Fragestunde - Protokoll Nr. 183 vom 14.06.2012
Verbot der Patentierung von konventionell gezüchteten Nutztieren und -pflanzen
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Dr. Matthias Miersch auf:
Hat das Bundesministerium der Justiz die Forderungen des einstimmig angenommenen Antrags auf Bundestagsdrucksache 17/8344 - keine Patentierung von konventionell gezüchteten landwirtschaftlichen Nutztieren und -pflanzen - bereits umgesetzt, und wenn nein, warum nicht?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedauere, dass die Frage des Kollegen Seifert schriftlich beantwortet werden muss, weil ich zu der in dieser Frage thematisierten Behindertenkonvention gerne mündlich vorgetragen hätte. Selbstverständlich betrifft die Frage des Kollegen Miersch ebenfalls eine äußerst wichtige Thematik. Herr Kollege, Sie fragen nach der Umsetzung eines Antrags, der im Februar 2012 vom Bundestag bezüglich der EU-Biopatentrichtlinie beschlossen worden ist.
Der genannte Antrag vom 17. Januar 2012 zielt unter anderem auf die Konkretisierung und Änderung der EU-Biopatentrichtlinie ab. Die Bundesministerin der Justiz hat bereits unmittelbar nach der Plenardebatte, die zu diesem Antrag stattgefunden hat, nämlich mit Schreiben vom 31. Januar 2012, den zuständigen EU-Binnenmarktkommissar Barnier auf die Meinungslage im Deutschen Bundestag aufmerksam gemacht. Die Bundesregierung hat in diesem Schreiben die Notwendigkeit unterstrichen, dass die EU-Kommission noch unter dänischer Ratspräsidentschaft einen neuen Bericht zur Umsetzung der Biopatentrichtlinie in den Mitgliedstaaten der EU vorlegen möge. Der Brief der Justizministerin enthält schließlich die Bitte, dass entsprechend Nr. 6 des Antrags und des Beschlusses des Bundestags in diesem Bericht "die ethischen Aspekte" von biotechnologischen Patenten "sowie die Folgen für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit und für die Forschung berücksichtigt" werden. Kommissar Barnier hatte bereits im November 2011 die Vorlage dieses Berichts zugesagt. Nach neueren Informationen soll der Bericht nunmehr im Oktober oder November dieses Jahres vorgelegt werden.
Frau Präsidentin, die Frage erfordert leider, etwas ausführlicher auszuholen; denn der Antrag auf der genannten Drucksache spricht auch die Schaffung des EU-Patents an. Die Bundesregierung hat sich in den Beratungen dazu im Hinblick auf die Belange der deutschen Bauern und Züchter für eine sogenannte Unberührtheitsklausel zugunsten nationaler Sonderregelungen eingesetzt. Dazu besteht unter den EU-Mitgliedstaaten Konsens. Danach können sich deutsche Bauern und Züchter wie bisher gegenüber deutschen und europäischen Patenten künftig auch gegenüber den Inhabern des neu zu schaffenden EU-Patents auf die deutschen Sonderbestimmungen berufen, das heißt auf das Pflanzenzüchterprivileg und das Landwirteprivileg mit der Beweislastumkehr bei zufälliger Auskreuzung von Saatgut.
Ich glaube, ich belasse es dabei. Der Herr Kollege setzt sowieso schon zu einer Zusatzfrage an. Ich kann Ihnen vielleicht dann den Rest meiner geplanten Antwort vortragen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Er stellt garantiert eine Nachfrage. - Bitte, Kollege Miersch.
Dr. Matthias Miersch (SPD):
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für diese Antwort. Ich möchte mir die Anmerkung erlauben, dass sich diese Antwort auf meine zweite Frage bezogen hat. In meiner ersten Frage habe ich ganz bewusst nicht nach der europäischen Rechtslage gefragt. Der Antrag, den wir hier über alle Fraktionsgrenzen hinweg beschlossen haben, bezog sich vielmehr auf das nationale Patentgesetz und die Einführung eines Biopatentmonitorings. Können Sie mir dazu noch etwas sagen?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege, es ist in der Tat so, dass genau dieser Teil meiner Antwort der Zeitregel zum Opfer gefallen ist. Ich kann jetzt Ihre Zusatzfrage dazu nutzen, Ihnen den weiteren Teil meiner Antwort wie geplant vorzutragen.
Soweit sich der von Ihnen zitierte Antrag auf das deutsche Patentgesetz bezieht, hat der Deutsche Bundestag eine Prüfung erbeten, ob und inwieweit auch ohne Änderung der EU-Biopatentrichtlinie Änderungen oder Klarstellungen zur Einschränkung der Patentierung von Tieren und Pflanzen möglich sind. Diese Prüfung läuft derzeit. Sie wirft ziemlich schwierige Fragen auf, einerseits Fragen des nationalen Regelungsspielraums im Rahmen EU-rechtlicher Vorgaben, andererseits auch Fragen der rechtlichen Konsequenzen einer abweichenden Regelung auf nationaler Ebene für die Wettbewerbssituation deutscher Unternehmen im Binnenmarkt. Zusammengefasst: Diese Prüfung läuft derzeit noch.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre zweite Nachfrage.
