Sie hingewiesen.


Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Frau Kollegin Steffen, Sie haben völlig zu Recht auf fortschreitende Beweisschwierigkeiten hingewiesen. Je länger ein Sachverhalt zurückliegt, desto schwieriger ist die Aufklärung durch die Gerichte. Das ist unter anderem ein Grund dafür, dass es überhaupt Verjährungsfristen gibt. Der Staat verzichtet aufgrund dieser Erwägung auf die Durchsetzung des Strafanspruches nach einem gewissen Zeitablauf.

In diesem speziellen Bereich ist von der Bundesregierung auf Grundlage eines Entwurfs des Bundesministeriums der Justiz ein Gesetz auf den Weg gebracht worden, nämlich das sogenannte StORMG. Die Fraktionen überlegen jetzt, wie man die strafrechtliche Verjährung dort ändert. Es gibt noch keine Einigung auf ein genaues Modell, aber Sie können davon ausgehen, dass es am Ende auf einen längeren Zeitraum, in dem eine solche Straftat noch verfolgt werden kann, hinauslaufen wird.

Entlastung kleiner Genossenschaften

Fragestunde - Protokoll Nr. 210 vom 28.11.2012

Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Entlastung kleiner Genossenschaften

Vizepräsident Eduard Oswald:
Vielen Dank. – Wir sind immer noch im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Die Frage 19 der Kollegin Martina Bunge wird schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 20 unseres Kollegen Ingo Egloff auf:

Wird die Bundesministerin der Justiz noch im Internationalen Jahr der Genossenschaften 2012 einen Gesetzentwurf zur Entlastung kleiner Genossenschaften vorlegen, nachdem sie im Februar 2012 erklärt hatte, ihr Haus entwickle hierfür Ideen, und nachdem am 13. November 2012 im Handelsblatt zu lesen war, bei dieser Idee handle es sich um die Schaffung einer neuen Rechtsform „Kooperativgesellschaft (haftungsbeschränkt)“?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Egloff, ich kann bestätigen, dass im Bundesministerium der Justiz an einem Gesetzentwurf zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften gearbeitet wird, bei dem es insbesondere um die Entlastung kleinster Genossenschaften geht. Sie hatten gefragt, ob der Gesetzentwurf noch im Internationalen Jahr der Genossenschaften vorgelegt wird, also noch in 2012. In diesem Jahr wird der Gesetzentwurf nicht mehr vorgelegt werden können, zumal die offizielle Abschlusszeremonie des Internationalen Jahres der Genossenschaften bei den Vereinten Nationen bereits stattgefunden hat.

Kernstück des Gesetzentwurfes soll die Einführung der sogenannten Kooperativgesellschaft (haftungsbeschränkt) sein. Kleinstgenossenschaften sollen sich künftig als Kooperativgesellschaft gründen können und sind dann – das ist der entscheidende Punkt – von der Pflichtmitgliedschaft in einem genossenschaftlichen Prüfungsverband und von der genossenschaftlichen Pflichtprüfung befreit. Damit werden Kleinstgenossenschaften kostenmäßig entlastet. Die Rechtsform wird somit für Kleinstunternehmen attraktiver.

Wichtig ist aus unserer Sicht: Die Kooperativgesellschaft soll keine neue Rechtsform sein, sondern eine Unterform der Genossenschaft. Durch diese besondere Firmierung als Kooperativgesellschaft wird für Gläubiger deutlich, dass keine Prüfung stattfindet.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Sie haben eine Nachfrage?

Ingo Egloff (SPD):
Herr Staatssekretär, ist denn damit zu rechnen, dass der Gesetzentwurf noch im Laufe dieser Legislaturperiode das Parlament erreicht?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Egloff, damit rechne ich schon. Es kommt hinzu, dass Ihre Fraktion erfreulicherweise am 20. November einen Antrag eingereicht hat – der offenkundig von Ihnen initiiert wurde –, um Genossenschaftsgründungen zu erleichtern. Unsere Überlegungen gehen in dieselbe Richtung. Vielleicht gibt es in Nuancen Unterschiede, wenn es darum geht, was genau man in das Gesetz hineinschreiben sollte. Aber da offenbar fraktionsübergreifend das Bedürfnis besteht, gesetzgeberisch tätig zu werden, stehen die Chancen gut, dies noch in dieser Legislaturperiode zustande zu bringen.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre weitere Nachfrage?

Ingo Egloff (SPD):
Herr Staatssekretär, Sie haben eben darauf hingewiesen, dass Kleinstgenossenschaften von der Pflichtprüfung entbunden werden sollen. Die entscheidende Frage ist: Ab welcher Grenze fängt eine Kleinstgenossenschaft an? In den Diskussionen, die es zu diesem Bereich zuhauf gibt, ist immer wieder – in Anlehnung an die GmbH – von § 267 Abs. 2 HGB die Rede. Die Frage ist: Verfolgt die Bundesregierung bei der Schaffung von Kleinstgenossenschaften das Ziel, diesen Rahmen zu nutzen? Oder würden Sie sagen, dass die Grenze wesentlich niedriger anzusetzen ist?

 Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Egloff, genau diese Frage ist mit ein Grund, warum wir jetzt einen Gesetzentwurf erarbeiten. Wir können Ihnen diesen Gesetzentwurf allerdings noch nicht vorlegen. Der Abgrenzungsfaktor ist entscheidend dafür, wie viele Genossenschaften unter die neue Firmierung fallen. Diesbezüglich läuft gerade der Abstimmungsprozess, und zwar sowohl in unserem Haus als auch innerhalb der Bundesregierung. Wir werden Sie danach über das erzielte Ergebnis informieren.

Man muss berücksichtigen, dass es auf der einen Seite das verständliche Bedürfnis gibt, solche Gründungen zu erleichtern, auf der anderen Seite muss man aber auch Mechanismen finden, sowohl Gläubiger als auch die Mitglieder der Genossenschaften zu schützen. An all dem arbeiten wir noch, sodass ich Ihnen zu Fragen zur konkreten Abgrenzung – hier geht es zum Beispiel um die Größe der Genossenschaft als Kriterium – erst zu einem späteren Zeitpunkt Auskunft geben kann.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Vielen Dank. – Zu dieser Frage hat auch unser Kollege Hans-Christian Ströbele eine Nachfrage. Bitte.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, ich muss ausnahmsweise sagen: Diese Töne höre ich gerne. Das zeigt, dass Sie sich Gedanken in dieser Richtung machen. Auch in unserer Fraktion stellen wir entsprechende Überlegungen an. Ich fordere das im Grunde schon, seitdem ich Mitglied des Deutschen Bundestages bin, seit über zehn Jahren.

Für mich ist das ein besonderes Problem, weil ich als Rechtsanwalt früher, als es nicht möglich war, Kleinstgenossenschaften zu gründen bzw. sie in Genossenschaftsverbänden unterzubringen, empfohlen habe, Vereine zu gründen. Deshalb die Frage an Sie: Wie unterscheidet sich die Kleinstgenossenschaft – abgesehen von dem Merkmal Größe – von Vereinen? Würden Sie erwägen, dass man in Zukunft, wenn man einen wirklich schlüssigen, guten Gesetzentwurf hat, diese Kleinstgenossenschaften Kollektive nennt? Denn sie haben sich als solche seit langem in der Gesellschaft etabliert, auch wenn sie als Vereine konstruiert waren.


Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Lieber Kollege Ströbele, da wir uns gut kennen, darf ich Folgendes sagen: Es ist erfreulich, dass Sie immer wieder in den Deutschen Bundestag gewählt worden sind; denn so können Sie sich an diesem Gesetzgebungsvorhaben, das Ihnen offenkundig so sehr am Herzen liegt, beteiligen. Was die Firmierung als Kollektiv anbelangt, vermute ich allerdings, dass in Teilen Ihrer Fraktion mehr Bereitschaft dazu besteht als in den Regierungsfraktionen, sodass ich Ihnen eine solche Bezeichnung nicht in Aussicht stellen kann.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Jetzt wissen wir auch das, wobei ich davon ausgehe, dass das im Grunde schon vorher bekannt war.

Wir haben damit den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz abgeschlossen.

Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet

Fragestunde - Protokoll Nr. 210 vom 28.11.2012

Spannungsverhältnis zwischen dem Recht auf Löschung zum Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11611, Frage 13):

Inwiefern hält die Bundesregierung den Zugang zum Internet für ein Menschenrecht, und wie gedenkt sie, mit dem Spannungsverhältnis zwischen dem Recht auf Löschung zum Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet umzugehen?

Es gibt keine völkerrechtliche Norm, die „den Zugang zum Internet“ als Menschenrecht statuiert.

Thematisch berührt ist aber das etwa in Art. 10 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten normierte Recht auf freie Meinungsäußerung sowie das Recht, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Auch auf Ebene der Vereinten Nationen finden sich entsprechende Völkerrechtsnormen, so etwa in Art. 19 Abs. 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte.

Auf Internetinhalte bezogene Löschungspflichten können unter anderem die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit beeinträchtigen. Auf der anderen Seite ist der Staat grundrechtlich gehalten, den Einzelnen vor Gefährdungen seines Persönlichkeitsrechts und seiner informationellen Selbstbestimmung durch Dritte zu schützen. Bei der Ausgestaltung einfachgesetzlicher Löschungspflichten ist dieser Widerstreit von Grundrechtspositionen nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz möglichst schonend aufzulösen.

Regelung zur Abgeordnetenbestechung

Fragestunde - Protokoll Nr. 210 vom 28.11.2012

Verschärfung der gesetzlichen Regelung zur Abgeordnetenbestechung und entsprechende Änderung im StGB


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Dr. Eva Högl (SPD) (Drucksache 17/11611, Frage 14):

Unterstützt die Bundesregierung die Vorschläge des Bundestagspräsidenten Dr. Norbert Lammert zur Verschärfung der gesetzlichen Regelung bezüglich der Abgeordnetenbestechung, und welche Maßnahmen wird sie wann ergreifen, um zu einer Neuregelung des § 108 e des Strafgesetzbuchs zu kommen?

Die Bundesregierung setzt sich nach wie vor dafür ein, dass Deutschland das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption von 2003 ratifizieren kann. Dazu wäre eine Erweiterung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung erforderlich. Aus Sicht der Bundesregierung sollten entsprechende Gesetzentwürfe gegebenenfalls aus der Mitte des Bundestages eingebracht werden; auch die Beratungen über eine möglichst einvernehmliche Lösung dieser Frage sollten dem -Bundestag vorbehalten bleiben. Aus diesem Grund sieht die Bundesregierung von einer Stellungnahme zu einzelnen Gesetzgebungsvorschlägen aus dem Parlament ab.

Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten

Fragestunde - Protokoll Nr. 210 vom 28.11.2012

Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten großer Unternehmen


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Dr. Eva Högl (SPD) (Drucksache 17/11611, Frage 15):

Wird die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten großer Unternehmen vorlegen, -nachdem der Regierungssprecher Steffen Seibert zum entsprechenden Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission erklärt hatte, das müsse auf nationaler Ebene geregelt werden, und wie wird die Bundesregierung andernfalls ihr im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vereinbartes Ziel verfolgen, den Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft maßgeblich zu erhöhen?

Die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen, insbesondere in Vorständen und Aufsichtsräten, ist ein wichtiges gleichstellungspolitisches Anliegen der Bundesregierung. Die Bundesregierung setzt darauf, dass mit den vielfältigen neuen Initiativen der Unternehmen und den in dieser Legislaturperiode gestarteten Aktivitäten der Bundesregierung der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft auf allen Ebenen in den kommenden Jahren weiter erhöht wird. Die Meinungsbildung zu einer gesetzlichen Quotenregelung ist innerhalb der Bundesregierung nicht abgeschlossen.

Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme

Fragestunde - Protokoll Nr. 210 vom 28.11.2012

Beteiligung von Betroffenenverbänden und Fachverbänden in das Verfahren im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/11611, Frage 19):

In welcher Art und Weise genau sind Betroffenenverbände und Fachverbände im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zur Zwangsbehandlung, Bundestagsdrucksache 17/11513, beteiligt worden, und welche Kriterien sind für den offensichtlichen Eilbedarf in diesem Verfahren maßgeblich?

Auf Initiative des Bundesministeriums der Justiz ist anlässlich der Beschlüsse des Bundesgerichtshofs, BGH, vom 20. Juni 2012 (BGH XII ZB 99/12 und Az. XII ZB 130/12) zur betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung mit zahlreichen Verbänden auf Fachebene gesprochen worden. Das erste Gespräch wurde mit dem Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e. V., BPE, geführt. Weitere Gespräche wurden mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e. V., Die-BPE, der Aktion Psychisch Kranke e. V., der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, DGPPN, der Bundesdirektorenkonferenz – Verband leitender Ärztinnen und Ärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie e. V., BDK, dem Arbeitskreis der Chefärzte und Chefärztinnen von Klinken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland, ACKPA, dem Bundesverband der Angehörigen Psychisch Kranker e. V., BApK, dem Bundesverband der Berufsbetreuer e. V., BdB, und dem Bundesverband freier Berufsbetreuer e. V., BVfB, geführt. Mit den drei zuletzt genannten Verbänden wurden Telefonate geführt.

Zudem sind zahlreiche schriftliche Stellungnahmen und Eingaben zum Thema eingegangen.

Die Anmerkungen und Hinweise sind in die Überlegungen zu einer Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme eingeflossen.

Der „offensichtliche Eilbedarf“ folgt daraus, dass infolge der geänderten Rechtsprechung des BGH derzeit eine auf das Betreuungsrecht gestützte Behandlung von Patienten, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer seelischen oder geistigen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können und denen ein erheblicher gesundheitlicher Schaden droht, im Rahmen einer Unterbringung gegen ihren natürlichen Willen nicht mehr möglich ist. Dies hat für einen Teil der nach Betreuungsrecht untergebrachten bzw. unterzubringenden Betreuten schwerwiegende gesundheitliche Folgen. Der BGH führt insoweit selbst aus, dass das Fehlen von Zwangsbefugnissen zur Durchsetzung notwendiger medizinischer Maßnahmen dazu führen kann, dass ein -Betroffener ohne eine solche Behandlung einen erheblichen Schaden nimmt (BGH XII ZB 99/12 Randnummer 48).

Differenzierung von Kfz-Tarifen nach Lebensalter

Fragestunde - Protokoll Nr. 203 vom 07.11.2012

Bestimmungen für die Versicherungswirtschaft zur Differenzierung von Kfz-Tarifen nach Lebensalter der Fahrer

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11282, Frage 44):

Inwieweit gibt es gesetzliche Bestimmungen, wonach die Versicherungswirtschaft Kfz-Versicherungstarife nach Lebensalter der Fahrerinnen und Fahrer differenzieren muss oder darf?

Weder das Versicherungsaufsichtsrecht noch das Versicherungsvertragsrecht enthalten entsprechende Regelungen. Die für die Prämienkalkulation relevanten Risikomerkmale werden vertraglich – regelmäßig mit den Allgemeinen Versicherungsbedingungen – vereinbart; in die Vertragsfreiheit wird insoweit nicht eingegriffen. Eine entsprechende Vereinbarung stellt auch keine Benachteiligung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, AGG, dar. Sofern man die Berücksichtigung des Alters als „unterschiedliche Behandlung“ ansehen will, ist sie zulässig, wenn sie auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruht, insbesondere auf einer versicherungsmathematisch ermittelten Risikobewertung unter Heranziehung statistischer Erhebungen (§ 20 Abs. 2 Satz 3 AGG).


Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr

Fragestunde - Protokoll Nr. 200 vom 25.10.2012

Auswirkungen der im Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr vorgesehenen Zahlungs- und Abnahmefristen


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11094, Fragen 42 und 43):

Wie wird die Bundesregierung verhindern, dass durch den Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr zukünftig Auftraggeber die im Gesetz genannten Zahlungsfristen von mehr als 60 bzw. 30 Tagen in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen übernehmen und dadurch Auftragnehmer deutlich länger als unter der bisherigen Gesetzeslage auf ihr Geld warten müssten?

Wie wird die Bundesregierung verhindern, dass durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Abnahmefrist - 30 Tage nach Empfang der Gegenleistung - Auftragnehmer in die Lage geraten könnten, auch nach Fertigstellung des Werkes bis zu 30 Tage warten zu müssen, und sich somit unter Berücksichtigung von Abnahme- und Zahlungsfristen für die Auftragnehmer Zahlungsziele von mindestens 90 Tagen sowohl bei Abschlags- als auch bei Schlusszahlungen ergeben würden?

Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption

Fragestunde - Protokoll Nr. 197 vom 17.10.2012

Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 48):

Wie ist der Stand innerhalb der Bundesregierung bezüglich der Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten -Nationen gegen Korruption – United Nations Convention against Corruption, UNCAC –, und welche Vorbehalte hat die Bundesregierung gegen die Vorlage eines solchen Ratifizierungsgesetzes?

Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass Deutschland das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption ratifizieren kann. Den Entwurf für ein Vertragsgesetz zum Übereinkommen der Vereinten Nationen, mit dem die Voraussetzungen nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Ratifizierung des Übereinkommens geschaffen werden, wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag vorlegen, sobald Einvernehmen über ein Gesetz zur Ausführung des Übereinkommens besteht. Dazu wäre eine Erweiterung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung erforderlich. Derzeit liegen drei Gesetzentwürfe aus der Mitte des Deutschen Bundestages vor. Hierzu findet am heutigen Tage eine Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages statt.

Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr

Fragestunde - Protokoll Nr. 197 vom 17.10.2012

Auswirkungen des geplanten Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr auf die Rechtsposition der Auftragnehmer


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 49):

Wie wird die Bundesregierung gewährleisten, dass es durch den geplanten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr zu keiner Verschlechterung der Rechtsposition der Auftragnehmer hinsichtlich der Zahlungsfristen kommt?

Mit dem Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr wird die EU-Richtlinie 2011/7/EU zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr „1 zu 1“ umgesetzt. Entsprechend den Vorgaben in der EU-Richtlinie werden in dem Gesetzentwurf für vertraglich vereinbarte Zahlungsfristen Höchstgrenzen vorgegeben, die nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen überschritten werden dürfen. Damit wird die nach der bisherigen Rechtslage nahezu unbegrenzt bestehende Möglichkeit, vom gesetzlichen Leitbild der sofortigen Fälligkeit durch Vereinbarung abzuweichen, zum Schutz des Gläubigers einer Entgeltforderung beschränkt und somit die Rechtsposition der Auftragnehmer hinsichtlich der Zahlungsfristen verbessert.

Durchführungsbestimmungen zu Art. 1504 des Dodd-Frank Act

Fragestunde - Protokoll Nr. 194 vom 26.09.2012

Entwicklungspolitische Beurteilung der von der US-Börsenaufsicht vorgelegten Durchführungsbestimmungen zu Art. 1504 Dodd-Frank-Act und der Position des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments zu Kap. 9 der Bilanzrichtlinie

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Sascha Raabe (SPD) (Drucksache 17/10736, Fragen 60 und 61):

Wie beurteilt die Bundesregierung aus entwicklungspolitischer Sicht die von der US-Börsenaufsicht am 22. August 2012 vorgelegten Durchführungsbestimmungen zu Art. 1504 des Dodd-Frank Act und die am Dienstag, dem 18. September 2012, beschlossene Position des Rechtsausschusses des Europäischen Parlamentes zu Kap. 9 der Bilanzrichtlinie?

Wird sich das BMZ bei der Neupositionierung der Bundesregierung im Vorfeld anstehender Trilogverhandlungen dafür einsetzen, dass Deutschland im Einklang mit den in Frage 60 genannten Entscheidungen eine projektgenaue Offenlegung, einen Schwellenwert von 80 000 Euro sowie die Abschaffung der Ausnahmeregelungen für intransparente Regime unterstützt?


Zu Frage 60:
Die Bundesregierung unterstützt international abgestimmte Transparenzanforderungen im Rohstoffbereich und beteiligt sich konstruktiv an der Diskussion der Vorschläge der Europäischen Kommission, die sie am 25. Oktober 2011 im Rahmen der Reform der EU-Bilanzrichtlinien für Berichtspflichten der Unternehmen der Rohstoffwirtschaft gemacht hat. Ziel ist es, Entwicklungsl��nder dabei zu unterstützen, Einnahmen aus dem Rohstoffsektor gezielt für die soziale und ökonomische Entwicklung zu nutzen. Eine Offenlegung der Zahlungen von Unternehmen und der Einnahmen der Rohstoffländer durch die Regierungen trägt zur Herstellung von Transparenz und guter Regierungsführung bei der Rohstoffgewinnung bei.

Die Vorschläge der EU-Kommission berufen sich dabei auf ähnliche, allerdings nicht deckungsgleiche US-Regeln für Transparenz im Rohstoffsektor, die in Art. 1504 des sogenannten Dodd Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act 2010 enthalten sind.

In der Zwischenzeit sind auch die notwendigen Ausführungsbestimmungen der SEC zu Art. 1504 des Dodd Frank Act erlassen worden, die erst die Umsetzung der gesetzlichen Regeln ab dem 30. September 2013 ermöglichen. Die Bundesregierung begrüßt, dass die seit langem erwarteten Ausführungsbestimmungen der US-Börsenaufsicht nunmehr erlassen worden sind und damit die Vorgaben konkretisiert wurden.

Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat am 18. September 2012 seine Position zum Vorschlag einer neuen Bilanzrichtlinie beschlossen. Nunmehr wird es an der zypriotischen Ratspräsidentschaft sein zu entscheiden, in welchem Zeitfenster Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und Europäischem Parlament beginnen werden und in welcher Form über Kompromisse verhandelt wird. Die Bundesregierung wird sich konstruktiv an der Diskussion beteiligen und entsprechende Vorschläge sorgfältig prüfen. Für die Bundesregierung sind dabei neben der Stärkung von Transparenz die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und die Begrenzung bürokratischer Belastungen weiterhin wichtige Anliegen.

Darüber hinaus setzen sich die Bundesregierung und hier insbesondere das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, dafür ein, die praktische Umsetzung zur Erreichung von mehr Transparenz im Rohstoffsektor zu fördern. Ich möchte an dieser Stelle beispielhaft auf das vom BMZ entwickelte entwicklungspolitische Strategiepapier „Extraktive Rohstoffe“ verweisen. In diesem Zusammenhang ist auch die freiwillige Transparenzinitiative EITI, die Extractive Industries Transparency Initiative, zu nennen, die die Bundesregierung seit vielen Jahren fördert. Die Bundesregierung unterstützt EITI nicht nur politisch, vielmehr unterstützt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Implementierung der EITI über bilaterale und regionale Projekte sowie finanziell.

Zu Frage 61:
Innerhalb der Bundesregierung ist das Bundesministerium der Justiz für Fragen der Rechnungslegung und damit auch für die Offenlegung finanzieller Verhältnisse von Unternehmen federführend. Dabei stimmt es sich eng mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ab. Entsprechend ist die bisherige Positionierung im Rat erfolgt. Bei möglichen Verhandlungen wird es darauf ankommen, ein ausgewogenes Paket zu erreichen, das die oben genannten Eckpunkte berücksichtigt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dabei auch die von Ihnen angesprochenen Einzelelemente zu diskutieren sein werden. Sobald entsprechende Vorschläge vorliegen, wird sich die Bundesregierung positionieren.

Straftatbestand der Volksverhetzung durch den Film Innocense of Muslims

Fragestunde - Protokoll Nr. 194 vom 26.09.2012

Straftatbestand der Volksverhetzung durch den Film Innocence of Muslims


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/10736, Frage 59):

Inwieweit erfüllt nach Auffassung der Bundesregierung der Film Innocence of Muslims (Unschuld der Muslime) bzw. der circa 14-minütige Auszug den Straftatbestand der Volksverhetzung (§ 130 des Strafgesetzbuchs, StGB), und welche Kriterien müssten erfüllt sein, damit ein Film den Straftatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB erfüllt und deshalb strafrechtlich verfolgt werden kann?

Die Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, obliegt den Strafverfolgungsbehörden der Länder.

Allgemein setzt der Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 StGB Folgendes voraus: eine Aufstachelung zum Hass oder eine Aufforderung zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen unter anderem gegen eine religiöse Gruppe, oder einen Angriff auf die Menschenwürde anderer unter anderem durch Beschimpfung, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumdung einer religiösen Gruppe.

Diese Handlungen müssen in einer Weise geschehen, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Ein Angriff auf die Menschenwürde setzt dabei voraus, dass das Recht der angegriffenen religiösen Gruppe, als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen Gemeinschaft zu leben, bestritten wird. Eine Eignung der Tathandlung zur Störung des öffentlichen Friedens setzt eine Eignung der Handlung voraus, das Vertrauen in die Rechtssicherheit zu erschüttern.

Reform des Urheberrechts

Fragestunde - Protokoll Nr. 183 vom 13.06.2012

Vorlage des Dritten Korbs zur Reform des Urheberrechts; Ausgestaltung des Leistungsschutzrechts für Presseverlage

Vizepräsidentin Petra Pau:

Damit kommen wir zur Frage 8 der Kollegin Brigitte Zypries:
Wann wird die Bundesregierung, der Ankündigung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP folgend, den Dritten Korb zur Reform des Urheberrechts vorlegen, und welche konkreten Regelungen werden darin enthalten sein?

Bitte.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten, würde ich gern die Fragen 8 und 9 von Frau Kollegin Zypries im Zusammenhang beantworten. Darin geht es um den sogenannten Dritten Korb zum Urheberrecht und um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Natürlich. Dann rufe ich auch die Frage 9 der Kollegin Brigitte Zypries auf:

Wie wird das vom Koalitionsausschuss am 4. März 2012 beschlossene Leistungsschutzrecht für Presseverlage genau ausgestaltet sein?

Damit gibt es die Möglichkeit, vier Nachfragen zu stellen.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Das innerhalb der Bundesregierung für das Urheberrecht zuständige Bundesministerium der Justiz wird noch vor der Sommerpause den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage vorlegen. Mit einem solchen Leistungsschutzrecht soll den Presseverlegern das ausschließliche Recht eingeräumt werden, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Urheber sind angemessen an der Vergütung zu beteiligen.

Darüber hinaus erarbeitet das Bundesministerium der Justiz derzeit Eckpunkte für ein weiteres Gesetz mit Änderungen im Urheberrecht. Diese Eckpunkte werden verschiedene Bereiche umfassen, beispielsweise Regelungen zur Nutzung sogenannter verwaister Werke. Die Arbeiten hieran sind jedoch noch nicht abgeschlossen.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Brigitte Zypries (SPD):
Herr Staatssekretär, Sie hatten ja vor einigen Wochen im Unterausschuss Neue Medien gesagt, dass das Justizministerium prüfe, in welcher Form der Beschluss des Koalitionsausschusses zum Leistungsschutzrecht tatsächlich umgesetzt werden könne. Jetzt entnehme ich Ihren Worten, dass es dabei bleiben soll, dass Herausgeber von Zeitungen das ausschließliche Recht haben, ihr Presseerzeugnis ganz oder in Teilen zu gewerblichen Zwecken online öffentlich zugänglich zu machen. Das heißt, die streitige Frage der Snippets wäre damit entschieden: Es bleibt nach wie vor Sache der Verlage, ob sie sie zugänglich machen wollen oder nicht. Habe ich Sie da richtig verstanden?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ich habe Ihnen das Grundprinzip des geplanten Leistungsschutzrechts dargestellt. Zu dem Zeitpunkt, als ich in Ihrem Ausschuss vortragen durfte, war noch fraglich, wie der Beschluss des Koalitionsausschusses umgesetzt wird. Wir machen jetzt den Vorschlag, dass ein Leistungsschutzrecht eingeführt wird. Das heißt, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen, ist dann das ausschließliche Recht der Presseverlage – also nicht mehr ein von den Urhebern abgeleitetes Recht –, mit den Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, etwa bei Verstößen Unterlassungsklage zu erheben oder mit anderen Nutzern Gebührenvereinbarungen zu treffen.

Über die genaue Abgrenzung muss man dann im Gesetzgebungsverfahren reden. Klar ist beispielsweise, dass das Recht, zu zitieren, weiterhin besteht, so wie es dem jetzigen Urheberrecht entspricht.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Brigitte Zypries (SPD):
In Bezug auf Zitate ist das richtig. Ich muss aber noch einmal auf die Snippets zurückkommen. Die Sonderregelung, dass man Ausschnitte aus Werken bei Google findet, ist eigentlich der wesentliche Kern des Streits. Ich habe noch nicht ganz verstanden, wie Sie dieses Problem lösen wollen.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Das Problem wird in der Weise gelöst, dass eine bloße Verlinkung selbstverständlich nicht das Leistungsschutzrecht tangiert. Wenn hingegen ein News-Aggregator auch nur kleine Teile eines Presseerzeugnisses ins Netz stellt, wäre das von dem neuen Leistungsschutzrecht erfasst, mit der gerade schon genannten Folge, dass entweder das Unterlassen begehrt werden kann oder aber, was wir als wahrscheinlicher ansehen, die Beteiligten sich über eine finanzielle Vergütung einigen.

Wichtig ist, dass die private Nutzung vom Leistungsschutzrecht nicht berührt wird; das sage ich noch einmal, damit kein Missverständnis bezüglich dessen Reichweite entsteht. Das Leistungsschutzrecht bezieht sich auf einen eng begrenzten Bereich und soll für diesen ähnliche Regelungen schaffen, wie es sie für Rechteverwerter in anderen Bereichen schon gibt.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur nächsten Nachfrage.

Brigitte Zypries (SPD):
Gehe ich recht in der Annahme, Herr Staatssekretär, dass Sie nicht mit Filtersoftware kontrollieren wollen, ob jemand Google News gewerblich oder privat nutzt? Wie aber wollen Sie das kontrollieren?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Die Frageform „Gehe ich recht in der Annahme“ geht ja auf die berühmte Sendung Was bin ich? mit Robert Lembke zurück.

(Brigitte Zypries [SPD]: Ich nehme die 5 Euro auch!)

Dort war es ja so, dass ein Nein zum Ende der Fragezeit und damit des Fragerechts geführt hat. Diese Gefahr besteht bei Ihnen nicht, weil Sie noch die Möglichkeit einer weiteren Nachfrage haben.

Ich kann Ihre Frage aber kurz und bündig mit Ja beantworten. Es soll also keine Überwachungssoftware eingesetzt werden. Ob eine private oder gewerbliche Nutzung vorliegt, hängt natürlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Aber die grundsätzliche Trennlinie wird im Gesetz klar enthalten sein. Sicherlich wird es in der Praxis Einzelfälle geben, in denen geklärt werden muss, ob eine Nutzung noch privat oder schon gewerblich ist.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre vierte Frage.

Brigitte Zypries (SPD):
Ich habe immer noch nicht ganz verstanden, wie man das feststellen will. Es stellt sich doch die Frage: Ist es privat oder gewerblich, wenn ich an meinem PC sitze und google und Zeitungsausschnitte für meine Arbeit als Abgeordnete suche?

Dr. Max Stadler
, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Noch einmal: Es ist nicht die Sache des Staates, Sie zu überwachen.

(Brigitte Zypries [SPD]: Das denke ich auch!)

Das werden Sie von einem liberal geführten Bundesjustizministerium zu Recht nicht erwarten.

Zeitungsverleger erhalten vielmehr das Recht, ein Leistungsschutzrecht geltend zu machen. Wenn Sie der Meinung sind, dass ein Nutzer dieses Recht verletzt, dann muss man sich darüber auseinandersetzen, ob eine private Nutzung vorliegt. Da Sie als Abgeordnete nicht gewerblich tätig sind, kann ich Sie beruhigen: Der Fall wird hiervon nicht erfasst. Ich habe dabei nicht berücksichtigt, dass Sie natürlich auch eine Nebentätigkeit gewerblicher Art ausüben könnten und dann in den gewerblichen Bereich kämen. Das haben Sie aber, glaube ich, nicht gemeint.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.



Verlängerung der auslaufenden Regelung von § 52a Urheberrechtsgesetz

Fragestunde - Protokoll Nr. 183 vom 13.06.2012

Verlängerung der auslaufenden Regelung von § 52 a Urheberrechtsgesetz

Vizepräsidentin Petra Pau:

Ich rufe die Frage 7 der Kollegin Marianne Schieder auf:

Beabsichtigt die Bundesregierung, die Regelung des § 52 a des Urheberrechtsgesetzes, welche die Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material in engen Grenzen für Unterricht und Forschung, zum Beispiel im Intranet der Universität, erlaubt und zum 31. Dezember 2012 ausläuft, zu verlängern bzw. zu entfristen, und, wenn nein, warum nicht?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Beim § 52 a des Urheberrechtsgesetzes geht es bekanntlich darum, dass für Unterricht und Forschung urheberrechtlich geschütztes Material in engen Grenzen und unter bestimmten Voraussetzungen genutzt werden kann. Diese Regelung ist noch unter Regierungsverantwortung der SPD eingeführt worden, jedoch befristet, weil man die praktischen Auswirkungen sehen wollte. Es gab dann erneute Befristungen. Nun läuft die Frist zum 31. Dezember 2012 aus, sodass zu entscheiden ist, wie man weiter vorgeht.

Zur Vorbereitung dieser Entscheidung hat das Bundesministerium der Justiz eine Evaluierung des § 52 a des Urheberrechtsgesetzes vorgenommen. Diese Evaluierung ist noch nicht vollständig abgeschlossen. Das Bundesministerium der Justiz wird den entsprechenden Bericht demnächst dem Deutschen Bundestag zuleiten.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD):
Herr Staatssekretär, bis zum 31. Dezember ist nicht mehr viel Zeit. Können Sie denn wenigstens in groben Zügen sagen, wie das Ergebnis dieser Evaluierung aussieht?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ich kann nur sagen, dass das Bundesministerium der Justiz anstrebt, dass es bei der Regelung des § 52 a des Urheberrechtsgesetzes bleibt.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Zweite Nachfrage.

Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD):
In welcher Form, Herr Staatssekretär? Streben Sie das an, indem Sie die Frist wieder verlängern oder indem Sie das Ganze entfristen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Diese beiden Möglichkeiten stehen zur Debatte. Darüber ist eine Entscheidung noch nicht getroffen. Insbesondere gibt es auch noch keine abgestimmte Haltung der Bundesregierung, weil, wie gesagt, der Evaluierungsbericht gerade erst ausgewertet wird. Aber bei den von Ihnen zu Recht genannten zeitlichen Vorgaben ist klar, dass Sie in allernächster Zeit mit einem Entwurf rechnen können.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Damit kommen wir zur Frage 8 der Kollegin Brigitte Zypries:


Rechtsgrundlage für den Einsatz der Quellen-Telekommunikationsüberwachung

Fragestunde - Protokoll Nr. 183 vom 13.06.2012

Vorlage einer Rechtsgrundlage für den Einsatz der Quellen-Telekommunikationsüberwachung


Vizepräsidentin Petra Pau:
Dann kommen wir zur Frage 6 des Kollegen Burkhard Lischka:

Wird die Bundesregierung einen Regelungsvorschlag für eine eigene Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung, Quellen-TKÜ, vorlegen?

Bitte, Herr Stadler.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Das ist eine Thematik, Herr Kollege Lischka, über die wir uns im Rahmen der Fragestunde schon einmal -ausgetauscht haben. Nach wie vor gilt, dass es eigenständige Rechtsgrundlagen für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung im präventiven Bereich teilweise bereits gibt, beispielsweise in § 20 I Abs. 2 des Bundeskriminalamtgesetzes. Für den Bereich der Strafverfolgung – darauf zielt Ihre Frage sicherlich ab – wenden die Gerichte § 100 a Strafprozessordnung auch für diese Art der Überwachung von Telefonaten an der Quelle an. Hierzu gibt es mittlerweile eine Rechtsprechung, die sich verfestigt hat.

Ob es geboten ist, gesetzliche Regelungen zusätzlich vorzusehen, ist gerade Gegenstand einer intensiven -Prüfung der Bundesregierung, in die die Erkenntnisse aus der derzeit noch laufenden Entwicklung der für die Durchführung einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung erforderlichen Software ebenso einfließen -werden wie die Hinweise, die wir zwischenzeitlich von Experten, übrigens auch im Unterausschuss Neue -Medien des Bundestags, erhalten haben.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Burkhard Lischka (SPD):
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Darf ich dann -Ihrer Antwort entnehmen, dass nach Auffassung der Bundesregierung § 100 a StPO im Bereich der Strafverfolgung trotz gewichtiger Gegenstimmen in der Rechtsliteratur und in der Wissenschaft eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Quellen-TKÜ darstellt?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Sie dürfen meiner Antwort entnehmen, dass es mittlerweile einhellige Praxis der Gerichte ist, § 100 a als Rechtsgrundlage heranzuziehen, und dass wir diese in richterlicher Unabhängigkeit getroffenen Entscheidungen respektieren. Wir hatten darüber ja schon einmal, in der Fragestunde im Oktober 2011, gesprochen. Nachträglich ist bekannt geworden, dass es insoweit nicht nur Entscheidungen von Instanzgerichten gibt, sondern auch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die sich auf § 100 a StPO gestützt hat.

Gleichwohl bleibt offen, ob wir für die Zukunft noch Modifizierungen brauchen, die der Gesetzgeber vorzunehmen hätte. Das hängt ein wenig davon ab, wie sich die technische Entwicklung darstellt. Es wird ja jetzt versucht, eine, wenn ich das so unjuristisch sagen darf, grundrechtsschonendere Software zu entwickeln. Von der Frage, was diese Software kann und was man in diesem Zusammenhang verbieten muss, hängt letztlich ab, ob es für den Gesetzgeber noch Regelungsbedarf über den § 100 a StPO hinaus gibt. Eine Entscheidung haben wir noch nicht getroffen; wir prüfen noch.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre zweite Nachfrage.

Burkhard Lischka (SPD):
Herr Staatssekretär, Sie haben die Entwicklung einer Software angesprochen. Daran schließe ich meine zweite Frage an: Liegen der Bundesregierung denn Erkenntnisse darüber vor, ob derzeit bei den Bundesbehörden die Quellen-TKÜ angewandt wird? Oder wird die Quellen-TKÜ nicht angewandt, solange eine Software entwickelt wird?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ich habe jedenfalls die sichere Erkenntnis, dass in Bayern, wo sich ein Fall ereignet hat, der die Debatte darüber überhaupt erst ausgelöst hat, und wo durch das Landgericht Landshut festgestellt werden musste, dass die sogenannten Screenshots nicht zulässig sind, die Staatsregierung entschieden hat, diese Software nicht mehr einzusetzen.

Ich habe jetzt keinen schriftlichen Beleg dazu, ob das im Bereich der Bundesregierung auch so ist. Ich würde vorschlagen, dass ich diesen Teil der Antwort schriftlich nachtrage, bevor ich hier etwas Unrichtiges sage. Dann haben Sie eine zuverlässigere Information, als wenn ich jetzt aus der Lamäng eine Antwort geben würde.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Das halten wir so fest.


Insolvenzfestigkeit von Lizenzen

Fragestunde - Protokoll Nr. 183 vom 14.06.2012

Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen

Vizepräsidentin Petra Pau:

Danke, Herr Staatssekretär. – Wir bleiben im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Sonja Steffen auf:

Für wann sind die Verabschiedung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen durch das Kabinett und die Einbringung in den Deutschen Bundestag geplant?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Die Frage der Kollegin Steffen berührt in der Praxis wirklich sehr viele Menschen, sodass die potenziell -Betroffenen sicherlich darauf warten, dass die Gesetzgebung hierbei voranschreitet.

In der Tat ist die Verabschiedung des Gesetzentwurfs, den Sie mit Ihrer Frage ansprechen, durch das Kabinett noch für den Sommer 2012 geplant. Die Einbringung in den Deutschen Bundestag wird dann den üblichen Regeln entsprechend erfolgen, also dann, wenn sich der Bundesrat damit befasst hat.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Sonja Steffen (SPD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Die erste Nachfrage betrifft den Inhalt des Entwurfs in Bezug auf das jetzige Vorhaben, dass die Rechtspfleger am Insolvenzverfahren stärker beteiligt werden sollen. Nach dem Entwurf ist beabsichtigt, dass die Rechtspfleger das Insolvenzverfahren und auch das Restschuldbefreiungsverfahren übernehmen sollen. Ist dies auch weiterhin beabsichtigt?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Frau Kollegin Steffen, die Ressortabstimmung zu diesem Gesetzentwurf ist noch nicht abgeschlossen, sodass ich im Moment keine verbindlichen Aussagen darüber machen kann, wie genau der Kabinettsbeschluss aussehen wird. Wir müssen das noch abwarten.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.

Sonja Steffen (SPD):
Die zweite Nachfrage betrifft auch den jetzt vorgesehenen Inhalt des Entwurfs. Sie bezieht sich auf das -Vorhaben, das Verfahren der Restschuldbefreiung zu verkürzen. Dies ist allerdings an die Tilgung von Gläubigerforderungen gekoppelt. Wie ist denn dazu der aktuelle Stand im Ministerium?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Frau Kollegin Steffen, ein wesentlicher Teil des Gesetzentwurfs ist, dass die Restschuldbefreiung deutlich früher erlangt werden kann, als dies nach bisherigem Recht der Fall ist. Bekanntlich ist das nicht völlig unumstritten; denn auf der anderen Seite stehen die Interessen der Gläubiger.

In der Praxis hat sich die jetzige Restschuldbefreiung sehr bewährt. Nach dem Prinzip, dass jeder eine zweite Chance verdient, hat sich nämlich ergeben, dass mit diesem Instrument eben kein Missbrauch betrieben worden ist. Vielmehr zeigte sich: Menschen, die in eine finanzielle Notlage gekommen sind, konnten nach der Restschuldbefreiung wieder von vorne beginnen. Dieses Instrument ist durchaus erfolgreich gewesen.

Aus diesem Grund schlagen wir vor, dass künftig schon nach drei Jahren die Restschuldbefreiung eintreten kann, falls eine bestimmte Quote der Forderungen erfüllt ist. Der Gedanke war, bei etwa 25 Prozent anzusetzen. Aber selbstverständlich sind in der politischen Debatte gerade die Fragen der Fristen und der zu erreichenden Quote strittig. Daher muss ich Sie noch um wenige Wochen Geduld bitten, bis nach der Ressortabstimmung der endgültige Entwurf dem Parlament vorgelegt werden kann.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Wir kommen dann zur Frage 5 der Kollegin Sonja Steffen:
Welche Änderungen sind vom Bundesministerium der Justiz nach Einholung der Stellungnahmen der Verbände gegenüber dem Referentenentwurf geplant?


Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Die Frage 5 geht ein wenig in die Richtung der zweiten Nachfrage von Kollegin Steffen nach den geplanten Änderungen. Hierzu habe ich schon ausgeführt, dass die Ressortabstimmung gerade im Gange ist; sie ist noch nicht abgeschlossen. Stellungnahmen der Länder und der interessierten Verbände sind eingeholt und werden jetzt ausgewertet. Nach dieser Auswertung und nach der Abstimmung können wir Ihnen vortragen, ob es zu Änderungen gegenüber dem Entwurf, den ich skizziert habe, kommen wird.

Dieser Entwurf basiert, wie gesagt, auf der Idee, schon nach der relativ kurzen Zeit von drei Jahren bei einer bestimmten Wohlverhaltensquote zur Restschuldbefreiung zu gelangen. Dem zugrunde liegen gute Erfahrungen mit dem jetzt geltenden Recht, das wir damit ausbauen würden.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben die Möglichkeit zu einer weiteren Nachfrage.

Sonja Steffen (SPD):
Ich habe eine Frage in Bezug auf die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens. Wir können dann also damit rechnen, dass der Entwurf nach der Sommerpause hier ins Plenum kommt?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ich rechne damit, dass der Bundesrat nach der Sommerpause seinen ersten Durchgang durchführen wird. Wenn dies geschehen ist, kommt der Gesetzentwurf ins Plenum.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Nein.


Verbot Patentierung von Nutztieren

Fragestunde - Protokoll Nr. 183 vom 14.06.2012

Verbot der Patentierung von konventionell gezüchteten Nutztieren und -pflanzen

Vizepräsidentin Petra Pau:
Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Dr. Matthias Miersch auf:

Hat das Bundesministerium der Justiz die Forderungen des einstimmig angenommenen Antrags auf Bundestagsdrucksache 17/8344 - keine Patentierung von konventionell gezüchteten landwirtschaftlichen Nutztieren und -pflanzen - bereits umgesetzt, und wenn nein, warum nicht?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedauere, dass die Frage des Kollegen Seifert schriftlich beantwortet werden muss, weil ich zu der in dieser Frage thematisierten Behindertenkonvention gerne mündlich vorgetragen hätte. Selbstverständlich betrifft die Frage des Kollegen Miersch ebenfalls eine äußerst wichtige Thematik. Herr Kollege, Sie fragen nach der Umsetzung eines Antrags, der im Februar 2012 vom Bundestag bezüglich der EU-Biopatentrichtlinie beschlossen worden ist.

