Dr. Max Stadler Archiv Fragestunde


Rechtliche Abdeckung von Quellen-Telekommunikationsüberwachungen

Fragestunde Protokoll Nr. 132 vom 19. Oktober 2011

Rechtliche Abdeckung von Quellen-Telekommunikationsüberwachungen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler zur Verfügung.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Sehr geehrter Herr Kollege Montag, bei einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung besteht für den Betroffenen, anders als bei der herkömmlichen Telekommunikationsüberwachung, das Risiko, dass über die Inhalte und Umstände der Telekommunikation hinaus weitere, insbesondere persönlichkeitsrelevante Informationen erhoben werden. Den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2008 entsprechend muss daher sowohl im präventiven als auch im strafrechtlichen Bereich durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt sein, dass sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt.
 
Die aktuellen Entscheidungen der Amts- und Landgerichte gehen inzwischen einheitlich davon aus, dass die §§ 100 a und 100 b der Strafprozessordnung diesen Vorgaben genügen und sie deshalb Grundlage für die Anordnung einer Quellen-TKÜ sein können. Diese in richterlicher Unabhängigkeit getroffene Auslegung des geltenden Rechts wird von der Bundesministerin der Justiz respektiert.

Der Bundesministerin der Justiz ist vor allem wichtig, dass die Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht für eine Quellen-TKÜ aufgezeigt hat, strikt eingehalten werden. Ob dies in der Vergangenheit sichergestellt war, ist Gegenstand der aktuellen Prüfungen.

Nach Auffassung der Bundesministerin der Justiz muss von vornherein sichergestellt sein, dass die eingesetzte Software keine über die Überwachung der laufenden Telekommunikation hinausgehenden Funktionalitäten besitzt und keine entsprechenden Funktionserweiterungen vorgesehen sind.

Sie haben noch nach § 23 a ZFdG gefragt. Dazu haben wir dieselbe Auffassung.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Montag, eine Nachfrage. Bitte sehr.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Staatssekretär Stadler, wir haben gerade die Antworten Ihres Kollegen aus dem Innenministerium gehört. Eine der letzten Antworten lautete, dass das Innenministerium die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2008, auf die auch Sie sich jetzt berufen haben, so lesen würde, dass durch die Quellen-TKÜ, also durch Infiltration eines Computers mit einer Software zum Zwecke der Abhörung von Internetkommunikation, die Integrität und Vertraulichkeit von Kommunikationssystemen nicht betroffen seien.

Ich frage Sie für das Bundesjustizministerium, ob auch Sie der Auffassung sind, dass durch den realen Akt der Implementierung einer fremden Software, zum Beispiel in Ihren Computer, die Integrität und Vertraulichkeit Ihres Computers nicht verletzt werden, unabhängig davon, ob das legal oder illegal geschieht. Teilen Sie nicht die Auffassung – unabhängig davon, wie Landgerichte entscheiden –, dass es besser wäre, wenn man für eine Quellen-TKÜ eine eigene gesetzliche Grundlage mit scharfen rechtlichen Begrenzungen einführen würde?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Montag, zunächst einmal kommt es für die Rechtspraxis in der Tat auf die Rechtsprechung an. Wie Sie wissen, gab es ursprünglich einmal eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg, in der eine Quellen-TKÜ als unzulässig angesehen wurde. Mittlerweile gibt es, soweit die Entscheidungen veröffentlicht worden und uns daher bekannt sind, eine einheitliche Linie – inzwischen auch des Landgerichts Hamburg und des vorhin schon zitierten Landgerichts Landshut, aber auch anderer Gerichte –, wonach die bestehenden Vorschriften der §§ 100 a und 100 b StPO dahin gehend ausgelegt werden, dass darin eine ausreichende und grundrechtskonforme Grundlage für die Quellen-TKÜ zu sehen ist. Bei der Entscheidung des Landgerichts Landshut, die die aktuelle Debatte mit ausgelöst hat, sieht man, dass die Gerichte dabei Kautelen einziehen wie beispielsweise das Verbot von Screenshots.

Wir sind der Auffassung, dass es jetzt darauf ankommt, die Praxis genau darzustellen. Wir wollen, dass die Innenminister des Bundes und der Länder einen Sachstandsbericht vorlegen, wie sich die Praxis entwickelt hat, welche Software insbesondere eingesetzt worden ist und ob dies eine Software ist, die mehr kann, als sie darf. Auf dieser Grundlage werden wir entscheiden, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine zweite Nachfrage. Bitte sehr.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Danke schön, Frau Präsidentin. – Danke, Herr Staatssekretär Stadler. Das war zwar eine interessante Antwort, aber nicht direkt die Antwort auf meine Frage. Ich habe Sie nämlich gefragt, ob Sie die Auffassung Ihres Kollegen neben Ihnen teilen, dass der Einsatz dieser Computersoftware keine Verletzung der Integrität und Vertraulichkeit des Computers darstelle. Vielleicht könnten Sie diese Antwort noch nachholen.

