Rede vom 08.11.2012
Zu Protokoll (Nr. 204 vom 08.11.2012) gegebene Rede
Tagesordnungspunkt 36:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Schlichtung im Luftverkehr (Drucksache 17/11210)
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Wird ein Fluggast mit dem gebuchten Flug nicht befördert, weil dieser überbucht oder annulliert ist, kommt ein Fluggast verspätet an oder ist sein Gepäck verloren gegangen, hat er zwar umfangreiche Ansprüche gegen die Fluggesellschaft. Häufig jedoch ist es schwierig, diese Ansprüche auch zu realisieren, weil die Fluggesellschaft sie nicht reguliert oder weil Streit über die -Anspruchsberechtigung besteht. Hiervon zeugen vielzählige Gerichtsverfahren. Sie bedeuten aber nicht nur ein Kostenrisiko für den Fluggast, das ihn oft von der gerichtlichen Geltendmachung abhält. Auch werden unsere Zivilgerichte hierdurch zunehmend belastet.
Diese Ansprüche schnell, kostengünstig und durch eine unabhängige Stelle schlichten zu können, ist das Ziel des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs eines Gesetzes zur Schlichtung im Luftverkehr. Er wird zugleich die Zivilgerichte nachhaltig entlasten.
Voraussetzung für das Funktionieren jeder Schlichtung ist aber ihre Akzeptanz durch die Beteiligten. Die Bundesregierung hat daher intensive Gespräche mit den Luftfahrtunternehmen und ihren Verbänden geführt. Dabei ist es letztlich gelungen, die im Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e. V., BDL, und in dem Board of Airline Representatives in Germany e. V., BARIG, organisierten deutschen und ausländischen Luftfahrtunternehmen für eine Akzeptanz der Schlichtung zu gewinnen und sich auf gemeinsame Eckpunkte hierfür zu verständigen. Dies ist ein großer Erfolg, der vor allem den Verbrauchern zugutekommt.
Auf der Grundlage dieser Eckpunkte hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf erarbeitet, der Ihnen heute zur Beratung vorliegt. Wie in vielen anderen Bereichen sollen danach Schlichtungen grundsätzlich durch privatrechtlich organisierte, von den Unternehmen getragene Schlichtungsstellen erfolgen. Diese können von der Bundesregierung anerkannt werden, wenn sie bestimmte Anforderungen an die Unparteilichkeit der Stelle und die Fairness des Verfahrens erfüllen. Unternehmen, die sich an der freiwilligen privaten Schlichtung nicht beteiligen, sollen einer subsidiären behördlichen Schlichtung überantwortet werden.
Die Schlichtungsstellen können von Fluggästen wegen solcher Ansprüche angerufen werden, die aus einer Überbuchung, einer Annullierung oder einer Verspätung des Fluges resultieren sowie beschädigtes oder verloren gegangenes Reise- oder Handgepäck betreffen und 5 000 Euro nicht übersteigen. Die Schlichtung ist – abgesehen von Fällen des Missbrauchs – für den Verbraucher kostenlos.
Die Luftfahrtunternehmen haben sich trotz Umsetzung der vereinbarten Eckpunkte in dem vorgelegten Gesetzentwurf in zwei Punkten kritisch geäußert:
Sie fordern, dass in die Evaluierung zur Einführung eines „Zugangsentgelts“ nicht nur die unbegründeten, sondern auch die unzulässigen Anrufungen der Schlichtungsstelle einbezogen werden sollen. Diese Forderung lehnt die Bundesregierung ab. Zunächst einmal ist es wichtig, hervorzuheben, dass der Gesetzentwurf ein „Zugangsentgelt“, wie es von den Luftfahrtunternehmen gefordert wurde, nicht vorsieht. Verbraucher können also ohne eigene Aufwendungen die Schlichtungsstelle wegen ihrer Fluggastansprüche anrufen. Sollte sich allerdings zeigen, dass die Schlichtungsstelle ganz überwiegend angerufen wird, obwohl gar keine Ansprüche bestehen, kann ein moderates Zugangsentgelt von maximal 20 Euro eingeführt werden, um die Schlichtungsstelle vor Überlastung mit unbegründeten Begehren und die allein kostenpflichtigen Luftfahrtunternehmen vor unnötigen Aufwendungen zu bewahren. Demgegenüber bedeuten unzulässige Anrufungen der Schlichtungsstelle regelmäßig keine nennenswerte zusätzliche Arbeitsbelastung und verursachen meist keine nennenswerten Kosten. Nur hiervor soll das „Zugangsentgelt“ aber schützen.
Die Luftfahrtunternehmen fordern weiter, die Bearbeitungsfrist von Beschwerden durch Unternehmen von 30 Tagen vor – zulässiger – Anrufung der Schlichtungsstelle auf 90 Tage heraufzusetzen. Nach Auffassung der Bundesregierung ist eine Bearbeitungszeit von 30 Tagen vor Einleitung eines Schlichtungsverfahrens für die Unternehmen jedoch ausreichend und aus Gründen der Kohärenz der Rechtsordnung auch geboten. Die Bemessung dieser Frist folgt den Antwortfristen für das Kunden- und Beschwerdemanagement nach den EU-Verordnungen über Fahrgastrechte im Eisenbahn- und Kraftomnibusverkehr. Berücksichtigt wurde zudem, dass nach deutschem Recht nach Ablauf von 30 Tagen die Verzugsfolgen eintreten. Es gibt keine sachlichen Gründe, den Luftfahrtunternehmen längere Bearbeitungsfristen als den anderen Verkehrsträgern einzuräumen. Es kann keine Bearbeitungszeit beansprucht werden, die über die Verzugsfristen hinausgeht und diese konterkariert.
Die im BDL und in der BARIG organisierten deutschen und ausländischen Luftfahrtunternehmen haben sich in den Eckpunkten zur freiwilligen Teilnahme an -einer Schlichtung bereit erklärt. Ob sie dazu der vorhandenen Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V., söp, beitreten oder eine neue Schlichtungsstelle für den Luftverkehr einrichten, werden sie demnächst entscheiden müssen. Wichtig ist, dass damit alsbald ein schnelles, unkompliziertes und faires Regulierungsverfahren zur Verfügung steht, das für Verbraucher und Luftfahrtunternehmen Vorteile bringt.