Der genannte Antrag vom 17. Januar 2012 zielt unter anderem auf die Konkretisierung und Änderung der EU-Biopatentrichtlinie ab. Die Bundesministerin der Justiz hat bereits unmittelbar nach der Plenardebatte, die zu diesem Antrag stattgefunden hat, nämlich mit Schreiben vom 31. Januar 2012, den zuständigen EU-Binnenmarktkommissar Barnier auf die Meinungslage im Deutschen Bundestag aufmerksam gemacht. Die Bundesregierung hat in diesem Schreiben die Notwendigkeit unterstrichen, dass die EU-Kommission noch unter dänischer Ratspräsidentschaft einen neuen Bericht zur Umsetzung der Biopatentrichtlinie in den Mitgliedstaaten der EU vorlegen möge. Der Brief der Justizministerin enthält schließlich die Bitte, dass entsprechend Nr. 6 des Antrags und des Beschlusses des Bundestags in diesem Bericht "die ethischen Aspekte" von biotechnologischen Patenten "sowie die Folgen für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit und für die Forschung berücksichtigt" werden. Kommissar Barnier hatte bereits im November 2011 die Vorlage dieses Berichts zugesagt. Nach neueren Informationen soll der Bericht nunmehr im Oktober oder November dieses Jahres vorgelegt werden.

Frau Präsidentin, die Frage erfordert leider, etwas ausführlicher auszuholen; denn der Antrag auf der genannten Drucksache spricht auch die Schaffung des EU-Patents an. Die Bundesregierung hat sich in den Beratungen dazu im Hinblick auf die Belange der deutschen Bauern und Züchter für eine sogenannte Unberührtheitsklausel zugunsten nationaler Sonderregelungen eingesetzt. Dazu besteht unter den EU-Mitgliedstaaten Konsens. Danach können sich deutsche Bauern und Züchter wie bisher gegenüber deutschen und europäischen Patenten künftig auch gegenüber den Inhabern des neu zu schaffenden EU-Patents auf die deutschen Sonderbestimmungen berufen, das heißt auf das Pflanzenzüchterprivileg und das Landwirteprivileg mit der Beweislastumkehr bei zufälliger Auskreuzung von Saatgut.

Ich glaube, ich belasse es dabei. Der Herr Kollege setzt sowieso schon zu einer Zusatzfrage an. Ich kann Ihnen vielleicht dann den Rest meiner geplanten Antwort vortragen.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Er stellt garantiert eine Nachfrage. - Bitte, Kollege Miersch.

Dr. Matthias Miersch (SPD):
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für diese Antwort. Ich möchte mir die Anmerkung erlauben, dass sich diese Antwort auf meine zweite Frage bezogen hat. In meiner ersten Frage habe ich ganz bewusst nicht nach der europäischen Rechtslage gefragt. Der Antrag, den wir hier über alle Fraktionsgrenzen hinweg beschlossen haben, bezog sich vielmehr auf das nationale Patentgesetz und die Einführung eines Biopatentmonitorings. Können Sie mir dazu noch etwas sagen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege, es ist in der Tat so, dass genau dieser Teil meiner Antwort der Zeitregel zum Opfer gefallen ist. Ich kann jetzt Ihre Zusatzfrage dazu nutzen, Ihnen den weiteren Teil meiner Antwort wie geplant vorzutragen.

Soweit sich der von Ihnen zitierte Antrag auf das deutsche Patentgesetz bezieht, hat der Deutsche Bundestag eine Prüfung erbeten, ob und inwieweit auch ohne Änderung der EU-Biopatentrichtlinie Änderungen oder Klarstellungen zur Einschränkung der Patentierung von Tieren und Pflanzen möglich sind. Diese Prüfung läuft derzeit. Sie wirft ziemlich schwierige Fragen auf, einerseits Fragen des nationalen Regelungsspielraums im Rahmen EU-rechtlicher Vorgaben, andererseits auch Fragen der rechtlichen Konsequenzen einer abweichenden Regelung auf nationaler Ebene für die Wettbewerbssituation deutscher Unternehmen im Binnenmarkt. Zusammengefasst: Diese Prüfung läuft derzeit noch.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre zweite Nachfrage.

Dr. Matthias Miersch (SPD):
Können Sie uns einen Zeitraum nennen, wann wir mit einem Ergebnis rechnen können?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ja. Ich rechne mit einem Abschluss dieser Prüfung bis zum Ende dieses Jahres.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Wir kommen zur Frage 3 des Kollegen Miersch:

Wird sich das Bundesministerium der Justiz im europäischen Patentrecht für ein klares Verbot der Patentierung von Züchtungsverfahren, von Züchtungsmaterial und Pflanzen und Tieren aussprechen und sich für eine Änderung der Biopatentrichtlinie auf EU-Ebene einsetzen?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ich darf wie folgt antworten: Zunächst ist klarzustellen - das haben Sie aber selber schon gesagt -, dass sich der Beschluss des Bundestags, den wir gerade schon erörtert haben, nur auf konventionelle Züchtungsverfahren bezieht und nicht auf solche technischen Charakters wie etwa gentechnische Verfahren.

Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass das Verbot der Patentierung im Wesentlichen biologischer Verfahren, soweit die Verfahren selbst Gegenstand der Patentansprüche sind, in der EU-Biopatentrichtlinie ebenso wie im Europäischen Patentübereinkommen und im deutschen Patentgesetz eindeutig geregelt ist und dass diese Rechtslage durch den sogenannten Brokkoli-Beschluss der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 9. Dezember 2010 bestätigt worden ist.

Die Bundesregierung ist weiterhin der Auffassung, dass sich aus dieser Rechtslage zwingend ergibt, dass auch die mittels solcher vom Patentschutz ausgeschlossenen Verfahren gewonnenen Erzeugnisse nicht patentierbar sind. Mit dieser Thematik wird sich übrigens die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts auch noch im Zusammenhang mit dem sogenannten Tomaten-Patent befassen.

Was die Prüfung eines möglichen Änderungsbedarfs der Biopatentrichtlinie der EU angeht, wird die Bundesregierung den vorhin schon erwähnten Bericht der EU-Kommission abwarten, um ein Gesamtbild über den Stand der Umsetzung und den gegebenenfalls erkennbaren Reformbedarf zu erhalten.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Dr. Matthias Miersch (SPD):
Herr Staatssekretär, in diesem Zusammenhang hat sich der Deutsche Bundestag angesichts der Entwicklung, die wir auf europäischer Ebene beobachten können, und der Tatsache, dass sehr vielfältig in die Ernährung der Menschen in Europa eingegriffen wird, einvernehmlich dafür ausgesprochen, ein Biopatentmonitoring nationalstaatlich zu organisieren. Deswegen meine Frage: Haben Sie dieses Monitoring gestartet, bzw. wann tritt es in Kraft?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Dies ist in der Tat auch Gegenstand des Beschlusses des Parlaments vom 8. Februar. Nach meiner Information ist es so, dass nachgeordnete Stellen des Landwirtschaftsministeriums - dafür ist das Justizministerium nicht zuständig - dieses Anliegen des Parlaments erfüllen werden. In diesem Beschluss sind wir weiterhin aufgefordert worden, den Dialog mit den von Biopatenten betroffenen gesellschaftlichen Gruppen zu führen. Auch dies geschieht laufend.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre zweite Nachfrage.

Dr. Matthias Miersch (SPD):
Auch hierzu frage ich ganz konkret: Wann können wir damit rechnen, dass wir dieses Monitoring installiert bekommen? Wann startet die Bundesregierung damit?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Es wird kein Monitoring in dem Sinne geben, dass die Bundesregierung sozusagen die letzte Revisionsinstanz wäre. Was gewünscht wird, nämlich Entwicklungen frühzeitig erkennen zu können und in angemessenen Zeiträumen einen Bericht über die Auswirkungen des Patentrechts vorzulegen, wird jetzt laufend durch nachgeordnete Stellen des Landwirtschaftsministeriums geleistet werden.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Für eine weitere Nachfrage hat der Kollege Harald Ebner das Wort.

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, Sie hatten beschrieben, dass die Bundesregierung die Patentierung der biologischen Verfahren für eindeutig geregelt hält.

Der Bundestag war mit seinem interfraktionellen Antrag einer anderen Meinung. Alle Fraktionen haben sich geeinigt, diesen Antrag zu verabschieden, weil da Regelungsbedarf gesehen wurde. Ich möchte Sie fragen, wie Sie sich angesichts Ihrer Erläuterungen die große Zahl von mehreren Hundert faktisch erteilten Patenten auf konventionelle Züchtungen erklären.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege, noch einmal: Ich habe die Rechtslage dargestellt. Ich habe auch ausgeführt, dass das Ganze unserer Meinung nach geregelt ist.

Es wird aber Gesetzgebungsverfahren geben bzw. solche sind schon im Gang, bei denen diese Fragen und die von Ihnen angeführten Beobachtungen aus der Praxis in dem Sinne erörtert werden können, ob es dennoch einen Klarstellungsbedarf gibt. Dabei ist auch die Frage zu beantworten, inwieweit hierbei nationaler Regelungsspielraum.


Gestaltung der Tarifverträge der GEMA

Fragestunde - Protokoll Nr. 177 vom 09.05.2012

Schaffung von Verhandlungsmöglichkeiten auf Augenhöhe für die Dachverbände der ehrenamtlich kulturschaffenden Vereine zur Gestaltung der Tarifverträge der GEMA

Es handelt sich hier um die Frage 66 des Abgeordneten Uwe Schummer:

Wie will das Bundesministerium der Justiz, BMJ, den Dachverbänden der ehrenamtlich kulturschaffenden Vereine Verhandlungsmöglichkeiten auf Augenhöhe zur Gestaltung der Tarifverträge der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, GEMA, entsprechend den Vereinbarungen des Runden Tisches GEMA im BMJ ermöglichen?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Schummer, die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, allseits bekannt unter der Abkürzung GEMA, hat unter dem Eindruck der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ und unter dem Eindruck des Runden -Tisches des Bundesministeriums der Justiz mit den -Verwertungsgesellschaften die Kritik der letzten Jahren aufgegriffen und insbesondere im Bereich des ehrenamtlichen kulturellen Engagements Verbesserungen für diese spezielle Nutzergruppe erzielt. So unterhält die GEMA eine Vielzahl von Gesamtverträgen – am 1. Januar 2012 waren es 476 Gesamtverträge –, unter anderem mit bürgerschaftlich engagierten Vereinen und Verbänden. Zur Verbesserung der Transparenz hat die GEMA daneben einen Sozial- und Kulturtarif veröffentlicht. Darin sind alle Spezialtarife und Sondernachlässe dieses Bereiches zusammengefasst. Eine im Rahmen des Sozial- und Kulturtarifs veröffentlichte Gesamtvertragsliste trägt dazu bei, dass noch nicht gesamtvertraglich eingebundene Einrichtungen überprüfen können, ob -bereits mit einem für sie geeigneten Partner ein Gesamtvertrag abgeschlossen wurde. So ist es ihnen dann möglich, bei diesem Partner eine entsprechende Mitgliedschaft zu beantragen, um in den Genuss von Gesamtvertragsnachlässen zu gelangen.
Das Bundesministerium der Justiz hat diesen -Entwicklungsprozess in den letzten Jahren fortlaufend begleitet und sieht insoweit im Moment keine Veranlassung, weitere Maßnahmen zu ergreifen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage, Kollege Schummer?

Uwe Schummer (CDU/CSU):
Ja. – Eine sinnvolle Maßnahme des Runden Tisches 2009 im Justizministerium war, die Dachverbände der ehrenamtlich geführten kulturtragenden Vereine wie Chöre und Musikvereine zu den Urheberrechtsgesellschaften einzuladen. Wir haben bei diesem Runden Tisch, bei dem ich selber dabei war, vereinbart, dass es unterhalb der Gesetzesebene Selbstverpflichtungen geben soll. So wurde beispielsweise in einem Kriterienkatalog festgehalten, wie die GEMA-Agenten vor Ort aufzutreten haben. Wäre es denkbar, diesen Runden Tisch mit den Dachverbänden der kulturtragenden Vereine und den Urheberrechtsgesellschaften nach drei Jahren noch einmal zu organisieren, um eine Revision im Hinblick darauf vorzunehmen, was an Selbstverpflichtungen umgesetzt worden ist und was nicht?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Schummer, Sie haben in der Tat verdienstvollerweise an diesem Runden Tisch, der im April 2009 stattgefunden hat, teilgenommen. Die Anregungen und Handlungsempfehlungen, die dort gegeben worden sind, sind umgehend umgesetzt worden, bzw. unser Ministerium war laufend in Kontakt mit der GEMA, um die Themen, die Sie auch jetzt wieder angesprochen haben, zu realisieren. Wenn es Bedarf geben sollte, dass man sich wieder zusammensetzt, können wir darüber nachdenken. Im Moment haben wir den Eindruck, dass die Empfehlungen von damals, die insbesondere auf mehr Transparenz beim Umgang der GEMA mit ihren Gesprächspartnern abgezielt haben, durchaus erfüllt sind.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Vollstreckung EU-Haftbefehl Klaas Carel Farber

Fragestunde - Protokoll Nr. 174 vom 25.04.2012

Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls gegen den in Ingolstadt wohnhaften und in den Niederlanden rechtskräftig verurteilten NS-Kriegsverbrecher Klaas Carel Faber

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) (Drucksache 17/9351, Fragen 66 und 67):

Welche Maßnahmen hat das Bundesministerium der Justiz eingeleitet, um den bereits im November 2010 erlassenen -Europäischen Haftbefehl gegen den in Ingolstadt wohnhaften und in den Niederlanden rechtskräftig verurteilten NS-Kriegsverbrecher Klaas Carel Faber durchzusetzen, und welche Mechanismen existieren, um die zuständigen bayerischen Landesstellen gegebenenfalls zum Vollzug zu drängen?

Warum sind seit Ausstellung des Europäischen Haftbefehls bereits mehr als 15 Monate ergebnislos verstrichen, und wann ist mit einer Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls zu rechnen?


Zu Frage 66:
Der Auslieferungsverkehr auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls findet auf dem direkten Geschäftsweg zwischen den Justizbehörden der betroffenen Mitgliedstaaten Niederlande und Deutschland statt. Die Bundesregierung hat grundsätzlich keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Durchsetzung bzw. den Vollzug eines Europäischen Haftbefehls.
Die niederländischen Behörden haben mit dem Europäischen Haftbefehl um Auslieferung des Klaas Carel Faber zur Strafvollstreckung ersucht. Dem war eine Anregung des Bundesministeriums der Justiz an das niederländische Justizministerium vorausgegangen, die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls zu prüfen.
Die Auslieferung von Herrn Faber auf der Grundlage des niederländischen Europäischen Haftbefehls wurde jedoch vom Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 16. Mai 2011 mit der Begründung abgelehnt, Herr Faber sei deutscher Staatsangehöriger und mit seiner Auslieferung zur Strafvollstreckung nicht einverstanden. Deutsche Staatsangehörige können nach § 80 Abs. 3 IRG grundsätzlich nur mit ihrer Zustimmung zur Strafvollstreckung ausgeliefert werden.
Es besteht keine Einflussnahmemöglichkeit der Bundesregierung auf die bayerische Landesjustiz, die für den Vollzug des niederländischen Europäischen Haftbefehls zuständig ist. Die Landesjustizverwaltung ist gegenüber der Bundesregierung nicht weisungsgebunden. Im Übrigen ist die Frage der Zulässigkeit der Auslieferung eine solche, die ein unabhängiges deutsches Gericht zu prüfen hat. Eine Einflussnahme der Bundesregierung auf ein Gericht verbietet sich.

Zu Frage 67:
Auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls erging im gerichtlichen Verfahren am 16. Mai 2011 eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München, dass die Auslieferung zur Strafvollstreckung unzulässig ist. Eine Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls ist daher nicht mehr möglich. Das Auslieferungsverfahren ist im Hinblick auf den Europäischen Haftbefehl abgeschlossen.
Die Niederlande haben im Anschluss an die abgelehnte Auslieferung um Übernahme der Strafvollstreckung ersucht. Zuständig für die Entscheidung über die Übernahme der Strafvollstreckung ist das Landgericht Ingolstadt. Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt hat am 2. Januar 2012 bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ingolstadt beantragt, die Vollstreckung aus dem niederländischen Urteil für zulässig zu erklären und entsprechend dem niederländischen Urteil eine lebenslange Freiheitsstrafe festzusetzen. Eine Entscheidung des Landgerichts Ingolstadt steht noch aus.


Schutz vor überhöhten Abmahnungen im Internet

Fragestunde - Protokoll Nr. 164 vom 07.03.2012

Schutz vor überhöhten Abmahnungen bei vermeintlichen Urheberrechtsverletzungen im Internet

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Ulrich Kelber (SPD) (Drucksache 17/9351, Fragen 68 und 69):

Welche konkreten gesetzlichen Regelungen plant die Bundesregierung, um Internetnutzerinnen und -nutzer mit eigenen gesicherten WLAN-Netzen vor überhöhten Abmahnungen bei vermeintlichen Urheberrechtsverletzungen – Filesharing-Abmahnungen – zu schützen, und wann wird der entsprechende Gesetzentwurf vorgelegt?

Welche konkreten gesetzlichen Regelungen plant die Bundesregierung, um die Anbieter von offenen WLAN-Netzen in Gaststätten und Hotels vor massenhaften Abmahnungen wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen durch Kunden zu schützen, und welche Sicherheitsvorkehrungen vor unerlaubten Downloads durch die Kunden müssen diese Anbieter aus Sicht der Bundesregierung treffen?


Zu Frage 68:
Die Frage berührt zwei Themenfelder. Zum einen die der Verantwortlichkeit und Risikoverteilung, wenn es zu Missbrauch gesicherter WLAN-Netze durch Dritte kommt. Zum anderen geht es um Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen. Das erste Thema kann nach Auffassung der Bundesregierung weiterhin der Rechtsprechung überlassen bleiben, die sich bereits damit befasst hat. Was die Abmahnungen betrifft, ist zunächst festzuhalten, dass es sich hierbei um ein außergerichtliches Instrument der Rechtsdurchsetzung handelt, das sich grundsätzlich bewährt hat. Abmahnungen helfen, zu vermeiden, dass in jedem Verdachtsfall ein für alle Beteiligten potenziell kostenträchtiges Gerichtsverfahren in Gang gesetzt wird. Leider wird dieses Instrument teilweise missbraucht. Das Bundesministerium der Justiz hat im März den Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken vorgelegt, der auch Regelungen zur Bekämpfung von missbräuchlichen Abmahnungen im Urheberrecht enthält. Der Entwurf wird derzeit zwischen den Ressorts abgestimmt. Ein konkreter weiterer Zeitplan steht derzeit nicht fest.

Zu Frage 69:
Die Bundesregierung plant derzeit keine Regelungen hinsichtlich Abmahnungen gegen die Anbieter von offenen WLAN-Netzen in Hotels oder Gaststätten. Die Frage, welche Sicherheitsvorkehrungen solche Anbieter gegen unerlaubte Downloads treffen müssen, sollte aus Sicht der Bundesregierung wie bisher der Rechtsprechung überlassen bleiben.


Kurzgutachten zur BMWi-Studie

Fragestunde - Protokoll Nr. 164 vom 07.03.2012

Kurzgutachten zur BMWi-Studie über Modelle zur Versendung von Warnhinweisen


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8828, Frage 14):

Inwieweit führt das vom Branchenverband eco in Auftrag gegebene „Kurzgutachten zur BMWi-Studie über Modelle zur Versendung von Warnhinweisen durch Internetzugangsanbieter an Nutzer bei Urheberrechtsverletzungen“, das zu dem Schluss kommt, dass gegen das in der Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vorgeschlagene Warnhinweismodell „sowohl aus politischer, praktischer, technischer als auch aus rechtlicher Sicht erhebliche Bedenken“ bestehen, zu einer Neubewertung der bisherigen Pläne des BMWi, und ist innerhalb der Bundesregierung im Allgemeinen und unter den FDP-geführten Bundesministerien im Speziellen mittlerweile eine Einigung über die Position bezüglich des Einsatzes derartiger Warnhinweismodelle erfolgt?

Eine Neubewertung der Studie zu den Warnhinweisen bedarf es nicht, da die Überlegungen der Bundesregierung zu dieser Studie noch nicht abgeschlossen sind. Die Bundesregierung wird die Studie mit den am Wirtschaftsdialog beteiligten Rechteinhabern und Diensteanbietern erörtern. Sie wird sodann über weitere Schritte und die rechtliche Bewertung möglicher konkreter Ausgestaltungen eines solchen Modells entscheiden. Wissenschaftliche Gutachten zur Bewertung der Studie wie das von eco in Auftrag gegebene Gutachten werden in die Überlegungen der Bundesregierung mit einbezogen werden.

Zusammenarbeit der EU-Agentur Eurojust

Zusammenarbeit der EU-Agentur Eurojust mit der EU-Kommission, der Troika und dem Rat

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/8828, Frage 10):

Auf welche formelle oder informelle Art und Weise (zum Beispiel Verträge, Absichtserklärungen, Vereinbarungen, Strukturen, langjährige Praxen) arbeitet die EU-Agentur -Eurojust bereits jetzt mit der EU-Kommission, der Troika und dem Rat zusammen, und was soll sich nach gegenwärtigem Stand an dieser teilweise jahrelangen Praxis durch das geplante Memorandum of Understanding mit der EU-Kommission ändern bzw. in eine formelle Zusammenarbeit überführt werden, obwohl viele Mitgliedstaaten gerade erst dabei sind, den Eurojust-Beschluss von 2008 umzusetzen?

Zur Frage der Zusammenarbeit von Eurojust mit der Europäischen Kommission, der Troika und dem Rat liegen der Bundesregierung leider nur zum Teil Erkenntnisse vor. Eurojust ist eine selbstständige EU-Agentur, die ihre Arbeitsweise im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben selbst bestimmt. Dies gilt auch mit Blick auf die Zusammenarbeit zwischen Eurojust und der Kommission. Art. 11 des Eurojust-Beschlusses lässt diese Zusammenarbeit zu, ausdrücklich auch in Form „praktischer Vereinbarungen“ (Abs. 3). Die Ausgestaltung der Zusammenarbeit und der Vereinbarungen obliegt Eurojust. Eine förmliche Beteiligung des Rates ist nicht ausdrücklich vorgesehen.

Auch mit anderen Organen, Einrichtungen und Agenturen der Europäischen Union kann Eurojust Kooperationsabkommen oder Arbeitsvereinbarungen schließen. Art. 26 Abs. 2 des Eurojust-Beschlusses 2008 sieht insoweit vor, dass solche Abkommen oder Vereinbarungen erst geschlossen werden können, wenn sie der Rat mit qualifizierter Mehrheit gebilligt hat. Zu welchem Zeitpunkt Eurojust den Rat einbindet, obliegt der Entscheidung von Eurojust. Die Bundesregierung wirbt in den zuständigen Ratsarbeitsgruppen dafür, dass Eurojust den Rat möglichst frühzeitig einbindet.

Zur praktischen Zusammenarbeit von Eurojust mit dem Rat kann ich noch sagen, dass Vertreter von Eurojust regelmäßig aktiv an Sitzungen von Ratsarbeitsgruppen teilnehmen, wenn es um Themen im Arbeitsbereich von Eurojust geht.

Zu der Frage, was sich durch das Memorandum of Understanding, kurz: MoU, mit der Kommission unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Mitgliedstaaten der EU noch dabei sind, den Eurojust-Beschluss von 2008 umzusetzen, ändern soll, liegen der Bundesregierung keine gesicherten Erkenntnisse vor, zumal das MoU noch nicht in Kraft getreten ist, sondern derzeit noch verhandelt wird. Die Bundesregierung ist an den Verhandlungen nicht beteiligt. Nach den mir vorliegenden Informationen strebt Eurojust das MoU an, um dem Mandat aus Art. 11 Abs. 3 des Eurojust-Beschlusses nachzukommen. Es sollen nach meinem Wissensstand keine neuen rechtlichen Verpflichtungen begründet werden. Vielmehr soll eine Zusammenarbeit, die bereits seit zehn Jahren mit der Kommission geübt wird, festgeschrieben werden. Das ist aus Sicht der Bundesregierung aus Transparenzgründen grundsätzlich zu begrüßen. Die Mitgliedstaaten haben Kommission und Eurojust gebeten, rechtzeitig über die geplanten Regelungen in-formiert zu werden. Die Rechtsgrundlage für den -Abschluss von praktischen Vereinbarungen mit der Kommission ergibt sich bereits aus Art. 11 Abs. 3 des Eurojust-Beschlusses aus dem Jahr 2002; die Ermächtigung für Eurojust ist also nicht erst mit dem Eurojust-Beschluss von 2008 eingefügt worden. Im Übrigen ist der Eurojust-Beschluss von 2008 seit dem 4. Juni 2009 in Kraft und damit für Eurojust bindender Rechtsrahmen.


Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses des ACTA-Abkommens

Fragestunde - Protokoll Nr. 164 vom 07.03.2012

Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses des ACTA-Abkommens im Falle der Feststellung der Rechtmäßigkeit durch den Europäischen Gerichtshof
 
Vizepräsident Eduard Oswald:

Ich rufe die Frage 16 auf:

Plant die Bundesregierung, den Ratifizierungsprozess des Handelsübereinkommens ACTA fortzusetzen, sofern die Prüfung durch ein Gutachten des Europäischen Gerichtshofs dessen Rechtmäßigkeit ergibt?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ich darf die Frage folgendermaßen beantworten: Das Bundeskabinett hat am 30. November 2011 der Zeichnung von ACTA durch die Bundesrepublik Deutschland zugestimmt. Ein konkreter Zeichnungstermin und weitere Planungen zum Ratifikationsverfahren stehen derzeit nicht fest.

Die Bundesregierung wird bei ihrer Entscheidung zum weiteren Vorgehen das Gutachten des Europäischen Gerichtshofs ebenso wie die weitere Diskussion und Beschlussfassung im Europäischen Parlament berücksichtigen.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege.

Burkhard Lischka (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, falls ACTA, aus welchen Gründen auch immer, scheitert: Plant die Bundesregierung in diesem Fall auf internationaler Ebene Initiativen zur Bekämpfung der Produktpiraterie, oder sind für die Bundesregierung dann auch entsprechende Initiativen ad acta gelegt?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lischka, ich wäre beinahe versucht zu sagen: Es freut mich, dass Sie als Oppositionspolitiker der Bundesregierung so weitreichende Planungen zutrauen. Ich glaube, das richtige Vorgehen besteht jetzt darin, abzuwarten, wie sich die durch die Entscheidung der Europäischen Kommission entstandene neue Situation darstellt.

Die Kommission hat bekanntlich die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs beschlossen. Demgemäß muss man als Nächstes dies abwarten. Es ist das Euro-päische Parlament am Zug. Denn es handelt sich bei ACTA um ein Abkommen, das von der Europäischen Union verhandelt worden ist. Die beiden Akteure, die ich gerade genannt habe, sind als Nächstes am Zug. Dann wird die Bundesregierung weitere Schritte überlegen.

Richtig ist aber, was in Ihrer Frage durchscheint, dass es sehr wohl – auch das muss man betonen – in der derzeitigen Debatte ein erhebliches Interesse der Bundesregierung gibt, der Produktpiraterie entgegenzutreten. Das steht außer jedem Zweifel.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre zweite Nachfrage.

Burkhard Lischka (SPD):
Herr Staatssekretär, Ihr Kollege, Herr Staatssekretär Otto, hat in der vergangenen Woche in einer Podiumsdiskussion des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco angekündigt, dass in Kürze ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zum dritten Korb des Urheberrechts vorgelegt wird. Ist dem so, und wenn ja: Wann ist damit zu rechnen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lischka, wie Sie wissen, hat am Sonntag der Koalitionsausschuss getagt. Es gab dabei auch eine Beschlussfassung zu urheberrechtlichen Themen. Diese wird jetzt umgesetzt, indem an den dort behandelten Themen weiter gearbeitet wird. Ich kann Ihnen aber zum heutigen Tag kein Datum nennen, wann ein Gesetzentwurf vorgelegt wird.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Eine weitere Frage hat unser Kollege Christian -Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke. – Herr Kollege Stadler, Sie alle kennen die Kritik insbesondere aus der User-Szene an ACTA. Hat die Bundesregierung gerade auch angesichts ihrer Bemühungen um eine Neuregelung des Urheberrechts in Deutschland zu den Formulierungen, wie sie in ACTA weitgehend ohne Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit, insbesondere der User, zustande gekommen sind, berücksichtigt, welche anderen Möglichkeiten des Urheberrechts, aber auch des Schutzes der Interessen derer, die leichter von den modernen Möglichkeiten der Nutzung dessen, was im Internet zu haben ist, Gebrauch machen, infrage kommen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Ströbele, zunächst einmal gibt mir Ihre Frage die Gelegenheit, noch einmal eine Selbstverständlichkeit zu betonen: Die Bundesregierung fühlt sich selbstverständlich dem Schutz des geistigen Eigentums verpflichtet. Ebenso habe ich aus Ihrer Fraktion die Äußerung gehört, dass dies auch für Bündnis 90/Die Grünen gelte; denn dies sei schließlich die Partei von -Heinrich Böll. Ich weiß nicht genau, welche Ihrer Kolleginnen das gesagt hat. Jedenfalls hat sich auch Ihre Fraktion mit diesem Satz zum Schutz des geistigen Eigentums und zum Urheberrecht bekannt.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wie!)

Die Kritik an ACTA ging zum Teil davon aus – das kann ich ein Stück weit gut nachvollziehen –, dass die Verhandlungen, die, wie gesagt, nicht von der Bundes-regierung, sondern von der Europäischen Union mit anderen Staaten geführt worden sind, zunächst, wie bei derartigen internationalen Verhandlungen nicht unüblich, hinter verschlossenen Türen geführt worden sind. Wir, die Bundesregierung, haben uns aber dafür eingesetzt, dass ab 2010 alle maßgeblichen Dokumente veröffentlicht worden sind; denn wir sind der Auffassung, dass man mit Transparenz Kritikpunkten, die sonst zu Unrecht auftauchen, vorbeugt.

Beispielsweise wird unentwegt – auch von Ihrer Parteivorsitzenden Claudia Roth – behauptet, wegen ACTA könnten keine Generika mehr nach Afrika geliefert werden, was dort zu Gesundheitsgefährdungen von Menschen führe. Da kann ich nur sagen: Das hat mit ACTA nichts zu tun, sondern ist Thema in anderen Abkommen – um nur das aufzugreifen, was Sie zur Kritik gesagt haben.

Nun ging es im Kern Ihrer Frage darum, über Änderungen im Urheberrecht nachzudenken. Ich darf festhalten: ACTA zwingt zu keiner Änderung der Rechtslage in Deutschland, insbesondere nicht zur Einführung von Internetsperren. Das will ich auch einmal betonen, weil es dazu in der öffentlichen Debatte manchmal nichtzutreffende Behauptungen gibt.
Dass wir uns insgesamt über das Urheberrecht Gedanken machen, ist schon durch die Antwort auf die Frage des Kollegen Lischka deutlich geworden. Darin habe ich ja gesagt: Im Anschluss an den Koalitionsausschuss wird es Überlegungen zu Änderungen im Urheberrecht geben; diese werden zunächst intern abgestimmt.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Vielen Dank. – Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Justiz.


Position des BMJ zur Einführung von Warnhinweismodellen

Fragestunde - Protokoll Nr. 164 vom 07.03.2012

Position der Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zur Einführung von Warnhinweismodellen

Vizepräsident Eduard Oswald:

Vielen Dank. – Die Frage 14 des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz wird schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zur Frage 15 unseres Kollegen Burkhard Lischka:

Wie lässt sich der Sinneswandel der Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, im Hinblick auf die Einführung von Warnhinweismodellen erklären, die sich in ihrer Berliner Rede zum Urheberrecht im Jahr 2010 zunächst positiv hierzu geäußert hatte, mittlerweile eine solche Regelung in einer YouTube-Botschaft vom 8. Februar 2012 jedoch ablehnt?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lischka, die Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, hat sich in der Tat in der sogenannten Berliner Rede zum Urheberrecht vom 14. Juni 2010 zu Warnhinweisen geäußert, sie jedoch nicht befürwortet. Sie hat nämlich erklärt, ein Warnhinweismodell könne nur in Betracht kommen, wenn es sich technisch ohne eine Inhaltskontrolle und Datenerfassung realisieren ließe. In ihrer YouTube-Botschaft vom 8. Februar 2012, auf die Sie sich beziehen, hat die Bundesjustizministerin dies bekräftigt.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege.

Burkhard Lischka (SPD):
Vielen Dank, Herr Stadler, für Ihre Beantwortung.

In Bezug auf das Warnhinweismodell aus der Studie des Bundeswirtschaftsministeriums, das auch Gegenstand vorheriger Fragen war, wird davon ausgegangen – so verläuft im Augenblick ja auch der Dialog –, dass es aufgrund einer freiwilligen Vereinbarung zwischen den Rechteinhabern und den Providern umgesetzt werden kann, indem es durch allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart wird. Halten Sie das juristisch für möglich, oder sehen Sie hier einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, sofern man ein derartiges Warnhinweismodell umsetzen will?


Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lischka, eine ähnliche Debatte hatten wir ja bei dem seinerzeitigen Zugangserschwerungsgesetz, als von der Großen Koalition Internetsperren eingeführt worden sind, die auf Initiative dieser Bundesregierung jetzt gerade wieder abgeschafft worden sind – übrigens auch mit Ihren Stimmen. Damals gab es eine Debatte darüber, wie man der Darstellung von sexuellem Missbrauch von Kindern im Internet begegnet.

Als seinerzeit die Internetsperren von der Großen Koalition eingeführt worden sind, gab es auch schon eine Debatte darüber, ob eine freiwillige Vereinbarung zwischen den Beteiligten ausreichen würde. Die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries von der SPD hatte die Auffassung vertreten, dass eine gesetzliche Regelung notwendig ist. Diese Auffassung habe ich seinerzeit auch geteilt. Bei der aktuellen Debatte müsste man diese Frage, wenn es denn überhaupt zu einem solchen Modell käme, noch einmal aufgreifen und sorgfältig prüfen, ob die Sachverhalte vergleichbar sind.

Noch einmal will ich aber sagen: Das, was aus dem Bundeswirtschaftsministerin bisher in die Debatte eingebracht wurde, ist noch keine Festlegung auf ein -bestimmtes Modell – weder auf das sogenannte Vertragsmodell, bei dem man mit allgemeinen Geschäftsbedingungen arbeitet, noch auf eine gesetzliche Regelung –, und noch steht überhaupt nicht fest, ob es überhaupt zu einem Warnhinweismodell kommen wird.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre zweite Nachfrage, Herr Kollege.

Burkhard Lischka (SPD):
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Urheberrechtsverletzungen im Internet werden derzeit über einen Auskunftsanspruch verfolgt, der bei Gericht geltend gemacht werden kann und den es hier in Deutschland seit September 2008 gibt.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ja, genau.

Burkhard Lischka (SPD):
Haben sich dieser Auskunftsanspruch und das Verfahren, das wir derzeit in Deutschland praktizieren, nach Ansicht der Bundesregierung bewährt?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lischka, dieses Verfahren hat sich unserer Auffassung nach bewährt. Es ist ja zu Ihrer Regierungszeit von der Großen Koalition eingeführt worden. Nachdem ich vorhin ein anderes Gesetzgebungsvorhaben kritisch erwähnt habe, will ich jetzt gerne auch einmal etwas positiv darstellen.

Die Rechteinhaber können den Inhaber einer dynamischen IP-Adresse über einen Auskunftsanspruch bei Gericht abfragen. Dieses Verfahren geht sehr schnell; es wird sehr häufig praktiziert. Es ist dann Sache der Rechteinhaber, wie sie ihr Urheberrecht weiter durchsetzen. Beispielsweise wäre es eben auch möglich, dass man dem Nutzer den Hinweis gibt, dass er sich urheberrechtswidrig verhalten hat, ohne dass dies schon mit Abmahnkosten oder Schadensersatzansprüchen verbunden ist. Dies wäre nach geltendem Recht ja möglich.

Gegengutachten zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen

Fragestunde - Protokoll Nr. 164 vom 07.03.2012

Gegengutachten der deutschen Internetwirtschaft zum in der BMWi-Studie vorgeschlagenen Warnhinweismodell zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen; Vereinbarkeit des Warnhinweismodells mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Vizepräsident Eduard Oswald:

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Ich rufe nun die Frage 12 des Kollegen Ingo Egloff auf:

Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse des von Professor Dr. Thomas Hoeren im Auftrag des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft erstellten Gegengutachtens zu dem in der Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, BMWi, vorgeschlagenen Warnhinweismodell zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen, und welche Konsequenzen wird sie daraus ziehen?

Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Präsident, wegen des Zusammenhangs zwischen Frage 12 und Frage 13 würde ich beide Fragen, wenn Sie erlauben, gerne zusammen beantworten.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Dann rufe ich auch die Frage 13 des Kollegen Ingo Egloff auf:

Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2012 (1 BvR 1299/05), mit der die Zuordnung von dynamischen IP-Adressen ausdrücklich als ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 des Grundgesetzes festgestellt wird, für das mit der BMWi-Studie vorgeschlagene vorgerichtliche Warnhinweismodell, und in welcher konkreten Ausgestaltung sieht die Bundesregierung ein solches Warnhinweismodell als mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vereinbar an?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ich beantworte Ihre Fragen wie folgt: Die Bundesregierung wird die vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebene vergleichende Studie der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht mit den am Wirtschaftsdialog beteiligten Rechteinhabern und Diensteanbietern erörtern, wobei voraussichtlich auch das Gutachten von Professor Hoeren, auf das Sie in Ihrer ersten Frage Bezug genommen haben, thematisiert werden wird. Über mögliche weitere Schritte wird die Bundesregierung auf Grundlage der Ergebnisse dieser Gespräche entscheiden. Die rechtliche Bewertung hängt von der konkreten Ausgestaltung eines etwaigen Warnhinweismodells bzw. eines vorgerichtlichen Mitwirkungsmodells ab. Gegenstand der rechtlichen Bewertung wird auch die Vereinbarkeit mit Art. 10 des Grundgesetzes und mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sein.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Herr Kollege Egloff, Sie haben nun eine Reihe von Nachfragen. Sie starten mit Ihrer ersten.

Ingo Egloff (SPD):
Muss ich angesichts Ihrer Antwort davon ausgehen, Herr Staatssekretär, dass die im Gegengutachten vorgebrachten technischen und rechtlichen Probleme Ihrer Meinung nach jedenfalls im Moment noch nicht als so gravierend bewertet werden, dass von einer Umsetzung des Warnhinweismodells in jedem Fall Abstand genommen werden kann?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Sie konnten meiner Antwort entnehmen, Herr Kollege Egloff, dass die Gespräche innerhalb der Bundesregierung über die Frage, wie man Urheberrechtsverletzungen im Internet wirksamer begegnet, noch laufen, sodass bisher keinerlei inhaltliche Festlegung getroffen worden ist. Es wurde bisher lediglich eine Festlegung getroffen, die sich schon im Koalitionsvertrag findet: Es wird keine Internetsperren als Folge von Urheberrechtsverletzungen geben. Diese sind, wie gesagt, schon im Koalitionsvertrag ausgeschlossen worden.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Herr Egloff, Ihre zweite Nachfrage.

Ingo Egloff (SPD):
Herr Staatssekretär Otto aus dem Wirtschaftsministerium hat angekündigt, im Zweifelsfall müsse man im Hinblick auf die Warnhinweise gesetzliche Maßnahmen ergreifen. Wenn ich Frau Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger richtig verstanden habe, dann befürwortet sie das nicht. Wie beurteilen Sie diesen Widerspruch innerhalb der Bundesregierung?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Diesen Widerspruch kann ich nicht erkennen. Herr Kollege Otto ist in der vergangenen Fragestunde auch dazu befragt worden und hat Ihnen die Auskunft gegeben, dass am 15. März im Bundeswirtschaftsministerium Gespräche dazu stattfinden werden. Vorher wird es keinerlei inhaltliche Festlegungen geben. Die Gespräche werden dann ausgewertet.

Des Weiteren hat er ausgeführt, dass eine Gesetzesänderung erforderlich wäre, wenn man bestimmte Formen eines Warnmodells wählt. Das steht nicht im Widerspruch zu dem, was die Bundesjustizministerin gesagt hat; denn es gibt auch andere Modelle, die keine Gesetzesänderung erfordern.

Aus den Reihen Ihrer Fraktion ist beim letzten Mal gefragt worden, ob es jetzt schon möglich sei, dass die Rechteinhaber Mahnschreiben an die Nutzer richten, ohne dass es eine Verpflichtung zur Mitwirkung des Providers gibt. Das wäre eine Form von Hinweisen auf Urheberrechtsverletzungen, die nach geltendem Recht möglich ist und keinerlei Gesetzesänderungen erfordert.

Daher kommt es sehr darauf an, wie die inhaltliche Debatte geführt wird und welches Ergebnis sie hat. Davon hängen dann die rechtlichen Folgen ab.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Sie haben eine weitere Nachfragemöglichkeit.

Ingo Egloff (SPD):
Herr Staatssekretär, aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2012 stellt sich die Frage, ob die Auffassung richtig ist, dass im Lichte der Feststellung, bei der Zuordnung von IP-Adressen handele es sich um einen Eingriff in Art. 10 Abs. 1 Grundgesetz, davon ausgegangen werden kann, dass ein vorgerichtliches Warnhinweismodell ohne richterliche Anordnung zwangsläufig grundgesetzwidrig ist. Teilen Sie diese Auffassung?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Egloff, auch hier gilt, dass wir eine rechtliche Bewertung dann vornehmen werden, wenn eine Einigung darüber erzielt worden ist, wie man Urheberrechtsverletzungen besser begegnet. Es ist offen, ob dies mit Warnmodellen, mit Ermahnungsschreiben oder auch auf ganz andere Art und Weise geschieht. Dann wollen wir eine rechtliche Bewertung – selbstverständlich unter Beachtung dieses relativ neuen Urteils des Bundesverfassungsgerichts – vornehmen.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Sie haben die Möglichkeit einer weiteren Nachfrage.

Ingo Egloff (SPD):
Herr Staatssekretär, es liegen Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern vor. In Frankreich ist mit einer Art Warnhinweismodell gearbeitet worden. Die Erfahrungen, die die Franzosen damit gemacht haben, sind durchweg nicht positiv, weil es Umgehungstatbestände gibt. Werden diese Erfahrungen anderer europäischer Länder in Ihre Überlegungen einbezogen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Diese Frage kann ich ganz kurz mit einem einfachen Ja beantworten. Wenn es anderweitige Erfahrungen gibt, wie dies in Frankreich der Fall ist, werden diese selbstverständlich einbezogen. Dann schaut man sich natürlich an, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind. Allerdings muss man dabei immer auch die Vergleichbarkeit im Auge behalten. Wenn die Nutzung bestimmter Formen des Internets abnimmt, wie dies etwa bei Peer-to-Peer-Gruppen der Fall ist, ist es verständlich, dass unabhängig davon, ob man ein Warnhinweismodell hat oder nicht, die Urheberrechtsverletzungen in diesem Bereich nicht mehr so häufig sind. Das muss man dann auch bedenken.

Im Übrigen hat der Kollege Otto meiner Erinnerung nach in der letzten Fragestunde – jedenfalls aber auch öffentlich – gesagt, dass niemand daran denke, das französische Modell eins zu eins zu übernehmen. In Frankreich sind nämlich als Folge von Urheberrechtsverletzungen Internetsperren vorgesehen. Das wollen wir auf keinen Fall übernehmen. Außerdem sind dort andere schwerwiegende Eingriffe in die Nutzung des Internets wie die Verlangsamung des Zugangs oder Ähnliches vorgesehen.


Neuregelung der Sicherungswahrung

Fragestunde - Protokoll Nr. 164 vom 07.03.2012

Ursachen für die mehrfache Verschiebung der Kabinettsbefassung mit der Neuregelung der Sicherungsverwahrung


Präsident Dr. Norbert Lammert:
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler steht zur Beantwortung zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Rebmann auf:

Welche Dissenspunkte innerhalb der Bundesregierung sind für die mehrfache Verschiebung der Kabinettbefassung mit dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung ursächlich?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Rebmann, als Antwort auf Ihre Frage kann ich Ihnen folgende Auskunft geben: Die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat den Entwurf eines Gesetzes zur Sicherungsverwahrung mit allen nötigen Anlagen und sonstigen Formalien mit Schreiben vom 1. März 2012 an den Chef des Bundeskanzleramtes übermittelt und zugleich darum gebeten, ihn auf die Tagesordnung der heutigen Kabinettssitzung zu setzen. Dies ist ohne jegliche Verschiebung geschehen. Der Entwurf ist heute vom Kabinett unverändert beschlossen worden.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Bitte schön.