Meine zweite Nachfrage erklärt sich dadurch, dass ich nicht ganz verstehen kann, warum sich das Bundesjustizministerium, das für Vorschläge zur Kodifizierung des Bundesrechts zuständig ist, hinter der Rechtsprechung von Landgerichten versteckt. Zunächst verschweigen Sie – ich bitte Sie, dazu Stellung zu nehmen –, dass in der Literatur aktuell eine völlig andere Position vertreten wird. In diesem Zusammenhang eine ganz konkrete Frage: Wie verhält sich das Bundesjustizministerium zu den Vorwürfen vonseiten der Innenpolitiker der Union – ich meine Herrn Uhl und andere –, die Bundesjustizministerin sei schuld daran,

(Signalton)

dass Polizeibeamte in Grauzonen arbeiteten und rechtswidrige Dinge machen müssten, weil keine gesetzliche Grundlage für ihr Handeln vorliege?

(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Das habe ich nicht gesagt! „Rechtswidrig“ habe ich nicht gesagt!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Montag, das akustische Signal richtet sich an Sie.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das läutete schon, bevor ich begonnen habe, Frau Präsidentin.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das läutete bei Ihrer letzten Frage auch schon. Möglicherweise ist dadurch dieser Eindruck entstanden.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wir haben uns schon gefragt, ob Sie Ihr Handy nicht ausgemacht haben.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Staatssekretär.

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Montag, das war eine Vielzahl von Fragen, die ich in einer Minute beantworten soll. Ich will mich bemühen, es prägnant zu machen.

Zunächst einmal steht es mir nicht zu, Aussagen des Kollegen Uhl zu kommentieren.

(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

Ich darf aber darauf aufmerksam machen, dass ich gerade dargestellt habe, dass für die Quellen-TKÜ, soweit sie sich wirklich auf die Überwachung laufender Kommunikation beschränkt, nach der einheitlichen Rechtsprechung der dafür zuständigen Gerichte eine Rechtsgrundlage in den §§ 100 a und 100 b StPO gesehen wird. Das ist kein Verstecken hinter Landgerichten, wie Sie es genannt haben. Aus Ihrer Äußerung klingt übrigens eine leichte, etwas deplatzierte Missachtung von Land- und Amtsgerichten heraus, wenn Sie mir diese Anmerkung gestatten.

(Patrick Döring [FDP]: Sehr gut! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Völlig fern!)
– Wir sind uns einig, dass eine solche fehl am Platze wäre.

Selbstverständlich ist die verbindliche Auslegung von gesetzlichen Bestimmungen Sache der Justiz. Das macht sie in einzelnen Fällen, und das respektieren wir.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Oppermann, bitte.

Thomas Oppermann (SPD):
Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, dass die Bundesregierung die Rechtsprechung der Gerichte respektiert. Das nenne ich einen Fortschritt. Das ist ja nicht immer so.

(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das ist eine Unterstellung! – Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Was soll das?)

Die Vorschriften der Strafprozessordnung, um die es hier geht – §§ 100 a und 100 b StPO –, sind in einer Zeit geschaffen worden, in der wir Skype-Telefonie über Computer und Internet noch nicht kannten. Das Bundesverfassungsgericht hat bei der Formulierung des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und auf Sicherheit informationstechnischer Systeme Wert darauf gelegt, dass ein Eingriff in diese Grundrechte nur aufgrund von präzisen, bereichsspezifischen Regelungen und nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen kann. Sehen Sie vor diesem Hintergrund nicht einen grundlegenden Regelungsbedarf in der Strafprozessordnung? Sie haben gesagt, dass Sie die Rechtsprechung respektieren und die Rechtssituation prüfen wollen. Wie wahrscheinlich ist es, dass diesbezüglich ein Vorschlag für eine Neuregelung von Ihnen vorgelegt wird?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Oppermann, die von mir zitierte amts- und landgerichtliche Rechtsprechung datiert aus der Zeit nach der wichtigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2008 und setzt sich demgemäß natürlich mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auseinander. Wie Sie wissen, wird von den Gerichten für das Aufspielen der Software eine sogenannte Annexkompetenz in Anspruch genommen, die die Möglichkeiten der Telekommunikationsüberwachung von Internettelefonie nach §§ 100 a und 100 b StPO ermöglichen soll.

