Fragestunde - Protokoll Nr. 161 vom 29.02.2012
Schlussfolgerungen aus dem Gutachten des Europäischen Gerichtshofes zum geplanten EU-Patentgericht
Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Doris Barnett (SPD) (Drucksache 17/8723, Frage 50):
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Gutachten des Europäischen Gerichtshofes, EuGH, vom 8. März 2011, welcher zu dem Schluss kommt, ein geplantes EU-Patentgericht würde gegen europäisches Recht verstoßen, und welche Anstrengungen hat die Bundesregierung unternommen, um dafür Sorge zu tragen, dass bei einer Errichtung des EU-Patentgerichtes der Sitz in Deutschland angesiedelt wird?
Der Gerichtshof war in seinem Gutachten A-1/09 zu der Überzeugung gelangt, dass die ihm vorgelegte Fassung des Übereinkommensentwurfs nicht vollständig den Vorgaben des Unionsrechts entsprach. Die Kritik des EuGH betrifft im Wesentlichen eine Beeinträchtigung der Garantiefunktion nationaler Gerichte bei der Wahrung des Unionsrechts. Diese werde untergraben, wenn das zur Streitentscheidung berufene Fachgericht – wie seinerzeit geplant – als internationales Gericht unter Beteiligung von Drittstaaten ausgestaltet würde.
Die an den Verhandlungen beteiligten Mitgliedstaaten beabsichtigen diesem Einwand des Gerichtshofes dadurch Rechnung zu tragen, dass das Europäische Patentgericht nicht – wie ursprünglich geplant als internationales Gericht mit Drittstaatenbeteiligung – sondern als gemeinsames Gericht ausschließlich der beteiligten EU-Mitgliedstaaten errichtet wird. Auf diese Weise soll das Gericht in die bestehende europäische Justizstruktur eingebunden werden. Unionsrechtliche Pflichten wie zum Beispiel die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nationaler Gerichte zur Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof gelten auch für das gemeinsame Europäische Patentgericht.
Die Bundesregierung setzt sich in den Verhandlungen mit Nachdruck für München als Sitz der Zentralkammer ein, die nach deutschem Vorbild insbesondere für Patentnichtigkeitsverfahren zuständig sein soll. München ist als europäische Patenthauptstadt am besten als zentraler Sitz des Patentgerichts geeignet. Das Europäische Patentamt, das das EU-Patent erteilen soll, hat hier seinen Sitz. Die erforderliche Fachkompetenz der Richter und Anwaltschaft ist hier in besonderem Maße vorhanden. Auch Frankreich hat sich um den Sitz beworben (Paris). Eine Gesamteinigung hängt im Wesentlichen von dieser Sitzfrage ab. Die Bundesregierung wird sich weiterhin auf allen Ebenen für München als Zentralkammersitz einsetzen.
Die dezentrale Struktur des Gerichts sieht vor, dass Patentverletzungsverfahren vor den in den Mitgliedstaaten angesiedelten Lokal- oder Regionalkammern geführt werden. Es ist davon auszugehen, dass auf die in Deutschland ansässigen Lokalkammern ein beträchtlicher Anteil am Gesamtvolumen der Streitigkeiten entfallen wird.