Stefan Rebmann (SPD):
Herr Staatssekretär, meine Frage war, warum es mehrfach zu einer Verschiebung der Kabinettsbefassung kam. Es freut mich, dass es heute endlich Thema in der Kabinettssitzung war. Trotzdem frage ich: Wie lässt sich die Zeitplanung der Bundesregierung mit der Aufforderung der Landesjustizminister vereinbaren, die Sie unmissverständlich gebeten haben, möglichst schnell einen Regierungsentwurf vorzulegen, damit das Gesetzgebungsverfahren bis zum 30. Juni dieses Jahres abgeschlossen werden kann?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Zunächst einmal: Eine Verschiebung ist nicht erfolgt. Der Gesetzentwurf ist zur Befassung im Kabinett angemeldet worden, und in der nächsten Sitzung, also heute, hat es den Kabinettsbeschluss gegeben.

Hinsichtlich Ihrer weiteren Frage nach dem zeitlichen Ablauf darf ich in Erinnerung rufen, dass wir gemeinsam, die Koalition aus CDU/CSU und FDP zusammen mit den Stimmen der SPD-Bundestagsfraktion, zum 1. Januar 2011 eine grundlegende Reform der Sicherungsverwahrung beschlossen haben. Am 4. Mai 2011 hat das Bundesverfassungsgericht diese Reform zwar bestätigt, aber aufgrund anderer Gesichtspunkte die Bestimmungen zur Sicherungsverwahrung aufgehoben, wobei es jedoch eine Übergangsfrist bis 31. Mai 2013 festgelegt hat, in der diese Bestimmungen mit den Modifizierungen des Gerichts weiter gelten.

Das Bundesjustizministerium hat selbstverständlich rasch mit der Gesetzgebungsarbeit begonnen. Der Kern der Beanstandung durch das Bundesverfassungsgericht betraf den bisherigen Vollzug der Sicherungsverwahrung. Dieser oblag den Bundesländern. Demgemäß ist die Neuregelung, um dieses sogenannte Abstandsgebot im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung künftig zu erfüllen, mit den Bundesländern intensiv erörtert worden. Damit ist rasch nach dem Urteilserlass begonnen worden. Die Erörterungen dieser komplizierten Materie haben sich einige Zeit hingezogen. Wir liegen jedoch gut im Zeitplan; denn jetzt ist Anfang März. Deswegen können die Länder die Änderung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung mit hinreichendem zeitlichen Vorlauf planen.


Stefan Rebmann (SPD):
Ich interpretiere Ihre Antwort so, dass Sie den Termin 30. Juni einhalten möchten. Dies bedeutet, wenn ich mir den Jahresplan anschaue – der Bundesrat muss sich auch noch damit befassen –, dass wir frühestens Mitte Juni eine Anhörung zu dem Thema durchführen können. Unmittelbar nach der Anhörung würden dann bereits die zweite und dritte Lesung in diesem Hause stattfinden. Meine Frage lautet: Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Hinweise, die in der Anhörung gegeben werden, noch in den Gesetzentwurf eingearbeitet werden, oder führen Sie nur pro forma eine Anhörung durch, damit der Opposition und der Öffentlichkeit Genüge getan wird?


Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Rebmann, Aufgabe der Bundesregierung war es, einen Gesetzentwurf zu beschließen und in das Verfahren zu bringen. Der Verlauf des weiteren Verfahrens ist Sache des Parlaments. Demgemäß ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, die Durchführung einer Anhörung zu dem Gesetzentwurf zu beschließen; dies wird vermutlich der Rechtsausschuss machen. Ich halte die Durchführung einer Anhörung angesichts der schwierigen Materie für sachgerecht. Sie sehen, dass schon aus diesem einen Grund der weitere Verfahrensablauf jetzt in den Händen des Parlaments liegt.

Die Sorge, die Sie in Ihren Fragen zum Ausdruck bringen, dass das Gesetz nicht rechtzeitig im Bundesgesetzblatt verkündet wird, halte ich für unbegründet.

 Die Übergangsregelung, die das Bundesverfassungsgericht getroffen hat, läuft bis zum 31. Mai 2013. Es ist also noch reichlich Zeit. Allerdings brauchen die Länder einen Vorlauf, um sich auf die geänderten Bestimmungen einzustellen. Die Länder können, vor allem was das Abstandsgebot und den Vollzugsbeginn betrifft, eigentlich heute damit beginnen, weil der Kabinettsbeschluss dafür durchaus eine Grundlage bietet. Die Regelungen zum Vollzug, die das Abstandsgebot betreffen – um diese Regelungen geht es den Ländern insbesondere –, sind von uns nämlich in enger Abstimmung mit den Landesjustizministerien ins Verfahren eingebracht worden.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zusatzfrage des Kollegen Lischka.

Burkhard Lischka (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Stadler, stimmen Sie mir zu, dass das parlamentarische Verfahren und die Kabinettsbefassung in den Ländern erst dann eingeleitet werden können, wenn die Länder wissen, welcher Gesetzentwurf vom Bundestag tatsächlich verabschiedet wurde? Insofern lautet meine Frage: Wie viel Zeit brauchen die Länder aus Sicht der Bundesregierung noch, damit die Landesgesetzgebungen bis Ende Mai dieses Jahres abgeschlossen werden können, sodass die Frist, die das Bundesverfassungsgericht gesetzt hat, eingehalten wird?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lischka, ich stimme dem Ausgangspunkt Ihrer Frage zu, dass auch Landesgesetze, die den Vollzug betreffen, geändert werden müssen. Aber noch einmal: Gerade die Regelungen zum Vollzug, die von uns auf den Weg gebracht werden, sind eng mit den Ländern abgestimmt. Ich gehe daher davon aus, dass die Länder ihre Gesetzgebung zügig durchführen können.

Was das Verfahren im Bundestag anbelangt, so sind wir selbstverständlich an einer raschen Verabschiedung des Gesetzentwurfes interessiert. Aber das liegt in den Händen der Parlamentarier. Insgesamt ist die von Teilen der Opposition schon direkt nach dem Urteil am 4. Mai 2011 geäußerte Sorge, wir könnten den Zeitplan nicht einhalten, wie ich glaube, ganz klar unbegründet. Wir liegen mit dem heutigen Kabinettsbeschluss gut in der Zeit.

Schlussfolgerungen zum geplanten EU-Patentgericht

Fragestunde - Protokoll Nr. 161 vom 29.02.2012

Schlussfolgerungen aus dem Gutachten des Europäischen Gerichtshofes zum geplanten EU-Patentgericht


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Doris Barnett (SPD) (Drucksache 17/8723, Frage 50):

Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Gutachten des Europäischen Gerichtshofes, EuGH, vom 8. März 2011, welcher zu dem Schluss kommt, ein geplantes EU-Patentgericht würde gegen europäisches Recht verstoßen, und welche Anstrengungen hat die Bundesregierung unternommen, um dafür Sorge zu tragen, dass bei einer Errichtung des EU-Patentgerichtes der Sitz in Deutschland angesiedelt wird?

Der Gerichtshof war in seinem Gutachten A-1/09 zu der Überzeugung gelangt, dass die ihm vorgelegte Fassung des Übereinkommensentwurfs nicht vollständig den Vorgaben des Unionsrechts entsprach. Die Kritik des EuGH betrifft im Wesentlichen eine Beeinträchtigung der Garantiefunktion nationaler Gerichte bei der Wahrung des Unionsrechts. Diese werde untergraben, wenn das zur Streitentscheidung berufene Fachgericht – wie seinerzeit geplant – als internationales Gericht unter Beteiligung von Drittstaaten ausgestaltet würde.

Die an den Verhandlungen beteiligten Mitgliedstaaten beabsichtigen diesem Einwand des Gerichtshofes dadurch Rechnung zu tragen, dass das Europäische Patentgericht nicht – wie ursprünglich geplant als internationales Gericht mit Drittstaatenbeteiligung – sondern als gemeinsames Gericht ausschließlich der beteiligten EU-Mitgliedstaaten errichtet wird. Auf diese Weise soll das Gericht in die bestehende europäische Justizstruktur eingebunden werden. Unionsrechtliche Pflichten wie zum Beispiel die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nationaler Gerichte zur Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof gelten auch für das gemeinsame Europäische Patentgericht.

Die Bundesregierung setzt sich in den Verhandlungen mit Nachdruck für München als Sitz der Zentralkammer ein, die nach deutschem Vorbild insbesondere für Patentnichtigkeitsverfahren zuständig sein soll. München ist als europäische Patenthauptstadt am besten als zentraler Sitz des Patentgerichts geeignet. Das Europäische Patentamt, das das EU-Patent erteilen soll, hat hier seinen Sitz. Die erforderliche Fachkompetenz der Richter und Anwaltschaft ist hier in besonderem Maße vorhanden. Auch Frankreich hat sich um den Sitz beworben (Paris). Eine Gesamteinigung hängt im Wesentlichen von dieser Sitzfrage ab. Die Bundesregierung wird sich weiterhin auf allen Ebenen für München als Zentralkammersitz einsetzen.

Die dezentrale Struktur des Gerichts sieht vor, dass Patentverletzungsverfahren vor den in den Mitgliedstaaten angesiedelten Lokal- oder Regionalkammern geführt werden. Es ist davon auszugehen, dass auf die in Deutschland ansässigen Lokalkammern ein beträchtlicher Anteil am Gesamtvolumen der Streitigkeiten entfallen wird.


Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Warnhinweisen

Fragestunde - Protokoll Nr. 161 vom 29.02.2012
Notwendigkeit und verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Warnhinweis- bzw. vorgerichtlichen Mitwirkungsmodellen zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Lars Klingbeil (SPD) (Drucksache 17/8723, Fragen 48 und 49):

Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit eines Warnhinweismodells zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen bzw. eines vorgerichtlichen Mitwirkungsmodells, wie es die Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vorschlägt, vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Beispiel in seiner Entscheidung „Scarlet Extended“ (Rs. C 70/10), und teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ein solches Modell nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes europarechtswidrig wäre?

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine derartige Inpflichtnahme von Internetzugangsprovidern als „Hilfssheriffs“ auf eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung hinausläuft, und ist die Bundesregierung der Auffassung, dass dies aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig ist?


Zu Frage 48:
Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil zu „Scarlet Extended“ (Rs. C-70/10) entschieden, dass eine innerstaatliche Maßnahme nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist, wenn sie einen Internetzugangsprovider verpflichten würde, sämtliche Daten jedes einzelnen seiner Kunden aktiv und auf seine eigenen Kosten zu überwachen, um jeder künftigen Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums vorzubeugen. Zugleich hat der EuGH in dieser Entscheidung wiederholt, dass es den nationalen Gerichten möglich bleiben muss, Vermittlern Maßnahmen aufzugeben, die nicht nur mittels ihrer Dienste bereits begangenen Verletzungen an Rechten des geistigen Eigentums beenden, sondern auch neuen Verletzungen vorbeugen. Diese Grundsätze der einen Access-Provider betreffenden Entscheidung hat der EuGH in seiner Entscheidung „Sabam“ (Rs. C-360/10) auch für Host-Provider bestätigt. Inwieweit die in beiden Entscheidungen entwickelten Grundsätze auf ein etwaiges vorgerichtliches Warnhinweismodell zu übertragen wären, hinge von der konkreten Ausgestaltung eines solchen Modells ab.

Zu Frage 49:
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat eine Studie zu den innerhalb der Europäischen Union diskutierten Modellen zur Versendung von Warnhinweisen in Auftrag gegeben. Diese Studie liegt nunmehr vor und soll die Grundlage für die weitere Diskussion zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet sein. Die Bundesregierung wird die -Studie zunächst mit den im Wirtschaftsdialog beteiligten Rechteinhabern und Diensteanbietern erörtern.


Rechtliche Vorgaben für die Umsetzung von Warnhinweisen

Fragestunde - Protokoll Nr. 161 vom 29.02.2012

Rechtliche Vorgaben für die Umsetzung von Warnhinweis- bzw. vorgerichtlichen Mitwirkungsmodellen bei Urheberrechtsverletzungen  


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen der Abgeordneten Brigitte Zypries (SPD) (Drucksache 17/8723, Fragen 46 und 47):

Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ein Warnhinweismodell bei Urheberrechtsverletzungen bzw. ein vor-gerichtliches Mitwirkungsmodell angesichts der damit einhergehenden Grundrechtseingriffe auf freiwilliger Basis im Rahmen einer Selbstregulierung umgesetzt werden könnte, oder teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass dies – sollte sich der Gesetzgeber tatsächlich dafür entscheiden – allenfalls auf gesetzlicher Grundlage erfolgen kann?

Welche rechtlichen Vorgaben müssten nach Auffassung der Bundesregierung hierfür geschaffen oder geändert werden und in welcher Form?


Zu Frage 46:
Bereits im Zuge der Diskussion um die zunächst auf vertraglicher Basis zwischen dem Bundeskriminalamt und den Internetzugangsanbietern geplante Einführung von Sperren gegen kinderpornografische Seiten im Internet ist deutlich geworden, dass Beeinträchtigungen der von den Grundrechten geschützten Freiheitsbereiche auch im Verhältnis zwischen Privaten nicht ohne weiteres zulässig sind. Eine sogenannte Vertragslösung ohne gesetzliche Grundlage kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn eine Beschränkung durch Private auf einem der öffentlichen Gewalt zurechenbaren Verhalten beruht. Dies war bei den Sperrlisten der Fall, die das Bundeskriminalamt erstellen und auf deren Grundlage die Zugangs-anbieter Sperren errichten sollten.

Ob dies für ein ohne staatliche Mitwirkung freiwillig zwischen Zugangsanbietern und Rechtsinhabern vereinbartes und durchgeführtes Warnhinweismodell, das ausdrücklich keine Internetsperren vorsieht, gleichermaßen gälte, hinge von der konkreten Ausgestaltung eines Warnmodells bzw. eines vorgerichtlichen Mitwirkungsmodells ab.

Zu Frage 47:
Die Bundesregierung wird zunächst die vergleichende Studie über Modelle zur Versendung von Warnhinweisen durch Internetzugangsanbieter an Nutzer bei Urheberrechtsverletzungen mit den am Wirtschaftsdialog beteiligten Rechteinhabern und Diensteanbietern erörtern und dann über weitere Schritte entscheiden. Davon hängt auch die weitere rechtliche Bewertung ab.


Konsequenzen aus dem Gutachten zur Versendung von Warnhinweisen

Fragestunde - Protokoll Nr. 161 vom 29.02.2012

Konsequenzen aus dem Gutachten zur -Versendung von Warnhinweisen durch Internetzugangsanbieter bei Urheberrechtsverletzungen und Bewertung der vorgeschlagenen vorgerichtlichen Mitwirkung


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Martin Dörmann (SPD) (Drucksache 17/8723, Fragen 44 und 45):

Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus dem kürzlich veröffentlichten Gutachten zu Warnhinweisen bei Urheberrechtsverletzungen ziehen, und wie bewertet sie die Ergebnisse der vergleichenden Studie hinsichtlich der Erkenntnisse und Auswirkungen entsprechender Modelle zur Aussendung von Warnhinweisen bei Urheberrechtsverletzungen durch Internetzugangsanbieter in anderen EU-Mitgliedstaaten?

Wie bewertet die Bundesregierung das mit dieser Studie vorgeschlagene vorgerichtliche Mitwirkungsmodell aus rechtspolitischer Perspektive, und wie bewertet die Bundesregierung ein solches Modell im Hinblick auf seine verfassungsrechtliche und europarechtliche Vereinbarkeit?


Zu Frage 44:
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat eine Studie zu den innerhalb der Europäischen Union diskutierten Modellen zur Versendung von Warnhinweisen in Auftrag gegeben. Diese Studie liegt nunmehr vor und soll die Grundlage für die weitere Diskussion zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet sein. Die Bundesregierung wird die Studie zunächst mit den im Wirtschaftsdialog beteiligten Rechteinhabern und Diensteanbietern erörtern.

Zu Frage 45:
Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil zu Scarlet Extended (Rs C-70/10) entschieden, dass eine innerstaatliche Maßnahme nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist, wenn sie einen Internetzugangsprovider verpflichten würde, sämtliche Daten jedes einzelnen seiner Kunden aktiv und auf seine eigenen Kosten zu überwachen, um jeder künftigen Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums vorzubeugen. Zugleich hat der EuGH in dieser Entscheidung wiederholt, dass es den nationalen Gerichten möglich bleiben muss, Vermittlern Maßnahmen aufzugeben, die nicht nur mittels ihrer Dienste bereits begangenen Verletzungen an Rechten des geistigen Eigentums beenden, sondern auch neuen Verletzungen vorbeugen. Diese Grundsätze der einen Access-Provider betreffenden Entscheidung hat der EuGH in seiner Entscheidung Sabam (Rs. C-360/10) auch für Host-Provider bestätigt. Inwieweit die in beiden Entscheidungen entwickelten Grundsätze auf ein etwaiges vorgerichtliches Warnhinweismodell zu übertragen wären, hinge von der konkreten Ausgestaltung eines solchen Modells ab.


Position der Bundesregierung zu Warnhinweismodellen

Fragestunde - Protokoll Nr. 161 vom 29.02.2012

Position der Bundesregierung zu Warnhinweismodellen


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Siegmund Ehrmann (SPD) (Drucksache 17/8723, Fragen 42 und 43):

Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ein Warnhinweismodell bei Urheberrechtsverletzungen als verhältnismäßig anzusehen ist und dass ein solches Modell einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung von Rechtsverstößen leisten kann?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass bereits heute anstelle kostenintensiver Abmahnungen Warnhinweise verschickt werden könnten und dass es hierzu keiner Inpflichtnahme der Internetzugangsanbieter bedürfte, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, warum nicht bereits heute – wenn die Vermeidung von Abmahnungen das Ziel eines solchen vorgerichtlichen Mitwirkungsmodells sein soll – vor einer Abmahnung eine aufklärende Warnung verschickt wird?


Zu Frage 42:
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat eine Studie zu den innerhalb der Europäischen Union diskutierten Modellen zur Versendung von Warnhinweisen in Auftrag gegeben. Diese Studie liegt nunmehr vor und soll die Grundlage für die weitere Diskussion zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet sein. Die Bundesregierung wird die Studie zunächst mit den im Wirtschaftsdialog beteiligten Rechteinhabern und Diensteanbietern erörtern.

Zu Frage 43:
Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass der Rechteinhaber bereits heute anstelle der Abmahnung einen Hinweis an den Anschlussinhaber schicken könnte. Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse dazu, warum dies nicht geschieht.


Umsetzung von Warnhinweismodellen bei Urheberrechtsverletzungen

Fragestunde - Protokoll Nr. 161 vom 29.02.2012

Umsetzung von Warnhinweismodellen bei Urheberrechtsverletzungen


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Ingo Egloff (SPD) (Drucksache 17/8723, Frage 41):

Wie bewertet die Bundesregierung – vor dem Hintergrund, dass sich die Fraktion der CDU/CSU bereits für ein Warnhinweismodell bei Urheberrechtsverletzungen ausgesprochen und der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Hans-Joachim Otto Provider und Rechteinhaber aufgefordert hat, sich zügig auf ein praktikables Warnhinweismodell zu einigen, da sonst die Bundesregierung in der Pflicht sei, eine gesetzliche Regelung vorzuschlagen, während die Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, unter Berufung auf den Koalitionsvertrag erklärt hat, dass es in Deutschland keine Sperrung von Internetzugängen wegen Urheberrechtsverletzungen und keine Warnhinweise geben werde – entsprechende Warnhinweismodelle sowie das vorgerichtliche Mitwirkungsmodell, und wird die Bundesregierung Initiativen ergreifen, um entsprechende Modelle umzusetzen?

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat eine Studie zu den innerhalb der Europäischen Union diskutierten Modellen zur Versendung von Warnhinweisen in Auftrag gegeben. Diese Studie liegt nunmehr vor und soll die Grundlage für die weitere Diskussion zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet sein. Die Bundesregierung wird die Studie zunächst mit den im Wirtschaftsdialog beteiligten Rechteinhabern und Diensteanbietern erörtern.


Modell zur Versendung von Warnhinweisen

Fragestunde - Protokoll Nr. 161 vom 29.02.2012

Regelung für ein Modell zur Versendung von Warnhinweisen durch Internetzugangsanbieter an Nutzer bei Urheberrechtsverletzungen im Rahmen des dritten Korbes zur Novellierung des Urheberrechtsgesetzes


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Burkhard Lischka (SPD) (Drucksache 17/8723, Fragen 39 und 40):

Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das in der „Vergleichenden Studie über Modelle zur Versendung von Warnhinweisen durch Internet-Zugangsanbieter an Nutzer bei Urheberrechtsverletzungen“ vorgeschlagene „vorgerichtliche Mitwirkungsmodell“ als eine Kooperationsmöglichkeit anzusehen ist, die der Verpflichtung in ACTA entspricht, „Kooperationsbemühungen im Wirtschaftsleben zu fördern, die da-rauf gerichtet sind, Verstöße gegen Marken, Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte wirksam zu bekämpfen“?

Wird die Bundesregierung im Rahmen des dritten Korbes zur Novellierung des Urheberrechtsgesetzes eine Regelung für ein solches Warnhinweismodell vorschlagen, und wann ist mit der Vorlage des dritten Korbes zu rechnen?

Zu Frage 39:
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat eine Studie zu den innerhalb der Europäischen Union diskutierten Modellen zur Versendung von Warnhinweisen in Auftrag gegeben. Diese Studie liegt nunmehr vor und soll die Grundlage für die weitere Diskussion zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet sein. Die Bundesregierung wird die Studie zunächst mit den im Wirtschaftsdialog beteiligten Rechteinhabern und Diensteanbietern erörtern. Dabei werden die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die europäische Rechtslage im Übrigen und verfassungsrechtliche Aspekte selbstverständlich berücksichtigt.

ACTA enthält keine Regelungen zu Warnhinweisen oder Internetsperren. Es sind auch keine Verpflichtungen der Provider zur Kontrolle oder Filterung des Datenverkehrs vorgesehen.

Die Bundesregierung wird keine Initiativen für Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ergreifen.

Zu Frage 40:
Die Arbeiten an dem Referentenentwurf für ein Drittes Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft sind im Bundesministerium der Justiz noch nicht abgeschlossen. Daher kann auch noch keine Aussage über den Inhalt getroffen werden. Regelungen für ein Warnhinweismodell wird der Entwurf jedenfalls nicht enthalten.


Erarbeitung eines sogenannten dritten Korbes der Urheberrechtsreform

Fragestunde - Protokoll Nr. 161 vom 29.02.2012

Erarbeitung eines sogenannten dritten Korbes der Urheberrechtsreform


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8723, Frage 38):

Wie begründet es die Bundesregierung, dass davon auszugehen ist, dass es, nachdem die Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, in ihrer Videobotschaft zu ACTA vom 8. Februar 2012 gesagt hat, dass die Bundes-regierung keinen Gesetzgebungsbedarf zur Änderung des Urheberrechts sehe, den lange angekündigten sogenannten dritten Korb der Urheberrechtsreform nicht mehr geben wird?

Die Bundesministerin der Justiz hat mit ihrer Erklärung vom 8. Februar 2012 lediglich zum Ausdruck gebracht, dass das Anti-Counterfeiting Trade Agreement, ACTA, keinen Gesetzgebungsbedarf für eine Änderung des Urheberrechtsgesetzes begründet. Eine Aussage zu dem sogenannten dritten Korb der Urheberrechtsreform war hiermit nicht verbunden.


Position der Bundesregierung zu ACTA

Fragestunde - Protokoll Nr. 161 vom 29.02.2012

Position der Bundesregierung zu ACTA vor dem Hintergrund der Überprüfung des Abkommens durch den Europäischen Gerichtshof; Offenlegung sämtlicher Dokumente

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/8723, Fra-gen 36 und 37):

Wie ist die augenblickliche inhaltliche Position der Bundesregierung bezüglich des Anti-Counterfeiting Trade Agreement – auch vor dem Hintergrund der jüngsten Entscheidung der Europäischen Kommission, das Abkommen durch den Europäischen Gerichtshof überprüfen lassen zu wollen –, und wie wird der weitere Ratifizierungsprozess in Deutschland in zeitlicher Hinsicht aussehen?

Wird sich die Bundesregierung, die ja bereits vor geraumer Zeit der Friends-of-Transparency-Initiative beigetreten ist, gegenüber den Verhandlungspartnern für eine Offenlegung sämtlicher Dokumente, die im Zusammenhang der einzelnen Verhandlungsrunden erstellt wurden, einsetzen?


Zu Frage 36:
Das ACTA-Abkommen soll die weltweite Bekämpfung der Produktpiraterie verbessern, weil die unerlaubte Nachahmung von Produkten die deutsche Wirtschaft schädigt und Risiken für die Verbraucher hat. Bezüglich der Regelungen zum Internet hat ACTA allerdings Besorgnis und Widerstände in der Öffentlichkeit ausgelöst, die Beachtung verdienen. Einige Staaten haben bereits angekündigt, die Zeichnung bzw. das Ratifikationsverfahren auszusetzen. Auch im Europäischen Parlament gibt es eine Debatte über die Auswirkungen von ACTA. Die Europäische Kommission wird das Abkommen dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vorlegen. Das Bundeskabinett hat am 30. November 2011 der Zeichnung von ACTA durch die Bundesrepublik Deutschland zugestimmt. Ein konkreter Zeichnungstermin und zeitliche Planungen zum Ratifikationsverfahren stehen derzeit nicht fest.

Zu Frage 37:
Deutschland hat sich zusammen mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union für eine Offenlegung der Verhandlungsdokumente eingesetzt (Friends of Transparency).
Dies hat dazu beigetragen, dass die entscheidenden Dokumente zu ACTA offengelegt worden sind. Hierzu zählt die Veröffentlichung der Verhandlungstexte aus dem April 2010, vom 2. Oktober 2010 und vom 15. November 2010 sowie des endgültigen Vertragstextes vom 3. Dezember 2010. Eine weitere Offenlegung ist entsprechend der allgemeinen Praxis bei Verhandlungen von Freihandelsabkommen nur im Einvernehmen mit den Beteiligten möglich. Die Wahrung der Vertraulichkeit entspricht der allgemeinen Praxis bei Freihandelsabkommen.


Umsetzung von ACTA

Fragestunde - Protokoll Nr. 161 vom 29.02.2012

Rechtliche Verpflichtung der EU-Mitgliedstaaten zur Umsetzung von ACTA durch den Ratsbeschluss vom 16. Dezember 2011

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Alexander Ulrich (DIE LINKE) (Drucksache 17/8723, Frage 35):

Inwiefern sind die Bundesregierung oder andere EU-Mitgliedstaaten durch den Ratsbeschluss vom 16. Dezember 2011 hinsichtlich der geplanten Ratifizierung des ACTA-Abkommens (ACTA: Anti-Counterfeiting Trade Agreement) eine rechtliche Verpflichtung zur Umsetzung von ACTA eingegangen, wie es am 10. Februar 2012 im Handelspolitischen Ausschuss von der EU-Kommission behauptet wurde, und welche internationale Verantwortung, wie es die EU-Kommission im Handelspolitischen Ausschuss ebenfalls vorträgt, ist nach Auslegung der Bundesregierung damit verbunden?

Der Beschluss des Rates über die Unterzeichnung vom 16. Dezember 2011 genehmigt die Unterzeichnung des sogenannten ACTA-Abkommens im Namen der Europäischen Union. Eine rechtliche Verpflichtung zur Ratifikation des Abkommens ist damit weder für die Union noch für die Mitgliedstaaten verbunden.

Die Zeichnung eines Übereinkommens führt zur Festlegung des authentischen Textes und zu der Verpflichtung, Ziel und Zweck des Vertrags nicht zu vereiteln. Nach Auslegung der Bundesregierung ist dies die internationale Verantwortung, auf die die Kommission im Handelspolitischen Ausschuss verwiesen hat.


Für die Auslegung des Anti-Counterfeiting Trade Agreements (ACTA) relevante Dokumente

Fragestunde - Protokoll Nr. 157 vom 08.02.2012


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Drucksache 17/8537, Frage 47):

Gibt es neben dem europäischen interinstitutionellen Dossier 2011/0166 (NLE) weitere Dokumente und Protokolle, die mit dem Anti-Counterfeiting Trade Agreement, ACTA, in direktem Zusammenhang stehen, die für die Auslegung des Vertragstextes relevant sind und die den Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht zugänglich sind, und, wenn ja, welche?

Das interinstitutionelle Dokument 2011/0166 (NLE), liegt dem Bundestag vor. Das Dokument enthält den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung von ACTA und den deutschen Text von ACTA.

Auf dieses Dokument bezieht sich der Bericht der Bundesregierung über den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung und den Abschluss von ACTA. Der Bericht war wiederholt Gegenstand der Beratungen des Unterausschusses Europarecht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages.

Die Bundesregierung hat den Bundestag auch ansonsten umfassend und fortlaufend über die Verhandlungen zu dem geplanten internationalen Abkommen gegen Produktpiraterie, Anti-Counterfeiting Trade Agreement, ACTA, unterrichtet.


Auswirkungen des internationalen Handelsabkommens gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen ACTA für die Medizinversorgung armer Länder

Fragestunde - Protokoll Nr. 157 vom 08.02.2012

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Drucksache 17/8537, Fragen 48 und 49):

Wie bewertet die Bundesregierung Befürchtungen vieler Fachleute, dass das stark umstrittene internationale Handelsabkommen gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen ACTA die Medizinversorgung armer Länder gefährden könne, da die für viele Länder des Südens überlebensnotwendigen Billigmedikamente zukünftig verstärkt Fälschungen gleichgestellt würden und beim Transit durch Europa beschlagnahmt werden könnten, obwohl diese legal hergestellten Generika im Import- und Exportland zugelassen sind?

Welche Folgen hätten Häufungen solcher Beschlagnahmungen legal hergestellter Generika nach Inkrafttreten der ACTA-Normen für den Zugang armer Länder zu Medikamenten?

Zu Frage 48:
Die Bundesregierung hält die Befürchtungen im Hinblick auf den Handel mit Generika für unbegründet. ACTA enthält keine Regelungen zu Generika. Durch ACTA wird insbesondere der derzeitige Patentschutz nicht verändert oder ausgedehnt.
Es kommt auch nicht indirekt zu einer Erschwerung des Handels mit Generika. Die in ACTA enthaltenen Regelungen über die Beschlagnahme an der Grenze gelten nicht für Patente.

Zu Frage 49:
Die Bundesregierung nimmt aus den genannten Gründen nicht an, dass es zu einer Häufung von Beschlagnahmen kommen wird und der Zugang armer Länder zu Medikamenten erschwert wird.


Gründe nicht erfolgte Einstufung des PJAK

Fragestunde - Protokoll Nr. 151 vom 18.01.2012

Gründe für die bislang nicht erfolgte Einstufung der PJAK (Partei für ein Freies Leben in Kurdistan) als terroristische Organisation

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ) (Drucksache 17/8323, Frage 69):

Aus welchen Gründen wird die PJAK, Partei für ein Freies Leben in Kurdistan, Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê, in der Bundesrepublik Deutschland nicht als terroristische Organisation eingestuft wie beispielsweise in den USA, und warum wurden gegen den in Köln wohnhaften Vorsitzenden der PJAK, Abdul Rahman Haji Ahmadi, bisher noch keine Ermittlungen eingeleitet?

Die PJAK ist weder in den VN noch in der EU als terroristische Organisation gelistet. In den USA ist die PJAK gemäß Regierungsverordnung, „executive order“, 13224 des US-Finanzministeriums gelistet, nicht aber als „Foreign Terrorist Organisation“ aus der entsprechenden Liste des US-Außenministeriums.
Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof führt wegen des Verdachts der Mitgliedschaft und Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung, terroristische Strukturen in der Führung der PJAK – Partei für ein freies Leben in Kurdistan, gegen Unbekannt seit dem 14. Dezember 2007 ein Ermittlungsverfahren.
Das Verfahren soll gemäß Ermittlungsauftrag der Aufklärung der Zuständigkeits- und Befehlsstrukturen sowie etwaiger terroristischer Straftaten dienen, die von der PJAK ausgegangen sind und aktuell ausgehen. Darüber hinaus soll durch die Ermittlungen geklärt werden, ob und in welchem Umfang die Führungsebene der PJAK und die der Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, mit ihren „Volksverteidigungskräften“, HPG, als einheitlich agierender Verband anzusehen sind. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Personenbezogene Ermittlungsverfahren gegen einzelne Mitglieder der Führungsebene der PJAK, wie etwa gegen den in Köln wohnhaften Vorsitzenden, Abdul Rahman Haji Ahmadi, wurden bislang noch nicht eingeleitet, weil hierfür die Zuständigkeits- und Befehlsstrukturen der PJAK sowie die von ihr zu verantwortenden im Iran begangenen Straftaten einer näheren an den Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 129a, 129b Strafgesetzbuch ausgerichteten Aufklärung bedürfen. Die in den Vereinigten Staaten erfolgte Einstufung der PJAK gemäß Regierungsverordnung 13224 ersetzt die eigenständig vorzunehmende und nach den Maßstäben des materiellen und formellen deutschen Strafrechts zu erfolgende Prüfung nicht.


Gegen den Erlass eines Haftbefehls Zwickauer Terrorzelle

Fragestunde Protokoll Nr. 151 vom 18. Januar 2012

Gründe der Staatsanwaltschaft Gera gegen den Erlass eines Haftbefehls nach einer Observierung der Zwickauer Terrorzelle Ende 1997

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ) (Drucksache 17/8323, Frage 68):

Ist der Bundesregierung bekannt, mit welcher Begründung die Staatsanwaltschaft Gera das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass von Haftbefehlen gegen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe verneinte, nachdem das Landeskriminalamt Thüringen einen Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Explosions- und Strahlungsverbrechens erwirkt hatte, weil es bei einer Observierung Ende 1997 die drei Personen dabei beobachtet hatte, wie sie in einem Baumarkt Brennspiritus und Gummiringe kauften und in einer Garage lagerten?

Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor. Der Generalbundesanwalt hat das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Gera nicht übernommen.


Verurteilungen von Mandatsträgern rechtsextremer Parteien

Fragestunde Protokoll Nr. 148 vom 14. Dezember 2011

Datenlage bzw. Statistiken in Bezug auf Verurteilungen von Mandatsträgern rechtsextremer Parteien auf Kommunal- und Landesebene

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten
des Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme (SPD) (Drucksache 17/8101, Fragen 62 und 63):

Über welche Datenlage bzw. Statistiken verfügt die Bundesregierung in Bezug auf Verurteilungen von Mandatsträgern rechtsextremer Parteien auf Kommunal- und Landesebene in der Bundesrepublik Deutschland, und wie viele Verurteilungen können dabei politisch motivierten Straftaten insgesamt zugeordnet werden?

Wie viele Verurteilungen rechtsextremer Mandatsträger wurden bundesweit wegen Volksverhetzung nach § 130 des Strafgesetzbuchs, StGB, und wie viele wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole nach § 86 a StGB ausgesprochen?


Wegen des Sachzusammenhangs möchte ich die beiden Fragen zusammen beantworten. Die Bundesregierung verfügt über keine Datensammlung bzw. Statistiken über Verurteilungen von Mandatsträgern rechtsextremer Parteien. Angaben über Verurteilungen werden in der Strafverfolgungsstatistik erhoben. Die Strafverfolgungsstatistik wird von den Ländern durchgeführt, ihre Ergebnisse werden auf Bundesebene vom Statistischen Bundesamt zusammengestellt und veröffentlicht. Dort wird allerdings nicht erfasst, welcher Partei die Verurteilten angehören. Als sozialdemografische Daten im weiteren Sinne werden dort nur Angaben über das Alter zur Zeit der Tat, das Geschlecht und die Nationalität erfasst. Ferner enthält die Strafverfolgungsstatistik Angaben über die angewendeten Strafvorschriften sowie über die Rechtsfolgen.

Ausstehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs

Fragestunde Protokoll Nr. 145 vom 30. November 2011

Ausstehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für eine Ratifikation des 12. Protokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention



Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ) (Drucksache 17/7901, Frage 46):

Auf welche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, EGMR, die eine Entscheidung über die Ratifikation des 12. Protokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, EMRK, ermöglichen soll (vergleiche die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf meine mündliche Frage 84, Plenarprotokoll 17/116, Anlage 55), wartet die Bundesregierung konkret, und welche Erkenntnisse für ihren Prüfungsvorgang erwartet bzw. erhofft sie sich daraus?

Es liegen weiterhin keine Entscheidungen vor, in denen der EGMR sich mit dem Protokoll Nr. 12 und den angesprochenen Fragen auseinandersetzt, sodass die Haltung der Bundesregierung unverändert abwartend ist. Damit steht die Bundesrepublik Deutschland auf europäischer Ebene bekanntermaßen bei weitem nicht allein. Von den insgesamt 47 Mitgliedstaaten des Europarats haben 28 Staaten das Protokoll Nr. 12 bisher nicht ratifiziert. Zu diesen Staaten gehören neben Deutschland unter anderem auch Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Lichtenstein, Schweiz und Schweden. Viele Staaten haben – im Gegensatz zu Deutschland – das Protokoll Nr. 12 bereits nicht gezeichnet (zum Beispiel Frankreich, Vereinigtes Königreich, Dänemark, Schweden, Schweiz und Polen).

Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass die geltende deutsche Rechtsordnung Diskriminierungen bereits umfassend verbietet, insbesondere durch Art. 3 des Grundgesetzes, an den Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung unmittelbar gebunden sind. Im Arbeits- und Zivilrecht gewährleistet das am 18. August 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz einen weitgehenden Diskriminierungsschutz.


Etwaige Zusammenführung Verwaltungs- und Sozialgerichten der Länder

Fragestunde Protokoll Nr. 145 vom 30. November 2011

Etwaige Zusammenführung Verwaltungs- und Sozialgerichte der Länder zu einheitlichen Fachgerichten

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wir kommen dann zur Frage 45 des Kollegen Stefan Rebmann:

Will die Bundesregierung entsprechend ihrem Koalitionsvertrag vom Oktober 2009 und entsprechend der Forderung der Justizministerinnen und Justizminister der Länder auf ihrer Herbstkonferenz vom 9. November 2011 in Berlin den Ländern die Möglichkeit geben, ihre Verwaltungs- und Sozialgerichte zu einheitlichen Fachgerichten zusammenzuführen, und falls ja, wie weit sind die Pläne fortgeschritten?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege, ich darf Ihnen mitteilen: Das Bundesministerium der Justiz prüft derzeit die Möglichkeit einer gesetzlichen Umsetzung. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass jede Form der Zusammenlegung dieser Gerichte einer Grundgesetzänderung bedarf. Davon wären auch die Bundesratsinitiativen zur Einführung bloß einer Länderöffnungsklausel aus der 15. und 16. Legislaturperiode betroffen gewesen; davon ist der Bundesrat selber ausgegangen. Somit liegt hier eine sehr hohe Hürde für eine Zusammenlegung der Verwaltungs- und Sozialgerichte vor.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage, Kollege Rebmann? – Keine Nachfrage.
Die Frage 46 des Kollegen Volker Beck wird schriftlich beantwortet.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Stadler.


Anzahl der Anordnungen der Sicherungsverwahrung

Fragestunde Protokoll Nr. 145 vom 30. November 2011

Entwicklung der Anzahl der Anordnungen des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung im Erwachsenstrafrecht

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wir kommen dann zur Frage 44 des Kollegen Stefan Rebmann:

Wie verhält sich die Anzahl der Anordnungen des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung im Erwachsenenstrafrecht in den ersten zehn Monaten dieses Jahres im Vergleich zu den ersten zehn Monaten letzten Jahres?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Rebmann, Sie fragen nach den Zahlen der sogenannten vorbehaltenen Sicherungsverwahrung. Darunter versteht man, dass in einem Strafurteil noch nicht die Entscheidung getroffen wird, ob der Verurteilte nach Verbüßung der Strafe in Sicherungsverwahrung kommen wird, dass aber diese Möglichkeit vorbehalten wird und eine Entscheidung darüber später ergeht.

Diese im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung wird in den Statistiken der Strafrechtspflege nicht erfasst. Wir werten aber die Einträge im Bundeszentralregister aus, weil sich daraus ein – wenngleich nicht vollständig präzises – Bild ergibt. Dem Register haben wir folgende Zahlen entnehmen können: Im Jahr 2009 sind bisher neun Urteile rechtskräftig geworden, in denen die Sicherungsverwahrung im Urteil vorbehalten worden ist. Im Jahr 2010 war dies erst in einem einzigen Urteil der Fall.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage, Herr Kollege Rebmann?

Stefan Rebmann (SPD):
Herzlichen Dank. – Herr Staatsekretär Stadler, ich habe eine Nachfrage: Wie beurteilen Sie und die Bundesregierung die Prognose, dass aufgrund des Wegfalls der nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung die Anzahl der Anordnungen der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ansteigen wird?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Rebmann, ich habe darauf hingewiesen, dass die jetzt genannten Zahlen noch kein vollständiges Bild ergeben. In das Bundeszentralregister werden nur rechtskräftige Verurteilungen eingetragen. Das heißt, Urteile aus dem Jahr 2011, nach denen Sie gefragt haben, werden erst nach und nach in dieses Register Eingang finden, nämlich dann, wenn sie rechtskräftig geworden sind. Außerdem gibt es bestimmte Fristen für den Eintrag, sodass das Ganze nur eine Momentaufnahme ist.

Ich rechne damit, dass der Anstieg der Zahlen, bei denen von der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung Gebrauch gemacht wird, erst noch bevorsteht. Wir haben jetzt den Vergleich von einem Fall in 2010 zu neun Fällen in 2009. Das ist noch nicht aussagekräftig genug. Ich rechne durchaus noch mit höheren Zahlen von vorbehaltener Sicherungsverwahrung im Urteil, so wie es der Konzeption des von uns gemeinsam verabschiedeten Reformprojekts entspricht.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Weitere Nachfrage? – Nein. Danke schön.



Einführung einer nachträglichen Therapieunterbringung

Fragestunde Protokoll Nr. 145 vom 30. November 2011

Rechtliche Haltbarkeit der Einführung einer nachträglichen Therapieunterbringung

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Burkhard Lischka (SPD)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich rufe nun die Frage 43 des Kollegen Lischka auf:

Wie begründet die Bundesregierung ihre in der Pressemitteilung vom 9. November 2011 vertretene Position, die Einführung einer nachträglichen Therapieunterbringung würde „vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht bestehen“?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ich darf dazu aus der Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 9. November 2011 die Passage, auf die Sie sich beziehen, wörtlich zitieren, sonst kann man den Zusammenhang nicht verstehen. Dort heißt es:

Die nachträgliche Sicherungsverwahrung, deren Wiedereinführung nun einige Bundesländer fordern, war wenig praxisrelevant, rechtlich kaum handhabbar und hatte negative Auswirkungen auf den Vollzug insgesamt. Ihre Wiedereinführung birgt das Risiko, dass das deutsche Recht vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abermals nicht besteht. Das kann dazu führen, dass erneut Sicherungsverwahrte entlassen werden müssten. Dieses Risiko sollte gerade angesichts des äußerst geringen Anwendungsbereichs der nachträglichen Sicherungsverwahrung unbedingt vermieden werden.

Um Ihre Frage mit der hier gebotenen Kürze zu beantworten: Wir haben auf bestehende Risiken hingewiesen. Es kann keine sichere Prognose gestellt werden, wie das von einigen Ländern vorgeschlagene Institut bei den beiden genannten Gerichten letztendlich bewertet würde. Aber wenn man die bisherige Rechtsprechung betrachtet, sehen wir da jedenfalls ein erhebliches Risiko. Darauf haben wir hingewiesen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage, Herr Kollege Lischka?

Burkhard Lischka (SPD):
Vielen Dank. – Herr Stadler, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, dass Sie es für unmöglich halten, eine verfassungskonforme Regelung im Hinblick auf eine nachträgliche Therapieunterbringung zu entwickeln?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Das habe ich nicht gesagt. Ich darf auf Folgendes hinweisen: Die nachträgliche Sicherungsverwahrung – selbst wenn man jetzt eine andere Bezeichnung wählt, handelt es sich unserer Meinung nach in der Sache um eine nachträgliche Sicherungsverwahrung, die in die Debatte gebracht wird – ist mit der Reform zum 1. Januar 2011 vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat mit den Stimmen der CDU/CSU, der FDP und der SPD zugunsten eines neuen Konzepts abgeschafft worden. Das neue Konzept sieht den Ausbau der sogenannten primären Sicherungsverwahrung und der im Urteil vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vor. Auch die Fraktion der Grünen hat diesen Teil der Reform für richtig gehalten.