Dr. Matthias Miersch (SPD):
Können Sie uns einen Zeitraum nennen, wann wir mit einem Ergebnis rechnen können?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ja. Ich rechne mit einem Abschluss dieser Prüfung bis zum Ende dieses Jahres.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Wir kommen zur Frage 3 des Kollegen Miersch:
Wird sich das Bundesministerium der Justiz im europäischen Patentrecht für ein klares Verbot der Patentierung von Züchtungsverfahren, von Züchtungsmaterial und Pflanzen und Tieren aussprechen und sich für eine Änderung der Biopatentrichtlinie auf EU-Ebene einsetzen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ich darf wie folgt antworten: Zunächst ist klarzustellen - das haben Sie aber selber schon gesagt -, dass sich der Beschluss des Bundestags, den wir gerade schon erörtert haben, nur auf konventionelle Züchtungsverfahren bezieht und nicht auf solche technischen Charakters wie etwa gentechnische Verfahren.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass das Verbot der Patentierung im Wesentlichen biologischer Verfahren, soweit die Verfahren selbst Gegenstand der Patentansprüche sind, in der EU-Biopatentrichtlinie ebenso wie im Europäischen Patentübereinkommen und im deutschen Patentgesetz eindeutig geregelt ist und dass diese Rechtslage durch den sogenannten Brokkoli-Beschluss der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 9. Dezember 2010 bestätigt worden ist.
Die Bundesregierung ist weiterhin der Auffassung, dass sich aus dieser Rechtslage zwingend ergibt, dass auch die mittels solcher vom Patentschutz ausgeschlossenen Verfahren gewonnenen Erzeugnisse nicht patentierbar sind. Mit dieser Thematik wird sich übrigens die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts auch noch im Zusammenhang mit dem sogenannten Tomaten-Patent befassen.
Was die Prüfung eines möglichen Änderungsbedarfs der Biopatentrichtlinie der EU angeht, wird die Bundesregierung den vorhin schon erwähnten Bericht der EU-Kommission abwarten, um ein Gesamtbild über den Stand der Umsetzung und den gegebenenfalls erkennbaren Reformbedarf zu erhalten.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Dr. Matthias Miersch (SPD):
Herr Staatssekretär, in diesem Zusammenhang hat sich der Deutsche Bundestag angesichts der Entwicklung, die wir auf europäischer Ebene beobachten können, und der Tatsache, dass sehr vielfältig in die Ernährung der Menschen in Europa eingegriffen wird, einvernehmlich dafür ausgesprochen, ein Biopatentmonitoring nationalstaatlich zu organisieren. Deswegen meine Frage: Haben Sie dieses Monitoring gestartet, bzw. wann tritt es in Kraft?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Dies ist in der Tat auch Gegenstand des Beschlusses des Parlaments vom 8. Februar. Nach meiner Information ist es so, dass nachgeordnete Stellen des Landwirtschaftsministeriums - dafür ist das Justizministerium nicht zuständig - dieses Anliegen des Parlaments erfüllen werden. In diesem Beschluss sind wir weiterhin aufgefordert worden, den Dialog mit den von Biopatenten betroffenen gesellschaftlichen Gruppen zu führen. Auch dies geschieht laufend.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre zweite Nachfrage.
Dr. Matthias Miersch (SPD):
Auch hierzu frage ich ganz konkret: Wann können wir damit rechnen, dass wir dieses Monitoring installiert bekommen? Wann startet die Bundesregierung damit?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Es wird kein Monitoring in dem Sinne geben, dass die Bundesregierung sozusagen die letzte Revisionsinstanz wäre. Was gewünscht wird, nämlich Entwicklungen frühzeitig erkennen zu können und in angemessenen Zeiträumen einen Bericht über die Auswirkungen des Patentrechts vorzulegen, wird jetzt laufend durch nachgeordnete Stellen des Landwirtschaftsministeriums geleistet werden.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für eine weitere Nachfrage hat der Kollege Harald Ebner das Wort.
Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, Sie hatten beschrieben, dass die Bundesregierung die Patentierung der biologischen Verfahren für eindeutig geregelt hält.
Der Bundestag war mit seinem interfraktionellen Antrag einer anderen Meinung. Alle Fraktionen haben sich geeinigt, diesen Antrag zu verabschieden, weil da Regelungsbedarf gesehen wurde. Ich möchte Sie fragen, wie Sie sich angesichts Ihrer Erläuterungen die große Zahl von mehreren Hundert faktisch erteilten Patenten auf konventionelle Züchtungen erklären.
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege, noch einmal: Ich habe die Rechtslage dargestellt. Ich habe auch ausgeführt, dass das Ganze unserer Meinung nach geregelt ist.
Es wird aber Gesetzgebungsverfahren geben bzw. solche sind schon im Gang, bei denen diese Fragen und die von Ihnen angeführten Beobachtungen aus der Praxis in dem Sinne erörtert werden können, ob es dennoch einen Klarstellungsbedarf gibt. Dabei ist auch die Frage zu beantworten, inwieweit hierbei nationaler Regelungsspielraum.