Fragestunde - Protokoll Nr. 164 vom 07.03.2012
Ursachen für die mehrfache Verschiebung der Kabinettsbefassung mit der Neuregelung der Sicherungsverwahrung
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Rebmann auf:
Welche Dissenspunkte innerhalb der Bundesregierung sind für die mehrfache Verschiebung der Kabinettbefassung mit dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung ursächlich?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Rebmann, als Antwort auf Ihre Frage kann ich Ihnen folgende Auskunft geben: Die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat den Entwurf eines Gesetzes zur Sicherungsverwahrung mit allen nötigen Anlagen und sonstigen Formalien mit Schreiben vom 1. März 2012 an den Chef des Bundeskanzleramtes übermittelt und zugleich darum gebeten, ihn auf die Tagesordnung der heutigen Kabinettssitzung zu setzen. Dies ist ohne jegliche Verschiebung geschehen. Der Entwurf ist heute vom Kabinett unverändert beschlossen worden.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Bitte schön.
Stefan Rebmann (SPD):
Herr Staatssekretär, meine Frage war, warum es mehrfach zu einer Verschiebung der Kabinettsbefassung kam. Es freut mich, dass es heute endlich Thema in der Kabinettssitzung war. Trotzdem frage ich: Wie lässt sich die Zeitplanung der Bundesregierung mit der Aufforderung der Landesjustizminister vereinbaren, die Sie unmissverständlich gebeten haben, möglichst schnell einen Regierungsentwurf vorzulegen, damit das Gesetzgebungsverfahren bis zum 30. Juni dieses Jahres abgeschlossen werden kann?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Zunächst einmal: Eine Verschiebung ist nicht erfolgt. Der Gesetzentwurf ist zur Befassung im Kabinett angemeldet worden, und in der nächsten Sitzung, also heute, hat es den Kabinettsbeschluss gegeben.
Hinsichtlich Ihrer weiteren Frage nach dem zeitlichen Ablauf darf ich in Erinnerung rufen, dass wir gemeinsam, die Koalition aus CDU/CSU und FDP zusammen mit den Stimmen der SPD-Bundestagsfraktion, zum 1. Januar 2011 eine grundlegende Reform der Sicherungsverwahrung beschlossen haben. Am 4. Mai 2011 hat das Bundesverfassungsgericht diese Reform zwar bestätigt, aber aufgrund anderer Gesichtspunkte die Bestimmungen zur Sicherungsverwahrung aufgehoben, wobei es jedoch eine Übergangsfrist bis 31. Mai 2013 festgelegt hat, in der diese Bestimmungen mit den Modifizierungen des Gerichts weiter gelten.
Das Bundesjustizministerium hat selbstverständlich rasch mit der Gesetzgebungsarbeit begonnen. Der Kern der Beanstandung durch das Bundesverfassungsgericht betraf den bisherigen Vollzug der Sicherungsverwahrung. Dieser oblag den Bundesländern. Demgemäß ist die Neuregelung, um dieses sogenannte Abstandsgebot im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung künftig zu erfüllen, mit den Bundesländern intensiv erörtert worden. Damit ist rasch nach dem Urteilserlass begonnen worden. Die Erörterungen dieser komplizierten Materie haben sich einige Zeit hingezogen. Wir liegen jedoch gut im Zeitplan; denn jetzt ist Anfang März. Deswegen können die Länder die Änderung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung mit hinreichendem zeitlichen Vorlauf planen.
Stefan Rebmann (SPD):
Ich interpretiere Ihre Antwort so, dass Sie den Termin 30. Juni einhalten möchten. Dies bedeutet, wenn ich mir den Jahresplan anschaue – der Bundesrat muss sich auch noch damit befassen –, dass wir frühestens Mitte Juni eine Anhörung zu dem Thema durchführen können. Unmittelbar nach der Anhörung würden dann bereits die zweite und dritte Lesung in diesem Hause stattfinden. Meine Frage lautet: Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Hinweise, die in der Anhörung gegeben werden, noch in den Gesetzentwurf eingearbeitet werden, oder führen Sie nur pro forma eine Anhörung durch, damit der Opposition und der Öffentlichkeit Genüge getan wird?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Rebmann, Aufgabe der Bundesregierung war es, einen Gesetzentwurf zu beschließen und in das Verfahren zu bringen. Der Verlauf des weiteren Verfahrens ist Sache des Parlaments. Demgemäß ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, die Durchführung einer Anhörung zu dem Gesetzentwurf zu beschließen; dies wird vermutlich der Rechtsausschuss machen. Ich halte die Durchführung einer Anhörung angesichts der schwierigen Materie für sachgerecht. Sie sehen, dass schon aus diesem einen Grund der weitere Verfahrensablauf jetzt in den Händen des Parlaments liegt.
Die Sorge, die Sie in Ihren Fragen zum Ausdruck bringen, dass das Gesetz nicht rechtzeitig im Bundesgesetzblatt verkündet wird, halte ich für unbegründet.
Die Übergangsregelung, die das Bundesverfassungsgericht getroffen hat, läuft bis zum 31. Mai 2013. Es ist also noch reichlich Zeit. Allerdings brauchen die Länder einen Vorlauf, um sich auf die geänderten Bestimmungen einzustellen. Die Länder können, vor allem was das Abstandsgebot und den Vollzugsbeginn betrifft, eigentlich heute damit beginnen, weil der Kabinettsbeschluss dafür durchaus eine Grundlage bietet. Die Regelungen zum Vollzug, die das Abstandsgebot betreffen – um diese Regelungen geht es den Ländern insbesondere –, sind von uns nämlich in enger Abstimmung mit den Landesjustizministerien ins Verfahren eingebracht worden.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zusatzfrage des Kollegen Lischka.
Burkhard Lischka (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Stadler, stimmen Sie mir zu, dass das parlamentarische Verfahren und die Kabinettsbefassung in den Ländern erst dann eingeleitet werden können, wenn die Länder wissen, welcher Gesetzentwurf vom Bundestag tatsächlich verabschiedet wurde? Insofern lautet meine Frage: Wie viel Zeit brauchen die Länder aus Sicht der Bundesregierung noch, damit die Landesgesetzgebungen bis Ende Mai dieses Jahres abgeschlossen werden können, sodass die Frist, die das Bundesverfassungsgericht gesetzt hat, eingehalten wird?
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Lischka, ich stimme dem Ausgangspunkt Ihrer Frage zu, dass auch Landesgesetze, die den Vollzug betreffen, geändert werden müssen. Aber noch einmal: Gerade die Regelungen zum Vollzug, die von uns auf den Weg gebracht werden, sind eng mit den Ländern abgestimmt. Ich gehe daher davon aus, dass die Länder ihre Gesetzgebung zügig durchführen können.
Was das Verfahren im Bundestag anbelangt, so sind wir selbstverständlich an einer raschen Verabschiedung des Gesetzentwurfes interessiert. Aber das liegt in den Händen der Parlamentarier. Insgesamt ist die von Teilen der Opposition schon direkt nach dem Urteil am 4. Mai 2011 geäußerte Sorge, wir könnten den Zeitplan nicht einhalten, wie ich glaube, ganz klar unbegründet. Wir liegen mit dem heutigen Kabinettsbeschluss gut in der Zeit.