(Signalton)

Wir sind der Meinung, dass man bei der vor etwa einem Jahr politisch getroffenen Entscheidung bleiben sollte, und weisen darauf hin, dass ein hohes Risiko im Hinblick darauf besteht, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom Mai 2011 den Vertrauensgrundsatz bemüht hat. Man sollte daher jetzt hinter die damals gemeinsam getroffene Entscheidung nicht zurückgehen.
 
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wir kommen zu einer zweiten Nachfrage des Kollegen Lischka.

Burkhard Lischka (SPD):
Herr Staatssekretär, vielen Dank. Eine kurze Nachfrage: Zu welchem Ergebnis kommt denn ein Gutachten, das im Bundesjustizministerium zur Frage der Verfassungsmäßigkeit einer nachträglichen Therapieunterbringung gefertigt wurde?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lischka, ich weiß jetzt offen gestanden nicht ganz genau, worauf Sie sich beziehen. Ich kann nur die Position unseres Hauses vortragen; denn das ist das Entscheidende und nicht die Frage, was in einer Meinungsäußerung dargelegt worden ist.
Dazu darf ich Folgendes ausführen: Die Bundesministerin der Justiz hat jetzt einen Entwurf zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung an die Bundesländer versandt; denn im Mai 2011 sind die bisherigen Regelungen hauptsächlich wegen eines Verstoßes gegen das Abstandsgebot zum Strafvollzug aufgehoben worden. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei keineswegs die Konzeption des Reformgesetzes infrage gestellt, das wir im Bundestag gemeinsam mit Ihnen zum 1. Januar 2011 beschlossen haben. Wir haben daher in dem Entwurf, den wir versandt haben, die nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht aufgeführt.

(Signalton)

Wir werden jetzt die Antworten und Stellungnahmen der Bundesländer bekommen und dann darüber diskutieren.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich darf noch einmal auf die Neuregelung mit dem Signalton hinweisen. Den jeweiligen Staatssekretären ist für die Antwort auf die schriftliche Frage etwas mehr Zeit gegeben; Nachfragen und Antworten aber sollen jeweils nur eine Minute dauern. – Ich hätte dem Kollegen Stadler gerne mehr Zeit eingeräumt, weil er regelmäßig so druckreif zu antworten versteht. Ich muss aber alle Staatssekretäre gleich behandeln. Deshalb kann ich keine Ausnahme machen.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Das ist ein alter Rechtsgrundsatz, Herr Präsident.


Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe

Fragestunde Protokoll Nr. 145 vom 30. November 2011

Gründe für die geringe Anzahl positiver Bescheide auf Gewährung von „Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe“


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Burkhard Lischka (SPD)

Wie erklärt es die Bundesregierung, dass angesichts von 762 rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten im Jahr 2010 – darunter 638 Körperverletzungen – lediglich 68 Anträge auf Gewährung von „Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe“ positiv beschieden worden sind und im Jahr 2010 aus dem mit 1 Million Euro ausgestatteten Haushaltstitel 681 01 des Bundesamtes für Justiz insgesamt nur 8 160 Euro für Opfer extremistischer Übergriffe ausbezahlt wurden?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Zu dieser Frage darf ich mitteilen, dass im Jahr 2010 bei dem für die Bearbeitung dieser Anträge zuständigen Bundesamt für Justiz von Opfern rechtsextremistischer Übergriffe insgesamt 97 Anträge auf Bewilligung von Härteleistungen gestellt worden sind. Davon sind 67 Anträge positiv beschieden worden, 22 Anträge abgelehnt worden, und über acht Anträge ist noch nicht entschieden.

Die Diskrepanz zwischen der Zahl der erfassten rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten, die ja höher liegt, und der relativ geringen Zahl der gestellten Anträge lässt sich vielleicht teilweise dadurch erklären, dass die jährlichen polizeilichen Statistiken über politisch motivierte Kriminalität weitaus mehr Taten erfassen als jene, bei denen die Opfer Härtefallleistungen erhalten können. Ein weiterer Grund dürfte darin liegen, dass in den Bundesländern ein sehr unterschiedliches Netz von Opferberatungsstellen existiert. In manchen Ländern wird sehr intensiv beraten, in anderen weniger. Gleichwohl sind diese Erklärungen auch für uns nicht völlig ausreichend. Insgesamt sind die Gründe für die geringe Zahl der Antragsstellungen daher nicht genau zu benennen.

Wir bemühen uns, die Opfer verstärkt zu informieren. Dafür gibt es verschiedene Maßnahmen, die ich wegen der Ein-Minuten-Regel jetzt nicht im Detail aufzählen kann. Aber das Bundesministerium der Justiz ist mit allen Stellen, die für die Opfer in Betracht kommen, in Kontakt und informiert über die Möglichkeit der Antragstellungen, mehrmals jährlich auch mit Rundschreiben. Es bleibt zu hoffen, dass damit diese Möglichkeit der Ersatzleistungen besser bekannt wird und die Zahl der Anträge, für die ja Mittel zur Verfügung stehen, zunehmen wird.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine Nachfrage, Herr Kollege Lischka? – Bitte sehr.

Burkhard Lischka (SPD):
Herr Stadler, könnten Sie mir mitteilen, wie viel Gelder im vergangenen Jahr zum einen an die Opfer rechtsextremistischer Gewalttaten und zum anderen an die Opfer linksextremistischer Gewalttaten ausgezahlt wurden? Können Sie vielleicht auch etwas zu der Spannbreite der ausgezahlten Einzelbeträge sagen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ich habe, da Sie ja insbesondere nach der Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten gefragt und die Frage gestellt haben, wieso nur ein Teil der Opfer Anträge gestellt hat, in Vorbereitung meiner Antwort auch die Summe, die an Opfer rechtsextremistischer Gewalt ausgezahlt worden ist, notiert. Diese Summe betrug im Jahr 2010 etwa 63 000 Euro. Im Jahr 2011 sind bisher 67 800 Euro zugesprochen worden. Die Summen variieren natürlich im Einzelfall. Sie werden sich erinnern, weil es ja auch veröffentlicht worden ist, dass jetzt für die Angehörigen der Opfer der Nazi-Mordserie Beträge von 10 000 Euro vorgesehen sind.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Weitere Nachfrage.

Burkhard Lischka (SPD):
Vielen Dank. – Herr Stadler, ich darf den letzten Aspekt, den Sie genannt haben, direkt aufgreifen. Es ist durch die Bundesjustizministerin angekündigt worden, dass die Angehörigen der durch die Zwickauer Terrorzelle Ermordeten eine Pauschalentschädigung in Höhe von 10 000 Euro erhalten sollen. Nun habe ich dem Merkblatt des Bundesamtes der Justiz entnommen, dass darüber hinaus beispielsweise auch Unterhaltsschäden ersetzt werden können, die im Einzelfall natürlich weitaus höher sein können als der Betrag von 10 000 Euro, der jetzt pauschal ausgezahlt werden soll. Haben die Angehörigen – neben dieser Pauschalentschädigung – die Möglichkeit, noch weitere Schäden geltend zu machen, oder sollen diese mit der Pauschalentschädigung abgegolten sein?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Im streng juristischen Sinn kann man bei diesen Leistungen nicht von Entschädigung sprechen. Sie sind vielmehr als eine Art Soforthilfe und als Anerkennung des erlittenen Unrechts gedacht. Daher wird dieses Geld auch pauschal ausgereicht. In jedem Einzelfall wird geprüft, ob besondere Umstände hinzukommen, was zu einer zusätzlichen Entscheidung führen kann. Das kann ich aber nur anhand des Einzelfalls bewerten.



Umsetzung Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens

Fragestunde Protokoll Nr. 145 vom 30. November 2011

Umsetzung der angekündigten Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Sonja Steffen (SPD):

Plant die Bundesregierung, weiterhin die von der Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in ihrer Rede zum Insolvenzrechtstag angekündigte Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens umzusetzen, oder hat es in Bezug auf die damals vorgestellten Eckpunkte Positionsänderungen der Bundesregierung gegeben?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ich darf Ihnen folgende Antwort mitteilen: Frau Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat sich zuletzt am 28. Oktober 2011 auf dem Insolvenzverwalterkongress in Berlin umfassend zur Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens geäußert. Sie hat dort die wesentlichen Eckpunkte für eine künftige Reform dargestellt. Ein Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz wird in Kürze der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage? – Frau Kollegin Steffen.

Sonja Steffen (SPD):
Können Sie ganz kurz schildern, ob eine Verkürzung der Wohlverhaltensphase vorgesehen ist, und, wenn ja, mit welchen Bedingungen diese verbunden sein wird?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Nach unseren Vorstellungen ist vorgesehen, dass die Wohlverhaltensphase von sechs auf drei Jahre verkürzt werden soll, falls der Schuldner innerhalb dieses Zeitraums eine Mindestbefriedigungsquote von 25 Prozent erfüllt. Eine weitere Verkürzung – von sechs auf fünf Jahre – ist vorgesehen, wenn der Schuldner innerhalb dieses Zeitraums zumindest die Verfahrenskosten begleicht. Wenn keine der beiden Voraussetzungen erfüllt wird, soll die Wohlverhaltensperiode sechs Jahre betragen und dann die Restschuldbefreiung erteilt werden.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Nachfrage? – Das ist nicht der Fall.


Neuregelung des Sorgerechts nichtehelicher Väter

Fragestunde Protokoll Nr. 145 vom 30. November 2011

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Sonja Steffen (SPD):

Hat sich, und wenn ja, wie, die Bundesregierung in Bezug auf die Neuregelung des Sorgerechts nichtehelicher Väter geeinigt, bzw. ist eine Einigung absehbar?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Die Kollegin Steffen fragt nach der Neuregelung des Sorgerechts nichtehelicher Väter. Auf eine schriftliche Frage ihrer Kollegin Ingrid Hönlinger vom 24. Oktober 2011 nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung habe ich eine Antwort gegeben und Folgendes ausgeführt – ich zitiere –:

Es trifft zu, dass sich die Koalitionsfraktionen derzeit intensiv im Gespräch befinden, um sich auf einen gemeinsamen Regelungsvorschlag zur Neuregelung der gemeinsamen Sorge bei nicht miteinander verheirateten Eltern zu verständigen. Ein konkreter Termin der Vorlage eines Gesetzentwurfs an das Kabinett ist noch nicht geplant.
Diese Darstellung stellt weiterhin den aktuellen Sachverhalt dar.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Kollegin Steffen, haben Sie eine Nachfrage?

Sonja Steffen (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, vielleicht können Sie Auskunft geben über den Stand der Diskussion. Wir wissen ja, dass es zwei Grundmodelle gibt: ein Antragsmodell und ein Widerspruchsmodell. Können Sie vielleicht etwas genauer erklären, wie der derzeitige Diskussionsstand ist?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Frau Kollegin Steffen, Sie benennen richtig den zentralen Streitpunkt. Es ist ja so, dass wir keinerlei Probleme haben, wenn nicht miteinander verheiratete Elternteile sich auf eine gemeinsame Sorge für das Kind einigen. Es ist ebenfalls klar, dass im Streitfall am Ende eine gerichtliche Entscheidung zu treffen ist und dass diese gerichtliche Entscheidung sich am Kindeswohl zu orientieren hat.

Die Diskussion dreht sich, verkürzt dargestellt, hauptsächlich um die Frage, wer eigentlich diesen Streit gegebenenfalls zu Gericht bringen soll, ob die Väter dort einen Antrag stellen sollen oder ob es Sache der Mütter ist, auf eine Sorgerechtserklärung der Väter mit einem Widerspruch zu antworten. Darüber, um nur diesen Hauptpunkt zu nennen, konnte bisher keine Einigung erzielt werden.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Nachfrage?

Sonja Steffen (SPD):
Vielleicht können Sie uns einmal ganz grob sagen, in welchem zeitlichen Rahmen wir damit rechnen können, dass wir uns zusammensetzen, wobei wir darauf hoffen, dass wir dann eine gute Lösung finden werden.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Das Bundesministerium der Justiz begleitet die Gespräche der Fraktionen natürlich aktiv. Wir sind selber an einer Lösung interessiert. Derzeit muss sich ja die Praxis auf eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts stützen. Damit kommt die Praxis zwar einigermaßen zurecht, aber trotzdem ist eine gesetzliche Neuregelung wünschenswert. Wir arbeiten daran. Ich kann leider nicht präzise vorhersagen, zu welchem Zeitpunkt eine Einigung erzielt wird.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank.


Gesetzliche Grundlage für Quellen-Telekommunikationsüberwachung

Fragestunde Protokoll Nr. 145 vom 30. November 2011

Gesetzliche Grundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung in der Strafprozessordnung; Notwendigkeit der Quellen-TKÜ für die Überwachung von Internettelefonaten

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Dr. Edgar Franke (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 39):

Bedarf es bei der Überwachung von Internettelefonaten, zum Beispiel über Skype, der Quellen-TKÜ, oder ist sie – in allen Fällen – über die herkömmliche TKÜ möglich?

Eine Telekommunikationsüberwachung kann sich grundsätzlich auch auf Telefonate erstrecken, die über das Internet geführt werden. Die Firma Skype verweist in einem Informationsblatt (Responding to Law Enforcement Record Requests) darauf, dass es ihr auf entsprechende Anordnung ausschließlich möglich ist, bestimmte Bestandsdaten (zum Beispiel E-Mail-Adresse und Rufnummer des Teilnehmers) sowie Verkehrsdaten (Zielrufnummer) für Gespräche in öffentliche Telefonnetze bereitzustellen. Gesprächsinhalte werden danach von Skype nicht zur Verfügung gestellt.
Ob es für die Überwachung von Telefonaten, die über das Internet geführt werden, einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung bedarf, weil die zu übermittelnden Gesprächsinhalte vor der Übertragung verschlüsselt werden, oder die Überwachung von Internettelefonaten mittels einer herkömmliche Telekommunikationsüberwachung möglich ist, ist Gegenstand einer umfassenden Überprüfung durch die Bundesregierung.


Rechtsgrundlage für Quellen-Telekommunikationsüberwachung

Fragestunde Protokoll Nr. 145 vom 30. November 2011

Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung; Notwendigkeit der Quellen-TKÜ für die Überwachung von Internettelefonaten

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Edgar Franke (SPD) (Drucksache 17/7901, Frage 38):

Hält die Bundesregierung § 100 a der Strafprozessordnung, StPO, als Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung, TKÜ, für ausreichend, oder ist eine gesonderte gesetzliche Grundlage in der StPO erforderlich?

Bei einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung besteht für den Betroffenen – anders als bei der herkömmlichen Telekommunikationsüberwachung – das Risiko, dass über die Inhalte und Umstände der Telekommunikation hinaus weitere, insbesondere auch persönlichkeitsrelevante Informationen erhoben werden. Den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung zur Onlinedurchsuchung vom 27. Februar 2008, 1 BvR 370/07, entsprechend, muss daher durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt werden, dass sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt.
Die aktuellen Entscheidungen der Amts- und Landgerichte gehen, jedenfalls soweit die entsprechenden Beschlüsse bekannt geworden sind, inzwischen einheitlich davon aus, dass die § 100 a und § 100 b der Strafprozessordnung diesen Vorgaben genügen und deshalb Grundlage für die Anordnung einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung sein können. Diese in richterlicher Unabhängigkeit getroffene Auslegung des geltenden Strafprozessrechts wird von der Bundesregierung respektiert.


Einhaltung der Umsetzungsfrist zur Vorratsdatenspeicherung

Fragestunde Protokoll Nr. 145 vom 30. November 2011

Einhaltung der Umsetzungsfrist für die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung; Vorschläge zur Verkürzung der Speicherungsfristen und Verringerung der zu speichernden Datenkategorien

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Christoph Strässer (SPD) (Drucksache 17/7901, Fragen 36 und 37):

Beabsichtigt die Bundesregierung, die im Vertragsverletzungsverfahren gesetzte Umsetzungsfrist der EU-Kommission von zwei Monaten zur Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung einzuhalten, oder muss die EU-Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen?

Wie beurteilt die Bundesregierung die im Bewertungsbericht vom 18. April 2011 zur Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung erklärte Absicht der Europäischen Kommission, eine Überarbeitung der Richtlinie vorzuschlagen und dabei auch eine „Verkürzung der obligatorischen Speicherungsfristen“ und eine „Verringerung der Zahl der Kategorien von auf Vorrat zu speichernden Daten“ zu prüfen, und welche konkreten Vorschläge hierzu hat die Bundesregierung bisher bei der EU-Kommission eingebracht?


Zu Frage 36:
Die Europäische Kommission stellt in ihrem Schreiben vom 28. Oktober 2011 fest, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung im deutschen Recht teilweise umgesetzt sind. Unbeschadet der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010, mit der bestimmte Vorschriften, die der Umsetzung dieser Richtlinie in das nationale Recht dienen sollten, für nichtig erklärt worden sind, gibt es demnach gültige deutsche Rechtsvorschriften zur teilweisen Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG.
Der Umsetzung der Zielsetzung weiterer Vorgaben der Richtlinie 2006/24/EG soll der von der Bundesministerin der Justiz im Ressortkreis vorgelegte und dort derzeit erörterte Diskussionsentwurf zur Sicherung vorhandener Verkehrsdaten und Gewährleistung von Bestandsdatenauskünften im Internet dienen.
Gegenstand der Erörterungen im Ressortkreis sind dabei derzeit insbesondere Fragen im Zusammenhang mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Datensicherheit, zur Verwendungsregelung, zur Zweckbegrenzung, zur Transparenz und zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes. Aspekte der technischen Umsetzbarkeit der Vorgaben zum Einsatz eines besonders sicheren Verschlüsselungsverfahrens, der von anderen Daten getrennten und vom Internet entkoppelten Speicherung sowie der Beschränkung des Zugangs zu den Daten auf besonders ermächtigte Personen bedürfen in diesem Zusammenhang ebenso wie die konkrete rechtliche Ausgestaltung der Benachrichtigungspflichten und der Verwendungsregelung für die gespeicherten Daten einer sehr sorgfältigen Analyse und Lösung.
Neben diesen – im Rahmen der Umsetzung bestimmter Vorgaben der Richtlinie – zu diskutierenden, sehr komplexen Fragen widmet sich der Diskussionsentwurf insbesondere der Regelung eines Quick-freeze-Verfahrens (Data Preservation). Dazu hat die Bundesregierung mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, dass die Europäische Kommission derzeit dabei ist, im Rahmen der von ihr angekündigten Folgenabschätzung ein Sachverständigengutachten zu diesem Verfahren einzuholen.

Zu Frage 37:
Es trifft zu, dass die Europäische Kommission unter dem 18. April 2011 ihren Bewertungsbericht zur Richtlinie 2006/24/EG vorgelegt und angekündigt hat, eine Folgenabschätzung durchzuführen und auf dieser Grundlage Änderungsvorschläge für die Richtlinie vorzulegen.
Die Erkenntnisse aus diesem Bericht sowie damit verbundene europarechtliche Fragen sind nach Auffassung der Bundesregierung ebenso wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 und die daraus zu ziehenden Konsequenzen in die Gesamtbewertung zum Inhalt und Umfang des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs sowohl auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene einzubeziehen, um abzuschätzen, welche Maßnahmen konkret zur Verwirklichung der Ziele der Richtlinie 2006/24/EG eingeleitet werden sollten.
Die Bundesregierung steht dabei auch in fortwährendem Kontakt mit Vertreterinnen und Vertretern der Europäischen Kommission und beteiligt sich an der Diskussion zu den vielfältigen und sehr komplexen Aspekten, die mit der Thematik verbunden sind. Konkrete Regelungsvorschläge der Kommission, zu denen eine Stellungnahme der Bundesregierung veranlasst wäre, liegen bislang nicht vor. Die Kommission hat vielmehr angekündigt, entsprechende Vorschläge im ersten Halbjahr 2012 vorlegen zu wollen.

Rechtliche Abdeckung von Quellen-Telekommunikationsüberwachungen

Fragestunde Protokoll Nr. 132 vom 19. Oktober 2011

Rechtliche Abdeckung von Quellen-Telekommunikationsüberwachungen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler zur Verfügung.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Sehr geehrter Herr Kollege Montag, bei einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung besteht für den Betroffenen, anders als bei der herkömmlichen Telekommunikationsüberwachung, das Risiko, dass über die Inhalte und Umstände der Telekommunikation hinaus weitere, insbesondere persönlichkeitsrelevante Informationen erhoben werden. Den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2008 entsprechend muss daher sowohl im präventiven als auch im strafrechtlichen Bereich durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt sein, dass sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt.
 
Die aktuellen Entscheidungen der Amts- und Landgerichte gehen inzwischen einheitlich davon aus, dass die §§ 100 a und 100 b der Strafprozessordnung diesen Vorgaben genügen und sie deshalb Grundlage für die Anordnung einer Quellen-TKÜ sein können. Diese in richterlicher Unabhängigkeit getroffene Auslegung des geltenden Rechts wird von der Bundesministerin der Justiz respektiert.

Der Bundesministerin der Justiz ist vor allem wichtig, dass die Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht für eine Quellen-TKÜ aufgezeigt hat, strikt eingehalten werden. Ob dies in der Vergangenheit sichergestellt war, ist Gegenstand der aktuellen Prüfungen.

Nach Auffassung der Bundesministerin der Justiz muss von vornherein sichergestellt sein, dass die eingesetzte Software keine über die Überwachung der laufenden Telekommunikation hinausgehenden Funktionalitäten besitzt und keine entsprechenden Funktionserweiterungen vorgesehen sind.

Sie haben noch nach § 23 a ZFdG gefragt. Dazu haben wir dieselbe Auffassung.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Montag, eine Nachfrage. Bitte sehr.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Staatssekretär Stadler, wir haben gerade die Antworten Ihres Kollegen aus dem Innenministerium gehört. Eine der letzten Antworten lautete, dass das Innenministerium die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2008, auf die auch Sie sich jetzt berufen haben, so lesen würde, dass durch die Quellen-TKÜ, also durch Infiltration eines Computers mit einer Software zum Zwecke der Abhörung von Internetkommunikation, die Integrität und Vertraulichkeit von Kommunikationssystemen nicht betroffen seien.

Ich frage Sie für das Bundesjustizministerium, ob auch Sie der Auffassung sind, dass durch den realen Akt der Implementierung einer fremden Software, zum Beispiel in Ihren Computer, die Integrität und Vertraulichkeit Ihres Computers nicht verletzt werden, unabhängig davon, ob das legal oder illegal geschieht. Teilen Sie nicht die Auffassung – unabhängig davon, wie Landgerichte entscheiden –, dass es besser wäre, wenn man für eine Quellen-TKÜ eine eigene gesetzliche Grundlage mit scharfen rechtlichen Begrenzungen einführen würde?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Montag, zunächst einmal kommt es für die Rechtspraxis in der Tat auf die Rechtsprechung an. Wie Sie wissen, gab es ursprünglich einmal eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg, in der eine Quellen-TKÜ als unzulässig angesehen wurde. Mittlerweile gibt es, soweit die Entscheidungen veröffentlicht worden und uns daher bekannt sind, eine einheitliche Linie – inzwischen auch des Landgerichts Hamburg und des vorhin schon zitierten Landgerichts Landshut, aber auch anderer Gerichte –, wonach die bestehenden Vorschriften der §§ 100 a und 100 b StPO dahin gehend ausgelegt werden, dass darin eine ausreichende und grundrechtskonforme Grundlage für die Quellen-TKÜ zu sehen ist. Bei der Entscheidung des Landgerichts Landshut, die die aktuelle Debatte mit ausgelöst hat, sieht man, dass die Gerichte dabei Kautelen einziehen wie beispielsweise das Verbot von Screenshots.

Wir sind der Auffassung, dass es jetzt darauf ankommt, die Praxis genau darzustellen. Wir wollen, dass die Innenminister des Bundes und der Länder einen Sachstandsbericht vorlegen, wie sich die Praxis entwickelt hat, welche Software insbesondere eingesetzt worden ist und ob dies eine Software ist, die mehr kann, als sie darf. Auf dieser Grundlage werden wir entscheiden, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine zweite Nachfrage. Bitte sehr.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke schön, Frau Präsidentin. – Danke, Herr Staatssekretär Stadler. Das war zwar eine interessante Antwort, aber nicht direkt die Antwort auf meine Frage. Ich habe Sie nämlich gefragt, ob Sie die Auffassung Ihres Kollegen neben Ihnen teilen, dass der Einsatz dieser Computersoftware keine Verletzung der Integrität und Vertraulichkeit des Computers darstelle. Vielleicht könnten Sie diese Antwort noch nachholen.

Meine zweite Nachfrage erklärt sich dadurch, dass ich nicht ganz verstehen kann, warum sich das Bundesjustizministerium, das für Vorschläge zur Kodifizierung des Bundesrechts zuständig ist, hinter der Rechtsprechung von Landgerichten versteckt. Zunächst verschweigen Sie – ich bitte Sie, dazu Stellung zu nehmen –, dass in der Literatur aktuell eine völlig andere Position vertreten wird. In diesem Zusammenhang eine ganz konkrete Frage: Wie verhält sich das Bundesjustizministerium zu den Vorwürfen vonseiten der Innenpolitiker der Union – ich meine Herrn Uhl und andere –, die Bundesjustizministerin sei schuld daran,

(Signalton)

dass Polizeibeamte in Grauzonen arbeiteten und rechtswidrige Dinge machen müssten, weil keine gesetzliche Grundlage für ihr Handeln vorliege?

(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Das habe ich nicht gesagt! „Rechtswidrig“ habe ich nicht gesagt!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Montag, das akustische Signal richtet sich an Sie.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das läutete schon, bevor ich begonnen habe, Frau Präsidentin.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das läutete bei Ihrer letzten Frage auch schon. Möglicherweise ist dadurch dieser Eindruck entstanden.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wir haben uns schon gefragt, ob Sie Ihr Handy nicht ausgemacht haben.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Montag, das war eine Vielzahl von Fragen, die ich in einer Minute beantworten soll. Ich will mich bemühen, es prägnant zu machen.

Zunächst einmal steht es mir nicht zu, Aussagen des Kollegen Uhl zu kommentieren.

(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

Ich darf aber darauf aufmerksam machen, dass ich gerade dargestellt habe, dass für die Quellen-TKÜ, soweit sie sich wirklich auf die Überwachung laufender Kommunikation beschränkt, nach der einheitlichen Rechtsprechung der dafür zuständigen Gerichte eine Rechtsgrundlage in den §§ 100 a und 100 b StPO gesehen wird. Das ist kein Verstecken hinter Landgerichten, wie Sie es genannt haben. Aus Ihrer Äußerung klingt übrigens eine leichte, etwas deplatzierte Missachtung von Land- und Amtsgerichten heraus, wenn Sie mir diese Anmerkung gestatten.

(Patrick Döring [FDP]: Sehr gut! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Völlig fern!)
– Wir sind uns einig, dass eine solche fehl am Platze wäre.

Selbstverständlich ist die verbindliche Auslegung von gesetzlichen Bestimmungen Sache der Justiz. Das macht sie in einzelnen Fällen, und das respektieren wir.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Oppermann, bitte.

Thomas Oppermann (SPD):
Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, dass die Bundesregierung die Rechtsprechung der Gerichte respektiert. Das nenne ich einen Fortschritt. Das ist ja nicht immer so.

(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das ist eine Unterstellung! – Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Was soll das?)

Die Vorschriften der Strafprozessordnung, um die es hier geht – §§ 100 a und 100 b StPO –, sind in einer Zeit geschaffen worden, in der wir Skype-Telefonie über Computer und Internet noch nicht kannten. Das Bundesverfassungsgericht hat bei der Formulierung des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und auf Sicherheit informationstechnischer Systeme Wert darauf gelegt, dass ein Eingriff in diese Grundrechte nur aufgrund von präzisen, bereichsspezifischen Regelungen und nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen kann. Sehen Sie vor diesem Hintergrund nicht einen grundlegenden Regelungsbedarf in der Strafprozessordnung? Sie haben gesagt, dass Sie die Rechtsprechung respektieren und die Rechtssituation prüfen wollen. Wie wahrscheinlich ist es, dass diesbezüglich ein Vorschlag für eine Neuregelung von Ihnen vorgelegt wird?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Oppermann, die von mir zitierte amts- und landgerichtliche Rechtsprechung datiert aus der Zeit nach der wichtigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2008 und setzt sich demgemäß natürlich mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auseinander. Wie Sie wissen, wird von den Gerichten für das Aufspielen der Software eine sogenannte Annexkompetenz in Anspruch genommen, die die Möglichkeiten der Telekommunikationsüberwachung von Internettelefonie nach §§ 100 a und 100 b StPO ermöglichen soll.

Herr Kollege Montag hat darauf hingewiesen, dass in der Literatur andere Auffassungen vertreten werden. Das ist völlig richtig. Beispielsweise wird aber von Meyer-Goßner, wenn ich das richtig im Kopf habe, im Standardkommentar von Kleinknecht, aber auch von Armin Nack im Karlsruher Kommentar diese Rechtsprechung befürwortet. Wie so oft in der Juristerei gehen die Positionen also auseinander.

Mir kommt es jetzt auf Folgendes an, Herr Kollege Oppermann – ich habe vorhin versucht, das darzustellen –: Wenn wir durch Vorgänge wie jetzt in Landshut Kenntnis davon bekommen, dass Software eingesetzt wird, bei der man zumindest Bedenken haben kann, ob das so richtig ist – vom Landgericht Landshut ist sogar in zweiter Instanz eine Beanstandung erfolgt –, dann ist es doch richtig, dass wir – dies hat Burkhard Hirsch immer gefordert, als er noch Mitglied des Deutschen Bundestages war – unsere Normsetzung an der Rechtswirklichkeit orientieren, dass wir uns von den Innenministern des Bundes und der Länder die Sachlage und die Software, die eingesetzt wird, genau darstellen lassen

(Signalton)

– ich komme gleich zum Ende, Frau Präsidentin; ein ganz wichtiger Aspekt noch – und dass wir eine Antwort auf die Frage suchen, ob es überhaupt möglich ist, eine sozusagen treffsichere Software zu installieren, die nicht über das Mithören der laufenden Kommunikation hinausgeht.

All diese Fragen müssen jetzt im Tatsächlichen geklärt werden. Dann werden wir entscheiden, ob es bei den bestehenden Vorschriften bleiben kann oder ob – das beträfe nicht nur die StPO, sondern auch andere Materien, bei denen sich ähnliche Probleme stellen – Präzisierungen, Einschränkungen, Änderungen erforderlich sind. Das ist die richtige Reihenfolge: Wir müssen erst den Sachverhalt klären, und dann können wir Entscheidungen treffen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ströbele, bitte.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Stadler, Sie haben es vorhin abgelehnt, die Aussagen des Kollegen Uhl zu kommentieren oder zu interpretieren. Sind Sie denn bereit, Ihre eigenen Aussagen zu interpretieren? Ich habe Sie heute Morgen im Radio gehört. Da haben Sie Ähnliches wie gerade eben gesagt, nur haben Sie es dort mehr auf den Punkt gebracht. Sie sagten – so habe ich Sie jedenfalls verstanden –, dass auch Sie bei der Anwendung der Quellen-TKÜ, also des Trojaners, der nur mithört, Bauchschmerzen haben, weil Sie darin die Gefahr sehen, dass das zu Weiterem führen kann. Sie haben vorgeschlagen, dass man – so haben Sie es jetzt gerade auch gesagt – ganz konkret im Einzelnen überprüfen soll, ob ein Trojaner überhaupt notwendig ist

(Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär: Ja!)

oder ob man ihn nicht durch andere Technik, die all diese bösen, verbotenen Sachen macht, ersetzen sollte.

Jetzt frage ich Sie: War das, was Sie heute Morgen im Radio erzählt haben, Ihre Meinung, oder ist das die Meinung der Bundesregierung? Wenn es die Meinung der Bundesregierung ist, dass nur „kein Trojaner“ ein sicherer Trojaner ist, kann ich dann daraus schließen, dass Sie andere Technik einsetzen wollen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Ströbele, zunächst freut es mich, dass Sie einen so schönen Start in den heutigen Tag hatten

(Heiterkeit)

und in aller Frühe ein Interview von mir gehört haben, in dem ich die Dinge angeblich noch besser auf den Punkt gebracht habe als hier. Den Eindruck hatte ich selber nicht.

(Heiterkeit)

Sie haben zu Recht eine wichtige Passage aus dem Interview zitiert. Ich beziehe mich auf einen Aufsatz von Dr. Frank Braun aus Passau. Er war Assistent bei Professor Heckmann. Professor Heckmann ist den Innen- und Rechtspolitikern als Internetexperte bekannt und war bereits vielfach als Sachverständiger im Deutschen Bundestag eingeladen. Sein früherer Assistent Frank Braun schreibt in einem Aufsatz, der am 15. Oktober 2011, also erst vor kurzem, erschienen ist, dass man sehr wohl in die Gesamtbetrachtung einbeziehen müsse, ob es grundrechtsschonendere Möglichkeiten der Überwachung des laufenden Kommunikationsverkehrs gebe. Er bezieht sich darauf, dass bei manchen Anbietern eine technische „Hintertür“, eine Backdoor, wie man wohl sagt, vorhanden sei, sodass man unter Nutzung dieser Hintertür Kommunikation mithören könne, ohne Software auf einen fremden Computer aufzuspielen.

Da im Grundrechtsschutz immer das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und damit das Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs gilt, ist diese Erwägung in die Überlegungen einzubeziehen, hängt aber in ihrer Realisierung wieder davon ab, ob dies technisch und praktisch überhaupt möglich ist. So wollte ich verstanden werden.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das Ihre Auffassung oder die der Bundesregierung?)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt bin ich mir nicht sicher, ob sich Herr Lischka vorhin gemeldet hat. – Das hat er. Dann sind Sie jetzt an der Reihe.

(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hatte mich lange vor Herrn Lischka gemeldet!)

Burkhard Lischka (SPD):
Herr Staatssekretär, wie bewertet das Bundesjustizministerium die rechtliche Zulässigkeit von sogenannten Screenshots im Rahmen einer Quellen-TKÜ? Sehen Sie in dem juristischen Streit zwischen der Bayerischen Staatsregierung und dem Landgericht Landshut, den wir seit einigen Tagen verfolgen können, nicht einen Anlass, die entsprechende Vorschrift des § 100 a StPO zu präzisieren?
 
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Lischka, das ist wieder ein Beispiel für das, was ich als unsere Grundlinie angegeben habe. Wir werden mit Lebenssachverhalten konfrontiert, die sich außerhalb unseres Zuständigkeitsbereichs zugetragen haben. Die Verantwortung für die Durchführung von Überwachungsmaßnahmen im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Landshut trägt die dortige Staatsanwaltschaft, tragen die dortigen Gerichte. Die Zuständigkeit liegt dann beim Bayerischen Staatsministerium der Justiz oder beim bayerischen Innenminister, der übrigens erklärt hat, dass er diese Trojaner nicht mehr einsetzen wird. Ich halte das für eine gute Entscheidung. Sie ist richtig, solange wir uns in der Phase der Lagebilderstellung befinden.

In der Entscheidung des Landgerichts Landshut ist die Erstellung von Screenshots für unzulässig erklärt worden. Dem ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen. Ob § 100 a StPO irgendwann einmal präzisiert werden muss, wollen wir nach der Auswertung der Sachverhalte entscheiden. Dann können wir diese rechtliche Debatte fortsetzen.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Vielen Dank. – Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Wieland.

Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank. – Herr Kollege Stadler, ich habe Ihr Interview heute Morgen nicht gehört, denke also, dass ich hinreichend ausgeschlafen bin.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Trotz dieses Zustandes habe ich eines nicht verstanden: Sie haben erklärt, es gebe für die Quellen-TKÜ eine ausreichende Rechtsgrundlage; so weit die Rechtsprechung. In der Frage, die ich Ihnen stellen möchte, geht es um Ihr Haus, also nicht um niederbayerische Gerichte, die im Übrigen unsere Hochachtung haben. Ich sage ausdrücklich, auch im Namen des Kollegen Montag: Das Landgericht Landshut, wenngleich in Niederbayern gelegen, hat unsere Hochachtung dafür, wie es entschieden hat. Aber in meiner Frage geht es, wie gesagt, um Ihr Haus. Mir ist heute im Innenausschuss – ich habe es bereits gesagt – wehklagend berichtet worden, dass Ihr Haus dem Generalbundesanwalt verbietet, eine Quellen-TKÜ durchzuführen. Wenn es dafür eine ausreichende Rechtsgrundlage gibt, weshalb verbieten Sie dann dem obersten Ankläger, eine solche durchzuführen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Lieber Herr Kollege Wieland, ich habe vorhin präzise gesagt – das kann man im Protokoll nachlesen –, dass die Bundesministerin der Justiz diese Rechtsprechung respektiert.

(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist keine Antwort!)

Beim Generalbundesanwalt gab es nur einen einzigen Vorgang, der einschlägig ist. Er hat sich so zugetragen, dass die Staatsanwaltschaft in einem Bundesland gegen vier Beschuldigte Beschlüsse erwirkt hat, eine Quellen-TKÜ durchzuführen. Gegen zwei Beschuldigte wurde von dieser Staatsanwaltschaft eines Bundeslandes mit dem Vollzug dieser Beschlüsse begonnen. In einem dritten Fall kam es aus bestimmten Gründen nicht dazu; dann hat der Generalbundesanwalt den Fall übernommen. Er hatte zu entscheiden, wie im Hinblick auf den vierten Beschuldigten zu verfahren ist. Er hat seine Entscheidung, auf die Durchführung einer Quellen-TKÜ zu verzichten, autonom getroffen. Weitere Vorgänge sind mir nicht bekannt.

(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also weiß Deutschlands oberster Polizist nicht, dass die Quellen-TKÜ vom Generalbundesanwalt erwünscht ist? Das muss ja dann so sein!)

Vizepräsident Eduard Oswald:
Das war noch ein Kommentar des Kollegen Wieland. – Die nächste Frage stellt der Kollege Volker Beck.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, an Ihrer ausweichenden Antwortstrategie merkt man, dass Ihnen bei Ihrer Position – nach dem Motto „Das reicht irgendwie aus“ – nicht ganz wohl ist. Ich finde, das ist sehr nachvollziehbar. Natürlich mag es sein, dass, wenn es um das eigentliche Abhören geht, die §§ 100 a und 100 b StPO einschlägig sind. Aber der Vorgang zuvor, auf den auch Jerzy Montag Bezug genommen hat, nämlich das Installieren einer Software, greift in ein vom Bundesverfassungsgericht gerade im Hinblick auf das Internet neu geschaffenes Grundrecht ein: in das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.

In Grundrechte kann man zwar ausnahmsweise eingreifen, aber nur auf der Grundlage eines Gesetzes. Deshalb frage ich mich, warum wir das erst für die Gefahrenabwehr schaffen, dann aber durch eine Annexkompetenz locker und frei aus den §§ 100 a und 100 b StPO etwas schöpfen, was im Gesetz nicht vorgesehen ist. Das wird in der Literatur ja auch zu Recht umfangreich kritisiert.

Wenn man das hier kodifiziert: Müsste man dann nicht vielleicht auch in Rechnung stellen, dass die Telefonie über das Internet womöglich einen intimeren Kommunikationsvorgang darstellt, weil hier durch die Unterstützung von Kameras usw. weitere Kommunikationsebenen eröffnet werden, und deshalb einen höheren Schutz braucht, als dies in den Normen zur Telefonüberwachung in der Strafprozessordnung geregelt ist?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Beck, um das einmal ganz deutlich zu sagen, weil wir auf diese Punkte bisher noch nicht zu sprechen gekommen sind: Ich hielte es für unzulässig, wenn beispielsweise Mikrofone oder Kameras von außen bedient würden. Ich hielte es selbstverständlich auch für unerträglich, wenn der Inhalt eines Computers von außen manipuliert würde.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht meine Frage! Das ist selbstverständlich! Das ist nicht die Frage!)

– Ja, aber ich darf das doch erwähnen, damit hier kein schiefer Eindruck entsteht.

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Positiv! Gut!)

Die Gerichte, deren Rechtsprechung ich zitiert habe, nehmen für sich in Anspruch, wie ich schon mehrfach ausgeführt habe, dass sie ihre Entscheidungen nicht etwa ohne gesetzliche Grundlage, sondern in Auslegung der bestehenden Vorschriften in der StPO treffen. Wie ich auch schon dargelegt habe, entnehmen sie daraus eine Annexkompetenz.

Für mich ist es wichtig, dass daraus in der Praxis nicht etwa die Befugnis abgeleitet wird, zusätzliche Maßnahmen, die über das Abhören der laufenden Telekommunikation hinausgehen, als gedeckt anzusehen. Ich habe es schon gesagt: Es gilt jetzt, die Technik genau darzustellen und von den Innenministern einen klaren Bericht darüber zu bekommen. Dann kann man entscheiden, ob man gesetzliche Restriktionen braucht oder ob die Auslegung der bestehenden Vorschriften reicht.

Ich darf bei dieser Gelegenheit vielleicht noch darauf aufmerksam machen, dass in den Bundesländern hinsichtlich des Polizeirechts unterschiedlich verfahren wird. Einige Bundesl��nder, wie etwa Rheinland-Pfalz, haben eine Spezialnorm für die Quellen-TKÜ im Polizeirecht, andere, wie beispielsweise Baden-Württemberg, haben sie nicht. Das zeigt, dass diese Debatte dort unterschiedlich gesehen wird.

Wir werden unsere Entscheidung in absehbarer Zeit zu treffen haben. Darauf kommen wir ja zurück; das habe ich zugesagt.


Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften beim Einsatz des sogenannten Trojaners

Fragestunde Protokoll Nr. 132 vom 19. Oktober 2011

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen der Abgeordneten Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7311, Fragen 55 und 56):

Welche Schritte will die Bundesregierung unternehmen, um Rechts- und Verfassungsverstöße durch den Einsatz des sogenannten Trojaners in Zukunft zu verhindern?

Wie kann die Justiz künftig kontrollieren, wie ihre Anforderungen technisch umgesetzt werden?


Zu Frage 55:
Die Frage, in welchem Umfang bundesweit Software zum Einsatz gekommen ist, mit der eine Quellen-Telekommunikation durchgeführt werden kann, ist Gegenstand einer intensiven Prüfung durch die Bundesregierung, die noch nicht abgeschlossen ist. Dabei wird auch aufzuklären sein, über welche technischen Möglichkeiten diese Software insgesamt verfügt und ob diese den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2008 zur Onlinedurchsuchung Rechnung trägt.

Erst nach Abschluss dieser Prüfung wird die Bundesregierung über Inhalt und Umfang möglicher Konsequenzen entscheiden.

Zu Frage 56:
Der Justiz stehen bereits heute umfassende Kontrollmöglichkeiten zur Verfügung. So hat etwa die zuständige Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, sich über sämtliche technische Funktionen der zur Verwendung kommenden Software bei der ermittelnden Dienststelle zu informieren und in Zweifelsfällen eine gutachterliche Stellungnahme einzuholen. Auch den anordnenden Gerichten bleibt es unbenommen, sich bei den Strafverfolgungsbehörden über die konkreten Einsatzmöglichkeiten der verwendeten Software zu erkundigen und das Ergebnis dieser Auskunft in ihre Entscheidungen einfließen zu lassen. § 100 b Abs. 4 Satz 2 StPO sieht zudem vor, dass das anordnende Gericht nach Beendigung einer Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme über deren Ergebnisse zu unterrichten ist.

Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum

Fragestunde Protokoll Nr. 132 vom 19. Oktober 2011

Abstimmungsstadium des Referentenentwurfs für ein Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln sowie Zeitplan für das weitere Verfahren

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ) (Drucksache 17/7311, Frage 54):

In welchem Abstimmungsstadium zwischen den Bundesministerien befindet sich der Referentenentwurf, Stand: 11. Mai 2011, für ein Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln, und wann wird er zur Stellungnahme an die Verbände weitergeleitet sowie in den Bundestag eingebracht?

Die Abstimmung eines Referentenentwurfs für ein Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln dauert innerhalb der Bundesregierung noch an.

Das Bundesministerium der Justiz hat zunächst die Stellungnahmen der Ressorts ausgewertet und auf dieser Grundlage einzelne Regelungsvorschläge im Ressortkreis erörtert. Darüber hat das Bundesministerium der Justiz die bekannt gewordenen Stellungnahmen zu dem Entwurf in der Fassung vom 11. Mai 2011 geprüft. Diese Arbeiten sind weitgehend abgeschlossen. Es ist deshalb beabsichtigt, nach Herstellung des Einvernehmens mit den Ressorts den Ländern und interessierten Kreisen eine überarbeitete Fassung des Referentenentwurfs zur Stellungnahme zu übersenden.

Nach Auswertung der dann eingehenden Stellungnahmen und nach Abschluss der Ressortabstimmung wird das Bundesministerium der Justiz den Regierungsentwurf vorbereiten. Die Bundesregierung wird nach Beschlussfassung durch das Kabinett den Regierungsentwurf Bundesrat und Bundestag zuleiten.

