Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

Wir sind wieder im Aufwind

Justiz-Staatssekretär Max Stadler (FDP) verteidigt die Position der Liberalen bei den Streitthemen Vorratsdatenspeicherung, Gauck-Wahl oder Schlecker-Rettung: „Die FDP ist kein Auslaufmodell.“

  Herr Stadler, die EU hat Deutschland ein Ultimatum für ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gesetzt. Wann liefert das FDP-Justizministerium?


Max Stadler: Das FDP-Justizministerium hat bereits geliefert - und zwar einen Entwurf, der vorsieht, dass manche Daten auf Vorrat gespeichert werden dürfen, nämlich IP-Adressen von Computern. Das ist wichtig, weil man so im Kampf gegen Kinderpornografie bessere Fahndungserfolge erzielen kann. Telefonverbindungsdaten wollen wir aber nur dann speichern, wenn es einen konkreten Anlass gibt. Insofern unterscheidet sich unser Vorschlag von der Vorstellung des CSU-geführten Innenministeriums, das auch eine Speicherung von Telefonverbindungsdaten erlauben möchte. Bisher haben wir noch keine Einigung gefunden.

  Heißt das, dass Sie die Frist der EU zur Stellungnahme bis zum 26. April verstreichen lassen?

Stadler: Wir werden bis zu diesem Zeitpunkt und darüber hinaus auf der EU-Ebene dafür werben, dass die Kommission zunächst ihre eigenen Hausaufgaben macht. Denn unabhängig davon, dass nach meiner Meinung die Speicherung von Verbindungsdaten von allen unverdächtigen Bürgern übers Ziel hinausschießt, wäre derzeit ein schlechter Zeitpunkt für die Umsetzung. Auch die EU-Richtlinie soll ja erneuert werden. Eigentlich sollte der entsprechende Vorschlag schon bis Ende 2011 fertig sein, nun ist von Sommer 2012 die Rede. Wir sind auch von der Telekommunikationswirtschaft gebeten worden, nicht jetzt eine Richtlinie umzusetzen, die in wenigen Monaten schon geändert werden könnte. Es macht daher keinen Sinn, wenn uns die EU-Kommission jetzt mit einem Klageverfahren beim Europäischen Gerichtshof zu einer Umsetzung zwingen will. Es wäre besser, wenn die Kommission ihren neuen Vorschlag vorlegen würde, über den man dann reden müsste.

  Wird es vor der Bundestagswahl dann überhaupt noch ein Gesetz geben?

Stadler: Das kann ich nicht vorhersagen, denn das hängt vom Verhalten der Kommission ab - sowohl von der Frage, wann sie die Neufassung vorlegt und wie sie ihr Ermessen hinsichtlich eines Vertragsverletzungsverfahrens ausübt. Sie kann die Bundesregierung verklagen, sie muss es aber nicht tun, sondern könnte sich auch unseren Argumenten anschließen.

  Zu den Argumenten der CSU zählt, dass Sie mit ihrer Haltung in Kauf nehmen, dass es bei Verbrechen, bei denen es keinen Anfangsverdacht gibt - etwa im Fall der Zwickauer Terrorzelle - für die Aufklärung wichtige Daten verloren gehen.

Stadler: Bei der Zwickauer Zelle lagen die Taten Jahre zurück, so dass auch bei der früheren Regelung, die ein halbes Jahr Vorratsdatenspeicherung vorsah, der zusätzliche Ermittlungsertrag nicht so groß gewesen wäre. Ich bestreite aber gar nicht, dass es Fälle gibt, wo eine Vorratsdatenspeicherung zusätzlich Ermittlungsansätze schaffen würde. Letztendlich ist das aber eine Frage der Abwägung - genauso übrigens wie bei der Speicherung von DNA-Proben. Viele Verbrechen werden dadurch aufgedeckt und es ist auch erlaubt, bei Straftätern oder Verdächtigen DNA-Proben zu nehmen. Wenn man aber jetzt einfach von jedem Bundesbürger derartige Proben nehmen würde, um sie bei Verbrechen abzugleichen, wäre die allgemeine Entrüstung zu Recht groß. Das geht einfach zu weit. Genauso ist auch die Vorratsdatenspeicherung ein viel zu tiefer Eingriff in die Privatsphäre.

  Vorratsdatenspeicherung, Gauck-Wahl, Schlecker - man hat das Gefühl die FDP sucht derzeit die Profilierung um jeden Preis, um aus dem Umfragetief zu kommen ...

Stadler: Bei der Vorratsdatenspeicherung haben wir eine langjährige Position, die wir konsequent beibehalten. Richtig ist, dass der Vorstoß der Parteiführung zugunsten Joachim Gaucks ein Erfolg für die FDP war, weil so eine hervorragend geeignete Persönlichkeit zum Bundespräsidenten gewählt worden ist. Natürlich hat viele FDP-Mitglieder dabei auch gefreut, dass es gelungen ist, wieder einmal eine Position der FDP durchzusetzen, nachdem das in der Vergangenheit bei Themen wie der Steuerpolitik nicht in der gewünschten Weise gelungen ist. Bei Schlecker ist für mich das Entscheidende, das wir zwar Profil zeigen konnten, aber nicht auf dem Rücken der betroffenen Arbeitnehmerinnen. Unsere Wirtschaftspolitiker hatten hier anfangs einen schweren Stand, weil die öffentliche Meinung für eine staatliche Auffanggesellschaft war. Aber wir haben Rückgrat gezeigt und dargelegt, dass eine Vermittlung über die Bundesagentur für den Staat, aber auch für die Betroffenen selbst die bessere Lösung ist. Gerade der Geradlinigkeit in dieser Sache haben wir zu verdanken, dass die FDP in ihren Grundprinzipien wieder deutlicher erkennbar wurde. Das kam zur rechten Zeit, weil viele Liberale selbst schon glaubten, ihre Partei sei ein Auslaufmodell. Diese Phase ist vorbei. Wir sind wieder im Aufwind.

