07.10.2011
„Kann das Recht den Wirtschaftsaufschwung fördern?– Aktuelles aus Deutschland und der EU“
Vortrag
des Parlamentarischen Staatssekretärs des Bundesministeriums der Justiz Herrn Dr. Max Stadler
beim ManagementConvent der Universität Passau
am 11. Oktober 2011 in München
zum Wirtschaftsrecht:
„Kann das Recht den Wirtschaftsaufschwung fördern?– Aktuelles aus Deutschland und der EU“
Wenn man aus dem Ausland kommt, hat man doch häufig das angenehme Empfinden: Deutschland funktioniert! Zu diskutieren war lange Zeit über Detailkorrekturen.
Tatsache ist: wir sind mit Megathemen, mit neuen Herausforderungen konfrontiert. dass die Politik nicht immer sofort die plausiblen Antworten parat hat, ist daher nicht verwunderlich, trägt aber zum Ansehensverlust der Politik bei. Ich nenne beispielhaft:
1. Krieg und Frieden - Leben und Tod
Afghanistan, Libyen – (deutscher Sonderweg erlaubt?)
2. Eurokrise und Zukunft Europas (mehr dazu gleich)
3. Energiewende - Bürgerpartizipation und Planungszeiten
Aber auch die ureigenen Themen des BMJ betreffen oft grundsätzliche gesellschaftspolitische Fragen. Ich möchte mich auf den Aspekt beschränken, inwieweit Rechtsetzung Voraussetzungen zum Florieren der Wirtschaft schaffen kann.
Zunächst erlauben Sie bitte einen persönlichen Kommentar zu der derzeit am meisten diskutierten Frage, zur Eurokrise. Ich will nicht mit dem hier versammelten wirtschaftlichen Sachverstand konkurrieren. Ich selber bin Verfahrensrechtler.
Daher will ich nur einen Gedanken zu den Entscheidungsstrukturen vortragen.
Derzeit ist offenkundig die Eurozone eine halbe Sache. Manche ziehen aus der Krise die Lehre, dass eine Rückkehr zu nationalen Währungen manche Probleme erst gar nicht entstehen ließe. Das ist immerhin eine konsequente Haltung.
Wenn man aber meint, und das teile ich, dass in einer globalisierten Welt größere Wirtschaftsräume notwendig sind und damit einheitliche Währungszonen, dann muss man am Euro festhalten, aber die Entscheidungsstrukturen verändern. Mitgliedsstaaten, die gestützt werden, müssen sich dann gefallen lassen, dass ihnen Kautelen gestellt werden, dass diese überwacht und durchgesetzt werden. das ist gemeint, wenn von „mehr Europa“ die Rede ist. Dies korrespondiert aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit mehr und vorheriger Entscheidungsbefugnis des Bundestags.
Manches lässt sich nur mit Vertragsänderungen erreichen. Das ist kompliziert.
Aber schon jetzt gibt es Vereinbarungen des ECOFin-rates von letzter Woche, die eine deutliche Politikänderung beinhalten:
All das ist ein kompliziertes Konstrukt, aber Angela Merkel hat Recht: Dies ist die entscheidende Aufgabe in dieser Legislaturperiode!
Zurück zum eigentlichen Thema:
Unser Haus wird öffentlich eher wahrgenommen durch Streitthemen wie Vorratsdatenspeicherung (Zustimmung über 60%!) oder Anti-Terrorgesetze (hier wurde guter Kompromiss erzielt). Aber selbst Themen aus diesem Spektrum tangieren oft die Wirtschaft. Ich nenne nur den Wunsch der Wirtschaft, bezüglich des Datenaustausches mit den USA („Swift“) darauf zu achten, dass wir Europäer selber die Daten ausfiltern, weil sonst der sachfremden Verwendung von wirtschaftsrelevanten Daten Tür und Tor geöffnet wäre. Hier treffen Datenschutz- und wirtschaftliche Interessen zusammen.
1. Ich möchte zunächst das Internet und die Herausforderungen des „digitalen Zeitalters“ ansprechen.
Die Internet- und Telekommunikationsbranche war in den vergangenen Jahren ein wichtiger Wachstumsmotor der Wirtschaft; sie ist mit über 850.000 Beschäftigten nach dem Maschinenbau heute der zweitgrößte industrielle Arbeitgeber in Deutschland, noch vor der Auto-, Elektro- oder Chemieindustrie. Das Internet ist aber nicht nur für diese Unternehmen, sondern für die gesamte Wirtschaft zu einer unverzichtbaren Lebensader geworden.