Herr Kollege Montag hat darauf hingewiesen, dass in der Literatur andere Auffassungen vertreten werden. Das ist völlig richtig. Beispielsweise wird aber von Meyer-Goßner, wenn ich das richtig im Kopf habe, im Standardkommentar von Kleinknecht, aber auch von Armin Nack im Karlsruher Kommentar diese Rechtsprechung befürwortet. Wie so oft in der Juristerei gehen die Positionen also auseinander.

Mir kommt es jetzt auf Folgendes an, Herr Kollege Oppermann – ich habe vorhin versucht, das darzustellen –: Wenn wir durch Vorgänge wie jetzt in Landshut Kenntnis davon bekommen, dass Software eingesetzt wird, bei der man zumindest Bedenken haben kann, ob das so richtig ist – vom Landgericht Landshut ist sogar in zweiter Instanz eine Beanstandung erfolgt –, dann ist es doch richtig, dass wir – dies hat Burkhard Hirsch immer gefordert, als er noch Mitglied des Deutschen Bundestages war – unsere Normsetzung an der Rechtswirklichkeit orientieren, dass wir uns von den Innenministern des Bundes und der Länder die Sachlage und die Software, die eingesetzt wird, genau darstellen lassen

(Signalton)

– ich komme gleich zum Ende, Frau Präsidentin; ein ganz wichtiger Aspekt noch – und dass wir eine Antwort auf die Frage suchen, ob es überhaupt möglich ist, eine sozusagen treffsichere Software zu installieren, die nicht über das Mithören der laufenden Kommunikation hinausgeht.

All diese Fragen müssen jetzt im Tatsächlichen geklärt werden. Dann werden wir entscheiden, ob es bei den bestehenden Vorschriften bleiben kann oder ob – das beträfe nicht nur die StPO, sondern auch andere Materien, bei denen sich ähnliche Probleme stellen – Präzisierungen, Einschränkungen, Änderungen erforderlich sind. Das ist die richtige Reihenfolge: Wir müssen erst den Sachverhalt klären, und dann können wir Entscheidungen treffen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ströbele, bitte.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Stadler, Sie haben es vorhin abgelehnt, die Aussagen des Kollegen Uhl zu kommentieren oder zu interpretieren. Sind Sie denn bereit, Ihre eigenen Aussagen zu interpretieren? Ich habe Sie heute Morgen im Radio gehört. Da haben Sie Ähnliches wie gerade eben gesagt, nur haben Sie es dort mehr auf den Punkt gebracht. Sie sagten – so habe ich Sie jedenfalls verstanden –, dass auch Sie bei der Anwendung der Quellen-TKÜ, also des Trojaners, der nur mithört, Bauchschmerzen haben, weil Sie darin die Gefahr sehen, dass das zu Weiterem führen kann. Sie haben vorgeschlagen, dass man – so haben Sie es jetzt gerade auch gesagt – ganz konkret im Einzelnen überprüfen soll, ob ein Trojaner überhaupt notwendig ist

(Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär: Ja!)

oder ob man ihn nicht durch andere Technik, die all diese bösen, verbotenen Sachen macht, ersetzen sollte.

Jetzt frage ich Sie: War das, was Sie heute Morgen im Radio erzählt haben, Ihre Meinung, oder ist das die Meinung der Bundesregierung? Wenn es die Meinung der Bundesregierung ist, dass nur „kein Trojaner“ ein sicherer Trojaner ist, kann ich dann daraus schließen, dass Sie andere Technik einsetzen wollen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Ströbele, zunächst freut es mich, dass Sie einen so schönen Start in den heutigen Tag hatten

(Heiterkeit)

und in aller Frühe ein Interview von mir gehört haben, in dem ich die Dinge angeblich noch besser auf den Punkt gebracht habe als hier. Den Eindruck hatte ich selber nicht.

(Heiterkeit)

Sie haben zu Recht eine wichtige Passage aus dem Interview zitiert. Ich beziehe mich auf einen Aufsatz von Dr. Frank Braun aus Passau. Er war Assistent bei Professor Heckmann. Professor Heckmann ist den Innen- und Rechtspolitikern als Internetexperte bekannt und war bereits vielfach als Sachverständiger im Deutschen Bundestag eingeladen. Sein früherer Assistent Frank Braun schreibt in einem Aufsatz, der am 15. Oktober 2011, also erst vor kurzem, erschienen ist, dass man sehr wohl in die Gesamtbetrachtung einbeziehen müsse, ob es grundrechtsschonendere Möglichkeiten der Überwachung des laufenden Kommunikationsverkehrs gebe. Er bezieht sich darauf, dass bei manchen Anbietern eine technische „Hintertür“, eine Backdoor, wie man wohl sagt, vorhanden sei, sodass man unter Nutzung dieser Hintertür Kommunikation mithören könne, ohne Software auf einen fremden Computer aufzuspielen.

