Dr. Max Stadler Reden (Bundesrat)


Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes

Bundesratsprotokoll Nr. 902 - Rede vom 02. November 2012

TOP 18: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes – BR-Drs. 597/12

Amtierende Präsidentin Dr. Angelica Schwall-Düren: Vielen Dank, Frau Ministerin Öney!

Ich erteile das Wort Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Stadler (Bundesministerium der Justiz).

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Kölner Urteil vom 7. Mai 2012 zur Rechtswidrigkeit der Beschneidung hat zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt. Bis dahin war in der Rechtspraxis unbestritten, dass Eltern grundsätzlich auch in eine nicht medizinisch indizierte – etwa religiös oder kulturell motivierte – Beschneidung einwilligen können. Seit dem Kölner Urteil sehen sich viele Eltern und Ärzte einem Strafbarkeitsrisiko ausgesetzt.


Es war deshalb richtig, dass der Deutsche Bundestag sofort reagiert hat. Das Parlament hat die Bundesregierung aufgefordert, „im Herbst 2012 einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist“. Dieser von einer großen – parteiübergreifenden – Mehrheit getragene Beschluss war das richtige Signal: Es wird weiterhin möglich sein, diese religiösen oder traditionellen Riten in Deutschland auszuüben.

Die Bundesregierung hat den Auftrag des Bundestages rasch erfüllt, jedoch nach gründlichen vorbereitenden Beratungen. Das Ergebnis ist meiner Meinung nach ein ausgewogener Gesetzentwurf. Es freut mich, Frau Ministerin Öney, dass auch Sie zu diesem Urteil gekommen sind.

Der Gesetzentwurf berücksichtigt die Stellungnahmen der Länder und Verbände sowie die Ergebnisse vieler Gespräche mit Religionsgemeinschaften, Interessenvertretern der Kinder, Medizinern und Rechtswissenschaftlern. Auch die Empfehlungen des Deutschen Ethikrates sind in den Entwurf eingeflossen.

Die vorgeschlagene Regelung im Recht der elterlichen Sorge stellt klar, dass Beschneidungen von Jungen bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen möglich bleiben.

Eine zentrale Rolle nimmt in dem Entwurf der Gesundheitsschutz des Kindes ein. Diesem wird insbesondere durch die Bindung an die Regeln der ärztlichen Kunst, die auch eine effektive Schmerzbehandlung umfassen, und durch das Erfordernis umfassender Aufklärung Rechnung getragen. Eine Ausnahmeregelung sieht zudem vor, dass von der Beschneidung abzusehen ist, wenn im Einzelfall das Kindeswohl gefährdet würde.

Mit dem Gesetzentwurf wird auch Rechtssicherheit für Beschneidungen von Jungen durch religiöse Beschneider erreicht. Der Gesetzentwurf verlangt dabei zum Schutz der Gesundheit des Kindes, dass der religiöse Beschneider besonders ausgebildet und zur Durchführung der Beschneidung einem Arzt vergleichbar befähigt ist.

Bei den nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu beachtenden Anforderungen an Hygiene und Sterilität geht es um bestimmte materielle Standards, die nicht nur in einer Klinik oder Arztpraxis eingehalten werden können. Die in jedem Einzelfall erforderlichen angemessenen und wirkungsvollen Maßnahmen gegen Schmerzen bestimmen sich nach den Regeln der ärztlichen Kunst und den zum Zeitpunkt des Eingriffs aktuellen Erkenntnissen der Wissenschaft.

Meine Damen und Herren, als juristischer Ansatz wurde bewusst eine Regelung im Rahmen der elterlichen Sorge gewählt. Das haben Sie, Frau Ministerin, in Ihrem Beitrag ebenfalls als richtig anerkannt. Die Eltern haben ihre Entscheidung in eigener Verantwortung zu treffen. Es ist nicht Sache des Staates, den Eltern vorzuschreiben, welche religiösen oder traditionellen Riten sie dabei befürworten dürfen. Allerdings gibt es Grenzen, etwa bei der Genitalverstümmelung von Mädchen. Dieser muss der Staat entgegentreten. Das ist jedoch nicht Gegenstand des heute zu beratenden Gesetzentwurfs.

Zurück zur Rechtslage bei der Beschneidung von Jungen: Mit seiner heutigen Debatte leistet der Bundesrat einen wichtigen Beitrag dazu, den Zustand der Rechtsunsicherheit zu beenden. Jüdisches und muslimisches Leben bleibt in Deutschland auch in Zukunft möglich.

Ich danke dem Bundesrat für seine Unterstützung.

Amtierende Präsidentin Dr. Angelica Schwall-Düren: Vielen Dank, Herr Staatssekretär!


URL dieser Seite: /wcsite.php?wc_c=50673&wc;_id=1&wc;_p=1