Durch abgewogene rechtliche Rahmenbedingungen müssen wir sicherstellen, dass sich diese dynamische Entwicklung des „Marktplatzes Internet“ fortsetzt. Um die für ein Wachstum des eBusiness unverzichtbare Infrastruktur weiter auszubauen, hat sich die Bundesregierung mit ihrer Breitbandstrategie völlig zu Recht – auch im europäischen Vergleich – sehr ambitionierte Ziele gesetzt. Schon heute ist eine Internetnutzung mit Übertragungsraten von einem Megabit pro Sekunde nahezu flächendeckend gesichert; bis spätestens 2014 sollen für 75 Prozent der Haushalte, bis 2018 für alle Haushalte Anschlüsse mit Übertragungsraten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zur Verfügung stehen. An diesen Zielen halten wir fest.
Die Bundesregierung hat dem Parlament im Rahmen einer umfassenden Novellierung des Telekommunikationsgesetzes zahlreiche Regelungen vorgeschlagen, die die Förderung des Aufbaus hochleistungsfähiger Netze zum Ziel haben. Ich bin sicher, dass wir mit unserem wettbewerbsorientierten und technologieneutralen Ansatz dem Ziel näher kommen, auch die letzten „weißen Flecken“ auf der Landkarte des schnellen Internets zu tilgen.
Neben dem Aufbau moderner Infrastrukturen müssen wir unser Augenmerk auch auf die Förderung neuer Geschäftsmodelle im Internet richten. Die Bundesregierung sieht in neuen Entwicklungen wie „Cloud Computing“ oder „Smart Grids“ große Chancen für die deutsche Wirtschaft. Dabei gilt es einerseits, eine „Überregulierung“ zu vermeiden und Selbstregulierungskonzepte zu fördern, die gerade im Bereich des Internet in den letzten Jahren in erfreulicher Anzahl entstanden sind.
Andererseits müssen wir durch ausgewogene Regelungskonzepte sowohl Akzeptanz als auch Sicherheit innovativer Dienste sicherstellen. Datenschutz, Datensicherheit, das Recht des geistigen Eigentums und Verbraucherschutz sind nur einige Bereiche, in denen wir den bestehenden Rechtsrahmen immer wieder unter dem Aspekt der Vereinbarkeit mit den Entwicklungen der „digitalen Welt“ überprüfen müssen.
2. Nach der Bankenkrise haben wir uns der Aufgabe gewidmet, das Insolvenz in mehreren Phasen neu zu regeln. Das Restrukturierungsgesetz gilt bereits seit 1.1.2011-
Im Fokus der aktuellen insolvenzrechtlichen Reformagenda steht derzeit der im Bundestag verhandelte Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen – kurz: ESUG. Dem Entwurf geht es – wie sein Titel bereits verrät – darum, die Möglichkeiten zur Durchführung von Sanierungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu erweitern und zu verbessern. Damit leistet der Entwurf einen Beitrag zur notwendigen Erneuerung der in Deutschland bislang vorherrschenden „Insolvenzkultur“. Die Insolvenz gilt bei uns nach wie vor als persönliches Versagen und als irreversibles wirtschaftliches Scheitern. Dass das Insolvenzrecht auch einen Rahmen für die Sanierung und damit für die Erhaltung betriebs- und volkswirtschaftlicher Werte bietet, wird immer noch zu wenig wahrgenommen und geschätzt. Nach wie vor scheuen deshalb Unternehmen den Weg in das Insolvenzverfahren oftmals solange, bis es für erfolgversprechende Sanierungslösungen zu spät ist.