Europäischer Haftbefehl gegen den Chef des mongolischen Geheimdienstes Bat Khurts

Fragestunde Protokoll Nr. 132 vom 19. Oktober 2011

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/7311, Frage 53):

Was ist der Bundesregierung – insbesondere Bundesministerium der Justiz und Bundeskanzleramt – bekannt über die Gründe, die dazu geführt haben, dass Mitte September 2011 der vom Generalbundesanwalt erwirkte Europäische Haftbefehl gegen den Chef des mongolischen Geheimdienstes Bat Khurts aufgehoben sowie dieser freigelassen wurde und prompt in die Mongolei ausreiste, nachdem er aufgrund jenes Haftbefehls im September 2010 in London verhaftet, Ende Juli 2011 nach Deutschland ausgeliefert sowie am 4. August 2011 vom Generalbundesanwalt vor dem Kammergericht angeklagt worden war wegen Verschleppung und gefährlicher Körperverletzung, weil Bat Khurts den mongolischen Staatsangehörigen D. Enkhbat, im Mai 2003 aus Frankreich entführt, nach Deutschland verschleppt, mit Drogen betäubt, in einen Rollstuhl gefesselt durch die Kontrollen des Berliner Flughafens Tegel geschleust sowie in die Mongolei ausgeflogen haben soll, wo das Opfer inhaftiert, gefoltert sowie nach Haftentlassung gestorben ist, und hat die Bundeskanzlerin bei ihrem Besuch am 12. Oktober 2011 in der Mongolei, bei dem ein Lieferabkommen über „kritische Rohstoffe“ unterzeichnet wurde und mit dem in den mongolischen Medien die überraschende Freilassung in Zusammenhang gebracht wurde, gegenüber der mongolischen Regierung darauf gedrungen, dass Bat Khurts nach Eröffnung des Hauptverfahrens am Kammergericht seiner Ladung zur Hauptverhandlung nachkommt?

Zum ersten Teil Ihrer Frage kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Der Generalbundesanwalt ermittelt seit Jahren gegen den mongolischen Staatsangehörigen B. K. wegen Verschleppung und gefährlicher Körperverletzung. Am 30. Januar 2006 hat der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof einen Haftbefehl erlassen, der zur Grundlage des Europäischen Haftbefehls wurde und damit das Auslieferungsverfahren in Gang setzte. Der Beschuldigte wurde am 17. September 2010 im Vereinigten Königreich festgenommen und am 19. August 2011 nach Deutschland überstellt. 

Der Generalbundesanwalt hat am 4. August 2011 vor dem Staatsschutzsenat des Kammergerichts in Berlin Anklage erhoben. Auf eine Haftbeschwerde des Angeschuldigten hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 16. September 2011 den Haftbefehl aufgehoben und die sofortige Freilassung des Angeschuldigten angeordnet. Der Generalbundesanwalt hat sich in seiner Stellungnahme zuvor gegen eine Aufhebung des Haftbefehls ausgesprochen. Der Angeschuldigte hat anschließend Deutschland verlassen und ist in die Mongolei zurückgekehrt.

Dem Haftbefehl und der Anklage liegt folgender vom Generalbundesanwalt ermittelte Tatvorwurf zugrunde, wie Sie auch einer hierzu veröffentlichten Pressemitteilung des Generalbundesanwalts vom 23. August 2011 entnehmen können:

„Als Angehöriger des mongolischen Geheimdienstes und zugleich Diplomat an einer Botschaft in Europa erhielt der Angeschuldigte im Jahr 2003 den Auftrag, seinen in Frankreich lebenden Landsmann D. in die Mongolei zu verschleppen. D. sollte der mongolischen Öffentlichkeit als Mörder des im Jahr 1998 in Ulan Bator getöteten Politikers Zorig Sanjasuuren präsentiert werden. Anhaltspunkte für seine Täterschaft gab es allerdings nicht. Zusammen mit weiteren Angehörigen des mongolischen Geheimdienstes lockte der Angeschuldigte den arglosen D. auf einen Parkplatz in Le Havre, überwältigte ihn und brachte ihn mit einem Auto zunächst in die Mongolische Botschaft in Brüssel, dann in die Botschaft in Berlin. Wenige Tage später fuhren sie den seit dem Zwischenhalt in Brüssel wiederholt mit Betäubungsmitteln ruhig gestellten D. zum Flughafen Tegel. Dort wurde er betäubt, in einem Rollstuhl fixiert und gefesselt als angeblich verletzter mongolischer Diplomat durch die Flughafenkontrollen geschleust. Anschließend flog der Angeschuldigte mit ihm in die Mongolei, wo D. in Haft genommen wurde. Er sollte zugeben, Sanjasuuren ermordet zu haben. Trotz ihm gegenüber angewandter rechtsstaatswidriger Vernehmungsmethoden nahm D. die Tat nicht auf sich. Das Verfahren gegen ihn wegen seiner angeblichen Beteiligung am Attentat an Zorig Sanjasuuren wurde im November 2003 eingestellt. D. ist im April 2006 aus Strafhaft in anderer Sache entlassen worden und noch im gleichen Monat verstorben.“

Der Generalbundesanwalt hat dieses Tatgeschehen rechtlich als Verschleppung gemäß § 234 a Abs. 1 StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 StGB gewertet, wobei eine Zuständigkeit der Bundesjustiz im Hinblick auf den angenommenen Tatbestand der Verschleppung, § 234 a StGB, eröffnet war. Auf dieser rechtlichen Wertung beruhte auch der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und der am 9. Februar 2006 ausgestellte Europäische Haftbefehl, der rechtliche Grundlage für die Auslieferung des Angeschuldigten Khurts aus dem Vereinigten Königreich nach Deutschland war.

In Abkehr von der früheren Wertung im Haftbefehl vom 30. Januar 2006 und einer Entscheidung des Kammergerichts Berlin zur Aufrechterhaltung des Haftbefehls direkt nach der Überstellung vom 19. August 2011 hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16. September 2011 das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts bezüglich der dem Beschuldigten vorgeworfenen Verschleppung, § 234 a StGB, abgelehnt. Die weiteren Einzelheiten ergeben sich aus den Gründen des Beschlusses, der in der Entscheidungsdatenbank des Bundesgerichtshofes unter dem Aktenzeichen StB 11/11 veröffentlicht ist.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage:
Der Fall Bat Khurts war nicht Gegenstand der Gespräche der Bundeskanzlerin in der Mongolei.

Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

Fragestunde - Protokoll Nr. 116 vom 29.06.2011

Vorlage des Gesetzentwurfs zur Ratifizierung des Protokolls Nr. 12 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten beim Deutschen Bundestag

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ) (Drucksache 17/6273, Frage 84):

Wann genau – angesichts der Absichtserklärung „in Kürze“ auf Bundestagsdrucksache 17/5315 – beabsichtigt die Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Ratifizierung des Protokolls Nr. 12 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten SEV Nr. 177, gezeichnet am 4. November 2000, vorzulegen, und welche Ergebnisse der mehr als zehnjährigen Beobachtung des weiteren Fortgangs der Ratifizierung durch andere Staaten und der Entwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach dem Inkrafttreten des Protokolls (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/5315) führten die Bundesregierung dazu, das Protokoll nun in Kürze ratifizieren lassen zu wollen?

Der Bericht der Bundesregierung über den Stand der Zeichnung und Ratifikation europäischer Konventionen ist traditionell in drei Gruppen gegliedert: Abkommen, die ratifiziert sind oder ratifiziert werden sollen, solche, bei denen noch eine längere Prüfung bevorsteht und solche, bei denen keine Ratifikation beabsichtigt ist. Das 12. Protokoll zur EMRK war von Anfang an in Gruppe 1 eingegliedert, da die Bundesregierung davon ausging, dass relativ bald Rechtsprechung des EGMR dazu vorliegen würde, die eine Entscheidung über die Ratifikation ermöglicht hätte. Solche Rechtsprechung lässt aber immer noch auf sich warten. Insofern hat sich mit dem aktuellen Bericht keine veränderte Situation ergeben. Eine Verschiebung in Gruppe 2 hätte als Signal dafür missgedeutet werden können, dass die Bundesregierung der Ratifikation des Protokolls nunmehr skeptischer gegenübersteht. Das ist nicht der Fall; die Haltung der Bundesregierung ist unverändert.


Zulässigkeit der Speicherung von Verkehrsdaten aus Funkzellenabfragen

Fragestunde - Protokoll Nr. 116 vom 29.06.2011


Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 (Az. 1 BvR 256/08; 1 BvR 263/08; 1 BvR 586/08) die Zulässigkeit der Speicherung von Verkehrsdaten aus Funkzellenabfragen für die Dauer von bis zu sechs Monaten?


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ) (Drucksache 17/6273, Frage 83):
Das geltende Recht sieht eine bestimmte Frist für die Aufbewahrung von Verkehrsdaten, die aus einer Funkzellenabfrage gewonnen wurden, nicht vor.

Verkehrsdaten dürfen unter den Voraussetzungen des § 100 g Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung, StPO, aufgrund richterlicher Anordnung, nach § 100 g Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 100 b Abs. 1 und 2 StPO, durch eine Funkzellenabfrage erhoben werden. Sind die durch diese Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten zur Strafverfolgung und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr erforderlich, sind sie nach § 101 Abs. 8 Satz 1 StPO unverzüglich zu löschen.

Das von Ihnen in Bezug genommene Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 betrifft die Vorratsdatenspeicherung. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit unter anderem ausgeführt, dass eine Speicherungsdauer von sechs Monaten angesichts des Umfangs und der Aussagekraft der gespeicherten Vorratsdaten sehr lang ist und an der Obergrenze dessen liegt, was unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten rechtfertigungsfähig ist, Absatz-Nr. 215. Dies bezieht sich indessen auf anlasslos gespeicherte Vorratsdaten. Bei der Funkzellenabfrage werden die Daten hingegen nicht anlasslos, sondern anlassbezogen aufgrund des konkreten Verdachts einer erheblichen Straftat während eines bestimmten Zeitraums erhoben und für Strafverfolgungszwecke ausgewertet und gegebenenfalls verwertet. Hierfür gilt keine Sechsmonatsfrist, sondern die bereits dargestellte Vorgabe des § 101 Abs. 8 StPO, dass die Daten unverzüglich zu löschen sind, sobald sie zur Strafverfolgung sowie für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr benötigt werden.


Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz bei einem unmittelbaren Wechsel ausscheidender Richter

Fragestunde - Protokoll Nr. 113 vom 08.06.2011

Mündliche Fragen 77 und 78 Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sieht die Bundesregierung bei einem unmittelbaren Wechsel von ausscheidenden Richterinnen und Richtern bei Gericht hin zu im gleichen Zuständigkeitsbereich tätigen Anwaltskanzleien, was laut Medienberichten häufiger auftritt (vergleiche den Spiegel vom 30. Mai 2011: „Bundesgerichtshof – Wertvolle Verstärkung“), ein Problem für die Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz?

Ich bitte Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Max Stadler, um Beantwortung.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Präsident! Herr Kollege Montag, die Rechtsprechung wird in der Bundesrepublik Deutschland bekanntlich in voller richterlicher Unabhängigkeit ausgeübt. Dies garantiert Art. 97 des Grundgesetzes. Damit ist die Unabhängigkeit der Richter als zentrale Voraussetzung einer rechtsstaatlichen Rechtsprechung garantiert. Ein Richter, der aus dem richterlichen Dienst ausgeschieden und als Anwalt oder in beratender Funktion in einer Kanzlei tätig ist, übt jedoch gerade keine rechtsprechende Gewalt mehr aus. Insofern ist durch eine solche Konstellation die richterliche Unabhängigkeit unmittelbar nicht betroffen. Zudem schützt die zitierte Vorschrift des Art. 97 Grundgesetz davor, dass aus dem staatlichen Bereich, insbesondere von den anderen Staatsgewalten, auf einen Richter eingewirkt wird. Darum geht es hier nicht.

Jedoch, Herr Kollege Montag: Interessenkollisionen, wie Sie sie ansprechen, können die Besorgnis der Befangenheit im Einzelfall begründen bei noch aktiven Richtern. Dies können die Verfahrensbeteiligten nach den einschlägigen prozessualen Vorschriften geltend machen. Zudem beugen weitere Regelungen – dazu gehören auch diejenigen zu Dienstverletzungen im Beamtenrecht – solchen eventuellen Interessenkollisionen vor.

Herr Präsident, ich bitte darum, bei dieser Gelegenheit auch die zweite Frage des Kollegen Montag beantworten zu dürfen, weil sich die Nachfragen dann auf den gesamten Komplex beziehen können.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Wenn der Kollege Montag dem zustimmt – ich sehe seinem Gesichtsausdruck an, dass dies der Fall ist –, rufe ich auch die Frage 78 des Kollegen Jerzy Montag auf:

Erwägt die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, entsprechende Vorschriften im Deutschen Richtergesetz, Beamtenstatusgesetz oder ähnlichen Gesetzen klarer fassen zu lassen, um entsprechende Vorfälle künftig zu vermeiden?

Bitte schön.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Hierzu ist zu sagen, dass das geltende Recht bereits Regelungen bereithält, die in einer unserer Meinung nach ausgewogenen Weise das Spannungsverhältnis lösen, nämlich das Spannungsverhältnis zwischen dem auch grundgesetzlich verankerten Recht eines ausgeschiedenen Richters auf eine nachfolgende Berufstätigkeit auf der einen Seite und dem Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Justiz und des öffentlichen Dienstes auf der anderen Seite.

Hierfür gibt es verschiedene Regelungen. Beispielsweise § 105 Bundesbeamtengesetz und § 41 Beamtenstatusgesetz, die über Verweisungen entsprechend auch für Richterinnen und Richter gelten, begründen eine Anzeigepflicht für Ruhestandsbeamte mit Versorgungsbezügen. Danach müssen diese beim Ausscheiden mit der Regelaltersgrenze innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren – ansonsten innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren – jede Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes anzeigen, die mit der dienstlichen Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Beendigung des Beamtenverhältnisses in Zusammenhang steht und durch die dienstliche Interessen beeinträchtigt werden können. Ist zu besorgen, dass dienstliche Interessen beeinträchtigt werden, dann ist die Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung zu untersagen.

Ich komme zum letzten Punkt der etwas umfangreichen Antwort: Auch das anwaltliche Berufsrecht enthält für den Fall einer anschließenden anwaltlichen Tätigkeit Vorkehrungen in Form von Tätigkeitsverboten. Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO darf ein Rechtsanwalt nicht tätig sein, wenn er in derselben Rechtssache als Richter bereits tätig geworden ist.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Kollege Montag, jetzt haben Sie natürlich auch die entsprechende Menge an Zusatzfragen. Bitte schön.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke, Herr Präsident. Davon bin ich selbstverständlich ausgegangen, weswegen ich der Zusammenlegung der beiden Fragen nonverbal zugestimmt habe. – Herr Staatssekretär, ich danke für Ihre umfangreiche Antwort, die eine kleine Vorlesung des geltenden Rechts war, das mir – davon können Sie selbstverständlich ausgehen – bekannt ist.

Mir geht es um etwas anderes. Es geht mir um die politische bzw. rechtspolitische Situation, vor der wir aktuell stehen. Im letzten Spiegel hat sie der Präsident des Bundesgerichtshofs, Herr Tolksdorf, selbst als ein Problem dargestellt. Er hat gesagt:

… bereits der Anschein von mangelnder Neutralität schadet dem Ansehen des Gerichts und damit der Akzeptanz seiner Rechtsprechung …

In diesem Artikel, Herr Kollege Stadler, sind drei Fälle genannt worden. Ich kenne diese Richter überhaupt nicht. Diesen Richtern werfe ich auch subjektiv und persönlich gar nichts vor. Mir geht es nur um den bösen Schein und um die Akzeptanz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Das ist ein wirklich hohes Gut. In dieser Situation ist es so, dass ein Vorsitzender Richter eines Senats, der sich über Jahre hinweg mit Versicherungsfragen beschäftigt hat, direkt nach seiner Pensionierung in eine internationale Anwaltskanzlei gewechselt ist, die auf der Seite der Versicherungsgesellschaften seit Jahren in seinem Senat aufgetreten ist, und nun als Mitglied dieser Kanzlei für diese Mandanten Gutachten erstellt und Prozessvertretungen macht. Noch schlimmer: Der zweite Richter war Vorsitzender eines Senats für Aktienrecht und ist einen Tag nach seinem Ausscheiden aus dem Richterdienst in eine international tätige Anwaltskanzlei eingetreten, die seit Jahren vor dem Bundesgerichtshof – vor seinem Senat – Fälle verhandelt hat.

Mich interessiert dieser konkrete Fall, nicht die allgemeine Rechtslage. Deswegen habe ich an die Bundesregierung die Frage: Warum ist es aufgrund geltenden Rechts nicht möglich, solche Fälle zu unterbinden? Wenn es nicht möglich ist: Was gedenkt die Bundesregierung anzustoßen, damit sich diese Fälle so nicht wiederholen können?

Vizepräsident Eduard Oswald:
Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Montag, wir sprechen über ein Problem, das nicht völlig neu ist, auch wenn es jetzt aktuelle Fälle gibt, über die der Spiegel gerade berichtet hat. Vielmehr geht es im Kern um die Frage: Soll es zulässig sein, dass jemand, der eine berufliche Tätigkeit im öffentlichen Dienst – in diesem Fall im Richteramt – ausgeübt hat, nach dem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst in einem verwandten Bereich anderweitig beruflich tätig wird? – Der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit die Regelung getroffen, dass dies im Grundsatz zulässig ist. Ich habe aber beschrieben – das ist Ihnen natürlich bekannt –, dass es dafür auch Grenzen gibt. Diese brauche ich nicht ein zweites Mal zu zitieren.

Ich glaube, hierbei muss man auch noch verschiedene Sachverhalte unterscheiden. Wenn ein Richter noch im aktiven Dienst tätig ist und beispielsweise schon vorvertragliche Beziehungen zu einer Anwaltskanzlei hat – ich weiß nicht, ob das in den konkreten Fällen so war –, dann ist dies ein Fall, für den das Prozessrecht die Möglichkeit bietet, dass der Richter dies den Prozessparteien anzeigt. Sie haben recht: Schon der Anschein einer Befangenheit muss vermieden werden. Das ist die eine Konstellation.

Die andere Frage lautet: Soll es zulässig oder verboten sein, nach dem Ausscheiden aus dem Dienst eine berufliche Tätigkeit auszuüben? Auch hierzu hat der Gesetzgeber schon immer Überlegungen angestellt; denn das theoretische Problem ist ja alt, nur die praktischen Fälle sind jetzt neu. Der Gesetzgeber hat sich eben nicht dazu entschlossen, eine solche Tätigkeit generell zu verbieten, sondern er hat Regelungen vorgesehen, die ich bereits zitiert haben.

Wenn man an ein generelles Verbot oder an ein zeitlich limitiertes Verbot denken würde, was ja auch in der Diskussion ist, dann müsste man sich gleichzeitig auch Fragen hinsichtlich Art. 12 Grundgesetz – Berufsfreiheit – stellen, auf den sich jemand durchaus stützen kann, der eine solche Tätigkeit ausüben will. Das ist also nicht einfach mit einem Federstrich zu lösen, sondern ich sage: Die Lösung, die der Gesetzgeber gefunden hat, ist eine differenzierte, und wir als Bundesregierung meinen, dass diese ausreicht.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Ihre zweite Frage.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke. – Herr Staatssekretär Stadler, ich habe den Eindruck, dass Sie mir und dem Problem, das wir tatsächlich haben, ausweichen.

Sie wissen ganz genau – wahrscheinlich sogar besser als ich –, dass die Stimmung am Bundesgerichtshof seit Monaten in einem hohen Maße vergiftet ist. Seit vielen Jahren hat es am Bundesgerichtshof keine so schlimme emotionale Situation wie zurzeit gegeben. Die vom Spiegel berichteten drei Fälle sind beileibe nicht alle.

Es geht nicht darum, dass Beamte oder Richter nach dem Ausscheiden aus ihrem Dienst keinen Beruf ausüben dürfen. Das sollen sie natürlich dürfen, und das ist auch vernünftig und ihr verfassungsmäßiges Recht, aber das Grundrecht, das Sie zitiert haben, wird durch gesetzliche Bestimmungen ausgeformt und gestaltet. Wir haben hier ein hohes Gut zu verteidigen, nämlich die Akzeptanz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Deswegen frage ich Sie noch einmal konkret.

Es gibt folgende Fälle – hierbei geht es nicht um alte, sondern um neue, konkrete Fälle, die sich wiederholen können –: Vor bestimmten Senatsvorsitzenden, die viele Jahre in ihrem Senat die Rechtsprechung in einem bestimmten Rechtsgebiet gestaltet haben, haben Anwaltskanzleien seit Jahren um die Rechtsprechung dieses Senates gerungen – das alles geschieht ja im Bereich Zivilrecht; es ist ein enger Closed Shop von 50 Personen –, und einige Tage oder einige Wochen nach Ende ihrer Dienstzeit sind diese Senatsvorsitzenden in die entsprechenden Anwaltskanzleien gewechselt. Dadurch wird doch der böse Schein erweckt, dass der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung nicht unabhängig und objektiv, sondern mit den Interessen der vor ihm auftretenden Parteien verwoben ist. Deswegen frage ich noch einmal: Gedenkt die Bundesregierung irgendetwas zu unternehmen, um in Zukunft den sich aus diesen Fallkonstellationen – nicht aus der Berufstätigkeit allgemein – ergebenden bösen Schein, ein Gericht, das höchste deutsche Gericht, sei nicht mehr unabhängig, zu vermeiden?
 
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Noch einmal, Herr Kollege Montag: Ich widerspreche Ihnen gar nicht, dass dies ein Gebiet ist, dass von allen Akteuren wirklich Fingerspitzengefühl erfordert. Das will ich ganz deutlich im Namen der Bundesregierung sagen. Die aktuelle Debatte, die aufgrund der Berichterstattung eingesetzt hat, mag dazu beitragen, dass alle Akteure stärker für das Thema sensibilisiert werden. Trotzdem muss man zurückweisen, dass die Unabhängigkeit des Gerichtes nicht gegeben sei.

Ich habe nicht ohne Grund darauf verwiesen, dass Fallkonstellationen sehr unterschiedlich gelagert sein können. Man kann doch nicht daraus, dass sich jemand, der vorher mit einer Anwaltskanzlei in keinerlei Beziehung gestanden hat – ich habe die Konstellation genannt, dass kein Vorvertrag oder keine Abrede besteht, dort in absehbarer Zeit einzutreten –, nach Ausscheiden aus dem richterlichen Dienst dafür entscheidet, sein berufliches Wissen in anwaltlicher Tätigkeit weiterhin zu nutzen, den Rückschluss ziehen, dass die richterliche Tätigkeit nicht neutral und unabhängig ausgeübt worden sei.

Nun wird, um auch jeglichen bösen Anschein zu vermeiden – das ist das Anliegen Ihrer Fragestellung –, diskutiert, dass man hier eine Art Karenzzeit von einem Jahr oder zwei Jahren vorsieht. Diese Lösung hätte zweifellos den Vorteil, dass sie einfach handhabbar wäre, während das geltende Recht auf die Situation in Einzelfällen abstellt.

Aber noch einmal: Wir sind ganz am Anfang einer Diskussion. Wir müssen in diese Diskussion auch einbeziehen, dass es eben ein Grundrecht aus Art. 12 des Grundgesetzes gibt und dass wir nach dem Apothekenurteil des Bundesverfassungsgerichts in einer Stufenfolge prüfen müssen, welche Einschränkungen zulässig sind und welche nicht. Man kann nicht am Anfang einer Diskussion sagen: Es ist völlig unproblematisch und zulässig, hier eine Lösung in Form einer Karenzzeit von einem Jahr oder zwei Jahren zu finden.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Bitte schön, Herr Kollege Jerzy Montag, Ihre dritte Nachfrage.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herzlichen Dank für Ihre Antwort. – Immerhin habe ich der etwas verklausulierten Wortwahl entnommen, dass die Idee einer objektiven Karenzzeit von einem Jahr oder zwei Jahren als eine Möglichkeit dazu, wie wir das geltende Recht für das vorliegende Problem schärfen könnten, nicht aus der Welt ist.

Sie haben gesagt: Es liegen keine Vorverträge oder keine Verhandlungen aus der aktiven Zeit vor. – Ich sage Ihnen: Diese vorvertraglichen Verhandlungen – das ist alles bekannt und nicht neu – werden beim gemeinsamen Tennis- und Golfspiel in Karlsruhe angebahnt.

Aber ganz konkret: Der Präsident des Bundesgerichtshofs zeigt sich wegen der aktuellen Situation an seinem Gericht besorgt. Ich zitiere noch einmal Professor Tolksdorf:

… bereits der Anschein von mangelnder Neutralität schadet dem Ansehen des Gerichts und damit der Akzeptanz seiner Rechtsprechung …

Das hat er nicht allgemein gesagt, sondern das hat er auf die aktuellen Vorfälle der letzten Wochen bezogen. Stimmen Sie diesen Aussagen des Präsidenten zu oder nicht?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Montag, zum einen habe ich mich nicht auf konkrete Fälle bezogen, deren Einzelheiten ich gar nicht kenne. Vielmehr habe ich Beispiele für Fallgruppen genannt, die man berücksichtigen muss, wenn man sich der Frage nähert, ob die geltenden Gesetze ausreichen oder ob es Änderungsbedarf gibt.

Zum anderen haben Sie offenbar mehr Kenntnisse darüber, was auf Tennisplätzen alles besprochen wird, als ich. Das will ich jetzt nicht kommentieren; ich will nur sagen: Selbstverständlich enthält auch das Deutsche Richtergesetz eine einschlägige Vorschrift, die ich gerne zitieren möchte – neuerdings darf man im Plenum des Bundestags auch das iPad als technisches Hilfsmittel benutzen –:

Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes … so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird.

Daraus kann man ersehen, dass das Problem, dass es nicht nur um tatsächliche Abhängigkeiten geht, sondern auch der Anschein von Unabhängigkeitsverlusten zu vermeiden ist, dem Gesetzgeber schon immer bewusst war und dass er dafür Regelungen getroffen hat.

Ich habe nur auf eines aufmerksam gemacht: Wenn man nun anhand aktueller Fälle meint, Präzisierungen in den langjährig geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu brauchen, wie Sie es in Ihrer Frage genannt haben, dann ergeben sich neue Probleme, nämlich beispielsweise Abgrenzungsfragen. Sollte einem Richter, der später in einer Anwaltskanzlei tätig ist, beispielsweise für die Dauer von einem oder zwei Jahren jegliche Tätigkeit dort untersagt werden oder nur eine spezielle? Soll also jemand, der, wie Sie es geschildert haben, im Zivilrecht tätig war, künftig nicht als Strafverteidiger tätig sein dürfen?

Das macht deutlich, dass die Fragen nicht so leicht zu beantworten sind, dass es in einer Fragestunde im Deutschen Bundestag schon abschließende Antworten geben könnte. Ich darf unsere Grundposition wiederholen: Wir meinen, dass die geltenden Bestimmungen durchaus geeignet sind, die Probleme zu bewältigen.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Sie haben jetzt Ihre vierte Nachfrage. Bitte schön.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sie wird sehr kurz sein, Herr Staatssekretär Stadler, weil sie sich auf meine dritte, nicht beantwortete Nachfrage bezieht.

Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat die Situation an seinem Gericht, die sich durch einige aktuelle Fälle ergeben hat, und die geltende Rechtslage mit den Worten beklagt, bereits der Anschein von mangelnder Neutralität schade dem Ansehen des Gerichts und damit der Akzeptanz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Stimmen Sie dieser Aussage zu, oder halten Sie sie für falsch?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Montag, ich habe hier nicht Bewertungen des Präsidenten des Bundesgerichtshofs zu kommentieren. Ich darf vielmehr meinerseits aus seinen Äußerungen zitieren. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat auch gesagt, er habe keine Zweifel an der persönlichen Integrität der betreffenden Richter. Damit zitiere ich aus demselben Artikel im Spiegel wie Sie.

Ich wiederhole, dass die ganze Debatte dazu führen möge, dass sich alle Beteiligten der sensiblen Thematik mit dem gebotenen Fingerspitzengefühl nähern. Das ist das Erste, was man erwarten kann. Davon zu unterscheiden ist die Frage – über die wir uns schon längere Zeit austauschen –, ob es Bedarf gibt, Gesetze zu ändern. Das muss sehr sorgfältig geprüft werden, weil man dann zu neuen Abgrenzungsproblemen kommt, auch zu grundrechtlichen Problemen im Zusammenhang mit Art. 12 des Grundgesetzes, und weil schon ein Regelwerk besteht, das sich über die Jahre durchaus bewährt hat.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Wir haben jetzt eine weitere Nachfrage unseres Kollegen Volker Beck.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, dass zumindest der eine Fall, der vom Kollegen Montag geschildert wurde, dass jemand einen Tag nach Beendigung des Richteramtes eine Tätigkeit in einer einschlägigen Anwaltskanzlei aufnimmt, zumindest darauf hindeutet – wenn sie sich nicht am ersten freien Tag morgens zum Tennisspielen getroffen haben –, dass in der Zeit, als der Richter noch im Amt war, er gleichzeitig Vertragsverhandlungen mit seinem zukünftigen Arbeitgeber geführt haben muss, und dass das eine Deutung zumindest als möglich erscheinen lässt, dass in dieser Zeit eine Verpflichtung des Richters zwar noch nicht vertraglicher Art, aber doch künftig gegenüber der Kanzlei bestand und damit der Anschein erweckt werden kann, dass hier die Unabhängigkeit infrage gestellt wird?

Wenn dieser Fall nach der gängigen Rechtslage möglich ist, meinen Sie nicht, dass dann zumindest klar ist, dass wir an der Rechtslage etwas ändern müssen? Was zu ändern ist, können wir in den Fachgremien diskutieren.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Beck, der Vorgang, den Sie zitieren, ist im Spiegel ganz bewusst im Konjunktiv dargestellt. Der Spiegel formuliert in solchen Artikeln immer ganz bewusst und unterscheidet zwischen dem, was man als Tatsachen kennt, und dem, was nur eine Möglichkeit ist. Darauf darf ich doch hinweisen. Da ich dazu keine intimeren Kenntnisse als hier dargestellt habe, versage ich es mir, aus Möglichkeiten Schlussfolgerungen zu ziehen.

Der entscheidende Punkt ist aber ein anderer: Wollen wir, wie es dem geltenden Recht entspricht, weiterhin zulassen, dass jemand auch nach seiner aktiven Zeit im öffentlichen Dienst in einem anderen Beruf, der mit dem früheren durchaus verwandt ist, tätig ist, oder soll dies nicht zugelassen werden, weil Interessenkonflikte bestehen oder ein Verlust des Vertrauens in den öffentlichen Dienst – in dem Fall in ein Gericht – entstehen kann? Wenn man der Meinung ist, dass hier ein Problem besteht, muss man die weitere Frage erörtern, wann die Quantität in Qualität umschlägt. Sie haben in Ihrer Frage den Vorgang erwähnt, dass am Tag nach dem Ausscheiden der Betroffene für eine Anwaltskanzlei tätig geworden sein soll. Wie wäre es, wenn es eine Woche, einen Monat oder zwei Monate später – bei einem anderen Vorgang war es nach eineinhalb Jahren – geschieht? Wo zieht man da die Grenze? Ich will bei Ihnen dafür für Verständnis werben, dass diese Fragen nicht so einfach zu beantworten sind, wie Sie es jetzt mit Ihrer Wortwahl, dass doch alles klar sei, insinuiert haben.

Vizepräsident Eduard Oswald:

Kollege Volker Beck, Sie haben eine weitere Nachfrage.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Es gibt bezüglich der Karenzzeit unterschiedliche Modelle. Es gibt das Modell, das ein Totalverbot vorsieht, und es gibt das Karenzmodell der Europäischen Kommission für ausscheidende Kommissionsmitglieder, das einen Genehmigungsvorbehalt durch ein Gremium vorsieht. Man kann die Modelle unterschiedlich bewerten. Zumindest gegen die Regelung, die den Genehmi-gungsvorbehalt vorsieht, kann man wahrscheinlich verfassungsrechtliche Bedenken nicht vorbringen.

Ich möchte etwas richtigstellen. Vielleicht bin ich der deutschen Grammatik nicht so mächtig, aber ich meine, einen Indikativ zu erkennen. Ich darf zitieren:

Der Vorsitzende Richter am Zweiten Zivilsenat ging am 30. September vorigen Jahres in den Ruhestand. Nur einen Tag später begann er als Berater bei der Wirtschaftskanzlei Gleiss Lutz. Weitere 24 Stunden später hatte er seinen ersten Auftrag. Am 5. Oktober lieferte Goette die vom Fresenius-Konzern bestellte Expertise ab.

Nach meinen grammatikalischen Kenntnissen handelt es sich um indikativische Formulierungen im Imperfekt. Vielleicht hat die Bundesregierung weitergehende grammatikalische Kenntnisse.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Ohne die Duden-Redaktion heranziehen zu müssen – bitte schön.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Beck, meine Äußerung bezog sich auf eine weitere Formulierung im Spiegel, die ich Ihnen wörtlich vortragen darf:

Hätte er schon in jenen Tagen

– gemeint ist, als er noch im richterlichen Dienst war –

einen Vertrag verhandelt oder unterschrieben, wäre – –

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er freilich nicht gemacht! Das hat er am Morgen nach Beendigung des Richteramtes gemacht!)

– Ich bin jetzt mit der Beantwortung dran, Herr Kollege Beck. Ich habe Ihnen aufmerksam zugehört, als Sie die Stellen zitierten, und in der Tat lauter Indikative vorgefunden. – Aber die entscheidende Frage ist doch: Ist die Konstellation eine solche, dass hier ein Vertrauensverlust zu besorgen ist? Ein solcher wird vom Spiegel für den Fall unterstellt, dass schon im Vorhinein ein Vertrag verhandelt worden wäre. Dies ist – das habe ich zum Ausdruck gebracht – im Spiegel ganz bewusst in den Konjunktiv gesetzt worden, weil vermutlich eine tatsächliche Kenntnis darüber auch beim Spiegel nicht vorhanden ist.

Der entscheidende Punkt – da sind wir uns doch alle einig – ist: Mit welchem Modell sichert man das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität der Rechtsprechung? Ich sage noch einmal: Ich habe nicht den geringsten Zweifel an der Unabhängigkeit unserer Gerichte und an der Unabhängigkeit des Bundesgerichtshofs.
 
Es gibt ja jetzt auch schon ein Modell, mit dem das Vertrauen in die Integrität gesichert werden soll; ich habe es vorhin zitiert. Da sich die Diskussion darauf jetzt zuspitzt, darf ich das noch einmal erwähnen: Tätigkeiten nach Beendigung des Dienstverhältnisses als Beamter oder Richter, die mit der früheren Tätigkeit im Zusammenhang stehen und durch die dienstliche Interessen beeinträchtigt werden können, können nach der geltenden Rechtslage untersagt werden. Bei diesem Ansatz hat sich ja der Gesetzgeber – dazu gab es ja keinen parteipolitischen Streit; das ist eine lange bestehende Regelung – etwas gedacht, nämlich dass man der Thematik damit angemessen begegnet.

Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass andere Modelle diskutiert werden. Ich habe mir aber erlaubt, nicht einfach pauschal zu sagen: „Darin liegt das Heil“; viel-mehr habe ich auf Probleme aufmerksam gemacht, die bei anderen Lösungen entstehen würden, Probleme, die wir jetzt so nicht haben. Mit dieser differenzierten Betrachtungsweise gehen wir in die weitere Debatte.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Max Stadler, für die Beantwortung der Fragen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle anderen Fragen, auch die zu anderen Geschäftsbereichen, werden schriftlich beantwortet.
Damit ist die Fragestunde beendet.

Vorlage des Entwurfs für ein Gesetz zur sogenannten Button-Lösung

Fragestunde - Protokoll Nr. 113 vom 08.06.2011

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Tack (SPD) (Drucksache 17/6040, Frage 76):

Wann wird die Bundesregierung, wie mehrfach angekündigt, den Entwurf für ein Gesetz zur sogenannten Button-Lösung beschließen und in das parlamentarische Verfahren einbringen? Die Bundesregierung beabsichtigt, noch in diesem Sommer ein Gesetz gegen Kosten- und Abo-Fallen im Internet zu beschließen und den gesetzgebenden Körperschaften zuzuleiten.

Weil Kosten- und Abo-Fallen nicht zuletzt ein grenzüberschreitendes Problem darstellen, setzt sich die Bundesregierung intensiv für eine europäische Regelung in der Verbraucherrechte-Richtlinie ein, die derzeit in Brüssel verhandelt wird. Diese Verhandlungen haben sich in den letzten Monaten deutlich beschleunigt. Nach aktuellem Stand erscheint eine Verabschiedung der Richtlinie in den nächsten Wochen erreichbar. Im Augenblick ist es daher sinnvoll, das innerstaatliche Gesetzgebungsverfahren erst fortzusetzen, wenn der Regelungsinhalt der Verbraucherrechte-Richtlinie endgültig feststeht. Dies eröffnet die Möglichkeit, den europäischen Vorgaben von vornherein weitgehend Rechnung zu tragen. Das gewährleistet Kontinuität im deutschen Verbraucherrecht. Für die Wirtschaft wird doppelter Anpassungsaufwand vermieden.
Sollten sich die Verhandlungen zur Verbraucherrechte-Richtlinie doch verzögern, beabsichtigt die Bundesregierung, das Gesetz gegen Kosten- und Abo-Fallen unabhängig davon auf den Weg bringen.

Haltung der Bundesregierung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 zur Sicherungsverwahrung

Fragestunde Protokoll Nr. 107 vom 11. Mai 2011

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ) (Drucksache 17/5733, Fragen 56 und 57):

Wie reagiert die Bundesregierung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011, durch das keine sechs Monate nach der Reform durch die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP sämtliche Regelungen der Sicherungsverwahrung im Strafgesetzbuch für verfassungswidrig erklärt wurden?

Wie ist in diesem Zusammenhang die Äußerung der Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, zu verstehen, wonach die „grundlegende Weichenstellung“ der Reform von den Karlsruher Richtern „nicht infrage gestellt“ worden sei und die das Urteil offenbar sogar als eine teilweise Bestätigung der Regierungspolitik sieht (vergleiche ddp-Meldung vom 4. Mai 2011, 13.09 Uhr)?


Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelungen zur Sicherungsverwahrung im Wesentlichen für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, da es durch ihren Vollzug das sogenannte Abstandsgebot verletzt sieht, also die Pflicht, den Vollzug der Sicherungsverwahrung klar vom Vollzug der Strafhaft zu unterscheiden. In seiner Entscheidung aus dem Jahr 2004 (Urteil vom 5. Februar 2004, 2 BvR 2029/01, Leitsatz 2 d und Rn. 125 am Ende) hatte es das Bundesverfassungsgericht noch für ausreichend gehalten, dass die Landesjustizverwaltungen hierfür die Möglichkeiten einer Besserstellung im Vollzug der Sicherungsverwahrung soweit ausschöpfen, wie sich dies mit den Belangen der Justizvollzugsanstalten verträgt. Die Regelung des Vollzugs obliegt dem Landesgesetzgeber, zumal die Länder seit 2006 auch die Gesetzgebungskompetenz für den Straf- und Maßregelvollzug besitzen.

Daran orientierte sich die zum 1. Januar 2011 in Kraft getretene Neuordnung der Sicherungsverwahrung. Sie entsprach damit auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die primär die Länder zur Wahrung des Abstandsgebots verpflichtet sah.

Jetzt mahnt das Gericht Änderungen nicht nur der Vollzugspraxis, sondern auch der normativen Vorgaben an. Grund dafür sind die Wertungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in ihrer Auslegung durch die aktuellen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die das Gericht bei seiner Verfassungsauslegung maßgeblich berücksichtigt. Mit seiner Entscheidung vom 4. Mai 2011 hat das Gericht die Grenzlinien zwischen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und der der Länder bei der Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung erstmals näher definiert. Es nimmt jetzt auch den Bundesgesetzgeber – gemeinsam mit den Landesgesetzgebern – in die Pflicht, ein freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln und normativ festzuschreiben. Dabei sieht es den Bundesgesetzgeber darauf beschränkt, die wesentlichen Leitlinien vorzugeben.

In wesentlichen Weichenstellungen der Neuordnung der Sicherungsverwahrung sieht sich die Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, schon deshalb bestätigt, weil der vom Bundesverfassungsgericht betonte Gedanke des Vertrauensschutzes und das Ultima-Ratio-Prinzip gegenüber der bis dahin geltenden Rechtslage deutlich gestärkt wurden. So hat die Reform die nachträgliche Sicherungsverwahrung im allgemeinen Strafrecht nach § 66 b Abs. 1 und 2 des Strafgesetzbuches, die erst im Jahr 2004 von der seinerzeitigen Regierungskoalition eingeführt worden war, für die Zukunft – Tatbegehung nach dem 31. Dezember 2010 – wieder abgeschafft und den Anwendungsbereich der primären Sicherungsverwahrung wesentlich enger gefasst.

Die Bundesregierung wird jetzt das Urteil eingehend prüfen und ihre Schlussfolgerungen zügig mit den ebenfalls unmittelbar und in erheblichem Umfang betroffenen Ländern erörtern.


Zulässigkeit der Patentierung von Zellprodukten aus abgetriebenen menschlichen Föten

Fragestunde Protokoll Nr. 98 vom 23. März 2011

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/5120, Frage 79):

Ist es nach geltendem Recht – vor dem Hintergrund der Debatte über das sogenannte Brüstle-Patent – zulässig, Zellen bzw. Zellprodukte aus abgetriebenen menschlichen Föten zu patentieren, und wie bewertet die Bundesregierung diesen Sachverhalt?

Dem Europäischen Gerichtshof liegt derzeit das in der Frage erwähnte „Brüstle-Patent“ aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Bundesgerichtshofs zur Entscheidung vor, Rechtssache C-34/10. Dieses Patent betrifft isolierte und gereinigte Vorläuferzellen, die aus menschlichen embryonalen Stammzellen hergestellt und zur Behandlung neurologischer Erkrankungen verwendet werden sollen. Der EuGH wird auf der Grundlage der Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen die Frage zu beantworten haben, ob der Ausschluss von der Patentierbarkeit des menschlichen Embryos alle Entwicklungsstadien menschlichen Lebens von der Befruchtung der Eizelle an umfasst oder zusätzliche Voraussetzungen wie zum Beispiel das Erreichen eines bestimmten Entwicklungsstadiums erfüllt sein müssen. Der EuGH wird auch Stellung nehmen zu der Frage der Patentierbarkeit für den Fall, dass die Durchführung eines Verfahrens die vorherige Zerstörung menschlicher Embryonen oder ihre Verwendung als Ausgangsmaterial umfasst, selbst wenn in der Beschreibung auf deren Verwendung nicht hingewiesen wird. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Entscheidung des EuGH zum „Brüstle-Patent“ sowie das auf dieser Grundlage zu fällende Berufungsurteil des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf die vorgenannten Fragen Rechtssicherheit herstellen wird.


Erweiteter Zugriff der USA auf innerdeutsche Finanztransaktionsdaten

Fragestunde Protokoll Nr. 98 vom 23. März 2011

Erweiterter Zugriff der USA auf innereuropäische und innerdeutsche Finanztransaktionsdaten im Rahmen des SWIFTAbkommens

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Eva Högl (SPD) (Drucksache 17/5120, Fragen 77 und 78):

Seit wann ist dem Bundesministerium der Justiz bekannt, dass die USA nach dem SWIFT-Abkommen auch Zugriff auf innereuropäische – und sogar zu einem geringen Anteil auch auf innerdeutsche – Finanztransaktionsdaten über das System SWIFTNet FIN haben und nur Daten aus dem SEPA-Überweisungssystem vor dem Zugriff geschützt sind?

Warum hat das Bundesministerium der Justiz in den Verhandlungen zum SWIFT-Abkommen mit den USA nicht darauf gedrungen, auch die Daten, die über das System SWIFTNet FIN übertragen werden, vor dem Zugriff durch die USA zu schützen?

Zu Frage 77:
Vorab möchte ich anmerken, dass Zahlungen von Deutschland in einen anderen Mitgliedstaat der EU grundsätzlich als SEPA-Überweisung erfolgen und daher vom TFTP-Abkommen ausgenommen sind. Diese Ausnahme gilt zwar nicht für frühere EU-Zahlungsformen, wie die EU-Standardüberweisung. Da eine SEPAÜberweisung jedoch wesentlich billiger als die früheren EU-Zahlungsformen ist, hat sie diese im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr weitgehend verdrängt. Nach dem Scheitern des sogenannten Interimsabkommens am 11. Februar 2010 im Europäischen Parlament wurde innerhalb des Rates zunächst das Mandat für die weiteren Verhandlungen über das spätere TFTP-Abkommen vorbereitet. Die vom Rat beschlossenen Verhandlungsrichtlinien vom 26. April 2010 für die Verhandlungen mit den USA sahen vor, dass SEPA-Überweisungen von der Übertragung in die USA ausgeschlossen werden. Am Ratsbeschluss über die Verhandlungsrichtlinien hat die Bundesregierung mitgewirkt. Die Ausnahme für SEPA-Überweisungen war allen beteiligten Stellen bekannt.

