Von Jörg Klotzek
Einen Kompromissvorschlag hat gestern Abend der FDP-Stadtrat und Bundespolitiker Dr. Max Stadler unterbreitet, wie man die aktuelle Streitdebatte über Live-Übertragungen via Internet aus dem Stadtrat beenden könnte. „Stimmen Sie doch zu, dass wir für die vereinbarte Probezeit vollständig mit Bild und Ton aus Ausschüssen und Plenum senden und danach völlig offen entscheiden“, sagte Stadler in Richtung SPD bei einer Podiumsdiskussion am Abend.
Man könne doch erst abschließend urteilen, wenn man genügend Erfahrungswerte habe, sagte er vor etwa 50 Zuhörern, darunter knapp 20 Stadträte aus den Reihen von FDP, Freien Wählern, Grünen, Passauer Liste und vor allem von der SPD. Deren Stadträte (und auch mehrere aus den Reihen der nicht vertretenen CSU) lehnen nach wie vor eine Direkt-Übertragung ins Internet, einen sogenannten Livestream, vehement ab.
SPD-Fraktionschef Markus Sturm führte eingangs noch einmal die Argumente seiner Kollegen auf, wie Persönlichkeitsrechte, hohe Kosten, geringer Nutzen, wenig Interesse der Bürger sowie die Gefahr, dass dies eine Plattform für politische Selbstdarsteller sein könnte. Angesichts der öffentlichen Debatte, die Passaus Politik mittlerweile als rückständig und kleinkariert dastehen lässt, räumte Sturm aber ein, dass man über Bild-Übertragungen aus den Stadtratsvollversammlungen, dem Plenum, nicht aber aus den Ausschüssen reden könne.
Moderiert wurde die Debatte von Alois Feuerer, Stadtrat der Freien Wähler, und hörbarer Anhänger der Direktübertragungen. Zwischenzeitlich beteiligte sich Feuerer sogar selbst ausführlich und lebhaft an dem ansonsten nüchternen Meinungsaustausch der Juristen Stadler und Sturm. Ein kritischer Zwischenruf eines Zuhörers bewirkte, dass sich Feuerer wieder weitgehend seiner Aufgabe eines Moderators widmete.
Max Stadler betonte, dass die neue Technik eine Chance für mehr und direktere Demokratie auch in der Kommunalpolitik mit sich bringe. Geschickt brachte er den Slogan „Mehr Demokratie wagen“ ins Gespräch. Den hatte einst SPD-Bundeskanzler am Beginn der Koalition von SPD und FDP als Motto seiner Regierungszeit ausgerufen. „Die Wortbeiträge der Passauer SPD-Fraktion brauchen sich doch vor der Öffentlichkeit nicht zu verstecken“, schmeichelte Stadler. Er könne ja die Bedenken von Verwaltungsmitarbeiter nachvollziehen, nicht jedoch die von gewählten Mandatsträgern. „Darauf wäre ich nie gekommen, als wir auf Initiative unseres Kreisvorsitzenden Korbinian Faltner den Antrag auf Livestream-Übertragungen gestellt hatten.“
Der war übrigens nahezu einstimmig angenommen worden, wie Moderator Feuerer erläuterte. Später hätten große Teile der SPD sowie einige andere Stadträte ihre schriftliche Zustimmung, in Bild und Ton übertragen zu werden, verweigert. Feuerer berichtete, maximal hätten sich bislang 150 Internet-Nutzer in die von der kommunalen Medienzentrale übertragenen Sendungen eingeklickt.
Nach dem Meinungsaustausch der beiden Diskutanten waren Wortmeldungen erwünscht. Mehrere Stadträte und Parteipolitiker nutzten diese Möglichkeit und beschworen die SPD, auf den Stadler-Kompromissvorschlag einzugehen. Matthias Koopmann von der Passauer Liste etwa warf der SPD vor, die Chancen zu verkennen, die die neue Technik bietet. Der Bürger könne die Bedenken nur schwer nachvollziehen, ein mündiger Wähler erwarte größtmögliche Transparenz. Auch Boris Burkert von den Grünen sah „eine Chance für mehr Demokratie“. Entwicklungen wie Livestream werden so oder so kommen, es werde noch weitaus mehr Information über politische Entscheidungen fließen. Alle Redner waren sich einig, dass die Passauer Politik derzeit eine schlechte Figur abgibt angesichts von Standbildern ohne Ton aus laufenden Sitzungen. Max Stadler: „Es droht eine Blamage für Passau.“