Der vor diesem Hintergrund wünschenswerte Mentalitätswandel lässt sich natürlich nicht durch Gesetz verordnen. Er muss sich in den Anschauungen und Überzeugungen der Verkehrskreise im Zuge eines organisch wachsenden Prozesses allmählich ausbilden. Gesetzesreformen, wie sie durch das ESUG angestrebt werden, können hierzu aber dennoch wichtige Beiträge leisten, indem sie das Insolvenzrecht stärker auf die Sanierung überlebensfähiger Unternehmen ausrichten. Denn es darf erwartet werden, dass positive Erfahrungen mit Sanierungen im Insolvenzverfahren die allgemeine Überzeugung stärken, dass das Insolvenzrecht geeignete und effektive Sanierungsinstrumente bereit hält und dass der Gang zum Insolvenzgericht nicht zwingend ein Ausdruck wirtschaftlichen Scheiterns ist, sondern eine geeignete und akzeptable Option zur nachhaltigen Sanierung von Unternehmen sein kann.
Der Regierungsentwurf des ESUG sucht dieses Ziel im Wesentlichen auf vier Wegen zu erreichen:
Zum einen stärkt der Entwurf die Eigenverwaltung und damit die Anreize für das Schuldnerunternehmen und dessen Management, sich frühzeitig in ein Insolvenzverfahren zu begeben. Bislang sorgen sich Unternehmer vor dem insolvenzbedingten Verlust der Kontrolle über ihr Unternehmen. Der Regierungsentwurf zielt deshalb auf die Herabsetzung der nach geltendem Recht zu überwindenden Hürden für die Anordnung der Eigenverwaltung: Künftig wird der Schuldner von der Last des – seit jeher praktisch kaum zu führenden – Beweises befreit, dass die Eigenverwaltung die Gläubiger nicht benachteiligt. Auch werden die Vorteile der Eigenverwaltung künftig nicht mehr dadurch automatisch konterkariert, dass dem Schuldner im Eröffnungsverfahren ein vorläufiger Insolvenzverwalter zur Seite gestellt wird, der den Schuldner in seiner Verfügungsmacht über das Unternehmen einschränkt. Und schließlich kann der Schuldner im Rahmen eines sog. Schutzschirmverfahrens Zeit und Gelegenheit finden, über einen Zeitraum von bis zu drei Monaten Sanierungsmaßnahmen vorzubereiten.
Daneben zielt das ESUG auf die Stärkung des Insolvenzplans als Sanierungsinstrument. Ein wichtiger Schritt ist hier die Einbeziehung der Anteilsinhaber in den Insolvenzplan. Sie erlaubt insbesondere die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital – sog. „Debt Equity Swaps“. Das bislang nach allgemeinem Gesellschaftsrecht bestehende Erfordernis eines Zustimmungsbeschlusses durch die Anteilsinhaberversammlung, das sich in der Praxis oft als Hindernis für aussichtsreiche Sanierungsverfahren erwiesen hatte, entfällt. Denn obgleich die Anteilsinhaber auch über den Plan abzustimmen haben, bezieht sich diese Abstimmung nicht auf die gesellschaftsrechtliche Maßnahme als solche, sondern auf den Plan als Ganzen. Daher können die Anteilsinhaber im Einzelfall auch überstimmt werden.
Ein weiterer wichtiger Baustein für die Effektuierung des Insolvenzplans als Sanierungsinstrument ist die Erschwerung des Rechtsschutzes gegen den Bestätigungsbeschluss in den Fällen, in denen der opponierende Gläubiger lediglich geltend macht, nicht angemessen am Sanierungserfolg beteiligt zu werden. Gläubiger, die in missbräuchlicher Weise das Wirksamwerden des Plans verhindern wollen, um in buchstäblich letzter Minute Sondervorteile herauszuhandeln, werden es in Zukunft also schwerer haben.
Auch werden Sonderregelungen für Forderungen geschaffen, die nach Abschluss des Planverfahrens geltend gemacht werden, obgleich sie im Insolvenzverfahren nicht angemeldet wurden. Solche Forderungen können – auch wenn sie den im Plan vereinbarten Maßnahmen unterliegen – die im Plan sorgfältig austarierte Finanzplanung empfindlich stören. Zur Lösung dieses Problems sieht der Entwurf des ESUG einen besonderen Vollstreckungsschutz durch das Insolvenzgericht vor, sofern die geltend gemachte Forderung die Durchführung des Insolvenzplans gefährdet. Zudem werden die Verjährungsfristen für solche Forderungen verkürzt: Ansprüche, die nicht bis zum Abstimmungstermin angemeldet worden sind und mit denen deshalb nicht zu rechnen war, verjähren künftig in einem Jahr.