Zu Frage 78:
Die Bundesregierung hat sich im Vorfeld der Beratungen dafür eingesetzt, die Menge der in die USA zu übertragenden Daten möglichst gering zu halten und hierzu die Übermittlung von Daten an möglichste enge Tatbestandsvoraussetzungen zu knüpfen. Die jetzige Regelung im Abkommen ist das Ergebnis der Verhandlungen zwischen EU und USA.



Weitergabe von Informationen aus deutschen Ermittlungsverfahren an US-Stellen

Fragestunde - Protokoll Nr. 86 vom 26.01.2011

Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ) (Drucksache 17/4493, Frage 9):

Inwieweit treffen Meldungen zu (vergleiche Zeit vom 20. Januar 2011), dass Informationen aus deutschen Ermittlungsverfahren über Aussagen des seit August 2010 in Deutschland inhaftierten Rami M. an US-Stellen geflossen sind, die über die Lage eines islamistischen Ausbildungscamps nahe Mir Ali/Pakistan sowie über dort sich aufhaltende und trainierte Personen aus Deutschland geflossen sind, darunter auch den deutschen Staatsbürger Bünyamin E., die Rückschlüsse auf dessen Aufenthaltsort zuließen und deshalb auch Grundlage der Drohnenangriffe vom 4. Oktober 2010 gewesen sein können, bei denen Bünyamin E. sowie weitere Personen getötet wurden, und dass die Identität dieses deutschen Staatsbürgers für deutsche Sicherheitsbehörden „längst eindeutig“ belegt ist, und sieht die Bundesregierung Anlass, dass die Generalbundesanwältin auf die deswegen im Oktober 2010 erstattete Strafanzeige gegen den CIA-Direktor hin das bisher zur Staatsanwaltschaft Wuppertal verwiesene Vorermittlungsverfahren nun an sich zieht, fortführt und auf alle mitverantwortlichen Deutschen erstreckt?

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler:
Bundeskriminalamt hat zunächst eine Zusammenfassung der ersten Vernehmung des R. M. in Form eines Berichts an seine polizeiliche US-Partnerbehörde am 8. September 2010 weitergeleitet. Insgesamt wurden Abschriften der ersten fünf Vernehmungen an das FBI übermittelt. Die vom BKA an US-Stellen übermittelten Informationen zur polizeilichen Vernehmung des R. M. enthielten keine Aussagen zu Bünyamin E. und auch keine Angaben, die Rückschlüsse auf den Aufenthalt des Bünyamin E. zulassen.

Nach den Informationen, die der Bundesregierung vorliegen, haben sich R. M. und Bünyamin E. in Waziristan nicht getroffen. Denn R. M. wurde bereits am 20. oder 21. Juni 2010 in Pakistan festgenommen, während Bünyamin E. nach vorliegenden Erkenntnissen erst im August 2010 von Deutschland nach Waziristan reiste und nicht vor dem 17. August 2010 in Mir Ali/Pakistan angekommen ist.

Zur Identität der am 4. Oktober 2010 in Mir Ali/Pakistan möglicherweise getöteten Personen verweise ich auf die Antwort der Bundesregierung vom 23. November 2010 (Bundestagsdrucksache 17/3916) und auf die hierzu bereits Anfang November und Ende November 2010 in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegten Hintergrundinformationen. Detailliertere Informationen, die über diese hinaus gehen, liegen bislang nicht vor.

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat wegen des in den Medien berichteten mutmaßlichen Angriffs am 4. Oktober 2010 bei der Stadt Mir Ali einen Prüfvorgang angelegt. Gegenstand der Prüfung ist die Frage, ob Anlass besteht, ein Ermittlungsverfahren wegen eines in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts fallenden Straftatbestandes einzuleiten (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/3786). Diese Prüfung dauert an.






Von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zur nachträglichen Sicherungsverwahrung betroffene Personen

Fragestunde - Protokoll Nr. 86 vom 26.01.2011

Wir kommen zur Frage 11 des Kollegen Jerzy Montag:

Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung in der Frage, wie viele Fälle von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 13. Januar 2011 (Beschwerdenummer 6587/04) betroffen sind, wo zwar nach einigen Medienberichten das Urteil vom 13. Januar 2011 nicht mehr als die 20 Fälle derer betreffen soll, die derzeit in nachträglicher Sicherungsverwahrung sitzen (vergleiche Süddeutsche Zeitung vom 13. Januar 2011), während nach anderen Berichten nicht weniger als „Tausende Strafgefangene“ betroffen sind, die die formellen Voraussetzungen nachträglicher Sicherungsverwahrung auch nach der Reform der Sicherungsverwahrung weiterhin erfüllen (vergleiche Kreuzer, in: Zeit Online vom 14. Januar 2011)?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Montag, bei der in Ihrer Frage angesprochenen Entscheidung vom 13. Januar 2011 handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Sie betrifft die Unterbringung des Beschwerdeführers aufgrund eines Landesgesetzes, das aber bereits im Jahr 2004 vom Bundesverfassungsgericht wegen eines Verstoßes gegen Kompetenznormen für verfassungswidrig erklärt wurde. Zufällig handelt es sich im Übrigen um einen Fall, der seinen Ausgang beim Landgericht Passau genommen hatte, dem ich früher angehört habe. Mit den Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung im Strafgesetzbuch nach § 66 b StGB befasst sich die Entscheidung dagegen nicht, sodass keine weiteren Fälle unmittelbar betroffen sind.
 
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Montag, Sie haben eine Nachfrage? – Bitte sehr.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Stadler, ich muss Sie korrigieren: In dem betreffenden Fall M. ging es erstmals um eine Entscheidung über Sicherungsverwahrung nach bayerischem Recht, aber zu diesem Zeitpunkt ging es um eine Entscheidung über eine nachträgliche Sicherungsverwahrung nach altem Recht; denn inzwischen war der Strafgefangene bzw. Sicherungsverwahrte schon übergeführt worden.
Aber das war nicht der Sinn und auch nicht der Wortlaut meiner Frage. Auf meine Frage haben Sie nicht geantwortet. Bei der Frage 11, jedenfalls nach meiner Liste, ging es um Folgendes: Die Bundesregierung hat die nachträgliche Sicherungsverwahrung zum 1. Januar 2011 geändert und radikal für die Zukunft zusammengeschnitten. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es sich nach dieser Reform in der Zukunft nur noch um die Fälle von 20 bis 30 Personen handeln wird, die mit dem Problem der nachträglichen Sicherungsverwahrung konfrontiert sein werden? Oder wird es sich um Tausende von Fällen auf Jahrzehnte hinaus handeln, wie in der Presse in den letzten Tagen zu lesen war? Das war der Wortlaut meiner Frage.


Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Lieber Herr Kollege Montag, darauf gehe ich gerne ein. Zunächst haben Sie zu Recht dargestellt, dass die Bundesregierung das Rechtsinstitut der nachträglichen Sicherungsverwahrung sehr kritisch bewertet hat. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist bekanntlich während der Regierungszeit von SPD und Grünen ab dem Jahr 2004 eingeführt worden. Wir waren der Auffassung, dass sie sich nicht bewährt hat, und haben sie daher pro futuro abgeschafft. Allerdings hat eine Mehrheit des Bundestages auf Vorschlag unseres Hauses die Entscheidung getroffen, dass sie für Altfälle weiterhin gelten soll.

Nun haben Sie auf Zahlen rekurriert, die unter anderem von Professor Kreuzer in einem Aufsatz erwähnt worden sind. Dazu habe ich folgende Erkenntnisse: In der Tat ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung nur in ungefähr 20 Fällen angeordnet worden. Dabei handelt es sich immer um sogenannte Altfälle, bei denen die entsprechenden Taten und Verurteilungen vor dem von Rot-Grün eingeführten Rechtsinstitut der nachträglichen Sicherungsverwahrung lagen. Darüber hinaus ist selbstverständlich denkbar, dass es weitere Altfälle aus der Zeit vor 2004 gibt, bei denen bisher noch keine nachträgliche Sicherungsverwahrung beantragt oder entschieden worden ist, und dass es zudem eine weitere Gruppe von Fällen einer nachträglichen Sicherungsverwahrung geben kann, nämlich die sogenannten Neufälle aus dem Zeitraum von 2004 bis 31. Dezember 2010. Zu diesem Zeitpunkt haben wir das Rechtsinstitut abgeschafft.

Es liegen uns keine belastbaren Erkenntnisse darüber vor, wie viele Fälle das insgesamt sind. Herr Professor Kreuzer hat sich bei seiner Aussage, dass es sehr viele Fälle sein könnten, auf die formellen Voraussetzungen bezogen. Das ist zutreffend. Hinzukommen musste aber, dass sogenannte Nova, neue Tatsachen, während der Haftzeit entstanden waren und eine Gefährlichkeitsprognose gestellt werden musste. Hier gelten aber nicht mehr alle Tatbestände, die früher einmal gegolten haben. Da das Verfahren also mehrere Faktoren umfasst, kann man keine präzise Vorhersage treffen, wie viele solcher Anordnungen aufgrund alten Rechts noch getroffen werden könnten.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Montag, Sie haben eine weitere Nachfrage? – Bitte sehr.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Eine weitere Nachfrage habe ich, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Stadler, ich persönlich und auch meine Fraktion stimmen der Einschätzung der Bundesregierung zu, dass sich die nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht bewährt hat. Es ist richtig – wir haben die gleichen Zahlen –, dass sie in nicht mehr als 20 bis 25 Fällen angewandt worden ist. Wir wären froh gewesen, wenn die Bundesregierung oder die Koalition die nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht nur ad futurum, sondern auch für die Fälle, die Sie zum Schluss geschildert haben, abgeschafft hätte.
Ich frage Sie ganz konkret: Wir haben einen Täter, der im November 2010 mehrere einschlägige schwerste Straftaten begeht. Diese Taten werden dem Täter erst in 14 Jahren zugerechnet. In 14 Jahren bekommt der Täter für diese Taten dann eine Strafe von 14 Jahren. Von heute aus gesehen in 28 Jahren soll er entlassen werden. Wenn kurz vor der Entlassung in 28 Jahren die formellen Voraussetzungen für eine nachträgliche Sicherungsverwahrung gegeben sind – es Nova gibt und die Gefährlichkeitsprognose durch zwei Sachverständige unterstützt wird –, würde das, wenn wir nichts ändern, dazu führen, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung, die die Koalition jetzt abgeschafft hat, in 28 Jahren immer noch angewendet wird? Stimmen Sie dem zu?


Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Montag, über diese Frage haben wir bei der Reform der Sicherungsverwahrung vor wenigen Wochen hier im Plenum, im Ausschuss und in Berichterstattergesprächen ausführlich gesprochen. Es liegt nun einmal im Wesen eines Stichtags, ab dem man ein neues System einführt, dass ein altes System und alte Regelungen weiter gelten können. Sie haben versucht, ein argumentum ad absurdum aufzubauen; das ist immer eine starke Argumentationsfigur.

In der Tat waren wir uns bei unserer Entscheidung darüber im Klaren, dass man Fälle bilden kann, bei denen noch für einen längeren Zeitraum die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung einer Sicherungsverwahrung besteht, da das alte Recht noch bis zu dem Zeitpunkt fortgilt, ab dem wir es durch ein völlig neues System ersetzt haben.
Ob es in einem solchen Fall wirklich zu einer Anordnung kommen würde, kann jetzt natürlich noch niemand vorhersagen. Das hängt von vielen Faktoren ab. Sie haben einige zu Recht aufgezählt.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Dann kommen wir zu Frage 12, ebenfalls des Kollegen Montag:
Mit welcher Begründung wird die Bundesregierung gegen das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 13. Januar 2011 (Beschwerdenummer 6587/04), wonach die nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist, Beschwerde einlegen (vergleiche entsprechende Äußerungen aus der Fraktion der CDU/CSU, dpa vom 13. Januar 2011)?
Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Es geht wieder um denselben Vorgang, und Herr Kollege Montag will wissen, mit welcher Begründung die Bundesregierung Beschwerde einlegen wird. Es ist erneut darauf hinzuweisen, dass es sich bei dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 13. Januar 2011 um eine Einzelfallentscheidung gehandelt hat, die sich, wie ich vorhin schon dargestellt habe, auf ein vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärtes Landesgesetz bezogen hat.

Das spricht dafür, dass man keinen Rechtsbehelf dagegen einlegt. Aber die Bundesregierung hat noch nicht abschließend entschieden, ob sie einen Rechtsbehelf einlegen wird oder nicht. Demgemäß vermag ich die Frage nach der Begründung jetzt nicht zu beantworten, da auch die Möglichkeit besteht, dass gar kein Rechtsbehelf eingelegt wird.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Montag, eine Nachfrage?

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja, eine Nachfrage habe ich dazu. Es ist erfreulich, dass die Bundesregierung diese Frage noch prüft und sich nicht vorschnell festgelegt hat, wie wir es in der Presse als Forderung der Koalition gelesen haben.
Ich frage Sie, Herr Kollege Stadler, ob folgende Tatsachen bei dieser noch zu fällenden Entscheidung eine Rolle spielen werden: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ja in der allseits bekannten Entscheidung zur Sicherungsverwahrung vom Dezember 2009 die Bundesrepublik Deutschland verurteilt. Die Bundesregierung ist entgegen dem Rat vieler Fachleute in die Beschwerde gegangen. Im Mai 2010 mussten wir feststellen, dass die Große Beschwerdekammer die Beschwerde der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Bundesregierung nicht einmal zur Sachentscheidung angenommen hat.
Danach hat die damalige deutsche Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Renate Jaeger in der deutschen Presse ein Interview gegeben, in dem sie zum Verhalten der Bundesregierung bei der Einlegung von Beschwerden sagt: Wir werden so lange entscheiden, bis die deutsche Regierung begriffen hat. Werden diese Überlegungen eine Rolle spielen, wenn es darum geht, eventuell wieder Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen?


Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Montag, bei der Entscheidung aus dem Jahr 2009, die Sie erwähnt haben, ging es um einen Sachverhalt, bei dem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot angenommen hat. Bei dem gleichen Sachverhalt hatte zuvor das Bundesverfassungsgericht einen solchen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot nicht angenommen. Es handelte sich um eine grundlegende Frage, bei der zwei höchst angesehene oberste Gerichte unterschiedliche Entscheidungen getroffen haben. Ich glaube, dass die Bundesregierung nicht dafür getadelt werden kann, dass sie mit einem Rechtsbehelf diese schwierige, vom Bundesverfassungsgericht anders bewertete Frage einer endgültigen Klärung zuführen wollte.

Sie haben zu Recht erwähnt, dass es bei dieser Entscheidung geblieben ist. Am 13. Januar 2011 sind andere Parallelfälle entschieden worden. In diesen Fällen bietet es sich an, keinen Rechtsbehelf einzulegen, weil so gestaltete Fälle schon im Jahr 2009 rechtskräftig entschieden worden sind.

Bei dem anderen Fall, dem Fall aus Passau, hängt die Entscheidung davon ab, ob man ihn als Einzelfall bewertet, der für die Zukunft keine besondere Bedeutung hat, oder ob man ihm eine grundsätzliche Bedeutung beimisst und deswegen eine Überprüfung herbeiführen möchte. Das gilt es abzuwägen. Diese Prüfung ist, wie gesagt, im Gange und noch nicht abgeschlossen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Das ist nicht der Fall.

Maßnahmenlisten der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN )
(Drucksache 17/4406, Frage 41):

Wie rechtfertigt die Bundesregierung auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten, vor allem einer bedingt vorsätzlichen Mordteilnahme, die laufende Praxis deutscher Militär- oder Sicherheitsbehörden, in Afghanistan angebliche Aufständische für diverse Maßnahmenlisten der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan zu benennen, obwohl die Bundesregierung dabei in Kenntnis entsprechender Vorgehensweisen nicht ausschließen kann, dass die betreffenden Personen daraufhin in Afghanistan oder Pakistan unter anderem durch Drohnenangriffe von US-Stellen getötet werden (vergleiche Antworten der Bundesregierung auf meine zahlreichen Anfragen sowie auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 17/2884 zu Frage 27), und wie beurteilt die Bundesregierung ebenfalls strafrechtlich die Praxis des Bundeskriminalamtes sowie wohl weiterer deutscher Sicherheitsbehörden, laufend an ausländische Partnerdienste Personaldaten über aus Deutschland ausreisende „Gefährder“ zu übermitteln, ohne dabei eine Datenverwendung zu deren Tötung auszuschließen, wie – einer Strafanzeige des Richters am Oberlandesgericht Thomas Schulte-Kellinghaus zufolge – der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, schon am 21. Juni 2006 öffentlich eingeräumt haben soll (vergleiche Spiegel Online vom 8. Januar 2011, taz vom 12. Januar 2011)?

Die strafrechtliche Beurteilung der von Ihnen angesprochenen Geschehnisse obliegt den zuständigen Stellen der Justiz des Bundes und der Länder. Dementsprechend hat – vergleiche die Antwort der Bundesregierung auf die Frage 23 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 23. November 2010 „US-Drohnenangriff tötet deutsche Staatsangehörige – Eingreifen der deutschen Justiz“, Bundestagsdrucksache 17/3916, Seite 8, – der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof wegen eines mutmaßlichen Drohnenangriffs am 4. Oktober 2010 bei der Stadt Mir Ali, über den in den Medien berichtet wurde, einen Prüfvorgang angelegt. Gegenstand der Prüfung ist die Frage, ob Anlass besteht, ein Ermittlungsverfahren wegen eines in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts fallenden Straftatbestandes einzuleiten. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.

Der Bundesregierung ist weiterhin bekannt, dass bei der Staatsanwaltschaft Hamburg eine Strafanzeige im Zusammenhang mit den „Drohnenfällen“ in Pakistan eingegangen ist, die dort derzeit bearbeitet wird. Im Übrigen darf ich auf die – auch von Ihnen bereits angeführte – Antwort der Bundesregierung auf die Frage 27 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 8. September 2010 „Informationspolitik zum Afghanistan-Einsatz“, Bundestagsdrucksache 17/2884, Seite 10 f., verweisen.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Der Bundesregierung ist bekannt, dass ein Richter am Oberlandesgericht eine Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Wiesbaden gestellt hat. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat den Vorgang mit der Bitte um Prüfung, ob der Anfangsverdacht einer in die Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft fallenden Straftat besteht, an den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof übersandt. Diese Prüfung findet derzeit statt. In diesem Verfahrensstadium nimmt die Bundesregierung zu dem erhobenen strafrechtlichen Vorwurf keine Stellung.

Verfassungs- und europarechtswidrige Auslegung und Anwendung von § 52 a des Urheberrechtsgesetzes

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/4153, Frage 64):

Teilt die Bundesregierung die Einschätzung von einigen Wissenschaftlern, die in Bezug auf § 52 a des Urheberrechtsgesetzes davon sprechen, dass die Auslegung und Anwendung des § 52 a häufig nicht verfassungskonform und darüber hinaus europarechtswidrig sei, und sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen der § 52 a durch Universitäten in einer unrechtmäßigen Form angewendet worden ist?

§ 52 a des Urheberrechtsgesetzes, UrhG, erlaubt die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten in schulischen und universitären Intranets. Der Bundes-regierung sind keine Entscheidungen der Rechtsprechung bekannt, aus denen hervorgeht, dass die Auslegung und Anwendung von § 52 a UrhG etwa an Universitäten nicht verfassungskonform erfolge. 

Europarechtlich ist daran zu erinnern, dass § 52 a UrhG mit dem sogenannten Ersten Korb der Urheberrechtsreform eingeführt wurde, mit dem die Richtlinie „Urheberrecht in der Informationsgesellschaft“, Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, umgesetzt wurde. Dabei hatte der Gesetzgeber im Interesse von Unterricht und Wissenschaft von der Möglichkeit des Art. 5 Abs. 3 Buchstabe a der Richtlinie Gebrauch gemacht, die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten gesetzlich für zulässig zu erklären; er hat jedoch zugleich auch den berechtigten Interessen der Schulbuchverlage und der wissenschaftlichen Verlage Rechnung getragen und die Voraussetzungen des § 52 a UrhG restriktiv formuliert. So erlaubt § 52 a UrhG lediglich, dass „kleine Teile eines Werkes“, „Werke geringen Umfangs“ sowie „einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften“ durch einen abgegrenzten Personenkreis genutzt werden. Ferner dürfen für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmte Werke stets nur mit Einwilligung des Berechtigten genutzt werden. Weitere Einschränkungen gelten für die Nutzung von Filmwerken.


Ermittlungen und Verurteilungen von Journalisten, Bloggern oder Inhabern von Webseiten wegen Anstiftung oder Beihilfe zum Geheimnisverrat

Fragestunde - Protokoll Nr. 80 vom 15.12.2010

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ) (Drucksache 17/4153, Frage 63):

In wie vielen Fällen wurde in den letzten zehn Jahren gegen Journalisten, Blogger oder Inhaber von Webseiten jeweils wegen Anstiftung oder Beihilfe zum Geheimnisverrat ermittelt, und zu wie vielen Verurteilungen kam es (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

Ermittlungsverfahren gegen Journalisten, Blogger oder Inhaber von Webseiten und entsprechende Verurteilungen werden in den Strafrechtspflegestatistiken nicht gesondert erfasst. Deswegen sind leider konkrete Angaben hierzu nicht möglich.

Erfasst werden nur die wegen Verstoßes gegen § 353 b des Strafgesetzbuchs insgesamt verurteilten Personen. Dies waren im Jahr 2007 11 Personen, im Jahr 2008 27 Personen und im Jahr 2009 15 Personen.




Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung

Fragestunde - Protokoll Nr. 77 vom 01.12.2010

Dann rufe ich die Frage 8 der Kollegin Dr. Eva Högl auf:
Wann legt die Bundesregierung ihren Vorschlag für eine neue Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG zur Vorratsdatenspeicherung vor, und welche Kriterien zum Grund und zur Dauer der Speicherung wird diese voraussichtlich erhalten?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Frau Dr. Högl, wie Sie wissen, ist die Richtlinie 2006/ 24/EG gegenwärtig Gegenstand einer Bewertung durch die Organe der Europäischen Union. Art. 14 dieser Richtlinie gibt vor, dass die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat eine Bewertung der Anwendung dieser Richtlinie sowie ihrer Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeteiligten und die Verbraucher vorlegt, um festzustellen, ob die Bestimmungen der Richtlinie gegebenenfalls geändert werden müssen. Mit dem Abschluss dieser Evaluation ist nach jüngsten Informationen aus der Kommission im nächsten Quartal zu rechnen. Im aktuellen Arbeitsprogramm kündigt die Kommission eine Bewertung und Überarbeitung der Richtlinie an.

Auch wenn diese Evaluierung, über die ich jetzt berichtet habe, die europarechtliche Verpflichtung zur innerstaatlichen Umsetzung der Richtlinie nicht suspendiert, so erscheinen doch angesichts der vor dem Abschluss stehenden Evaluation und Bewertung der Richtlinie durch die Europäische Kommission sowohl Planungen zu einem Zeitrahmen für eine etwaige Neuregelung als auch diesbezügliche inhaltliche Festlegungen verfrüht. Angaben zum Verfahren und zum Zeitplan für eine erneute Umsetzung setzen zudem voraus, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 und die daraus zu ziehenden konkreten Konsequenzen für das nationale Recht umfassend geprüft sind, um abschätzen zu können, welche Maßnahmen konkret zur Erfüllung der gegebenenfalls zu überarbeitenden Richtlinie eingeleitet werden müssen.

Diese Prüfung der Entscheidung des Verfassungsgerichts nimmt die Bundesregierung unter besonderer Berücksichtigung der Erfordernisse der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung derzeit vor. So haben die Bundesministerien der Justiz und des Innern beispielsweise Ende September 2010 einen gemeinsamen Workshop zur Klärung praktischer, technischer und finanzieller Fragen im Zusammenhang mit der Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durchgeführt. Daran waren zahlreiche Telekommunikationsunternehmen, deren Verbände, Datenschutzbeauftragte, Vertreter der Wissenschaft und weitere Interessierte beteiligt. Auch dabei – damit schließe ich die etwas umfängliche Antwort – hat sich gezeigt, welch schwierige Probleme etwa technischer Art, zum Beispiel bei der Verschlüsselung der Daten, eine etwaige Neuumsetzung der Richtlinie aufwirft.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Bitte schön, Frau Dr. Högl.

Dr. Eva Högl (SPD):
Herr Staatssekretär, ganz herzlichen Dank für Ihre Antwort. Ich habe noch eine Nachfrage. Die Problematik, die sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergibt, nämlich dass die gegenwärtige oder bisher praktizierte Vorratsdatenspeicherung unwirksam ist und gestoppt wurde, ist eine nationale Problematik in Deutschland. Vielleicht können Sie noch einmal ganz kurz erläutern, warum Sie dennoch die Evaluierung der europäischen Richtlinie, die wir, wie Sie gesagt haben, ohnehin umsetzen müssen, abwarten wollen und welche Erkenntnisse Sie sich von dieser Evaluierung für die notwendige deutsche Umsetzung versprechen.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Frau Kollegin Dr. Högl, das Parlament hat zur Zeit der Großen Koalition nur deshalb einen Beschluss zur Vorratsdatenspeicherung gefasst, weil dies durch eine Richtlinie der Europäischen Union vorgegeben war. Zuvor hatte sich nämlich nach meiner Erinnerung der gesamte Deutsche Bundestag in einem anderen Beschluss einstimmig gegen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung gewandt, er war dann aber an die Umsetzung der Richtlinie gebunden.

Nun haben wir die Situation, dass diese Richtlinie auch innerhalb der Europäischen Union zunehmend kritisch gesehen wird. Die zuständige Kommissarin, Frau Reding, hat sich im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages – Sie waren zugegen – als erklärte Gegnerin der Vorratsdatenspeicherung geoutet. Es gibt mehrere europäische Länder, die die Richtlinie nicht umgesetzt haben. Manche haben sie umgesetzt, was aber, wie in Deutschland, von deren eigenem Verfassungsgericht wieder aufgehoben worden ist. Die Debatte auf europäischer Ebene ist insgesamt also sehr im Fluss.

Ein Punkt kommt hinzu: Inzwischen ist die europäische Grundrechtecharta in Kraft getreten, die nun auch in die Evaluierung einfließen muss.

Unter diesen veränderten Umständen gegenüber den Vorgaben, die der Gesetzgeber zur Zeit der Großen Koalition hatte, erscheint es uns zweckmäßig, vor weiteren nationalen Aktivitäten die Entwicklung in Europa im Auge zu behalten.

(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

Dr. Eva Högl (SPD):
Herr Staatssekretär, herzlichen Dank auch für diese Antwort. Ich habe trotzdem noch eine Nachfrage.

Da wir als großes Land nicht irgendein Mitgliedstaat in der Europäischen Union sind und es für die weitere Debatte über die europäische Richtlinie vielleicht auch nicht ganz unwichtig ist, was in Deutschland diskutiert wird, möchte ich Ihnen die Frage stellen: Was wird die Bundesregierung in diese Evaluierung einbringen? Welche wesentlichen Gesichtspunkte können Sie uns heute nennen, von denen Sie sagen: Es ist wichtig, dass Deutschland sie a) in die Evaluierung der bisherigen Praxis und b) in die Debatte über die Zukunft der Vorratsdatenspeicherung auf europäischer Ebene einbringt?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Die Bundesregierung hat dort über die markante Entscheidung, wenn ich das so formulieren darf, des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 vorgetragen und wird dies auch weiter tun. Ich kann mich an kaum einen Fall erinnern, dass das Verfassungsgericht gesagt hat, eine Maßnahme, die in Grundrechte eingreift, sei von einer bisher nie gekannten Streubreite und erzeuge das diffuse Gefühl, ständig beobachtet zu werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat uns auch aufgegeben, dass wir nicht beliebig Datensammlungen großer Quantität anlegen können. Wir verweisen in der Debatte in Europa also auf diese klare Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, durch die gleichwohl, damit das nicht falsch ankommt, eine Neuregelung nicht gänzlich ausgeschlossen wird. Die Karlsruher Richter stehen dem aber offenkundig sehr kritisch gegenüber.

Darüber hinaus tragen wir dort natürlich auch über die praktischen Erfahrungen vorher, während der Geltung und seither vor.

 



Untersuchungen zur Aufarbeitung der Rolle des Justizministeriums während der NS-Zeit

Fragestunde - Protokoll Nr. 77 vom 01.12.2010

Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Burkhard Lischka auf:
Worin bestand die „umfassende Untersuchung“ zur Rolle des Justizministeriums während der NS-Zeit, und was sind die wesentlichen Ergebnisse dieser Untersuchung, auf die ein Sprecher des Bundesministeriums der Justiz in einem Beitrag zu Forderungen nach der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von Bundesministerien gegenüber der tageszeitung (17. November 2010) verwiesen hat, um dann auszuführen, dass „kein weiterer Handlungsbedarf“ bestehe?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lischka, das Bundesministerium der Justiz hat sich bereits seit den 1980er-Jahren als wohl erstes Ressort selbstkritisch mit seiner Geschichte auseinandergesetzt, und zwar auch mit personellen Kontinuitäten nach 1945. Ich darf folgende Beispiele nennen: 1984 publizierte das Bundesministerium der Justiz die kritische Broschüre Justiz im nationalsozialistischen Deutschland. 1987 förderte das BMJ eine wissenschaftliche Untersuchung zur Rolle des Reichsjustizministeriums im Dritten Reich, und zwar die Abhandlung von Lothar Gruchmann: Justiz im Dritten Reich, 1933–1940, Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner. Das Buch gilt mittlerweile als Standardwerk zu dem Thema. 1989 erstellte das BMJ die Wanderausstellung und den Katalog Im Namen des Deutschen Volkes – Justiz und Nationalsozialismus. Diese Ausstellung ist in eigener Regie des Bundesjustizministeriums entstanden, begleitet durch einen wissenschaftlichen Beirat von Experten.

Ich kann das, glaube ich, etwas abkürzen; denn wir haben eine längere Liste zusammengetragen. Wissenswert für Sie ist sicherlich noch Folgendes: In der Ausstellung und im Katalog Im Namen des Deutschen Volkes – Justiz und Nationalsozialismus nimmt die Zeit nach 1945 knapp ein Drittel des Umfangs ein. Das ist deswegen wichtig, weil dort auch exemplarische Fälle personeller Kontinuitäten im Bundesjustizministerium genannt werden, nämlich Generalbundesanwalt Fränkel und seine Mitwirkung an Todesurteilen sowie Ministerial-rat Maßfeller als Kommentator des „Blutschutzgesetzes“.

Diesen Beispielen können Sie entnehmen, dass das Bundesministerium der Justiz sich seiner Historie gestellt hat.

Ich sage auch ganz klar zum Ende dieser Antwort: Sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Justiz und im Bundesjustizministerium selbst gibt es heute keinerlei Zweifel daran, dass während der NS-Diktatur die Justiz und das damalige Reichsjustizministerium an zahlreichen Verbrechen mitgewirkt haben. Ebenso unstreitig ist die sogenannte zweite Schuld der bundesdeutschen Justiz, nämlich ihr Versagen bei der juristischen Aufarbeitung und der personellen Erneuerung nach 1945. Das sei von unserer Seite in aller Klarheit hier festgestellt.

(Beifall des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zusatzfragen?

Burkhard Lischka (SPD):
Vielen Dank, Herr Staatssekretär Stadler, für diese Antwort. Mich würde interessieren, ob im Zusammenhang dieser Aufarbeitung und der Studien vor allen Dingen aus den 80er-Jahren, die Sie angesprochen haben, ermittelt wurde, wie viele Mitarbeiter mit nationalsozialistischer Vergangenheit eigentlich im BMJ weiterbeschäftigt wurden. Gibt es auch dazu Erkenntnisse? Gibt es möglicherweise sogar Namenslisten?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lischka, das ist mir bei der Vorbereitung nicht präsent gewesen. Ich lasse gerne nachprüfen, ob es auch hierüber Informationen gibt. Jedenfalls gab es vielfältige schriftliche historische Auseinandersetzungen mit der NS-Zeit, übrigens beginnend – das will ich hier nicht unterschlagen – durch den allseits hochgeschätzten seinerzeitigen Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel, den früheren Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei. Ob der von Ihnen genannte Inhalt gegebenenfalls mit bearbeitet worden ist, müsste ich noch prüfen lassen.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Weitere Zusatzfrage?
 
Burkhard Lischka (SPD):
Herr Staatssekretär, Sie haben angesprochen, dass ein Großteil der Aufarbeitung in den 80er-Jahren erfolgt ist. Nun ist in der historischen Forschung ein Zeitraum von 30 Jahren durchaus ein erheblicher Zeitraum, weil auch neue Quellen und neue Archive zugänglich gemacht werden. Vor diesem Hintergrund: Halten Sie eine weitere Bearbeitung dieses Themas für erforderlich, gerade auch deshalb, weil es neue Quellen und Archive gibt, die auch zu neuen Erkenntnissen führen könnten?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lischka, meinen umfangreichen Ausführungen, die ich aus Zeitgründen sogar gekürzt habe, konnten Sie entnehmen, dass sich das Bundesministerium der Justiz seiner Nazivergangenheit, besser gesagt, der Tätigkeit des Reichsjustizministeriums in der NS-Zeit, bereits sehr umfassend gestellt hat. Selbstverständlich sind wir jederzeit bereit, Hinweisen auf weiße Flecken in der Forschung, wenn es diese gibt, nachzugehen. Im Moment besteht der Eindruck – diese Debatte ist mittlerweile seit einigen Wochen im Gange –, dass gerade dieses Ministerium betreffend schon eine sehr sorgfältige Aufarbeitung erfolgt ist.


Beschränkung von Honoraren für Insolvenzverwalter auf ein realitätsgerechtes Maß

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/3619, Frage 29):

Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus den Pressemeldungen (Spiegel Online vom 3. November 2010), wonach der Insolvenzverwalter von Karstadt für seine Tätigkeit 32,3 Millionen Euro inklusive Mehrwertsteuer erhalten habe, auch vor dem Hintergrund einer realitätsgerechten Entlohnung in Relation zu den Angestellten bei Karstadt, und sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf, das Insolvenzrecht zu verändern, um derartige Entlohnungen auf ein realitätsgerechtes Maß zu beschränken?

Die Bundesregierung hat keinen Einblick in die näheren Umstände der Vergütung im konkret genannten Verfahren und kann demzufolge auch nicht zum genannten Verfahren Stellung nehmen. Dies gilt umso mehr angesichts des laut Pressemitteilungen laufenden Beschwerdeverfahrens.
Die Bundesregierung geht aber davon aus, dass das geltende Recht eine angemessene Festsetzung und Überprüfung der Vergütung von Insolvenzverwaltern gewährleistet.
Die Vergütung des Insolvenzverwalters wird gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung, InsVV, nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet. Dabei bestimmt sich die Regelvergütung in einem typisierten Normalverfahren nach § 2 InsVV. Dieser sieht bereits eine stark degressive Staffelung der Vergütung vor, um unangemessen hohe Vergütungen zu vermeiden.
Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei der Verwaltervergütung nicht um eine reine Tätigkeitsvergütung handelt. Vielmehr stellt die nach der InsVV festgesetzte Vergütung betriebswirtschaftlich nichts anderes dar als den Umsatz einer kostenträchtigen Büroeinheit. Dabei muss bedacht werden, dass der Kostenanteil für Personal, Raum- und Sachkosten bei Rechtsanwälten im Durchschnitt zwischen 56 Prozent und 61 Prozent der Umsätze ausmacht. Im Bereich der professionellen Insolvenzverwaltung wird in der einschlägigen Literatur wegen der besonders hohen Qualitätsanforderung an die Mitarbeiter teilweise von einem Satz von annähernd 70 Prozent ausgegangen.
Bei der Ausgestaltung der InsVV wollte der Verordnungsgeber im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Maßstäbe für die Bemessung der jeweils geschuldeten Vergütung nach den Prinzipien der Angemessenheit und Vertretbarkeit festlegen. Dabei hatte er zu berücksichtigen, dass die besonderen Probleme einer Insolvenzsituation gerade in komplexen Fällen regelmäßig den Einsatz besonders qualifizierter Personen erfordern und dass von solchen Personen nur dann die Übernahme einer Funktion im Insolvenzverfahren erwartet werden kann, wenn eine Vergütung gewährt wird, die der Schwierigkeit der Tätigkeit und dem häufig großen Haftungsrisiko entspricht. Andererseits war sich der Verordnungsgeber der Verpflichtung bewusst, die Belastung der Insolvenzmasse mit Vergütungsansprüchen in Grenzen zu halten, damit die Insolvenzverfahren durchführbar bleiben und die Befriedigungsaussichten der Gläubiger nicht unzumutbar gemindert werden. Im Rahmen dieses Spannungsverhältnisses wurden die Vergütungssätze der InsVV festgelegt.
Die Angemessenheit der vom Gericht festgesetzten Vergütung wird im Einzelfall überdies dadurch gewährleistet, dass dem Verwalter, dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger die nach § 64 Absatz 3 InsO sofortige Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluss zusteht.
Abschließend müssen Sie berücksichtigen, dass eine erfolgreiche Sanierung, die ganz wesentlich von der Erfahrung und Qualifikation des Insolvenzverwalters abhängt, auch im Interesse der Arbeitnehmer liegt. Die Höhe der Insolvenzverwaltervergütung tut im Übrigen den Rechten der Arbeitnehmer keinen Abbruch. Ihrer Rechte sind in vielfacher Hinsicht im Insolvenzverfahren geschützt, so zum Beispiel durch den Anspruch auf Insolvenzgeld für die letzten drei Monate vor Verfahrenseröffnung.


Etwaige Schutzlücke durch das Aussetzen der Vorratsdatenspeicherung

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Kirsten Lühmann (SPD) (Drucksache 17/3619, Frage 28):

Hat das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, welches das Bundesministerium der Justiz mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt hat, um festzustellen, ob bzw. inwieweit durch das Aussetzen der Vorratsdatenspeicherung durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Schutzlücke entstanden ist, dem Bundesministerium bereits Informationen dazu geliefert, und, wenn ja, wie bewertet das Bundesministerium den Inhalt?

Das Bundesministerium der Justiz hat die rechtstatsächliche Untersuchung durch das Freiburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht zu möglichen Schutzlücken durch den Wegfall der Vorratsdatenspeicherung über das Bundesamt für Justiz in Auftrag gegeben.
Das Max-Planck-Institut hat dem Bundesamt für Justiz einen Bericht übersandt, der im Wesentlichen nur Informationen auf der Basis von durchgeführten Interviews mit Angehörigen von Polizei, Justiz und Tele-kommunikationsunternehmen enthält. Es stehen jedoch insbesondere die beauftragten fallbezogenen empirischen Erhebungen durch das Max-Planck-Institut noch aus. Das Max-Planck-Institut arbeitet hieran mit Hochdruck. Aufgrund des derzeit noch unvollständigen Charakters der bisherigen Erkenntnisse ist eine belastbare Bewertung noch nicht möglich und konnte daher vom Bundesministerium der Justiz auch nicht vorgenommen werden.


Parallele Anwendung von deutschem und islamischem Recht vor deutschen Gerichten; etwaige Mehrkosten

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Manfred Grund (CDU/CSU) (Drucksache 17/3619, Fragen 26 und 27):

Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über die parallele Anwendung von deutschem Recht und islamischem Recht vor Gerichten in Deutschland (siehe Hamburger Morgenpost vom 11. Oktober 2010), und inwieweit kommt es durch die parallele Anwendung zu Besserstellungen von Klägern bzw. Beklagten mit islamischem Hintergrund gegenüber nichtmuslimischen Klägern bzw. Beklagten?

Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über Mehrkosten, zum Beispiel im Bereich von Sozialleistungen und Transferzahlungen, durch Verfahren mit Klägern mit islamischem Hintergrund infolge einer parallelen Anwendung islamischen Rechts vor deutschen Gerichten?

Zu Frage 26:
Es trifft zu, dass die deutschen Gerichte in Sachverhalten mit Auslandsberührung im Einzelfall auch ausländisches Zivilrecht anwenden. Es existieren aber keine parallelen Rechtsordnungen in Deutschland. Rechtsgrundlage ist vielmehr allein das deutsche Recht, namentlich das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche. In bestimmten Fällen ordnen die dortigen Vorschriften des Internationalen Privatrechts seit jeher die Anwendung ausländischen Rechts ausdrücklich an. Diese sogenannten Kollisionsnormen betreffen bestimmte Fälle mit Auslandsbezug, zum Beispiel im Familienrecht. Allerdings lässt das deutsche Recht die Anwendung ausländischen Rechts nicht schrankenlos zu. Dieses ist vielmehr dann nicht anwendbar, wenn es dem deutschen ordre public, das heißt fundamentalen Prinzipien unserer Rechtsordnung, widerspricht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Anwendung ausländischen Rechts gegen die Grundrechte verstößt.
Auch andere Staaten sehen im Übrigen die Anwendung ausländischen Rechts vor. Dadurch soll vermieden werden, dass ein und derselbe Sachverhalt durch Gerichte unterschiedlicher Länder unterschiedlich beurteilt wird. Dies dient der Rechtssicherheit. Eine Besser- oder Schlechterstellung ist hiermit nicht verbunden.

Zu Frage 27:
Wie bereits im Zusammenhang mit Frage 26 erläutert, existiert in Deutschland keine parallele Rechtsordnung, die Mehrkosten im hier angesprochenen Sinne verursachen würde. Dementsprechend besitzt die Bundesregierung dazu auch keine Erkenntnisse.

Etwaige Beanstandung eines Rechtsgutachtens

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank. – Dann kommen wir zur Frage 13 des Kollegen Jerzy Montag:

Ist es aus Sicht des Bundesministeriums der Justiz in irgendeiner Weise zu beanstanden, dass der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Professor Dr. Hans-Jürgen Papier im Auftrag der Bundesregierung ein Rechtsgutachten zu einer aktuellen verfassungsrechtlichen Frage erstellt und in einer Fachzeitschrift veröffentlicht hat (vergleiche die Äußerung des Vorsitzenden der Fraktion der CDU/CSU, Volker Kauder, in der Passauer Neuen Presse vom 16. September 2010)?
Bitte schön.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Professor Papier ist als Präsident des Bundesverfassungsgerichts am 16. März 2010 in Ruhestand getreten. Er lehrt jetzt als Hochschullehrer an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Das Bundesministerium der Justiz hatte und hat keinen Anlass, in irgendeiner Weise den Umstand zu bewerten, dass sich Professor Papier Ende Mai und im September 2010 zu einer aktuellen verfassungsrechtlichen Frage wissenschaftlich geäußert hat.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine Nachfrage? – Bitte schön.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für diese klare Einschätzung. Sie führt mich zu meiner Nachfrage. Es ist unstreitig: Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes über die Nutzung der Atomenergie resultiert aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG, die Zustimmungspflicht des Bundesrates ergibt sich aus Art. 87 c des Grundgesetzes. 


(Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär: Ja!)

Nun liegen uns zwei Formulierungshilfen der Bundesregierung zu den Gesetzentwürfen der Koalitionsfraktionen in Bezug auf die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke vor. In der ersten Formulierungshilfe steht nichts zu der Frage der Zustimmungspflicht. Die zweite Formulierungshilfe enthält ausschließlich eine Bezugnahme auf Art. 87 d des Grundgesetzes, der für das Atomrecht ohne Bedeutung ist.
Nun hat sich Herr Papier – auf Anforderungen der Bundesregierung hin – zu genau dieser Problematik geäußert. Ich frage Sie: Warum findet sich in der neuesten Formulierungshilfe der Bundesregierung zu dieser so komplexen und schwierigen Materie keine Auseinandersetzung mit den äußerst gewichtigen Argumenten für eine Zustimmungspflicht des Bundesrates? Herr Professor Papier und viele andere haben sich mit genau dieser Frage auseinandergesetzt. Die Bundesregierung schreibt dazu in ihrer Formulierungshilfe kein einziges Wort. Warum eigentlich nicht? 


Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Montag, die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit einer Laufzeitverlängerung war bereits vor einigen Monaten Gegenstand vieler Fragen in der Fragestunde. Schon damals habe ich dazu Stellung genommen. Seither hat sich allerdings ein Faktum geändert. Ich habe damals ausgeführt, dass es unter Gutachtern in der wissenschaftlichen Lehre unterschiedliche Meinungen gibt. Es gibt die Auffassung, jede Verlängerung bedürfe der Zustimmung des Bundesrats, und es gibt die Auffassung, dass dies nur in bestimmten Ausgestaltungen der Fall sein sollte. Es gibt außerdem die Auffassung, eine neue Zustimmung sei entbehrlich, weil der Bundesrat ursprünglich schon einmal der Übernahme der Zuständigkeit für die Verwaltung der Atomkraftwerke zugestimmt hat.
Nunmehr gab es nach unserer damaligen Fragestunde eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu – wie Sie zu Recht sagen – Art. 87 d des Grundgesetzes, und zwar zum Thema Luftsicherheitsgesetz. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht in großer Klarheit ausgeführt, dass eine rein quantitative Ausweitung einer Aufgabe nicht zu einer neuerlichen Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrats führt. Auf diese Entscheidung nimmt die Bundesregierung jetzt Bezug, weil wir der Überzeugung sind, dass die Grundsätze aus dieser sehr neuen und ganz aktuellen Entscheidung eben auch in Bezug auf Art. 87 c gelten. Das ist der Grund für diese neue Situation. Selbstverständlich sind Argumente insbesondere von Herrn Professor Papier, der von allen Seiten – selbstverständlich auch von mir persönlich – hochanerkannt ist, gewichtig. Gewichtig ist aber auch die ganz aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Nachfrage. – Bitte.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär Dr. Stadler, das Bundesverfassungsgericht hat zwischenzeitlich Stellung genommen. Dies hat es allerdings ausdrücklich in Bezug auf Art. 87 d getan, während sich das Atomrecht und die Zustimmungspflicht in Atomrechtsfragen nach Art. 87 c richten. Genau zu dieser Problematik hat Herr Professor Papier gesagt – dies wurde auch veröffentlicht –: Die Gedankengänge und Regelungen zu Art. 87 d und insoweit auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien nach seiner Auffassung für das Atomrecht und für Art. 87 c Grundgesetz nicht einschlägig; das Gegenteil sei der Fall. Deswegen frage ich Sie noch einmal: Warum hat die Bundesregierung zu dieser weiterhin hochstreitigen Problematik in ihrer neusten Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen mit keinem einzigen Wort Stellung genommen, obwohl Herr Professor Papier sein Gutachten im Auftrag der Bundesregierung erstellt hat? 


Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Lieber Kollege Montag, über diese Rechtsfrage wird in der weiteren parlamentarischen Debatte sicherlich noch trefflich gestritten werden. Gleichwohl darf ich darauf aufmerksam machen, dass es in der Juristerei keine Seltenheit ist, dass es zu verschiedenen Fragen unterschiedliche Auffassungen gibt, die jeweils mit beachtlichen Argumenten begründet werden. Es gilt aber doch auch ein wenig die alte Erkenntnis: Roma locuta, causa finita. Das heißt, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung trifft und man der Auffassung sein kann, diese sei einschlägig, dann ist das aus Sicht der Bundesregierung ein entscheidender Faktor.
Ich habe in meiner vorherigen Antwort wie Sie darauf hingewiesen, dass die Entscheidung zu Art. 87 d ergangen ist und wir uns jetzt im Bereich des Art. 87 c des Grundgesetzes befinden. Nur, die ganz klare Aussage lautete, dass „die Wiederholung oder Konkretisierung bereits früher erfolgter Aufgabenzuweisungen den Aufgabenbestand der Länder nicht vergrößern“ und daher keine neue Aufgabenübertragung darstellen wird. In der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts, die am 11. Juni 2010 veröffentlich wurde, steht unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom Mai, dass eine lediglich quantitative Erhöhung der Aufgabenlast für die Länder keine neue Zustimmungspflicht auslöst. Das sind Kernsätze einer Entscheidung, die sehr klar und sehr deutlich sind. Ich wiederhole: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass diese Grundsätze auch bei Art. 87 c GG zu beachten sind.


Neuregelung des Sorgerechts nicht verheirateter Väter

 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler zur Verfügung. Zunächst die Frage 12 des Kollegen Burkhard Lischka:

Plant die Bundesregierung für die Neuregelung des Sorgerechts nicht verheirateter Väter eine Widerspruchslösung, sodass ledige Väter künftig automatisch das gemeinsame Sorgerecht erhalten würden, oder eine Antragslösung, sodass Väter auf Antrag das Sorgerecht für ihr Kind bekommen können, und wann ist mit der Vorlage eines Gesetzentwurfs für die Neuregelung des Sorgerechts zu rechnen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lischka, Sie weisen in Ihrer Frage zu Recht darauf hin, dass die Bundesregierung derzeit an einer Neuregelung des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern arbeitet. Wir tun dies nicht nur aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen, sondern auch aus der Überzeugung heraus, dass es dem Kindeswohl entspricht, wenn Väter stärker als in der Vergangenheit in die Verantwortung für das Kind einbezogen werden.

Mit welchem Modell man dies erreicht, ist aber derzeit noch in der Diskussion. Die Überlegungen im Ministerium sind schon sehr weit fortgeschritten, und in der Diskussion wird, wie es in Ihrer Frage angesprochen ist, tatsächlich zwischen der Möglichkeit einer sogenannten Antragslösung, bei der die Väter bei Gericht einen Antrag auf gemeinsame Sorge stellen müssten, und der Möglichkeit einer Widerspruchslösung, bei der erst eine gemeinsame Sorge entsteht und die Mütter dann bei Gericht dagegen Widerspruch einlegen können, unterschieden.

Die Vor- und Nachteile beider Regelungsmodelle werden derzeit sorgfältig gegeneinander abgewogen. Deshalb lässt sich Ihre Frage, wann genau mit der Vorlage eines Gesetzentwurfs zu rechnen sei, derzeit noch nicht präzise beantworten. Wir hoffen aber, möglichst noch im Herbst 2010 einen Gesetzentwurf vorstellen und beraten zu können.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Bitte schön, Kollege Lischka, eine Nachfrage.

Burkhard Lischka (SPD):
Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, Sie haben die Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle angesprochen. Welche gravierenden Vorteile oder Nachteile sehen Sie bei dem einen oder anderen Modell, das derzeit diskutiert wird? In verschiedenen europäischen Staaten gibt es Vorbilder oder Beispiele für diese unterschiedlichen Modelle. Werden sie derzeit auch durch das BMJ ausgewertet?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Selbstverständlich werten wir auch die Beispiele aus anderen europäischen Ländern aus. Wir beziehen in unsere Überlegungen auch ein, dass bei dem schon möglichen gemeinsamen Sorgerecht nach Scheidung oder Trennung durchaus gute Erfahrungen gemacht worden sind. Dies hat sich sehr wohl bewährt.

Für die unterschiedlichen Modelle gibt es natürlich eine Fülle von Gesichtspunkten, wobei man zunächst darauf hinweisen muss, dass wir dann, wenn sich die beiden Elternteile einvernehmlich auf die gemeinsame Sorge einigen, ohnehin keine Problemfälle haben. Es geht also nur um die streitigen Fälle.

Dabei könnte man zugunsten des Antragsmodells ins Feld führen, dass es damit eine klare Entscheidung der Väter wäre, dass sie sich um die gemeinsame Sorge bemühen. Es ist nicht unzumutbar, dies zum Ausdruck zu bringen, indem man im Streitfall bei Gericht hierfür einen Antrag stellt.

Auf der anderen Seite hat das Widerspruchsmodell selbstverständlich auch Vorteile. Da entsteht zunächst eine gemeinsame Sorge kraft Gesetzes. Man kann die Hoffnung hegen, dass diese Phase dazu genutzt wird, dass sich die Elternteile im Laufe der Zeit – womöglich einvernehmlich – auf die gemeinsame Sorge einigen. Umgekehrt muss es für die Frauen die Möglichkeit eines Widerspruchs geben, weil die Lebenssachverhalte sehr unterschiedlich sind und somit durchaus Konstellationen denkbar sind, in denen es nicht dem Kindeswohl entsprechen würde, wenn der Vater gemeinsam mit der Mutter die Sorge ausüben würde. All dies muss bedacht werden.

Am Ende ist es auch ein Kriterium, dass man vermeiden möchte, dass zu viele Fälle zu Gericht gehen. Eine Einigung zwischen den Beteiligten ist selbstverständlich vorzugswürdig.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Nachfrage? – Bitte.

Burkhard Lischka (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort von der „Überzeugung“ gesprochen, „dass es dem Kindeswohl entspricht, wenn Väter stärker als in der Vergangenheit in die Verantwortung für das Kind einbezogen werden“. Das hat sich vonseiten der heutigen Bundesjustizministerin, als sie im vergangenen Jahr noch auf den Oppositionsbänken saß, anders angehört: Sie hat damals gesagt, dass ein gemeinsames Sorgerecht ohne die Zustimmung der Mutter eigentlich untunlich sei. Darf ich Ihre erste Antwort so verstehen, dass dies nicht mehr Auffassung des BMJ ist, unabhängig von den gerichtlichen Entscheidungen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lischka, jedenfalls gibt es höchstrichterliche Entscheidungen – sowohl auf europäischer Ebene als auch vom Bundesverfassungsgericht –, die zum Inhalt haben, dass es den Vätern möglich sein muss, die Mitsorge zu erlangen, auch ohne Einverständnis der Mutter. Dabei kann selbstverständlich nur das Kindeswohl das Kriterium sein. Wir diskutieren jetzt über die Frage, welches Verfahren wir für die Streitfälle vorsehen sollten. Beide Modelle, die Sie in der Frage angesprochen haben – Antragsmodell und Widerspruchsmodell –, haben etwas für sich. Darüber wird politisch zu entscheiden sein; die endgültige Entscheidung wird hier vom Parlament zu treffen sein.


Pläne der EU-Kommission zur Stärkung der Fahrgastrechte für alle Reisenden

Fragestunde - Protokoll Nr. 54 vom 07.07.2010

Fragen des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache 17/ 2371, Fragen 40 und 41):

Wie bewertet die Bundesregierung die Pläne der EU-Kommission, die Fahrgastrechte für alle Reisenden – auch die, die per Wasserfahrzeug, Bus oder Auto unterwegs sind – künftig weiter stärken zu wollen?
Plant die Bundesregierung weitere Maßnahmen zur Stärkung der Fahrgastrechte aller Reisenden und, wenn nein, warum nicht?


Zu Frage 40:
Der Bundesregierung sind keine neuen Legislativvorhaben der EU-Kommission zum Thema „Fahrgastrechte“ bekannt. Die Fahrgastrechte im Seeverkehr wurden erstmalig auf EU-Ebene durch die Verordnung (EG) Nr. 392/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über die Unfallhaftung von Beförderern von Reisenden auf See geregelt. Derzeit wird im Rat und im Europäischen Parlament noch über die von der EU-Kommission im Dezember 2008 vorgelegten Vorschläge für eine Verordnung über die Passagierrechte im See- und Binnenschiffsverkehr und für eine Verordnung über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr verhandelt. Rat und Europäisches Parlament streben eine Einigung in zweiter Lesung an.
Angekündigt hat die EU-Kommission allerdings eine Mitteilung für den Herbst dieses Jahres, die sich weitgehend auf die Fluggastrechte konzentrieren soll. Die Bundesregierung hat sich bereits im Rahmen einer von der EU-Kommission vom 15. Dezember 2009 bis 1. März 2010 durchgeführten Konsultation zur Fortschreibung der Fluggastrechte für weitere Verbesserungen in diesem Bereich ausgesprochen.
Im Übrigen hat die EU-Kommission am 29. Juni 2010 eine europaweite Aufklärungskampagne gestartet, mit der Bahn- und Flugreisende leichter über ihre Rechte informiert werden sollen.

Zu Frage 41:
Soweit die Rechte von Fahrgästen im Schienenverkehr betroffen sind, hält die Bundesregierung es für geboten, zunächst zu prüfen, welche Erfahrungen mit den neuen gesetzlichen Regelungen, die im Jahr 2009 erlassen wurden, gemacht wurden.
Was die Rechte von Reisenden in der Schifffahrt anbelangt, so plant die Bundesregierung noch in der laufenden Legislaturperiode den Entwurf von Vorschriften zur Ausführung der oben genannten Verordnung (EG) Nr. 392/2009 über die Unfallhaftung von Beförderern von Reisenden auf See vorzulegen.
Die Fluggastrechte sind auf europäischer Ebene abschließend geregelt, weshalb für gesetzgeberische Maßnahmen auf Landes- oder Bundesebene keine Kompetenz besteht. Die Bundesregierung hat sich jedoch an der oben genannten Konsultation beteiligt und in einem Schreiben an den Vizepräsidenten der EU-Kommission, Herrn Siim Kallas, eine Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 angeregt.

Insolvenzrecht

Der Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Ute Kumpf (SPD) (Drucksache 17/ 2059, Frage 77):

Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung einleiten, um das mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz vom 16. April 2010 an Ute Kumpf festgestellte Dilemma gemeinnütziger Körperschaften zwischen dem im Gemeinnützigkeitsrecht festgelegten Gebot einer zeitnahen Mittelverwendung nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 der Abgabenordnung und möglichen Rückforderungen empfangener Spenden durch Insolvenzverwalter - anfechtbar nach geltendem Insolvenzrecht sind unentgeltliche Leistungen eines Schuldners, die bis zu vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden; das Problem wird auch durch die mildere Haftung nach § 143 Abs. 2 Satz 1 der Insolvenzordnung für den Empfänger nicht gelöst - aufzulösen, und wie will die Bundesregierung ihre Ressortabstimmung effektivieren, um ressortübergreifende Anfragen - die Frage wurde mit Schreiben vom 4. März 2010 an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Hartmut Koschyk, und den Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz, Dr. Max Stadler, gestellt und bis heute nicht abgestimmt beantwortet - schneller zu beantworten und damit dem parlamentarischen Fragerecht Rechnung zu tragen?

Die Bundesregierung geht davon aus, dass bereits das geltende Insolvenzrecht in vielen Fällen, die die Frage der insolvenzrechtlichen Behandlung von Spenden des Schuldners betreffen, zu einer aus Sicht der Spendenempfänger angemessenen Lösung führt. Die Konfliktlage wird durch die mildere Haftung des Empfängers nach § 143 Abs. 2 Satz 1 der Insolvenzordnung deutlich entschärft, da sich der Empfänger je nach Lage des Einzelfalls auf einen Wegfall der durch die Spende entstandenen Vermögensmehrung berufen kann. Indes kann die Insolvenzanfechtung auch in anderen Konstellationen Nachteile für den Empfänger der Leistung nach sich ziehen. Der Gesetzgeber hat sich jedoch bewusst dafür entschieden, dass die mit der Anfechtungssituation einhergehenden negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Anfechtungsgegner hingenommen werden müssen, um den vorrangigen Schutz der Gläubigergesamtheit zu verwirklichen. Insofern muss das Interesse des einzelnen Gläubigers am Erhalt des empfangenen Vermögenswertes hinter dem Interesse an der Gleichbehandlung aller Gläubiger als zentralem Grundsatz der Insolvenzordnung zurücktreten.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass die in § 19 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien festgeschriebene ressortübergreifende Zusammenarbeit in Fragen, die mehrere Ministerien betreffen, regelmäßig eine zügige Abstimmung gewährleistet.


Sicherungsverwahrung

Der Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ) (Drucksache 17/2059, Frage 78):

Für welche Vermögensdelikte des Strafgesetzbuchs, StGB, soll nach dem am 9. Juni 2010 vorgestellten Konzept der Bundesministerin der Justiz künftig keine primäre Sicherungsverwahrung - § 66 StGB - mehr angeordnet werden können?

Nach dem am 9. Juni 2010 vorgestellten Konzept des Bundesministeriums der Justiz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung, das innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmt ist, soll aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Konzentration auf Straftaten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter, einschließlich gemeingefährlicher Straftaten, sowie sonstige Straftaten erfolgen, die von besonderer Schwere sind. Dadurch werden insbesondere "gewaltlose Vermögensdelikte" dem Anwendungsbereich des § 66 StGB entzogen.


Stand des Ermittlungsverfahrens zur Tötung eines Hamas-Führers am 20. Januar 2010 in Dubai unter mutmaßlicher Beteiligung des Mossad

Ich rufe Frage 13 auf:

Sevim Daðdelen (DIE LINKE):

Inwieweit ist das Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Tötung eines Hamas-Führers am 20. Januar 2010 in einem Luxushotel in Dubai abgeschlossen, bei dem über den beschuldigten israelischen Geheimdienst Mossad mehr als 20 Verdächtige für den Anschlag mit Pässen westlicher Staaten nach Dubai eingereist sein sollen, von denen zwölf von ihnen über britische, vier über französische Pässe und einer über einen deutschen Pass verfügt haben sollen, und, wenn es abgeschlossen ist, zu welchem Ergebnis ist die Bundesregierung hinsichtlich der Beteiligung des Mossad bzw. anderer israelischer Stellen an der Fälschung deutscher Pässe im Zusam­menhang mit der Tötung gekommen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Frau Kollegin Daðdelen, der Generalbundesanwalt führt hinsichtlich der Tötung des Hamas-Funktionärs Mahmud al-Mabhuh am 20. Januar 2010 in einem Hotel in Dubai kein Ermittlungsverfahren. Eine Bundeszuständigkeit zur Verfolgung dieser Tat ergibt sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz nicht. Vielmehr werden die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft Köln geführt.

Allerdings möchte ich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass sorgfältig zu prüfen sein dürfte, ob es überhaupt eine Zuständigkeit für eine Strafverfolgung in Deutschland gibt. Eine solche Zuständigkeit gäbe es dann, wenn die Tat in Deutschland begangen worden wäre – das ist offenbar nicht der Fall –, wenn das Tatopfer deutscher Staatsangehöriger wäre oder wenn es sonst Bezüge zu Deutschland gäbe, wenn ich es einmal so allgemein formulieren darf. Eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts würde sich daraus jedenfalls nicht ergeben.

Der Generalbundesanwalt führt jedoch in diesem Zusammenhang ein anderes Ermittlungsverfahren, nämlich wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agen­tentätigkeit in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung. Diesem Verfahren liegt zugrunde, dass sich ein unbekannter Tatverdächtiger unter dem Namen Michael Bodenheimer eines deutschen Reisepasses bedient hat, welcher möglicherweise durch eine nachrichtendienstliche Beschaffungsoperation erlangt wurde. Die Ermitt­lungen dauern noch an.

Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU):

Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin? – Bitte.

Sevim Daðdelen (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Staatssekretär Stadler, inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, dass Ermittlungsverfahren in Großbritannien und Aus­tralien zu dem Ergebnis geführt haben, dass die originalgetreue Fälschung der im Zusammenhang mit dem Anschlag in dem Hotel in Dubai verwendeten britischen und australischen Pässe – es waren mehrere Pässe im Spiel – auf eine Verwicklung des israelischen Geheimdienstes Mossad hindeutet, und deshalb jeweils ein israelischer Diplomat aus Großbritannien und Australien ausgewiesen wurde? Inwieweit ist Ihnen das bekannt? Sie haben ausgeführt, dass der Generalbundesanwalt und die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungen führen. Inwieweit werden in diesem Zusammenhang seitens der Bun­desregierung auch politische Maßnahmen unternommen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Frau Kollegin Daðdelen, ich schlage vor, dass wir die Ermittlungen des Generalbundesanwalts abwarten. Erst wenn Ermittlungsergebnisse vorliegen, kann man die Entscheidung treffen, ob bzw. welche Konsequenzen zu ziehen sind.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Haben Sie eine weitere Nachfrage?

Sevim Daðdelen (DIE LINKE):

Ich habe noch eine weitere Nachfrage, aber meine erste Nachfrage, inwieweit der Bundesregierung die Ergebnisse der Ermittlungen in Australien und Großbritannien bekannt sind, wurde nicht beantwortet. In diesem Zusammenhang wiederhole ich meine erste Nachfrage und verbinde sie mit der weiteren Frage, inwieweit der Bundesregierung bekannt ist, ob die Ermittlungsverfahren in Frankreich und Österreich abgeschlossen sind, und, sofern dies der Fall ist, mit welchem Ergebnis.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Frau Kollegin Daðdelen, ich gehe davon aus, dass der Generalbundesanwalt, soweit er ein Ermittlungsverfahren führt – ich habe den eingeschränkten Gegenstand des Verfahrens bereits dargestellt –, alle Erkenntnisse, auch solche, die sich aus Ermittlungen in anderen Ländern ergeben, einbeziehen und ein Ergebnis vorlegen wird, über das dann diskutiert werden kann.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen.

Vorlage der angekündigten Regelung zum Schutz von Immobiliendarlehen bei Abtretung oder Übertragung

Ich rufe die Frage 12 auf:

Sonja Steffen (SPD):

Wann wird die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP angekündigte Regelung, zum Schutz von Immobiliendarlehen eine Abtretung der Darlehensforderung oder die Übertragung des Kreditverhältnisses an ein Unternehmen ohne Banklizenz zukünftig von der Genehmigung des Darlehensnehmers abhängig zu machen, vorlegen, und auf welcher Daten- oder Faktengrundlage beruht der Regelungsentwurf?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Frau Kollegin Steffen, Ihre Frage beruht darauf, dass es in der Vergangenheit Berichterstattungen darüber gegeben hat, dass etwa bei Baudarlehen der Gläubiger gewechselt hat und sich jemand, der sein Darlehen völlig korrekt bedient und die Monatsraten bezahlt hat, plötzlich womöglich sogar einer Zwangsvollstreckung gegenübersah.

Aus diesem Grund werden innerhalb der Bundesregierung verschiedene Möglichkeiten geprüft, wie man hier Abhilfe schaffen kann. Das Bundesministerium der Justiz geht davon aus, dass noch im Jahre 2010 ein erster Regelungsentwurf zur Umsetzung dessen, was in der Koalitionsvereinbarung dazu ohnehin vorgesehen ist, vorgelegt wird.

Sie haben auch danach gefragt, welches Daten- und Faktenmaterial vorliegt. Das wird dann im Zusammenhang mit diesem Regelungsentwurf von uns dargestellt werden.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte schön.

Sonja Steffen (SPD):

Wie wird man mit Unternehmen umgehen, die, wie beispielsweise Lone Star, über eigene Banken verfügen? Im Koalitionsvertrag steht ja, dass es bei dem Schutz, den Sie gewährleisten wollen, hauptsächlich um Unternehmen geht, die die Forderung übernehmen, ohne eine Banklizenz zu haben. Wie geht man dann also mit Unter­nehmen um, die sich ein bisschen trickreich einer eigenen Bank bedienen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Sie haben zu Recht aus dem Koalitionsvertrag zitiert, in dem gewissermaßen ein Teilausschnitt der Problematik angesprochen wird. Wir sind dabei, das Thema um­fassender zu diskutieren.

Es gehört allerdings auch dazu, dass man die Refinanzierungsmöglichkeiten der Banken nicht abschneiden darf; auch das muss man im Auge behalten. Das Ziel ist aber, insbesondere Schuldner, die sich selber vertragsgemäß verhalten, davor zu schützen, dass sie plötzlich einem anderen Vertragspartner gegenüberstehen, der das Recht hat, Verträge zu ändern oder eine Zwangsvollstreckung durchführen zu lassen, obwohl es dafür keinen Anlass gibt, den der Schuldner zu vertreten hat.

Auch diese Materie ist insgesamt etwas komplizierter, als es vielleicht auf den ersten Blick aussieht. Deswegen dauern die Arbeiten bei uns im Haus noch an. Wir werden im Laufe des Jahres mit einem Regelungsentwurf auf Sie zukommen.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Nein.

Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung

Wir bleiben beim Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und kommen zur Frage 11 der Abgeordneten Sonja Steffen:

 

Wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung vorlegen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Frau Kollegin Steffen, vielleicht darf ich kurz erläutern, dass es bei § 522 Abs. 2 ZPO darum geht, dass Berufungen in Zivilsachen per Beschluss verworfen werden können, ohne mündliche Verhandlung, allerdings nach einem Hinweis des Gerichts. An dieser Regelung wird in der Praxis vielfach Kritik geübt. Deswegen sollte diese Vorschrift so geändert werden, dass bei ihrer Anwendung insbesondere eine einheitliche Rechtsprechungspraxis erreicht wird. Zu diesem Zweck ist insbesondere die Einführung eines Rechtsmittels gegen den Zurückweisungsbeschluss ins Auge zu fassen. Man muss auch darüber nachdenken, die mündliche Verhandlung wieder zu stärken oder vielleicht die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen solchen Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verschärfen. Das ist die eine Seite.

Auf der anderen Seite ist in die Überlegungen allerdings auch einzubeziehen, welche Folgen dies für die Justiz und insbesondere welche finanziellen Auswirkungen eine Gesetzesänderung auf die Haushalte von Bund und Ländern hätte. Insofern handelt es sich um keine ganz einfache Thematik. Auch hier ist die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Eine Nachfrage? - Bitte schön.

Sonja Steffen (SPD):

Vielen Dank. - Ich möchte Sie an den Gesetzentwurf erinnern, der 2008 seitens der FDP-Fraktion eingebracht worden ist. Sie werden wissen, dass die gesamte Anwaltschaft im Grunde genommen dafür plädiert, dass § 522 Abs. 2 ZPO abgeschafft wird. Ich hätte gerne gewusst: Sprechen tatsächlich nur finanzielle Gründe dagegen? Denn ich glaube, jeder Jurist plädiert dafür, diese Vorschrift abzuschaffen; es sei denn, er ist Richter und hat aus dieser Perspektive damit zu tun. Aus meiner Sicht stellt sie einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip dar.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Frau Kollegin Steffen, Sie haben zu Recht Kritik aus der Anwaltschaft an dieser Vorschrift zitiert, aber es gibt auch eine erhebliche Kritik von Bürgerinnen und Bürgern, die persönlich davon betroffen gewesen sind. Ihre Kritik geht vor allem dahin, dass man auch bei bedeutsamen Rechtstreitigkeiten und durchaus erheblichen Streitwerten keine weitere Instanz zur Verfügung hat und dass es im Falle eines solchen Zurückweisungsbeschlusses nicht möglich ist, dem Gericht in mündlicher Verhandlung sein Anliegen persönlich vorzutragen. Deswegen habe ich die Punkte dargelegt, bei denen wir Änderungen ins Auge fassen.

Wir gehen in unseren Überlegungen allerdings nicht so weit, die Vorschrift gänzlich abzuschaffen. Dazu muss man vielleicht erläutern, dass dem Zurückweisungsbeschluss eine begründete Darlegung des Gerichts vorausgeht, warum eine Berufung nicht für aussichtsreich gehalten wird. Zumindest von Teilen der Anwaltschaft wird gesagt, solche Hinweise seien durchaus nützlich, um die Prozessrisiken und die Chancen eines Rechtsmittels einschätzen zu können. Diese Hinweise führen dann vielleicht auch dazu, dass eben doch eine Reihe von Fällen auf diesem schnelleren und kostengünstigeren Weg erledigt werden kann. Diese Möglichkeit wollen wir eben nicht völlig abschneiden, aber wir haben Änderungen ins Auge gefasst, die ich Ihnen geschildert habe.

Ein hauptsächliches Gegenargument ist in der Tat, dass man die finanziellen Auswirkungen noch genau untersuchen muss. Danach müssen wir eine Entscheidung treffen, die wir Ihnen vorlegen, und dann werden wir sehen, wie Sie dazu stehen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Haben Sie eine zweite Nachfrage? - Das ist nicht der Fall.

Position der Bundesministerin für Justiz in der Frage etwaiger Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke

Ich rufe die Frage10 der Kollegin Höhn auf:

Kann die Bundesministerin der Justiz in der Frage etwaiger Verlängerungen der Laufzeit von Atomkraftwerken ein Vorgehen mittragen, das nach gutachterlicher Einschätzung ihres eigenen Hauses „mit einem nicht unerheblichen verfas­sungsrechtlichen Risiko verbunden wäre“, weil „nicht sicher davon ausgegangen werden“ kann, „dass das Bundesverfassungsgericht im Streitfall die Zustimmungsbedürftigkeit verneint“ (vergleiche Gutachten zur Zustimmungsbedürftigkeit einer Änderung des Atomgesetzes zur Verlängerung der Laufzeit von Kernkraftwerken vom 1. Juni 2010)?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Frau Kollegin Höhn, wie Sie wissen, ist die politische Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung über eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke in Deutschland und gegebenenfalls deren Ausgestaltung noch nicht abgeschlossen. Das in Ihrer Frage zitierte gemeinsame Gutachten des Bundesministeriums der Justiz und des Bundesinnenministeriums zur Frage der Zustim­mungsbedürftigkeit einer etwaigen Änderung des Atomgesetzes zur Verlängerung der Laufzeit wird natürlich in den Meinungsbildungsprozess der Bundesregierung einfließen und berücksichtigt werden.

Das Gutachten kommt zu einer differenzierten Betrachtung. Es stellt fest, dass eine zustimmungsfreie Ausgestaltung eines solchen Gesetzes unter bestimmten Bedingungen noch vertretbar erscheint, sieht aber ein nicht unerhebliches verfassungsrechtliches Risiko als gegeben an, weil die Prüfung der Zustimmungsbedürftigkeit sich in dieser Frage auf rechtlichem Neuland bewegt. Verfassungsgerichtliche Entscheidungen zur Fragestellung gibt es bisher nämlich noch nicht. Es liegen mehrere Rechtsgutachten vor, die aber zu unterschiedlichen, konträren Ergebnissen kommen. Eine endgültige verfassungsrechtliche Bewertung der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit ist erst nach Vorlage eines ausformulierten Gesetzentwurfs möglich.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Höhn, bitte.

Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Staatssekretär, heute Mittag, 11.46 Uhr, ist über Reuters die Meldung verbreitet worden, dass eine Vorentscheidung gefallen sei und der Bundesrat bei der Ver­längerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke kein Vetorecht haben solle.

Der Weg über ein zustimmungsfreies Gesetz werde von allen maßgeblichen Personen in der Regierung und den Regierungsfraktionen bis auf Umweltminister Norbert Röttgen favorisiert.

Zu den Befürwortern eines zustimmungsfreien Gesetzes „gehörten das Kanzleramt, Innen-, Finanz- und Justizministerium“ und die beiden Koalitionsfraktionen. Können Sie bestätigen, dass Sie zu den nicht unerheblichen Befürwortern gehören, die der Meinung sind, dass man ein Gesetz machen soll, das der Zustimmung des Bun­desrates nicht bedarf, obwohl Ihnen ein Gutachten vom Anfang dieses Monats vorliegt, das also noch sehr jung ist, nach dem nicht unerhebliche verfassungsrechtliche Risiken damit verbunden sind und man nicht sicher davon ausgehen kann, dass das Bundesverfassungsgericht im Streitfall die Zustimmungsbedürftigkeit verneint?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Frau Höhn, wie ich in der Antwort auf Ihre schriftliche Frage schon ausgeführt habe, ist die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit erst dann endgültig zu beantworten, wenn ein ausformulierter Gesetzentwurf vorliegt, sodass dessen Inhalt bewertet werden kann. Ich glaube, ich habe deutlich genug vorgetragen, dass es Ausgestaltungen eines solchen Gesetzes gibt, die nach der im Gutachten von BMJ und BMI vertretenen Auffassung zustimmungsfrei sind, es aber auch andere Ausgestaltungen eines solchen Gesetzes geben kann, die der Zustimmung bedürfen. Leider ist es in der Juristerei oft so, dass man eine Frage nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten kann, sondern mit dem berühmten Juristensatz „Es kommt darauf an…“ beantworten muss.

Vielleicht darf ich das verfassungsrechtliche Problem ganz kurz erläutern. Es handelt sich um Art.87 c des Grundgesetzes. Nach dieser Vorschrift können Gesetze – ich verkürze einmal –, die die friedliche Nutzung der Kernenergie betreffen, wofür der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz besitzt, „mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass sie von den Ländern im Auftrag des Bundes ausgeführt werden.“ Das Gutachten, das BMJ und BMI vorgelegt haben, geht davon aus, dass der Maßstab für die Anwendung des Art. 87 c Grundgesetz ist, ob in einer Laufzeitverlängerung eine neue Übertragung dieser Aufgabe an die Länder als Bundesauftragsverwaltung liegen würde oder nicht. Das ist der entscheidende Maßstab. Je nachdem, wie das Gesetz ausgestaltet ist, kann diese Voraussetzung erfüllt sein oder auch nicht.

Ich bitte daher noch einmal um Verständnis, wenn ich hier vortrage, dass für uns beide Möglichkeiten rechtlich denkbar sind. Auf das Risiko, das damit zusammen­hängt, dass bisher keine Entscheidung zu Art. 87 c des Grundgesetzes vorliegt, habe ich hingewiesen. Es gibt eine Entscheidung – 48. Band – zu einer Parallelvorschrift – Art.87 b Grundgesetz –, der wir bei unserem Gutachten den Prüfungsmaßstab entnommen haben.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Höhn.

Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Heißt das, dass die Meldung von Reuters nicht stimmt und dass Sie sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht im Sinne einer Zustimmungsfreiheit des Gesetzes entschieden haben? So interpretiere ich Ihre Antwort einmal, denn ich wollte ja keine juristische Antwort haben.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Frau Höhn, ich habe mich am heutigen Vormittag in Gremien des Deutschen Bundestages bewegt und diese Meldung von Reuters jetzt erstmals zur Kenntnis ge­nommen.

Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Okay, danke schön. Ich dachte nur, dass Sie als Staatssekretär eine solche Meldung, die von Ihrem Ministerium ausgeht, auch kennen.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Ich weiß nicht, ob sie von unserem Ministerium ausgeht; das hatten Sie vorhin nicht so vorgetragen.

Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Doch, hatte ich schon. Ich dachte nur, dass Sie über die Entscheidung Ihres Ministeriums informiert sind. Aber gut.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Frau Kollegin Höhn, das bin ich durchaus, und die Entscheidung unseres Ministeriums lautet folgendermaßen: Man kann eine endgültige verfassungsrechtliche Bewertung der Frage, ob dieser Vorgang im Bundesrat zustimmungsbedürftig ist, erst dann abgeben, wenn der Gesetzestext ausformuliert vorliegt.

Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

So, jetzt meine zweite Nachfrage.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Das war schon die zweite Nachfrage.

Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein, ich habe doch gar keine Frage gestellt.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Sie sagten, Sie dachten, dass diese Meldung vom Ministerium ausging, und der Herr Staatssekretär hat darauf geantwortet. Deswegen würde ich jetzt gern Herrn Montag die Möglichkeit zu einer weiteren Nachfrage geben.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär Stadler, Sie haben schön geantwortet, und die von Ihnen zitierte Verfassungslage ist mir bekannt. Aber ich will noch einmal hinsichtlich des politischen Inhalts Ihrer Antwort nachfassen.

Habe ich diese so zu verstehen, dass das Bundesjustizministerium ein Laufzeitenverlängerungsgesetz für verfassungsrechtlich unbedenklich halten würde, wenn den Bundesländern in diesem Gesetz die Verwaltungskompetenz für den Atombereich genommen und die gesamte Verwaltung der Atomkraftwerke in die Zuständigkeit des Bundes überführt würde? Ist das die Quintessenz Ihrer Antwort?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Nicht ganz, Herr Kollege Montag. Sie haben ein Szenario formuliert, bei dem der Art. 87 c Grundgesetz tatsächlich nicht einschlägig wäre und sich demgemäß keine Zustimmungsbedürftigkeit nach dieser Vorschrift ergeben würde. Mir ist allerdings bisher nicht bekannt, dass das möglicherweise beabsichtigte Gesetz diesen Weg gehen soll.

Wenn es bei der bisherigen Rechtslage, dass nämlich das Atomgesetz von den Ländern in Auftragsverwaltung des Bundes vollzogen wird, bleibt, dann kommt es da­rauf an, ob mit der Gesetzesänderung eine neue Auftragsverwaltung geschaffen wird – dann wäre der Art. 87 c Grundgesetz einschlägig – oder ob dies nicht der Fall ist. Dies wiederum hängt davon ab, welchen Inhalt das Gesetz haben wird.

Sie haben ein Szenario beschrieben, das man theoretisch betrachten kann, das uns praktisch aber in dieser Form nicht vorgelegt worden ist.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Steiner.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Staatssekretär, es gibt ein Rechtsgutachten des Landes Schleswig-Holstein, das zu dem Ergebnis kommt, dass die Aufspaltung der geplanten Atomrechts­änderungen in ein Gesetz, das die Laufzeiten verlängert, und in ein Gesetz, das Sicherheitsbestimmungen enthält, im Lichte der staatlichen Schutzpflichten gemäß Art. 1 und 2 Grundgesetz verfassungswidrig sein könnte. Ist dies auch aus Sicht des Bundesministeriums der Justiz eine ernst zu nehmende rechtliche Argumentation?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Frau Kollegin, wie ich schon bei meiner allerersten Antwort ausgeführt habe, nehmen wir die Gutachten, die es zu dieser nicht einfachen Thematik gibt, selbstverständlich alle sehr ernst. Gerade weil es unterschiedliche Gutachten durchaus beachtlichen Inhalts gibt, ist eine eindeutige Vorhersage, wie das Bundesverfassungsgericht, das diese Frage bisher noch nicht entschieden hat, in einem etwaigen Streitfalle entscheiden würde, unserer Ansicht nach derzeit schwer möglich.

Sie haben eine spezielle Frage gestellt, die ich nur in abstrakter Form beantworten kann. Diesbezüglich ist die Rechtslage allerdings völlig klar. Entgegen Auffassungen, die in der Frühzeit der Bundesrepublik Deutschland in der Kommentarliteratur vertreten worden sind, ist seit langem völlig eindeutig geklärt, dass eine Aufspaltung von Gesetzen in einen zustimmungsfreien Inhalt und in einen zustimmungspflichtigen Inhalt möglich ist. Ich möchte jetzt nicht bewerten, ob dies in der von Ihnen ge­schilderten konkreten Konstellation der Fall ist. Dazu müsste man einen ausformulierten Gesetzesvorschlag kennen.


Ich sage damit auch nicht – ich betone das, damit ich nicht missverstanden werde –, dass eine Entscheidung getroffen ist, eine solche Aufspaltung vorzunehmen. Ich sage nur: Sie ist in früheren Fällen vorgenommen und nicht beanstandet worden. Ich möchte also nur abstrakt auf die Frage nach der Rechtslage antworten, die Sie aufgeworfen haben.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Eine Nachfrage des Kollegen Ott.

Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, ich mache mir langsam Sorgen um den Zustand des Konservatismus in Deutschland. Konservative Spitzenpolitiker – meistens fangen ihre Namen mit K an – pfeifen auf die Pflichterfüllung, die wesentlicher Bestandteil konservativen Denkens und konservativer Ethik ist. Jetzt bringen Sie etwas auf den Weg, bei dem ich mich frage, wann es so etwas zum letzten Mal gegeben hat. Wann hat die Bundesregie­rung ein Gesetz auf den Weg gebracht, bei dem das Bun­desjustizministerium nicht unbedeutende verfassungsrechtliche Risiken gesehen hat? Wie vereinbaren Sie das mit Ihrem Job als Staatssekretär im Verfassungsschutzministerium?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Ich will jetzt nicht oberlehrerhaft sein, aber ich glaube, dass die Frage nach dem Zustand des Konservatismus – ich bevorzuge das Wort Konservativismus; aber das ist nur eine semantische Kleinigkeit am Rande –

(Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN]: Sehr interessant!)

nicht ausgerechnet von mir als liberalem Politiker hier in der Fragestunde zu beantworten ist.

Ich habe, glaube ich, als Parlamentarischer Staatssekretär auch keinen Job, sondern eine Aufgabe. Diese Aufgabe nehmen wir als Bundesjustizministerium in der Weise wahr, dass wir die bestehende Rechtslage dargestellt haben.

Ich darf versuchen, ein Missverständnis, das in Ihrer Frage durchzuklingen schien, auszuräumen. Ich habe nicht gesagt, dass ein Gesetz zur Laufzeitverlängerung zustimmungsfrei ist. Ich habe gesagt, dass Gestaltungen denkbar sind, in denen es zustimmungsfrei ist, dass aber auch andere Gestaltungen denkbar sind, in denen es – nach unserem Maßstab, den wir einer Parallelentscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemeinsam mit dem Innenministerium entnehmen – zustimmungspflichtig ist. Insofern war in Ihrer Frage eine Annahme enthalten, die nicht zutrifft. Wir können eine endgültige Bewertung nur vornehmen, wenn ein konkreter Gesetzestext vorliegt.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Die nächste Frage stellt der Kollege Krischer.

Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke schön. – Meine Frage zielt in die Richtung, ob Ihr Ministerium ein Gesetz auf den Weg bringen wird, auch wenn es Gutachten, Expertisen namhafter Experten geben wird, die von einem Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht ausgehen. Wird Ihr Haus, wird das Justizministerium, ein Gesetz mittragen, auch wenn es deutliche Anhaltspunkte für ein Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht – Stichwort Zustimmungspflichtigkeit – gibt?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Die erste Frage kann ich mit einem klaren Nein beantworten. Unser Ministerium wird ein solches Gesetz überhaupt nicht auf den Weg bringen; denn es ist nicht federführend zuständig. Wenn, dann bringt die Bundesregierung das Gesetz auf den Weg.

Inhaltlich bezog sich Ihre Frage auf verfassungsrechtliche Bedenken. Das Bundesjustizministerium und das Bundesinnenministerium sind um eine gutachterliche Stellungnahme zur Verfassungsrechtslage gebeten worden. Diese haben wir abgegeben. Ich glaube, es ist selbstverständlich, dass das Gutachten in die weitere Meinungsbildung der Bundesregierung einfließt. Diese ist, wie Sie wissen, noch nicht abgeschlossen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke. – Herr Kollege Stadler, kennt der Staatssekretär im Justizministerium oder das Justizministerium oder kennen beide eine Gesetzesformulierung zur Verlänge­rung der Laufzeiten von Atomkraftwerken, in der keine neue Auftragsverwaltung vorgesehen ist und die deshalb nach Auffassung des Bundesjustizministeriums auch keiner Zustimmung der Länderkammer, also des Bundesrates, bedarf? Wenn ja, ist der Staatssekretär bereit, uns diese Formulierung mitzuteilen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Herr Kollege Ströbele, vorhin habe ich auf eine andere Frage geantwortet, dass ich das eine oder andere in der Fragestunde von der Regierungsbank aus nicht tun darf. Vermutlich darf ich Ihnen auch nicht zu Ihrem Geburtstag gratulieren, den Sie in dieser Woche feiern konnten.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Das dürfen Sie!)

Ich beschränke mich daher auf die Beantwortung Ihrer Frage und sage: Einen solchen Gesetzestext kenne ich bisher nicht, weil unserem Haus noch kein Gesetzestext vorgelegt worden ist. Ich habe abstrakt dargestellt, was aufgrund einer Entscheidung, die das Bundesverfassungsgericht zu einer anderen Vorschrift gefällt hat, der Prüfungsmaßstab sein wird.

Ich darf wiederholen: Die entscheidende Frage ist, ob in einer Laufzeitverlängerung die Übertragung einer neuen Aufgabe liegt. Die Laufzeitverlängerung als solche ist keine verfahrensrechtliche Vorschrift, die die Länder betreffen würde, sondern eine materiellrechtliche. Dennoch ist die Fragestellung richtig.

Um vollständig vorzutragen, nehme ich Ihre Frage zum Anlass, noch etwas anderes deutlich zu machen – vielleicht wollte Frau Höhn mich danach fragen; dann kann ich ihre Frage beantworten, ohne dass sie mich gefragt hat –: In anderen Rechtsgutachten gibt es bekanntlich andere Ansatzpunkte. All dies wird bei der endgültigen Bewertung zu berücksichtigen sein.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Eine weitere Frage, diesmal von der Kollegin Herlitzius.

Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke. – Auch ich habe eine Frage, Herr Staatssekretär. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Horst Meierhofer hat erklärt, um eine Laufzeitverlängerung durchzuführen, müsse diese – jetzt folgt das Zitat – „rechtlich wasserdicht sein.“ Teilen Sie diese Auffassung?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Ich teile in der Regel alle Auffassungen meines geschätzten Kollegen Horst Meierhofer aus Regenburg.

(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN]: Wow!)

Ich habe deutlich gemacht, dass das Bundesinnenministerium und das Bundesjustizministerium gemeinsam auf verfassungsrechtliche Risiken bei bestimmten Ausgestaltungen eines etwaigen Gesetzes hingewiesen haben. Dies wird sicherlich in die Meinungsbildung der Bundesregierung einfließen.

