Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern
Bundesratsprotokoll Nr. 900 - Rede vom 21.September 2012
Entwurf eines Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern (Drucksache 465/12)
Amtierende Präsidentin Christine Lieberknecht: Das Wort hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Stadler (Bundesministerium der Justiz).
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich feststellen: Es ist sehr erfreulich, dass wir im Bundesrat endlich über den Gesetzentwurf zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern debattieren können.
Anlass ist sowohl die Absicht der Koalition aus CDU/CSU und FDP, das Sorgerecht zu modernisieren, als auch die Anpassung an neueste höchstrichterliche Entscheidungen. Das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben geurteilt, dass es nicht rechtens sei, bei Ablehnung der gemeinsamen Sorge durch die Mutter die gemeinsame Sorge für die Väter schlechthin auszuschließen.
Die Diskussion über die daher erforderliche Neuregelung hat aber gezeigt, dass es bei diesem Thema
in Politik und Gesellschaft äußerst
unterschiedliche Auffassungen gibt; dies hat Herr Staatsminister Martens völlig zutreffend dargestellt. Ein Modell, das allen Vorstellungen umfassend gerecht wird, werden wir deshalb kaum finden können. Es hat in den vergangenen beiden Jahren zwischen den Verfechtern der unterschiedlichen Vorstellungen vielmehr ein heftiges Tauziehen gegeben. Dabei handelte es sich – das ist mir wichtig festzuhalten – durchwegs um
Lösungsvorschläge, die alle
mit der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gleichermaßen vereinbar gewesen wären.
Nun hat die Koalition, die Bundesregierung einen
Kompromiss gefunden, den ich als tragfähig empfinde. Ich bin davon überzeugt, dass wir damit einen wichtigen Schritt hin zu einem
zeitgemäßen Sorgerecht gehen.
Wie Sie, Herr Kollege Martens, ausgeführt haben, ist es eine Tatsache, dass heute immer mehr Kinder außerhalb einer Ehe geboren werden. Darauf müssen wir reagieren. Das Recht muss anerkennen, dass unverheiratete Väter nicht per se ungeeignete oder weniger geeignete Väter sind. Die
gemeinsame elterliche Sorge ist das
überzeugende Modell für die Zukunft.
Demgegenüber halte ich die Bedenken, die in der öffentlichen Debatte gegen den heute zu diskutierenden Gesetzentwurf vorgetragen worden sind, nicht für durchgreifend. Wenn einvernehmliche Sorgeerklärungen abgegeben werden, gibt es ohnehin keine juristischen Probleme.
Im Streitfall müssen nach dem Entwurf nicht verheiratete
Väter einen
Antrag stellen, damit sie Zugang zur elterlichen Sorge erhalten. Sie müssen gegebenenfalls über ihre Mitsorge eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen. Das kann man kritisieren, es gibt aber auch gute und nachvollziehbare Argumente für das sogenannte Antragsmodell.
Wenn demnach vom Vater verlangt wird, dass er aktiv wird und sich einer gerichtlichen Zugangskontrolle stellt, kann man
umgekehrt auch von der
Mutter erwarten, dass sie aktiv wird, wenn sie die gemeinsame Sorge ablehnt. Das erscheint mir
nicht unzumutbar. Zumindest dann, wenn die Mutter dem Antrag des Vaters auf Zugang zur Sorge nicht widerspricht, sind auch Verfahrensregeln gerechtfertigt, die es dem nicht verheirateten Vater ermöglichen, eine rasche Entscheidung herbeizuführen. Dasselbe gilt, wenn die Mutter nicht mit sogenannten kindeswohlrelevanten Argumenten widerspricht und wenn zudem dem Gericht keine derartigen Gründe bekannt sind.
In diesen Fallkonstellationen halte ich es für richtig, dass der Vater relativ rasch Zugang zur Mitsorge erhält. Deshalb sind die
materiell-rechtlichen Vermutungsregelungen und das sehr
vereinfachte Verfahren wichtige Elemente der Neuregelung.
In denjenigen Fällen, in denen kindeswohlrelevante Argumente gegen die gemeinsame Sorge nicht ersichtlich sind, erscheint mir eine umfängliche gerichtliche Prüfung unter Beteiligung des Jugendamtes entbehrlich. In allen anderen Fällen wird es nach dem Entwurf kein verkürztes und vereinfachtes Verfahren, sondern ein reguläres Sorgerechtsverfahren geben. Das ist insgesamt ein abgewogenes Modell.
Auch bei einem weiteren Streitpunkt bietet der Entwurf eine sachgerechte Lösung: Die
Mutter muss sich nicht unmittelbar nach der Geburt in der Sorgefrage zu Wort melden, sondern erst nach einer
Karenzzeit von sechs Wochen. Das ist ein angemessener Zeitraum. Er bietet einen fairen Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen. Wir erkennen damit sowohl das Interesse der Mutter an, in der Situation nach der Geburt geschont zu werden, als auch das Interesse des Vaters, nicht unnötig lange vom gemeinsamen Sorgerecht ausgeschlossen zu sein.
Meine Damen und Herren, viele Betroffene warten zu Recht ungeduldig auf die Neuregelung. Ich wünsche mir, dass sich viele Väter und Mütter einvernehmlich auf die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts einigen. Das ist der Idealfall. Dafür brauchen wir keine neuen gesetzlichen Vorschriften.
Für die streitigen Verfahren, die es nun einmal auch gibt, bietet der Entwurf die
Chance auf rasche, am Kindeswohl orientierte – das ist der entscheidende Maßstab –
Entscheidungen. Ich hoffe daher nunmehr auf ein zügiges weiteres Gesetzgebungsverfahren unter Einbeziehung der Vorschläge des Freistaates Sachsen, aber auf der Basis unseres Entwurfs. – Vielen Dank.