Gesetz zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung
Bundesrat - 886. Sitzung - 23. September 2011
Gesetz zur Änderung des
§ 522 der Zivilprozessordnung (Drucksache 485/11)
Amtierender Präsident Peter Harry Carstensen:
Das Wort hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Stadler (Bundesministerium der Justiz).
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 7. Juli dieses Jahres hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung beschlossen. Kernstück des Gesetzes ist es, gegen die bislang unanfechtbaren Zurückweisungsbeschlüsse nach § 522 Absatz 2 ZPO ab einer Beschwer über 20 000 Euro die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof einzuführen.
Diese Korrektur ist notwendig geworden, weil die mit der ZPO-Reform im Jahre 2002 geschaffene Vorschrift zu einer sehr uneinheitlichen Praxis geführt hat. Ich habe im ersten Durchgang der Beratungen in diesem Hohen Haus die entsprechenden Zahlen vorgetragen. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass der Gesetzgeber auf diese uneinheitliche Praxis reagieren muss.
Künftig werden Zurückweisungsbeschlüsse den Berufungsurteilen gleichgestellt. Aussichtslose Berufungen sollen weiterhin rasch und kostengünstig erledigt werden können. Deshalb hat die Bundesregierung nicht etwa die gänzliche Abschaffung des § 522 Absatz 2 ZPO, sondern eine vermittelnde Lösung vorgeschlagen.
Die Berufungsgerichte dürften durch den Begründungsmehraufwand für die anfechtbaren Zurückweisungsbeschlüsse kaum zusätzlich belastet werden; denn die eigentliche Begründungsarbeit steckt in dem Hinweisbeschluss, der jedem Zurückweisungsbeschluss vorangeht. Das ist geltende Rechtslage. Insofern ändert sich der Arbeitsaufwand nur wenig.
Es ist nicht zu erwarten, dass die Nichtzulassungsbeschwerde die Zahl der Berufungen wieder in die Höhe treibt. In dem Streitwertsegment, um das es geht – ab 20 000 Euro Beschwer –, ist die Berufungsquote seit jeher hoch, weil es um erhebliche Beträge geht. Sie ist von der Einführung des unanfechtbaren Zurückweisungsbeschlusses kaum beeinflusst worden. Insofern rechnen wir, wie gesagt, nicht mit einer Zunahme der Zahl der Berufungen von den Erstgerichten zu den Berufungsgerichten. Wohl aber – das betrifft jedoch den Bund – ist eine Mehrbelastung für den Bundesgerichtshof zu erwarten.
Gleichwohl ist die Reform noch aus einem anderen Grund notwendig. Derzeit ist das Prinzip der mündlichen Verhandlung zu stark eingeschränkt. Von vielen Bürgerinnen und Bürgern – auch aus der Anwaltschaft – ist uns überzeugend der Wunsch vorgetragen worden, rechtliches Gehör im Wortsinne zu erhalten, d. h. seine Angelegenheit dem Berufungsgericht persönlich vortragen zu können. Das ist Ausdruck des Grundsatzes der Mündlichkeit von Verhandlungen im Zivilverfahren, der im Prinzip weiterhin gültig ist.
In Zukunft soll daher auch über aussichtslose Berufungen ohne Grundsatzbedeutung dann mündlich verhandelt werden, wenn besondere Gründe vorliegen. Das ist unserer Meinung nach eine sachgerechte Lösung. Uneinigkeit herrscht freilich über die technische Umsetzung dieses Ziels und hinsichtlich der Wortwahl. Ich bitte Sie, den Weg, den der Deutsche Bundestag wohlüberlegt gewählt hat – die in den Beratungen im Rechtsausschuss gefundene Formulierung liegt Ihnen vor –, zu unterstützen.
Es gibt einen dritten möglichen Anrufungsgrund für den Bundesrat. Der Bundestag hat die Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Höhe von 20 000 Euro zunächst einmal nicht direkt in die ZPO aufgenommen, sondern im Übergangsrecht belassen. Grund dafür ist, dass die Höhe der Wertgrenze überprüft werden soll, wenn sich das neue Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof eingespielt hat. Wir halten ein solch abgestuftes Vorgehen zum Schutz des Bundesgerichtshofs vor Überlastung für geboten.
Die Bundesregierung ist insgesamt der Auffassung, dass das vom Bundestag gegenüber dem Regierungsentwurf noch veränderte Gesetz einen guten Kompromiss darstellt. Wir bitten Sie daher um Ihre Unterstützung.
Amtierender Präsident Peter Harry Carstensen: Ich bedanke mich, Herr Staatssekretär. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.