Vorlage des angekündigten Löschgesetzes zur Aufhebung des Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen

Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Lars Klingbeil auf:

Wann beabsichtigt die Bundesregierung, das bei der Einbringung der Gesetzentwürfe zur Aufhebung des Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen im Februar 2010 angekündigte Löschgesetz vorzulegen, und was soll konkret in diesem Gesetz geregelt werden?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Herr Kollege Klingbeil, wie Sie gerade selbst erwähnt haben, ist im Koalitionsvertrag selbstverständlich festgehalten, dass es notwendig ist, gegen kinderpornografische Angebote im Internet intensiv vorzugehen und diese schnellstmöglich zu löschen, statt sie zu sperren. Sie haben zu Recht erwähnt, dass für ein Jahr kinderpor­nografische Inhalte auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes nicht gesperrt werden. Stattdessen betreiben die Polizeibehörden in enger Zusammenarbeit mit den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft die Löschung kinderpornografischer Seiten. Bei der Be­antwortung der vorherigen Frage ist bereits deutlich geworden, dass diese Bemühungen nach einem Jahr in Hinblick auf Erfolg und Wirksamkeit evaluiert werden und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse eine ergebnisoffene Neubewertung vorgenommen werden soll. Das ist der Stand der Dinge.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Haben Sie eine Nachfrage, Herr Klingbeil?

Lars Klingbeil (SPD):

Vielen Dank für die Antwort. – Teilen Sie die Einschätzung namhafter Rechtsexperten, die sagen, dass wir kein Löschgesetz, wie von der Regierung angekündigt, brauchen, weil wir keine rechtlichen Lücken haben, sondern Lücken bei der Durchsetzung von bestehenden Rechten? Meine zweite Frage schließt sich daran an: Falls Sie das anders sehen, würde ich gerne wissen, wo Sie gesetzgeberische Lücken, die mit dem Löschgesetz geschlossen werden müssen, sehen.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Tatsache ist, dass wir ein Gesetz vorgefunden haben, das noch von der alten Bundesregierung und der damaligen Koalitionsmehrheit kurz vor der Bundestagswahl gegen den Widerstand aller Oppositionsfraktionen beschlossen worden ist. Es sollte mit der sogenannten Sperrung der Zugang zu kinderpornografischen Inhalten erschwert werden. In Wahrheit ist das aber keine echte Sperrung. Deswegen haben wir in der neuen Koalition vereinbart, uns auf das Wesentliche, Erfolgversprechende und Notwendige zu konzentrieren, nämlich die Löschung vorzunehmen.

Auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts sind Maßnahmen zur Durchsetzung dieses Vorhabens, also zur Löschung solcher Inhalte, ins Werk gesetzt worden. Der Kollege vom Innenministerium hatte gerade nicht erwähnt, dass am 19.Februar 2010 ein Anwendungserlass des Bundesinnenministeriums an das Bundeskriminalamt gegangen ist, mit dem sichergestellt wurde, dass die kritisierte sogenannte Sperrinfrastruktur nicht ins Werk gesetzt wird. Seither wird auf der Grundlage der bestehenden Gesetze das Löschen vorgenommen. Die Zahlen dazu wurden gerade von Herrn Bergner vorgetragen.

 


Es ist aber vielleicht noch zu ergänzen, dass mit den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft gerade kürzlich vereinbart worden ist, die Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt noch zu verstärken. Insbesondere das Bundeskriminalamt – das ist eine wichtige Information – hat etwa seit Mai die Zusammenarbeit mit den USA deutlich verstärkt; denn aus den vorgetragenen Zahlen ist hervorgegangen, dass von dort besonders viele solcher Inhalte ins Netz gestellt werden.

Dies geschieht in der Tat alles, ohne dass dafür eine neue gesetzliche Grundlage geschaffen worden wäre. Nach Ablauf von einem Jahr wird dann zu evaluieren sein, ob diese Maßnahmen ausreichen. Abschließend bewerten – da schließe ich mich Herrn Kollegen Bergner an – kann man das aufgrund der jetzt vorliegenden Zah­len noch nicht. Wir glauben, dass die Zahl der Löscherfolge steigen wird.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Eine weitere Nachfrage kommt vom Kollegen Montag.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke, Frau Präsidentin. – Ihre Erklärung, Herr Staatssekretär, veranlasst mich dazu, kurz nachzufragen. Habe ich Ihre letzten Ausführungen so zu verstehen, dass die Frage, ob es überhaupt ein Löschgesetz geben wird, offen ist? Ist also gar nicht sichergestellt, dass Sie einen Entwurf für ein Löschgesetz vorlegen werden, sondern ist es so, dass Sie erst abwarten, wie die Praxis funktioniert, und erst danach entscheiden wollen, ob Sie überhaupt einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen wollen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Sie haben es nicht ganz genau so verstanden, wie ich es gemeint habe, oder ich habe es nicht präzise genug ausgedrückt. Klar ist, dass nach einem Jahr evaluiert wird, wie man weiter vorgeht, insbesondere ob es bei dem von der neuen Bundesregierung favorisierten Grundsatz „Löschen statt Sperren“ bleibt oder ob es zu einer Rückkehr zu den Zugangserschwernisregelungen der früheren Koalition aus CDU/CSU und SPD kommen wird. Das war damit gemeint.

Sie haben meinen Ausführungen entnommen, dass dem Bundestag von der Bundesregierung derzeit kein Entwurf für ein eigenes Löschgesetz vorgelegt worden ist. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage: Darüber gibt es interne Gespräche, die aber bisher nicht zu dem Ergebnis geführt haben, dass wir Ihnen einen solchen Gesetzentwurf hätten vorlegen können.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Dann kann jetzt der Kollege Klingbeil seine zweite Nachfrage stellen. Es gab hier gerade etwas Konfusion.

Lars Klingbeil (SPD):

Vielen Dank. – Ich wollte genau den Punkt aufgreifen, den auch der Kollege Montag angesprochen hat. Er hat übrigens genauso wie ich verstanden, dass Sie gesagt haben: Wir evaluieren, und am Ende steht die Frage: Brauchen wir überhaupt ein Löschgesetz?

Zwischendurch gab es Pressemeldungen, in denen verbreitet wurde, der Entwurf für ein Löschgesetz sei jetzt fertig und werde zwischen den Ministerien abgestimmt. Meine kurze Frage ist: Stimmen diese Presseartikel also nicht, dass an einem solchen Gesetzentwurf bereits gearbeitet wird?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Noch einmal, Herr Kollege Klingbeil: Nach Ablauf des einen Jahres – ich habe es präzisiert – wird entschieden, wie weiter verfahren wird. Dass es innerhalb der Bundesregierung schon jetzt Überlegungen gibt, dem Bundestag einen eigenen Gesetzentwurf für ein Löschgesetz vorzulegen, haben Sie den Pressemeldungen richtig entnommen. Diese Überlegungen sind aber noch nicht zu einem Ergebnis gekommen, sodass Ihnen bisher ein solcher Gesetzentwurf, wie Sie unschwer feststellen konnten, noch nicht vorgelegt worden ist.

 

Zeichnung des revidierten Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern

 

Fragestunde vom 19.05.2010

Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Volker Beck auf:

Wann beabsichtigt die Bundesregierung die Zeichnung des revidierten Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern vom 27. November 2008 - SEV 202 -, und wie begründet die Bundesregierung, dass eine Zeichnung anderthalb Jahre nach Auflegung noch immer nicht erfolgt ist?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.


Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Herr Kollege Beck, die Bundesregierung prüft die Zeichnung des revidierten Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern. Für die Zeichnung sind ein Beschluss des Bundeskabinetts sowie eine Abstimmung mit der Ständigen Vertragskommission der Länder erforderlich. Die Prüfungen der Bundesregierung sind noch nicht abgeschlossen.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Eine Nachfrage? - Bitte.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Können Sie mir erklären, warum bereits 14 Länder dieses Übereinkommen unterzeichnet haben, aber die Bundesrepublik Deutschland nicht, obwohl wir eines der Länder waren, die - damals war Frau Zypries Bundesjustizministerin - den Anstoß zur Überarbeitung dieser Konvention gegeben haben, damit wir die alte Forderung der FDP, die auch wir immer erhoben haben, die gemeinschaftliche Adoption von Lebenspartnerschaften zu ermöglichen, ohne die Konvention zu verlassen, endlich hinbekommen? Ich bin ganz erstaunt, dass das Engagement Ihres Hauses in Ihrer Eingangsantwort so zurückhaltend formuliert war.


Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Herr Kollege Beck, wie Sie wissen, dauerte die Regierungszeit der früheren Bundesregierung noch fast ein Jahr an, nachdem im Europarat dieses Übereinkommen beschlossen worden war. Ich bin natürlich nicht in der Lage, Auskunft darüber zu geben, warum die Große Koalition die Zeichnung dieses Übereinkommens nicht veranlasst hat. Seit der Bildung der christlich-liberalen Ko­alition ist nunmehr etwas mehr als ein halbes Jahr vergangen. Wie ich schon erwähnt habe, dauern die Prüfungen innerhalb der Bundesregierung, ob man das Übereinkommen zeichnet und, wenn ja, gegebenenfalls wann, noch an.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Eine weitere Nachfrage? - Bitte schön.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Gibt es denn in der Bundesregierung Überlegungen und, wenn ja, von welcher Seite, der Konvention womöglich nicht beizutreten?


Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:

Herr Kollege Beck, Ihnen ist sicherlich der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP bekannt.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darin steht nichts zur Adoption!)

Darin sind eine Reihe von Verbesserungen für eingetragene Lebenspartnerschaften vereinbart. Es sind übrigens auch Verbesserungen im Jahressteuergesetz hinsichtlich der Erbschaftsteuer und der Grunderwerbsteuer vereinbart.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht jetzt aber um die Konvention!)

Das ist also eine Thematik, mit der wir sehr wohl befasst sind. Ihnen ist aber auch geläufig, dass genau zu der Frage, die Sie gestellt haben, der Bundesregierung im Koalitionsvertrag kein Auftrag erteilt worden ist.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das finde ich erstaunlich angesichts der FDP-Position!)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Danke schön.

 

Einführung von Internetsperren

Frage der Abgeordneten Ingrid Hönlinger (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜNEN ) (Drucksache 17/1534, Frage 37):

Welche Position vertritt die Bundesregierung, auch vor dem Hintergrund der Debatte um das zurzeit per Ministererlass ausgesetzte deutsche Zugangserschwerungsgesetz, bezüglich der Einführung von Netzsperren als Instrument im Kampf gegen die Darstellung von Kindesmissbrauch im Internet sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene?

Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf die Koalitionsvereinbarung. Danach besteht Einigkeit, dass es notwendig ist, kriminelle Angebote schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Zunächst für ein Jahr sollen kinderpornografische Inhalte auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes nicht gesperrt werden. Stattdessen werden die Polizeibehörden in enger Zusammenarbeit mit den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft wie der deutschen Internetbeschwerdestelle sowie dem Beschwerdestellennetzwerk INHOPE die Löschung kinderpornografischer Seiten betreiben.

In der Koalitionsvereinbarung ist ferner festgelegt, dass dies nach einem Jahr im Hinblick auf Erfolg und Wirksamkeit evaluiert und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse ergebnisoffen eine Neubewertung vorgenommen werden soll.

Die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kin­derpornografie haben in der vergangenen Woche mit einer ersten Sitzung auf Ratsarbeitsgruppenebene begonnen. Artikel 21 des Richtlinienvorschlags war bislang nicht Gegenstand der Verhandlungen. Es ist derzeit auch nicht absehbar, wann diese Norm erstmals Gegenstand von Abstimmungsgesprächen auf Ratsarbeitsgruppenebene sein wird.

Befürwortung einer europäischen Einführung von Internetsperren

Fragen des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1534, Fragen 35 und 36):

Wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene, auch vor dem Hintergrund des zwischen den Koalitionsfraktionen vereinbarten Grundsatzes ?Löschen statt Sperren?, gegen den in dem Entwurf einer Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie, KOM(2010) 94, der EU-Kommission angelegten Vorschlag einer europaweiten Einführung von Internetsperren aussprechen?

Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die im Vorschlag der EU-Kommission vorgesehene Verpflichtung der Mitgliedstaaten, eine Sperrung von Internetseiten vorzunehmen, hinsichtlich der Notwendigkeit eines effektiven Kampfes gegen derartige Inhalte im Netz zielführend ist, oder vertritt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass Netzsperren für eine effektive Bekämpfung der Verbreitung der Darstellung von Kindesmissbrauch im Internet nicht nur völlig ungeeignet, sondern letztlich sogar kontraproduktiv sind, da die betreffenden Inhalte im Netz verbleiben?

 Zu Frage 35:

Die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornogra­fie haben in der vergangenen Woche mit einer ersten Sitzung auf Ratsarbeitsgruppenebene begonnen. Art. 21 des Richtlinienvorschlags war bislang nicht Gegenstand der Verhandlungen. Es ist derzeit auch nicht absehbar, wann diese Norm erstmals Gegenstand von Abstimmungsgesprächen auf Ratsarbeitsgruppenebene sein wird.

Zu Frage 36:

Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf die Koalitionsvereinbarung. Danach besteht Einigkeit, dass es notwendig ist, kriminelle Angebote schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Zunächst für ein Jahr sollen kinderpornografische Inhalte auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes nicht gesperrt werden. Stattdessen werden die Polizeibehörden in enger Zusammenarbeit mit den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft wie der deutschen Internetbeschwerdestelle sowie dem Beschwerdestellennetzwerk INHOPE die Löschung kinderpornografischer Seiten betreiben.

In der Koalitionsvereinbarung ist ferner festgelegt, dass dies nach einem Jahr im Hinblick auf Erfolg und Wirksamkeit evaluiert und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse ergebnisoffen eine Neubewertung vorgenommen werden soll.

 

Vorschläge EU zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet

Frage des Abgeordneten Martin Dörmann (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 34):

Welche Position vertritt die Bundesregierung gegenüber Vorschlägen der EU-Kommission zur Bekämpfung kinderpornografischer Inhalte im Internet, und welche gesetzliche Regelung strebt sie selbst an?

Die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kin­derpornografie haben in der vergangenen Woche mit einer ersten Sitzung auf Ratsarbeitsgruppenebene begonnen. Art. 21 des Richtlinienvorschlags war bislang nicht Gegenstand der Verhandlungen. Es ist derzeit auch nicht absehbar, wann diese Norm erstmals Gegenstand von Abstimmungsgesprächen auf Ratsarbeitsgruppenebene sein wird.

 

Bewertung des Anbringens von Kruzifixen in Schulen

Frage der Abgeordneten Sevim Daðdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 33):

Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Migrantinnen und Migranten, die die Meinung vertreten, dass Kruzifixe in Klassenräumen staatlicher Schulen gegen die Religionsfreiheit verstoßen, nicht nur in Übereinstimmung mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes stehen, das 1995 mit Blick auf Bayern festgestellt hat, ein Schulkreuz verstößt gegen die weltanschauliche Neutralität des Staates, sondern auch mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Men­schenrechte vom November 2009, und ist diese Meinung nicht Ausdruck von Toleranz und einer europäischen Gesinnung im Geiste der Aufklärung, ganz im Gegensatz zu jenen, die mittels des Kruzifixes eine einseitige Bezugnahme auf das Christentum erzwingen wollen?

Nach dem sogenannten Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1995 verstößt das Anbringen eines Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatli­chen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, dann gegen die Religionsfreiheit, Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes, wenn die Schülerinnen und Schüler dem Kruzifix zwangsweise ausgesetzt werden. In ähnlicher Weise hat eine Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, EGMR, 2009 in der Sache Lautsi gegen Italien entschieden, es verstoße gegen das Recht auf Bildung, Art. 2 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, in Verbindung mit dem Recht auf Religionsfreiheit, Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention, wenn Schülerinnen und Schüler in öffentlichen Schulen zwangsweise dem Anblick eines Kruzifixes ausgesetzt würden. Diese Entscheidung ist noch nicht endgültig, da Italien die Große Kammer des EGMR angerufen hat.

Die Auffassung, dass Kruzifixe in Klassenräumen staatlicher Schulen generell gegen die Religionsfreiheit verstoßen, trifft somit nicht zu. Das Anbringen von Kruzifixen ist nach wie vor möglich, allerdings nicht gegen den erklärten Widerspruch der Schülerinnen und Schüler beziehungsweise ihrer Erziehungsberechtigten.

Konsequenzen aus dem Widerruf des sogenannten Schweine-Patents für die Neuverhandlung des EU-Patents

Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 32):

Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Widerruf des als "Schweine-Patent" bekannt gewordenen Patents EP 1651777, und wie wird die Bundesregierung die Neuverhandlung des EU-Patentrechts zum Schutze der Nicht­patentierbarkeit von Tieren, Pflanzen und Lebensmitteln voranbringen?

Das Europäische Patentamt hat das Europäische Patent 1651777 mit Entscheidung vom 20. April 2010 widerrufen, nachdem der Patentinhaber Newsham Choice Genetics im Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 31. März 2010 erklärt hatte, das Patent nicht aufrecht erhalten zu wollen. Weitere Informationen liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Bundesregierung prüft derzeit das weitere Vorgehen in Bezug auf tier- und pflanzenbezogene Patente.

 

Berufung von Frauen in die Kommission Deutscher Corporate Governance Kodex

Frage der Abgeordneten Halina Wawzyniak (Die Linke) (Drucksache 17/1388,Frage 44):

 Hält es die Bundesregierung für richtig, in die Kommission Deutscher Corporate Governance Kodex keine Frauen als neue Mitglieder zu berufen, obwohl die Bundesministerin Dr. Kristina Schröder eine gesetzliche Quotenregelung für Aufsichtsräte nicht ausschließt?

Nein, im Gegenteil wird die Bundesregierung auch bei einer zukünftigen Neubesetzung einer Mitgliedschaft in der Kommission Deutscher Corporate Governance Kodex bemüht sein, ein qualifiziertes weibliches Mitglied zu finden.

 

Reform des Sorgerechts für unverheiratete Eltern

Frage der Abgeordneten Katja Dörner (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1107, Frage 73):

Ist es zutreffend, dass sich die Bundesregierung auf Eckpunkte einer Reform des Sorgerechts bei unverheirateten Eltern - kein automatisches gemeinsames Sorgerecht ab Geburt, auf Antrag durch den Vater und Ablehnung nur bei Vorlage von Beweisen gegen den Vater, beispielsweise Gewalt oder Drogensucht - geeinigt hat, wie dies im Focus vom 15. März 2010 berichtet wird, und, wenn ja, auf welche Eckpunkte hat sich die Bundesregierung verständigt?

Es ist nicht zutreffend, dass sich die Bundesregierung bereits auf Eckpunkte einer Reform verständigt hat. Wie bereits anlässlich Ihrer mündlichen Frage vom 27. Januar 2010 dargelegt, gibt die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Anlass, sehr sorgfältig zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen ledige Väter auch ohne zwingende Zustimmung der Mutter eine Möglichkeit bekommen sollen, ein gemeinsames Sorgerecht zu erhalten.

 

Abschaffung Bilanzierungspflicht für kleinere Unternehmen

Frage der Abgeordneten Christine Scheel (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1107, Frage 72):

Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um die Abschaffung der Bilanzierungspflicht für kleine Unternehmen im EU-Ministerrat zeitnah auf die Tagesordnung zu setzen, um eine Verabschiedung zu ermöglichen, und welche Maßnahmen gedenkt sie zu unternehmen, falls die Verabschiedung der Initiative auf EU-Ebene scheitert oder langfristig verschoben wird, um kleine Unternehmen von der Bilanzierungspflicht zu entlasten, damit diese Bürokratiekosten einsparen können?

Die Beratungen im Rat über den von Ihnen angesprochenen Richtlinienvorschlag der Kommission zu Bilanz-erleichterungen für Kleinstunternehmen sind bislang durch die Ablehnung einiger Mitgliedstaaten blockiert worden. Nach einem positiven Votum des Europäischen Parlaments Anfang März setzt sich die Bundesregierung insbesondere bei der Kommission, dem spanischen Ratsvorsitz und Frankreich nachdrücklich für eine Weiterführung der Verhandlungen im Rat unter Berücksichtigung von Änderungsvorschlägen des Europäischen Parlaments ein. Dabei sind wir natürlich auch in ständigem Kontakt mit den anderen Befürwortern, insbesondere Großbritannien. Es ist derzeit aber noch nicht abzusehen, ob die Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments von den bislang ablehnenden Mitgliedstaaten als Basis für einen Kompromiss angesehen werden.

Die europarechtlich bislang bestehenden Möglichkeiten, kleinen Kapitalgesellschaften Bilanzierungserleichterungen zu gewähren, werden in Deutschland vollumfänglich ausgeschöpft. Auch im Rahmen der von der Kommission für 2011 angekündigten grundlegenderen Überarbeitung der Bilanzrichtlinien wird sich die Bundesregierung für eine angemessene Ausgestaltung der Bilanzierungspflichten von kleinen und mittelgroßen Unternehmen einsetzen, damit diese nicht mit unnötigen Bürokratiekosten belastet werden.

Bekämpfung von Kinderpornographie

Frage des Abgeordneten Josef Philip Winkler (Bündnis 90/ Die Grünen) (Drucksache 17/839, Frage 78):

Auf welche verfassungsrechtliche bzw. gesetzliche Grundlage beruft sich die Bundesregierung, wenn sie das Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen nicht vollständig anwendet?

Das Gesetz sieht in § 1 Abs. 2 Zugangserschwerungsgesetz die Löschung von Telemedienangeboten mit kinderpornografischem Inhalt vor. Die Aufnahme eines Eintrags in eine Sperrliste ist nach der gesetzlichen Regelung nur dann zulässig, soweit andere Maßnahmen, die auf die Löschung des Angebots abzielen, nicht er­folgversprechend sind. Das Bundeskriminalamt wurde im Wege eines zwischen dem Bundesministerium der Justiz, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Tech­nologie, dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Bundesministerium des Innern abgestimmten Anwendungserlasses des Bundesmi­nisteriums des Innern am 19. Februar 2010 angewiesen, diesen im Gesetz eingeräumten Beurteilungsspielraum dahin gehend zu nutzen, keine Sperrlisten zu führen und Zugangssperren zu unterlassen. Hierdurch wurden die im Koalitionsvertrag enthaltenen Vorgaben zum Zugangserschwerungsgesetz umgesetzt.

Ankauf von Steuersündern CD´s

Fragen der Abgeordneten Katja Mast (spd) (Drucksache 17/839, Fragen 76 und 77):


Gab es Gespräche zwischen der Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, und dem baden-württembergischen Landesjustizminister Dr. Ulrich Goll über die Rechtmäßigkeit eines Ankaufs von sogenannten Steuersünder-CDs, und, wenn ja, wann fanden sie statt?

Teilt das Bundesministerium der Justiz die Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen, dass sich baden-württembergische Beamte, die illegal gewonnene Daten zur Strafverfolgung nutzen, nicht strafbar machen?

Zu Frage 76:

Nein, es haben keine Gespräche stattgefunden.

Zu Frage 77:

Das Bundesministerium der Finanzen ist für den Vorgang zuständig. Ihm liegen daher die erforderlichen Informationen vor. Letztlich überprüfen und entscheiden diese Frage die Staatsanwaltschaften und Gerichte.

Fonds für Opfer rechtsextremer Gewallt

Fragen des Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme (SPD):
In welchem Zeithorizont plant die Bundesregierung den bestehenden Fonds für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt auf der Grundlage ihrer strittigen Extremismusauffassung umzugestalten, und wird es in diesem Zusammenhang zu Budgetkürzungen speziell zulasten der Rechtsextremismusbekämpfung kommen?

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Max Stadler:
Herr Kollege Lemme, es ist allgemein von einem Fonds für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt die Rede. Präzise gesagt handelt es sich dabei um einen Haushaltstitel, der im Jahr 2000 angesichts des Anstiegs der Zahl rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Straftaten eingerichtet worden ist; erstmals wurde er im Bundeshaushalt 2001 ausgewiesen. Damit besteht die Möglichkeit, Opfern rechtsextremistischer Gewalt unbürokratisch Härtefallleistungen zukommen zu lassen. Damit wird das System der allge­meinen Opferentschädigung ergänzt. Eine vergleichbare humanitäre Hilfe ist im Bundeshaushalt auch für die Opfer terroristischer Gewalt vorgesehen. Die Möglichkeiten, einmal den Opfern rechtsextremistischer und zum anderen denen terroristischer Gewalt Härtefallleistungen zukommen zu lassen, haben sich in der Vergangenheit sehr bewährt. Deswegen wird der Haushaltstitel für den sogenannten Fonds nunmehr nicht etwa umgestaltet, sondern in der Weise ergänzt, dass eine Erweiterung dieses Titels um Härtefallleistungen für Opfer jeglicher extremistischer Übergriffe vorgesehen wird.

Zur näheren Ausgestaltung - Ihre Frage bezog sich ja auf den Zeitrahmen - ist bereits am 18. Dezember 2009 eine Richtlinie zur Zahlung von Härtefallleistungen aus dem Bundeshaushalt an die Opfer extremistischer Übergriffe erlassen worden. Diese Richtlinie wird zeitgleich mit dem Haushaltsgesetz 2010 in Kraft treten, nach derzeitiger Planung Mitte April 2010.

Sie haben darüber hinaus gefragt, ob befürchtet werden müsse, dass es zu Kürzungen zulasten der Opfer rechtsextremistischer Gewalt kommt. Diese Befürchtung ist nicht begründet; denn der bisherige Haushaltsansatz für Opfer rechtsextremistischer Gewalt in Höhe von 300 000 Euro wird mit dem Bundeshaushalt 2010 erheblich aufgestockt, nämlich auf insgesamt 1 Million Euro. Demgemäß ist eine Budgetkürzung, soweit es um Leistungen an Opfer rechtsextremistischer Gewalt geht, nicht zu befürchten.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.

Steffen-Claudio Lemme (SPD):
Zunächst einmal vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Meine Frage bezieht sich auf Fallzahlen. Ist Ihnen be­kannt, wie viele Opfer rechtsextremistischer Gewalt es in unserem Lande gibt? Wie viele Opfer terroristischer Gewalt gibt es im Vergleich dazu?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Abgeordneter, diese Zahlen können natürlich nachgeliefert werden.

Aus Ihrer Frage spricht, glaube ich, die Besorgnis, dass aus dem neuen Haushaltstitel so viele andere Fälle zu bedienen sind, dass den Opfern rechtsextremistischer Gewalt die bisherigen Härtefallleistungen nicht mehr oder nicht mehr in voller Höhe gewährt werden können. Diese Befürchtung halte ich für ungerechtfertigt. In den Richtlinien, die am 18. Dezember 2009 erlassen worden sind und Mitte April dieses Jahres in Kraft treten werden, sind keine anderen Voraussetzungen für Zahlungen vorgesehen, sodass aufgrund dieser Richtlinien Kürzungen im Einzelfall nicht zu befürchten sind.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Die zweite Nachfrage.

Steffen-Claudio Lemme (SPD):
Herr Staatssekretär, befürchten Sie nicht auch, dass es zu einer inhaltlich nicht vertretbaren Vermischung kommt, wenn sich eine Richtlinie auf Opfer unterschied­licher ideologisch geprägter Gewalt bezieht, und dass man im Nachgang kein differenziertes Bild mehr von der politisch-ideologisch geprägten Landschaft erhält?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes­ministerin der Justiz:
Herr Abgeordneter, eine Relativierung der rechts­extremistischen Übergriffe ist damit in keiner Weise verbunden.

Die Bundesregierung betrachtet das Problem gewis­sermaßen aus der Opferperspektive. Es ist unsere Auffassung in der Koalition, dass die Opfer jeglicher extre­mistischer Gewalt in gleicher Weise einen Anspruch auf unbürokratische humanitäre Hilfe haben. Mit "Anspruch" meine ich keinen einklagbaren Rechtsanspruch, vielmehr meine ich, dass Geldleistungen vorgesehen werden sollen.

Den Opfern rechtsextremistischer Gewalt wird damit in keiner Weise irgendein Unrecht angetan, und ihre Situation wird nicht etwa relativiert. Denn noch einmal: Die Haushaltsmittel werden sogar erheblich aufgestockt. Die Befürchtung, dass es durch zusätzliche Aufgaben zu Kürzungen bei diesem Haushaltstitel kommt, wäre allenfalls gerechtfertigt, wenn der Titel in der alten Höhe bestehen bliebe. Er wird aber von 300 000 Euro auf 1 Million Euro aufgestockt, sodass gerade für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt auch in der Zukunft hinreichend Mittel zur Verfügung stehen. Irgendeine Relativierung sehe ich darin nicht.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Eine weitere Nachfrage stellt nun der Kollege Volker Beck.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade gesagt: Es geht um Opfer jeglicher extremistischer Gewalt. Könnten Sie diesen Begriff für das Parlament bitte näher erläutern? Das ist sicher auch für die Öffentlichkeit interessant. Geht es um jegliche Form extremistischer politischer Gewalt, geht es auch um jede Form religiös motivierter extremistischer Gewalt, und welche anderen denkbaren Konstellationen oder Konnotationen sind bei Ihrem Haushaltsansatz noch angedacht?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes­ministerin der Justiz:
Herr Kollege Beck, mit Ihrer Frage geben Sie mir Ge­legenheit, dies zu präzisieren und Ihnen vorzutragen, wie dies - in Ausführung des Koalitionsvertrages - in der Präambel der Richtlinie formuliert ist. Hier heißt es - ich darf daraus zitieren; sie wird in Bälde in Kraft treten-?: Es ist ein Grundwert der pluralen Gesellschaft und eine zentrale Aufgabe des Staates, die Freiheit jedes Einzel­nen vor Extremismen jeder Art - seien es Links- oder Rechtextremismus, Antisemitismus oder Islamismus - zu schützen und zu verteidigen. - Das ist die Umschreibung der Aufgabe, die mit dem sogenannten Fonds bzw. Haushaltstitel zu erfüllen ist.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie mir das noch erläu­tern? Verstehen tue ich das immer noch nicht!)

Dr. Stadler:  Da Sie das Mikrofon nicht benutzt haben, konnte ich Sie nicht verstehen.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe kein Recht zu einer weiteren Nachfrage! Meine Frage richtete sich darauf, ob all die Begriffe, die ich angeboten habe, damit umfasst werden! Ist also zum Beispiel auch die extremistische religiöse Gewalt gemeint?)

Dr Stadler: Ich habe aus der Richtlinie vorgetragen. Nach dieser Richtlinie, die sich am Koalitionsvertrag orientiert, werden diese humanitären Mittel künftig nach Prüfung jedes Einzelfalls ausgereicht werden.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt keine Antwort auf die Frage!)

 


Analyse der Finanzkrise

Frage des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/ Die Grünen) (Drucksache 17/633, Frage 52):

Welchen Beitrag wird das Bundesministerium der Justiz für eine ?ehrliche und schonungslose Analyse der Finanzkrise in Deutschland? leisten (vgl. Der Spiegel, 1. Februar 2010, S. 71)?

 Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Max Stadler.

Die Finanzkrise aufzuarbeiten, daraus Schlussfolge­rungen zu ziehen und diese umzusetzen ist eine Auf­gabe, der sich die Bundesregierung insgesamt stellt. Das Bundesministerium der Justiz hat für seinen Zuständig­keitsbereich, insbesondere im Gesellschafts-, Bilanz- und Insolvenzrecht, die Ursachen und Folgen der Finanzkrise analysiert und insbesondere mit dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung - VorstAG und dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz - BilMoG bereits gesetzgeberische Konsequenzen gezogen. Wei­tere Arbeiten sind zurzeit im Gange.

 

Gerechtigkeitslücke für nicht verheiratete Väter


Frage der Abgeordneten Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen) (Drucksache 17/493, Frage 85):

Wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeit ein, durch die Einführung einer gerichtlichen Einzelfallentscheidung die Gerechtigkeitslücke für nicht verheiratete Väter zu schließen, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2009 bei der deutschen Regelung zum gemeinsamen Sorgerecht angemahnt hat?

 

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Max Stadler;

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gibt Anlass, sehr sorgfältig zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen ledige Väter auch ohne zwingende Zustimmung der Mutter eine Möglichkeit bekommen sollen, ein gemeinsames Sorgerecht zu erhalten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dabei kein bestimmtes Regelungsmodell vorgegeben. Angesichts der Bandbreite der rechtspolitischen Möglichkeiten und des Stellenwertes der betroffenen Grundrechtspositionen sowie im Hinblick auf die gesellschaftspolitische Tragweite einer Änderung der einschlägigen Sorgerechtsregelung muss gut überlegt werden, welches Regelungsmodell nun vorgeschlagen werden soll. Die Prüfung dieser Möglichkeiten erfolgt derzeit im federführenden Bundesministerium der Justiz.

 

Mietnomadentum

Fragen der Abgeordneten Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)  (Drucksache 17/191, Fragen 110 und 111):

 In welcher Weise und in welchem Zeitrahmen beabsichtigt die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen gegen das sogenannte Mietnomadentum auszugestalten?

 Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, dass bei einer Veränderung der geltenden Rechtslage die Rechte der Mieterinnen und Mieter im gewohnten Maße gewahrt bleiben und nicht die große Mehrheit der Mieterinnen und Mieter aufgrund des Fehlverhaltens einer Minderheit rechtliche Nachteile erfährt?


Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Max Stadler:

Zu Frage 110

Die Bundesregierung prüft derzeit, welche Maßnahmen in Betracht kommen, um dem "Mietnomadentum" zu begegnen. Diese Maßnahmen müssen einerseits wirksam sein. Zugleich dürfen sie die Grundsätze des sozialen Mietrechts und rechtsstaatlicher Verfahren nicht infrage stellen. Die große Mehrheit der Mieterinnen und Mieter verhält sich rechtstreu. Vor diesem Hintergrund sind sorgfältige Abwägungen erforderlich; diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.

Zu Frage 111:

Rechtstreue Mieterinnen und Mieter haben wegen der Bekämpfung des "Mietnomadentums" keine Nachteile zu befürchten. Auf die Antwort zu Frage 110 wird verwiesen.


(02.12.2009)

Angleichung der Kündigungsfristen

Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/ Die Grünen):

Will die Bundesregierung im Rahmen der geplanten Mietrechtsnovelle und Angleichung der Kündigungsfristen die – bisher längere – Kündigungsfrist für Wohnraumvermieter (§ 573 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, BGB) kürzen auf die für Mieter geltende Frist, wie große Wohnungswirtschaftsverbände im Vermieterinteresse fordern, und will die Bundesregierung im Rahmen dieser Novelle ferner tatsächlich – gemäß ihrer Koalitionsvereinbarung, Seite 109 – das bisherige Mietminderungsrecht von Mietern wegen der mit energetischen Haussanierungen verbundenen Beeinträchtigungen ausschließen, obwohl eigentlich die zunehmende Kostenbelastung von Mietern gerade in Sanierungsgebieten eher verringert werden müsste, etwa durch Mietobergrenzen, um Gentrifizierung und Mieterverdrängung entgegenzuwirken?


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler:

Es ist noch nicht entschieden, ob die Bundesregierung zur Angleichung der Kündigungsfristen eine Verkürzung der Frist für den Vermieter, oder eine Verlängerung der Frist für den Mieter vorschlagen wird. Diese Frage wird die Bundesregierung zunächst eingehend mit allen Beteiligten, insbesondere auch den Verbänden der Mieter und Eigentümer, erörtern, um sodann einen Vorschlag für eine Gesetzesänderung vorzulegen.
Bei den energetischen Sanierungen geht es um ein umweltfreundliches Anliegen. Die Emissionen von Kohlendioxid sollen bis zum Jahr 2020 um rund 40 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 gesenkt werden. Der Anteil der Endenergie, der für Gebäudewärme – also Heizung und Warmwasser – aufgewendet wird, beträgt in Deutschland über 30 Prozent des gesamten Energieverbrauchs. Daher bestehen hohe Einsparmöglichkeiten. Das weitaus größte Potenzial zur Minderung der Kohlendioxidemissionen liegt dabei bei den Bestandsgebäuden. Rund drei Viertel der in Deutschland vorhandenen Wohngebäude wurden vor Inkrafttreten der 1. Wärmeschutzverordnung von 1977 errichtet. Um zu erreichen, dass diese Gebäude durch Wärmedämmung und andere Maßnahmen energetisch saniert werden, müssen die Eigentümer anfänglich finanzielle Belastungen auf sich nehmen, die öffentliche Hand Förderprogramme auflegen und auch die Mieter ihren Beitrag leisten. Vor dem Hintergrund, dass eine energetische Sanierung nicht nur dem Vermieter nützt, sondern auch für den Mieter Vorteile in Gestalt niedrigerer Betriebskosten hat, sollen derartige Maßnahmen nicht mehr generell zur Mietminderung berechtigen. Eine Belastung des Mieters mit unangemessenen Kosten wird hiermit nicht verbunden sein.

(02.12.2009)

Auswirkungen der geplanten Angleichungen der Kündigungsfristen

Frage der Abgeordneten Daniela Wagner (Bündnis 90/Die Gr��nen):

Welche Auswirkungen für den Wohnungsmarkt erhofft sich die Bundesregierung von der geplanten Angleichung der Kündigungsfristen?



Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler:

Allgemein kann festgestellt werden, dass Einschränkungen der Verfügungsbefugnis ? wie sie etwa auch die längeren Kündigungsfristen für Vermieter darstellen ? die Bereitschaft zu Investitionen beeinträchtigen können. Eventuelle Auswirkungen einer Angleichung der Kündigungsfristen auf den Wohnungsmarkt werden sorgfältig geprüft.

 

(02.12.2009)

Vereinheitlichung der Kündigungsfristen bei Mietverträgen

Frage der Abgeordneten Daniela Wagner (Bündnis 90/Die Grünen)

In welcher Weise und in welchem Zeitrahmen beabsichtigt die Bundesregierung die von der Fraktionsvorsitzenden der FDP, Birgit Homburger, am 23. November 2009 in der Bild angekündigte und im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vorgesehene Vereinheitlichung der Kündigungsfristen für Mieter und Vermieter auszugestalten?


Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler

Seit Inkrafttreten des BGB am 1. Januar 1900 galten bis 2001 für Mieter und Vermieter gleiche Kündigungsfristen. Diese wurde im Jahr 2001 geändert. Nach § 573 c BGB beträgt die vom Vermieter einzuhaltende Kündigungsfrist zunächst drei Monate und verlängert sich nach fünfjähriger Mietdauer auf sechs und nach achtjähriger Mietdauer auf neun Monate. Die vom Mieter einzuhaltende Kündigungsfrist beträgt dagegen stets nur drei Monate. Diese Ungleichbehandlung will die Bundesregierung – soweit sie nicht durch besondere Umstände gerechtfertigt ist – beseitigen. Mieter und Vermieter sollen künftig die gleichen Kündigungsfristen einhalten müssen. Dabei ist noch nicht entschieden, wie lang die Kündigungsfristen künftig sein sollen. Diese Frage wird die Bundesregierung zunächst eingehend mit allen Beteiligten, insbesondere auch den Verbänden der Mieter und Eigentümer, erörtern, um sodann nach Abwägung aller Argumente einen Vorschlag für eine Gesetzesänderung vorzulegen. Als Leitlinie gilt dabei: Der soziale Charakter des Mietrechts bleibt erhalten.

(25.11.2009)

Verschuldungsunabhängige Haftung bei EC- Karten Verlust

Vizepräsidentin Petra Pau:

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes­ministeriums der Justiz. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 13 der Kollegin Caren Lay auf:

Plant die Bundesregierung Korrekturen an der nationalen Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie, um die in den neuen allgemeinen Geschäftsbedingungen vieler Banken ver­ankerte verschuldungsunabhängige Haftung von bis zu 150 Euro Selbstbehalt bei Verlust oder Diebstahl der EC-Karte einzuschränken, und welche Ausnahmen beabsichtigt die Bundesregierung insbesondere im Falle von Raubopfern gesetzlich zu fixieren?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes­ministerin der Justiz:

Ich darf die Frage wie folgt beantworten: Tatsächlich gibt es in Deutschland seit kurzer Zeit, nämlich seit dem 31. Oktober 2009, aufgrund der Umsetzung einer EG-Richtlinie eine neue Rechtslage für die verschuldensun­abhängige Haftung bei missbräuchlicher Nutzung von Zahlungsauthentifizierungsinstrumenten, zum Beispiel von Bankkarten. Demnach kann ein Zahlungsdienstleis­ter nach § 675 v BGB eine Schadensbeteiligung des Kar­teninhabers bei nichtautorisierten Zahlungsvorgängen verlangen. Diese Beteiligung gilt verschuldensunabhän­gig bis zu einem Höchstbetrag von 150 Euro, wenn die Zahlungskarte entweder verloren gegangen, gestohlen oder sonst abhanden gekommen ist, und meint immer Vorgänge bis zur Meldung des Verlustes. Das ist wichtig, wie wir gleich sehen werden.

Nun haben die Mitgliedstaaten nach Art. 61 Abs. 3 der Zahlungsdiensterichtlinie die Option, den Betrag von 150 Euro herabzusetzen. Der deutsche Gesetzgeber hat jedoch ebenso wie zahlreiche andere EU-Mitgliedstaaten von dieser Option keinen Gebrauch gemacht. Die Bun­desregierung hält dies für sachgerecht. Es geht bei dieser Regelung vor allem um die Obliegenheit des Karten­inhabers, Schäden zu vermeiden oder die Höhe von Schäden zu begrenzen, also um eine Schadensminde­rungsobliegenheit. Deswegen soll ein Karteninhaber den Verlust einer Zahlungskarte unverzüglich anzeigen. Da­mit dafür ein zusätzlicher Anreiz gegeben wird, hat sich der Gesetzgeber entschieden, die in der Richtlinie ge­nannte verschuldensunabhängige Schadensbeteiligung in Höhe von 150 Euro in vollem Umfang zu überneh­men. Diese verschuldensunabhängige Haftung gilt unab­hängig von den jeweiligen Fallkonstellationen, weil im­mer das Grundprinzip zur Geltung gebracht werden soll, dass es einen Anreiz für eine rasche Verlustanzeige gibt.

Ich darf noch darauf hinweisen, dass diese 150 Euro eine Maximalvorgabe sind. Es bleibt den Kreditinstitu­ten unbenommen, ihren Kunden günstigere Konditionen einzuräumen. Beispielsweise hat eine der größten Finanzgruppen schon angekündigt, diesen Betrag bei ei­nem Missbrauch der Bankkarte nicht zu erheben, wenn der Kunde sorgfältig mit der Karte und der Geheimzahl umgegangen ist.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.

Caren Lay (DIE LINKE):

Herr Staatssekretär, erst einmal herzlichen Dank für die sehr umfangreiche Antwort auf diese Frage, die sehr viele Bankkunden in den letzten Wochen bewegt hat und vor allen Dingen zukünftig bewegen wird, wenn der Fall der verschuldensunabhängigen Haftung beim Verlust der EC-Karte tatsächlich eintritt.

Ich muss dennoch nachfragen, ob ich Sie richtig ver­standen habe, dass die neue Bundesregierung zunächst nicht plant, die Regelungen der alten Bundesregierung, wie es von den Verbraucherverbänden gefordert wird, dahin gehend zu korrigieren, dass der nationale Hand­lungsspielraum für Ausnahmeregelungen genutzt wird, die im Einzelfall sogar bis zum Haftungsausschluss füh­ren können.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes­ministerin der Justiz:

Sie haben mich völlig richtig verstanden. Grundsätz­lich sind wir zur Umsetzung der EG-Richtlinie ver­pflichtet. Die Option bestand darin, dass man für Aus­nahmefälle eine Herabsetzung dieses Betrages von 150 Euro hätte vorsehen können, so wie dies in der Pra­xis von Kreditinstituten ohnehin praktiziert wird.

Im Gesetzgebungsverfahren ist diese Frage aus­führlich erörtert worden. Es hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass das Grundprinzip, dass mit dieser ver­schuldensunabhängigen Schadensbeteiligung eine ra­sche Anzeige des Verlusts herbeigeführt werden soll, auf alle Fallgruppen zutrifft. Dieses Grundprinzip findet seine Rechtfertigung darin, dass der Karteninhaber dazu beitragen soll, dass Schäden erst gar nicht entstehen oder möglichst gemindert werden.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Ihre zweite Nachfrage.

Caren Lay (DIE LINKE):

Vielen Dank. ? Ich möchte Sie weiter fragen, wie Sie mit dieser Prämisse verhindern wollen, dass Kreditinsti­tute künftig zulasten der Verbraucherinnen und Verbrau­cher an ihren Sicherheitsvorkehrungen sparen oder eben nicht in diese investieren, weil jetzt nicht mehr allein das Kreditinstitut, sondern verschuldensunabhängig auch die Verbraucherinnen und Verbraucher zur Kasse gebeten werden.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundes­ministerin der Justiz:

Gleichwohl bleibt es natürlich ein Interesse der Kre­ditinstitute, selber Vorkehrungen zu treffen, dass solche Schäden nicht eintreten. Es handelt sich hier nur um eine ergänzende Maßnahme, damit der Verbraucher seine Ob­liegenheit, die ihn nach dem geltenden Recht ohnehin trifft, nämlich den Verlust der Karte rasch anzuzeigen, tatsächlich erfüllt.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Danke, Herr Staatssekretär.


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