  Sie sind also optimistisch für die anstehenden Wahlen in NRW und Schleswig-Holstein?

Stadler: Ja, zumal wir dort zwei starke Persönlichkeiten als Kandidaten haben. Aber es ist keineswegs schon gelaufen. Wir kommen aus einer Talsohle. Jedes Ergebnis über fünf Prozent ist für uns ein Erfolg. Letztlich geht es für uns um die Existenzfrage - um die Frage, ob die Bevölkerung eine Partei wie die FDP als entbehrlich ansieht oder ob es genügend Wählerinnen und Wähler gibt, die eine Mischung aus Bürgerrechtsliberalismus und Wirtschaftsliberalismus, wie es sie nur in der FDP gibt, als Grundprinzip der Staatsordnung der BRD schätzen - und glauben eine Partei, die dieses Prinzip verkörpert, müsse es weiterhin im Parteiengefüge geben.

  Schwarz-Gelb ist insgesamt laut Umfragen bundesweit wieder etwas im Aufwärtstrend, allerdings liegt die FDP immer noch unter fünf Prozent? Woran liegt’s?

Stadler: Viele Wähler sind noch immer enttäuscht, weil wir unsere Zielsetzungen in der Steuerpolitik nicht durchsetzen konnten. Ich habe aber den Eindruck, dass die Richtigkeit dieser Forderungen durch die jüngsten Berichte, wonach die Steuerbelastung der Bürger angestiegen ist, wieder ins öffentliche Bewusstsein dringt. SPD und Grüne machen einen schweren Fehler, wenn sie im Bundesrat die beabsichtigten Steuerentlastungen blockieren. Hier werden wir den Kampf fortsetzen. Gleiches gilt übrigens bei der Pendlerpauschale. Ich glaube, dass viele Argumente etwa der Grünen an der Sache vorbeigehen. Sie argumentieren, eine Anhebung würde nicht dazu führen, dass die Preise an Zapfsäule sinken. Darum geht es gar nicht. Die Pendlerpauschale hat die Aufgabe, mobile Arbeitnehmer von den Kosten zu entlasten, die durch den Weg zum Arbeitsplatz entstehen. Es ist völlig logisch, dass, wenn diese Kosten steigen, auch die Pendlerpauschale angehoben werden muss.

  Die Piraten profilieren sich als neue Freiheitspartei - eigentlich ein Kernthema der Liberalen? Was machen sie besser als die FDP?

Stadler: Die Piraten haben das Potenzial der Nichtwähler und der Protestwähler mobilisieren können. Ich glaube aber, dass ähnlich wie in Schweden auch bei uns ihr Glanz bald verblassen wird. Teilweise haben sie ja noch gar kein Programm, zum Teil vertreten sie einen Freiheitsbegriff, der nicht mit dem unserem zusammenpasst. Freiheit ist nach meinem Verständnis immer gepaart mit Verantwortung. Bei den Piraten erkenne ich dagegen die Tendenz, Freiheit absolut zu setzen - mit entsprechenden fatalen Konsequenzen. Ein Beispiel aus dem Kommunalbereich: Die Piraten sind dafür, dass man im öffentlichen Personennahverkehr nichts mehr bezahlen muss. Die Freiheit, kostenlos Bus zu fahren, würde für Passau bedeuten, dass die Stadt die fehlenden Einnahmen von sechs Millionen Euro aus der Stadtkasse übernehmen müsste und für andere Aufgaben faktisch kein Geld mehr da wäre. So eine Politik halte ich für verantwortungslos.

  Für Empörung bei vielen Abgeordneten sorgen derzeit geplante Änderungen beim Rederecht für Abgeordnete im Bundestag, die abweichende Meinungen vertreten. Wie stehen Sie dazu?

Stadler: Es ist völlig selbstverständlich, dass es auch denen, die eine abweichende Meinung vertreten, weiterhin möglich sein muss, im Parlament zu reden. Es wird deshalb weitere Beratungen zwischen den Fraktionen darüber geben, wie man die Geschäftsordnung etwas praktikabler machen kann, ohne dieses Recht zu beschneiden. Einen Maulkorb für Abgeordnete wird es dabei nicht geben.

  Welche Gesetze sind aus ihrem Haus, dem Justizministerium, in nächster Zeit zu erwarten?

Stadler: Wir haben einige Gesetze auf den Weg gebracht, die vor allem für viele Verbraucher wichtig sind - etwa der Schutz vor Abofallen. Auch ein Gesetzentwurf zum Schutz vor unlauteren Geschäftspraktiken, wo es zum Beispiel um unangemessene Abmahnkosten geht, ist in Vorbereitung. Ganz neu ist, dass wir nun endlich das gemeinsame elterliche Sorgerecht regeln können. Darüber hat es lange Streit in der Koalition gegeben. Die Justizministerin hat eine Einigung erzielt, die vorsieht, dass bei nichtverheirateten Eltern zwar die Mutter mit der Geburt das Sorgerecht erhält. Anders als bisher haben es die Väter im Streitfall aber künftig leichter, das gemeinsame Sorgerecht zu bekommen. Bisher konnte die Mutter das durch ihren Widerspruch blockieren. Entscheidendes Kriterium ist künftig allein das Kindeswohl. Damit werden wir in den nächsten Wochen ins Gesetzgebungsverfahren gehen. Langfristig soll auch bei nicht-verheirateten Paaren das gemeinsame Sorgerecht der Regelfall werden.
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Das Interview führten Ernst Fuchs und Martin Wanninger.


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