Ein weiterer Schwerpunkt des ESUG besteht darin, die Beteiligung der Gläubiger dadurch zu stärken, dass unter bestimmten Voraussetzungen vorläufige Gläubigerausschüsse zwingend zu bilden sind. Diese vorläufigen Ausschüsse wirken bei wichtigen Entscheidungen mit. Durch einstimmigen Beschluss können sie für das Gericht bindende Entscheidungen in Bezug auf die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters oder in Bezug auf die Anordnung der Eigenverwaltung treffen. Dies macht das Verfahren für die Gläubiger planbarer und vorhersehbarer. Zudem stellen die vorläufigen Gläubigerausschüsse ein wichtiges und notwendiges Gegengewicht für die dem Schuldner künftig eingeräumten Freiräume im Eigenverwaltungsverfahren dar.
3. Ein gerade für das Erfinderland Deutschland wichtiges Thema ist schließlich das Patent- und Markenrecht. Hier zeigt sich:
"Modernes Wirtschaftsrecht kann nicht nur den Wirtschaftsaufschwung fördern. Vielmehr ist es die Pflicht des Staates in einer marktwirtschaftlichen Ordnung, geeignete rechtliche Rahmenbedingungen zu setzen, die zum Wachstum der Volkswirtschaft und zur nachhaltigen Förderung unternehmerischer Tätigkeit beitragen.
Dies gilt auch und gerade in unserem großen politischen Projekt Europäische Union. Seit ihrer Gründung als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft vor mehr als 50 Jahren gilt die Zielsetzung, einen integrierten Binnenmarkt zu schaffen, in dem Personen, Güter und Dienstleistungen frei und ohne die Fesseln einzelstaatlicher Beschränkungen zirkulieren können.
Nehme ich als Beispiel das Recht des geistigen Eigentums, für das das Bundesministerium der Justiz innerhalb der Bundesregierung federführend zuständig ist, können wir insgesamt eine positive Bilanz ziehen: Insbesondere zum Marken- und Designrecht existieren weitgehend vereinheitliche Regelungen in allen Staaten der Europäischen Union. Zudem besteht die Möglichkeit, durch die Anmeldung einer europäischen Marke oder eines europäischen Designs beim europäischen Markenamt in Spanien Schutz in der gesamten Europäischen Union zu erlangen. Ich komme später auf diese Rechtsbereiche noch einmal zurück.
Wermutstropfen in dieser Bilanz ist das Patentrecht. Hier können wir zwar mit der Europäischen Patentorganisation und dem Europäischen Patentamt auf eine fast
35-jährige Erfolgsgeschichte zurückblicken. Klein gestartet, hat sich die Europäische Patentorganisation inzwischen auf 38 Mitgliedstaaten hoch gearbeitet. Das Europäische Patentamt – zusammen mit dem Deutschen Patent- und Markenamt das Herzstück der europäischen Patenthauptstadt München – erhält jährlich um die 200.000 Patentanmeldungen und erteilt pro Jahr etwa 60.000 Patente. Exzellent qualifizierte Prüfer aus allen Technikbereichen sorgen für eine hohe Qualität der erteilten Patente.
Aber: Bisher ist nur die Patenterteilung durch das Europäische Patentamt „europäisiert“. Ist das Patent einmal erteilt, zerfällt es jedoch in einzelstaatliche Schutzrechte und muss in jedem Land, in dem es gelten soll, validiert werden. Die meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation – das gilt allerdings nicht für Deutschland und 12 weitere Staaten – verlangen die Übersetzung des Patents in ihre jeweilige Landessprache. Das ist teuer und macht es für die meisten Unternehmen – insbesondere die kleinen und mittleren – unerschwinglich, ihr Schutzrecht für mehr als vier oder fünf Staaten gelten zu lassen. In den anderen Staaten bleibt ihre Erfindung ungeschützt.
Das bedeutet auch, dass die gleiche Erfindung in Frankreich als französisches und in Deutschland als deutsches Patent behandelt wird. Der Patentinhaber muss bei Verletzungen in jedem Land separat klagen. Auch das kann sehr teuer werden. Außerdem trägt er das Risiko, dass sein Schutzrecht von einem Gericht vernichtet, vom Gericht im Nachbarstaat aber aufrecht erhalten wird.
