Zu Protokoll Nr. 165 gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Das Kapitalanleger-Musterverfahren ist im Jahre 2005 unter dem Eindruck des Telekom-Verfahrens als Instrument zur Bewältigung von Massenklagen eingeführt worden. Der Gesetzgeber hat die Geltung dieses Gesetzes zunächst auf fünf, dann auf sieben Jahre befristet. Zugleich wurde der Bundesregierung aufgegeben, die Wirkung des Gesetzes zu evaluieren, um eine fundierte Entscheidung über eine unbefristete Geltung treffen zu können.
Das Ergebnis ist eindeutig: Wir schlagen dem Deutschen Bundestag vor, die bisherige Befristung aufzuheben. Denn die Evaluation ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das KapMuG grundsätzlich praxistauglich ist. Allerdings ist das Gesetz an einigen Stellen verbesserungsbedürftig. Wissenschaft und gerichtliche Praxis sehen dies ähnlich.
Daher wird der Anwendungsbereich gegenüber dem bisherigen Recht moderat erweitert und auf Rechtsstreitigkeiten mit mittelbarem Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation ausgedehnt. Dadurch können zukünftig auch Prozesse gegen Anlagevermittler und -berater, in denen die Richtigkeit eines Anlageprospekts streitig ist, in einem Musterverfahren gebündelt und einheitlich entschieden werden. Die Einbeziehung dieser Verfahren wird die Entlastungswirkung des -KapMuG stärken und für eine einheitliche Entscheidungspraxis der Gerichte in Kapitalanlagesachen sorgen. Die Justiz bedarf hier in Zeiten permanenter Finanz- und Bankenkrise unserer besonderen Unterstützung.
Darüber hinaus wird der Vergleichsabschluss im -Musterverfahren vereinfacht, um eine gebündelte gütliche Beilegung von Anlegerstreitigkeiten zu fördern. Mit einem Vergleichsschluss können Hunderte von Ausgangsverfahren erledigt werden. Dadurch wird das Musterverfahren für die Beteiligten attraktiver. Zugleich wird die Justiz entlastet.
Aber auch im Vorfeld eines Musterverfahrens müssen wir den Zugang zum Recht für Kapitalanleger gewährleisten. Die meisten Kapitalanleger können weder auf eine Rechtsschutzversicherung noch auf Prozesskostenhilfe zurückgreifen; sie sind daher darauf angewiesen, ihr Prozesskostenrisiko durch einen Zusammenschluss mit anderen Anlegern zu einer Streitgenossenschaft zu senken. Die Zivilprozessordnung gestattet es den -Gerichten aber bisher ohne besondere Voraussetzungen, die gemeinsame Klage in Einzelprozesse aufzuteilen. Den Klägern wird damit ihr Kostenvorteil genommen. Der Gesetzentwurf sieht daher eine Präzisierung des § 145 ZPO vor, damit zukünftig eine Verfahrenstrennung nur zulässig ist, wenn es dafür einen gewichtigen Grund gibt.
Die einfache Teilnahme am Musterverfahren wird im Verlauf der parlamentarischen Beratungen sicherlich erneut thematisiert werden, nachdem der Bundesrat hier Prüfungsbedarf angemeldet hat. Zusätzlich hat der -Bundesrat weitere Vorschläge sowie zwei Prüfbitten formuliert. Darüber werden wir in den Ausschussberatungen diskutieren. Ich begrüße aber ausdrücklich, dass der Bundesrat das neue KapMuG mit unbefristeter -Geltungsdauer im Grundsatz unterstützt. In die weitere Debatte sollten wir im Übrigen europarechtliche Aspekte einbeziehen.
Die Bundesregierung ist überzeugt, dass am Ende der Beratungen das neue Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz den Kapitalanlegern einen effizienteren Rechtsschutz gewähren wird. Es wird daher dazu beitragen, die Wirksamkeit der kapitalen marktrechtlichen Regeln -sicherzustellen. Damit wird das Vertrauen der Anleger in den Finanzmarktstandort Deutschland erhöht werden.