Fragestunde - Protokoll Nr. 161 vom 29.02.2012
Notwendigkeit und verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Warnhinweis- bzw. vorgerichtlichen Mitwirkungsmodellen zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen
Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Lars Klingbeil (SPD) (Drucksache 17/8723, Fragen 48 und 49):
Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit eines Warnhinweismodells zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen bzw. eines vorgerichtlichen Mitwirkungsmodells, wie es die Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vorschlägt, vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Beispiel in seiner Entscheidung „Scarlet Extended“ (Rs. C 70/10), und teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ein solches Modell nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes europarechtswidrig wäre?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine derartige Inpflichtnahme von Internetzugangsprovidern als „Hilfssheriffs“ auf eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung hinausläuft, und ist die Bundesregierung der Auffassung, dass dies aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig ist?
Zu Frage 48:
Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil zu „Scarlet Extended“ (Rs. C-70/10) entschieden, dass eine innerstaatliche Maßnahme nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist, wenn sie einen Internetzugangsprovider verpflichten würde, sämtliche Daten jedes einzelnen seiner Kunden aktiv und auf seine eigenen Kosten zu überwachen, um jeder künftigen Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums vorzubeugen. Zugleich hat der EuGH in dieser Entscheidung wiederholt, dass es den nationalen Gerichten möglich bleiben muss, Vermittlern Maßnahmen aufzugeben, die nicht nur mittels ihrer Dienste bereits begangenen Verletzungen an Rechten des geistigen Eigentums beenden, sondern auch neuen Verletzungen vorbeugen. Diese Grundsätze der einen Access-Provider betreffenden Entscheidung hat der EuGH in seiner Entscheidung „Sabam“ (Rs. C-360/10) auch für Host-Provider bestätigt. Inwieweit die in beiden Entscheidungen entwickelten Grundsätze auf ein etwaiges vorgerichtliches Warnhinweismodell zu übertragen wären, hinge von der konkreten Ausgestaltung eines solchen Modells ab.
Zu Frage 49:
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat eine Studie zu den innerhalb der Europäischen Union diskutierten Modellen zur Versendung von Warnhinweisen in Auftrag gegeben. Diese Studie liegt nunmehr vor und soll die Grundlage für die weitere Diskussion zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet sein. Die Bundesregierung wird die -Studie zunächst mit den im Wirtschaftsdialog beteiligten Rechteinhabern und Diensteanbietern erörtern.