Da im Grundrechtsschutz immer das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und damit das Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs gilt, ist diese Erwägung in die Überlegungen einzubeziehen, hängt aber in ihrer Realisierung wieder davon ab, ob dies technisch und praktisch überhaupt möglich ist. So wollte ich verstanden werden.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das Ihre Auffassung oder die der Bundesregierung?)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt bin ich mir nicht sicher, ob sich Herr Lischka vorhin gemeldet hat. – Das hat er. Dann sind Sie jetzt an der Reihe.

(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hatte mich lange vor Herrn Lischka gemeldet!)

Burkhard Lischka (SPD):
Herr Staatssekretär, wie bewertet das Bundesjustizministerium die rechtliche Zulässigkeit von sogenannten Screenshots im Rahmen einer Quellen-TKÜ? Sehen Sie in dem juristischen Streit zwischen der Bayerischen Staatsregierung und dem Landgericht Landshut, den wir seit einigen Tagen verfolgen können, nicht einen Anlass, die entsprechende Vorschrift des § 100 a StPO zu präzisieren?
 
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Lischka, das ist wieder ein Beispiel für das, was ich als unsere Grundlinie angegeben habe. Wir werden mit Lebenssachverhalten konfrontiert, die sich außerhalb unseres Zuständigkeitsbereichs zugetragen haben. Die Verantwortung für die Durchführung von Überwachungsmaßnahmen im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Landshut trägt die dortige Staatsanwaltschaft, tragen die dortigen Gerichte. Die Zuständigkeit liegt dann beim Bayerischen Staatsministerium der Justiz oder beim bayerischen Innenminister, der übrigens erklärt hat, dass er diese Trojaner nicht mehr einsetzen wird. Ich halte das für eine gute Entscheidung. Sie ist richtig, solange wir uns in der Phase der Lagebilderstellung befinden.

In der Entscheidung des Landgerichts Landshut ist die Erstellung von Screenshots für unzulässig erklärt worden. Dem ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen. Ob § 100 a StPO irgendwann einmal präzisiert werden muss, wollen wir nach der Auswertung der Sachverhalte entscheiden. Dann können wir diese rechtliche Debatte fortsetzen.

Vizepräsident Eduard Oswald:
Vielen Dank. – Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Wieland.

Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank. – Herr Kollege Stadler, ich habe Ihr Interview heute Morgen nicht gehört, denke also, dass ich hinreichend ausgeschlafen bin.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Trotz dieses Zustandes habe ich eines nicht verstanden: Sie haben erklärt, es gebe für die Quellen-TKÜ eine ausreichende Rechtsgrundlage; so weit die Rechtsprechung. In der Frage, die ich Ihnen stellen möchte, geht es um Ihr Haus, also nicht um niederbayerische Gerichte, die im Übrigen unsere Hochachtung haben. Ich sage ausdrücklich, auch im Namen des Kollegen Montag: Das Landgericht Landshut, wenngleich in Niederbayern gelegen, hat unsere Hochachtung dafür, wie es entschieden hat. Aber in meiner Frage geht es, wie gesagt, um Ihr Haus. Mir ist heute im Innenausschuss – ich habe es bereits gesagt – wehklagend berichtet worden, dass Ihr Haus dem Generalbundesanwalt verbietet, eine Quellen-TKÜ durchzuführen. Wenn es dafür eine ausreichende Rechtsgrundlage gibt, weshalb verbieten Sie dann dem obersten Ankläger, eine solche durchzuführen?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Lieber Herr Kollege Wieland, ich habe vorhin präzise gesagt – das kann man im Protokoll nachlesen –, dass die Bundesministerin der Justiz diese Rechtsprechung respektiert.

(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist keine Antwort!)