Seit den 70er Jahren gab es mehrere vergebliche Anläufe, diese Rechtszersplitterung zu beseitigen, eine Rechtszersplitterung, die fatal ist für die innovativen Industriebranchen, die auf wirksamen grenzüberschreitenden Schutz ihrer Erfindungen angewiesen sind und die wir gerade in Deutschland – zum Glück für unsere Wirtschaft – in großem Umfang haben. Grund für das bisherige Scheitern war immer die Sprachenfrage: Die meisten Staaten waren nicht bereit, auf die kostenträchtigen Übersetzungen der erteilten Patente in ihre jeweiligen Landessprachen zu verzichten.
Diesen Zustand wollen wir jetzt ändern. Im Juni hat sich der EU-Ministerrat auf ein europäisches Patent mit einheitlicher Schutzwirkung geeinigt. Wer vom EPA ein Patent erteilt bekommen hat, kann die einheitliche Schutzwirkung für alle EU-Mitgliedstaaten beantragen. Der Patentinhaber kann dann von Litauen bis Portugal und von Irland bis Slowenien auf der gleichen Rechtsgrundlage vom Verletzer Unterlassung verlangen. Die Gebühren sollen auch für kleine und mittlere Unternehmen bezahlbar sein.
Leider sind wir bei diesem Vorhaben nur 25 statt 27 Teilnehmerstaaten. Italien und Spanien machen aus sprachpolitischen Gründen nicht mit. Denn die teuren händischen Übersetzungen in die jeweilige nationale Sprache werden nach einer Übergangszeit zugunsten von Maschinenübersetzungen komplett abgeschafft.
Jedes Patent ist nur so viel wert wie seine gerichtliche Durchsetzbarkeit gegen Fälscher und Kopierer. Deswegen braucht ein einheitlicher grenzüberschreitender Patentschutz auch einen einheitlichen Rechtsschutz. Daher planen wir ein europäisches Patentgericht, das für alle 25 Teilnehmerstaaten einheitlich und verbindlich über den Bestand oder die Nichtigkeit sowie die Verletzung europäischer Patente entscheidet. Auch hier wird es wie bei den Patentkosten darauf ankommen, dass die Gerichtsgebühren für die Unternehmen bezahlbar sind.
Diese grundlegende Reform des Patentsystems in der EU wird, wenn sie endgültig starten kann, für unsere deutsche Wirtschaft große Vorteile bringen. Deutsche Firmen erhalten über 40 Prozent der vom Europäischen Patentamt an Unternehmen in der EU vergebenen Patente. Dies zeigt die große Innovationsfähigkeit unserer Industrie, auch und gerade in Zukunftssparten wie der Klimatechnologie. Flächendeckenden Schutz von Erfindungen fast in der gesamten EU zu erschwinglichen Gebühren mit grenzüberschreitender Durchsetzbarkeit zu bekommen, auf dem Weg dorthin muss noch manche kontroverse Frage entschieden werden, etwa die der Gebührenhöhe für das Patent und das Patentgericht.
Einige Etappen liegen noch vor uns: Das Europäische Parlament wird Anfang kommenden Jahres seine Stellungnahme abgeben. Das Abkommen, mit dem das europäische Patentgericht geschaffen wird, muss noch ausformuliert und später von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden. Legen Sie mich nicht auf eine konkrete Zeitplanung fest. Wenn aber alles glatt geht, könnte das neue System im Jahr 2014 starten.
Ich habe eingangs erwähnt, dass wir im Bereich des Markenrechtes mit der Anwendung von EU-einheitlichen Regelungen schon weiter vorangeschritten sind.
Das Patentrecht hat den Schutz technologischer Innovation zum Ziel. Im Markenrecht geht es um die Unverwechselbarkeit von Produkten. Starke Marken sind wertvolle Unternehmenswerte. Für den Verbraucher ist die Marke Orientierungspunkt in einer immer unübersichtlicheren Welt. Deutsche Marken bürgen für Qualität; sie stehen für Werte jenseits eines reinen Preiswettbewerbs.
Das Markenrecht schützt diese Werte und gewährleistet einen fairen Wettbewerb. Das deutsche und europäische Markenrecht leistet dies bereits jetzt auf hohem Niveau.
Auch Marken sind – ebenso wie Patente – aber leider immer stärker durch Fälschungen bedroht. Allein 2010 wurden über 100 Millionen gefälschte Artikel an den Außengrenzen der Europäischen Union beschlagnahmt. Um auf diese Entwicklung zu reagieren hat die Europäische Union mit den USA, Japan und acht anderen Staaten das weltweit erste internationale Abkommen gegen Produktpiraterie – das sogenannte Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) verhandelt, das voraussichtlich noch in diesem Jahr gezeichnet wird. Und auch die europäischen Regelungen zur Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums werden im nächsten Jahr voraussichtlich nochmals verbessert werden. Deutschland wird übrigens weltweit von Unternehmen als das Land angesehen, in dem geistige Eigentumsrechte am besten geschützt und durchgesetzt werden können.
Damit komme ich zu den eingangs genannten „Megathemen“ zurück. Ich möchte einige Anmerkungen zur Energiepolitik der Bundesregierung und zu den damit verbundenen Herausforderungen machen.
Nachdem die Bundesregierung im Herbst 2010 das Energiekonzept beschlossen hatte, in dem bereits die gesellschaftliche Grundentscheidung für einen Übergang zu einer Energieversorgung aus erneuerbaren Energien getroffen wurde, erschütterte uns die unvorstellbare Havarie in Fukushima. Das war Anlass für die Bundesregierung, den Ausstieg aus der Kernenergie noch schneller zu gehen und zu gestalten.
Unabdingbar dafür ist der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien. Er bietet Potential für eine starke und erfolgreiche Zukunftsbranche und ist somit Garant für Wirtschaftswachstum. Dafür ist aber auch der beschleunigte Ausbau der Netze unverzichtbar.
Deshalb wurde im Frühsommer dieses Jahres ein Gesetzespaket geschnürt: In sieben Gesetzen und einer Verordnung werden die rechtlichen Grundlagen dafür gelegt, das Zeitalter der erneuerbaren Energien möglichst schnell zu erreichen. Sowohl für den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien als auch für den notwendigen beschleunigten Netzausbau schafft das Energiepaket die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Die Novellierung des Erneuerbaren Energiengesetzes fördert den beschlossenen Ausbau der erneuerbaren Energien. Eine umfassende Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz, kurz NABEG, zielen darauf ab, den Ausbau der Stromnetze zu beschleunigen, um eine engpassfreie Elektrizitätsversorgung auch zukünftig zu gewährleisten.
So ermöglicht das NABEG eine bundeseinheitliche Bündelung des Genehmigungsverfahrens für länderübergreifende und grenzüberschreitende Höchstspannungsleitungen. Aufgrund dieses verkürzten Planungs- und Genehmigungsverfahrens werden künftige Genehmigungen von Höchstspannungsleitungen für die Energieunternehmen deutlich schneller erfolgen können.
Neben dem Aufbau einer modernen Netzinfrastruktur beinhalten auch neue Entwicklungen wie sogenannte „smart meter“ große Chancen für die deutsche Wirtschaft. Sie ermöglichen in Kombination mit variablen Tarifen, erhebliche Energieeinsparungen in den Unternehmen, Gewerbebetrieben und Haushalten. Durch bereichsspezifische Datenschutzregelungen gewährleisten wir, dass bei einem Einsatz von intelligenten Zählern der Schutz und die Sicherheit, insbesondere personenbezogener Daten sichergestellt werden.
Mit den politischen Weichenstellungen des Energiekonzepts der Bundesregierung und den dafür nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen im Energiepaket haben die Politik und der Gesetzgeber einen wichtigen Schritt getan. Ich bin zuversichtlich, dass wir damit die Voraussetzungen für eine Klima- und umweltverträgliche, aber auch wettbewerbsfähige Energieversorgung geschaffen haben.
Abschließend noch einmal zum Verfahrensrecht, meiner eigentlichen Disziplin:
Bis dat, qui cito dat – schnelles Recht ist gutes Recht. Deutschland ist wiederholt vom EGMR wegen überlanger Verfahrensdauer beanstandet worden. Im allgemeinen arbeiten die Gerichte zügig, aber es gibt einzelne Ausreißer. Daher haben wir einen Gesetzentwurf zur Vermeidung überlanger Verfahren erarbeitet und durch den Bundestag gebracht. Ich hoffe sehr, dass wir damit am kommenden Freitag im Bundesrat bestehen werden.