Beim Generalbundesanwalt gab es nur einen einzigen Vorgang, der einschlägig ist. Er hat sich so zugetragen, dass die Staatsanwaltschaft in einem Bundesland gegen vier Beschuldigte Beschlüsse erwirkt hat, eine Quellen-TKÜ durchzuführen. Gegen zwei Beschuldigte wurde von dieser Staatsanwaltschaft eines Bundeslandes mit dem Vollzug dieser Beschlüsse begonnen. In einem dritten Fall kam es aus bestimmten Gründen nicht dazu; dann hat der Generalbundesanwalt den Fall übernommen. Er hatte zu entscheiden, wie im Hinblick auf den vierten Beschuldigten zu verfahren ist. Er hat seine Entscheidung, auf die Durchführung einer Quellen-TKÜ zu verzichten, autonom getroffen. Weitere Vorgänge sind mir nicht bekannt.

(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also weiß Deutschlands oberster Polizist nicht, dass die Quellen-TKÜ vom Generalbundesanwalt erwünscht ist? Das muss ja dann so sein!)

Vizepräsident Eduard Oswald:
Das war noch ein Kommentar des Kollegen Wieland. – Die nächste Frage stellt der Kollege Volker Beck.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, an Ihrer ausweichenden Antwortstrategie merkt man, dass Ihnen bei Ihrer Position – nach dem Motto „Das reicht irgendwie aus“ – nicht ganz wohl ist. Ich finde, das ist sehr nachvollziehbar. Natürlich mag es sein, dass, wenn es um das eigentliche Abhören geht, die §§ 100 a und 100 b StPO einschlägig sind. Aber der Vorgang zuvor, auf den auch Jerzy Montag Bezug genommen hat, nämlich das Installieren einer Software, greift in ein vom Bundesverfassungsgericht gerade im Hinblick auf das Internet neu geschaffenes Grundrecht ein: in das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.

In Grundrechte kann man zwar ausnahmsweise eingreifen, aber nur auf der Grundlage eines Gesetzes. Deshalb frage ich mich, warum wir das erst für die Gefahrenabwehr schaffen, dann aber durch eine Annexkompetenz locker und frei aus den §§ 100 a und 100 b StPO etwas schöpfen, was im Gesetz nicht vorgesehen ist. Das wird in der Literatur ja auch zu Recht umfangreich kritisiert.

Wenn man das hier kodifiziert: Müsste man dann nicht vielleicht auch in Rechnung stellen, dass die Telefonie über das Internet womöglich einen intimeren Kommunikationsvorgang darstellt, weil hier durch die Unterstützung von Kameras usw. weitere Kommunikationsebenen eröffnet werden, und deshalb einen höheren Schutz braucht, als dies in den Normen zur Telefonüberwachung in der Strafprozessordnung geregelt ist?

Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Beck, um das einmal ganz deutlich zu sagen, weil wir auf diese Punkte bisher noch nicht zu sprechen gekommen sind: Ich hielte es für unzulässig, wenn beispielsweise Mikrofone oder Kameras von außen bedient würden. Ich hielte es selbstverständlich auch für unerträglich, wenn der Inhalt eines Computers von außen manipuliert würde.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht meine Frage! Das ist selbstverständlich! Das ist nicht die Frage!)

– Ja, aber ich darf das doch erwähnen, damit hier kein schiefer Eindruck entsteht.

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Positiv! Gut!)

Die Gerichte, deren Rechtsprechung ich zitiert habe, nehmen für sich in Anspruch, wie ich schon mehrfach ausgeführt habe, dass sie ihre Entscheidungen nicht etwa ohne gesetzliche Grundlage, sondern in Auslegung der bestehenden Vorschriften in der StPO treffen. Wie ich auch schon dargelegt habe, entnehmen sie daraus eine Annexkompetenz.

Für mich ist es wichtig, dass daraus in der Praxis nicht etwa die Befugnis abgeleitet wird, zusätzliche Maßnahmen, die über das Abhören der laufenden Telekommunikation hinausgehen, als gedeckt anzusehen. Ich habe es schon gesagt: Es gilt jetzt, die Technik genau darzustellen und von den Innenministern einen klaren Bericht darüber zu bekommen. Dann kann man entscheiden, ob man gesetzliche Restriktionen braucht oder ob die Auslegung der bestehenden Vorschriften reicht.

Ich darf bei dieser Gelegenheit vielleicht noch darauf aufmerksam machen, dass in den Bundesländern hinsichtlich des Polizeirechts unterschiedlich verfahren wird. Einige Bundesländer, wie etwa Rheinland-Pfalz, haben eine Spezialnorm für die Quellen-TKÜ im Polizeirecht, andere, wie beispielsweise Baden-Württemberg, haben sie nicht. Das zeigt, dass diese Debatte dort unterschiedlich gesehen wird.

Wir werden unsere Entscheidung in absehbarer Zeit zu treffen haben. Darauf kommen wir ja zurück; das habe ich zugesagt.



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