Dr. Max Stadler

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Donnerstag, 3. Januar 2013

77 Minuten zwischen Nostalgie und Zukunft

Die Ilztalbahn feierte am Wochenende ihre Wiederbelebung. Die Passagiere waren von der einzigartigen Strecke begeistert.
Nun muss die Bahn beweisen, dass sich das Projekt auch rechnet.


Von Friederike Frantz
Andächtig schauen Heidi Geppert und ihre Schwester, Waltraud Weindl, am Samstagmorgen aus dem Fenster der Ilztalbahn - der ersten, die nach 30 Jahren von Passau nach Waldkirchen im regelmäßigen Personenverkehr fährt. Ab und zu zeigt eine der beiden hinaus, um auf einen altbekannten Punkt auf der Strecke hinzuweisen. „Als Kinder sind wir von Freyung mit der Bahn nach Passau gefahren“, erzählt Heidi Geppert. Die Erinnerungen an die vergangenen Jahre und die alten Holzsitze der Bahn werden wieder wach. „Aus Nostalgie sind wir hergekommen“, sagt sie.
Das ist der Grund für viele Passagiere der Ilztalbahn, die am Wochenende auf der wiederbelebten Strecke durch das Ilztal fahren. „Dies ist eine Planfahrt, kein Fotozug“, schallt es aus dem Zuglautsprecher. Immer wieder muss der Lokführer seine Fahrgäste daran erinnern, denn an jedem Haltepunkt springen die begeisterten Eisenbahner aus dem Zug, um diesen historischen Moment mit der Kamera festzuhalten.
50 Kilometer Schienen und 77 Minuten liegen zwischen Passau und Freyung, eine Busverbindung besteht sowieso. Lohnt sich die Ilztalbahn da überhaupt? Eine Grundsatzfrage, die sich Betreibern kleiner Regionalbahnen überall in Deutschland stellt.
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Zielgruppe sind Ausflügler und Touristen
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Für Prof. Thomas Schempf, den Geschäftsführer der Ilztalbahn-GmbH, soll die neue alte Bahn aber mehr sein als nur ein Liebhaberstück. „Der Bus fährt am Wochenende sehr selten, er ist ausgerichtet auf den Berufs- und Schülerverkehr“, verteidigt Schempf seine Bahn. „Mit Wanderrucksäcken kommen die Leute, bald fahren auch die Kurgäste mit der Bahn nach Passau rein“, wünscht er sich. Ausflügler und Touristen sind die Zielgruppe für die Ilztalbahn, die nun bis Ende Oktober am Wochenende und feiertags unterwegs ist.
Nach Nostalgiezügen schauen die gelb-grünen Wagen des Regioshuttles auch nicht aus, die jetzt auf der Strecke verkehren. Sie sind modern und schlicht - so wie es sich für eine typische Regionalbahn heute gehört.
Überhaupt nicht typisch, sondern im Gegenteil einzigartig ist die Strecke, die die Ilztalbahn befährt. Vom Passauer Hauptbahnhof überquert sie die Donau und taucht in den Wald ein. Kaum eine Straße ist zu sehen an der Strecke, dafür kommt der Bahnfahrer der schwarzfunkelnden Ilz so nah, dass er die einzelnen Steine im Flussbett erkennt. Tiefenbach, Fischhaus, Kalteneck, Fürsteneck heißen die Haltepunkte, die die Ilztalbahn passiert. Ländliche Bilderbuchidylle umhüllt den Zug, es geht am Kuhstall vorbei, an der Neuhausmühle, durch dunklen Wald und zwischen Felsen hindurch. Nach dem Halt in Röhrnbach bietet sich schließlich der Frontalblick auf Waldkirchen mit seiner prominenten Kirche.
Stefan Steidl und Frank Schmid sitzen sich gegenüber und reden über das gute Wetter. Sie wollen ihre Eltern in Fürsteneck besuchen. „Da hat sich die Bahn angeboten, das ist einfach eine wunderschöne Strecke“, schwärmt Schmid. „Wir kaufen uns eine Saisonkarte - dann können wir sogar öfters heimfahren, tanken kostet ja genauso viel“, stellt er fest.
Seit 1982 verkehrten auf der Strecke der Ilztalbahn keine regulären Personenzüge mehr. Langsam wurde auch der Güterverkehr weniger, bis der Betrieb 2002 ganz eingestellt wurde. Die Schneise der Ilztalbahn fand schnell neue Interessenten: Ein Radweg sollte gebaut werden, selbst die Kommunen gaben ihr O.K., schon stand der Baubeginn fest. Doch dafür hätte die Bahn der Entwidmung der Strecke zustimmen müssen, das lehnte sie ab. Langsam drehte sich der Wind zugunsten der Bahnbefürworter.
„Das sind so viele neue Möglichkeiten“, findet der Passauer Frank Schmid, „man kann auch das Radl mitnehmen und zurückradeln.“ „Ich finde die Bahn- und die Radwegbefürworter sollten da Hand in Hand gehen“, fügt Steidl hinzu, „das widerspricht sich ja eigentlich gar nicht.“
Der alte Streit zwischen Bahnbefürwortern und -gegnern spielt am Eröffnungswochenende nur ganz am Rande eine Rolle. Ludwig Lankl, Landrat von Freyung-Grafenau, gibt zu: „Ich stand der Sache am Anfang skeptisch gegenüber, wurde aber eines besseren belehrt.“ Auch er hat am Samstag wie seine Kollegen Staatsminister Helmut Brunner, Staatssekretär Dr. Max Stadler, MdL Eike Hallitzky sowie MdL Bernhard Roos an der ersten Fahrt der Ilztalbahn von Passau nach Freyung teilgenommen.
Viele haben die Ilztalbahner mittlerweile umgestimmt und auf ihre Seite gezogen. Dennoch, alle Signale sind noch nicht auf Grün geschaltet für eine erfolgreiche Zukunft des Zugs zwischen Passau und Freyung.
Den laufenden Betrieb kann die Ilztalbahn-GmbH in der ersten Saison selbst stemmen, so der Plan. Für die Instandhaltung der Strecke sind aber Investitionen nötig, die EU will Fördergelder in Höhe von 1,6 Millionen Euro zur Verfügung stellen - wenn bis 19. September eine entsprechende Bürgschaft vorliegt. Die bayerische Staatsregierung ist nicht überzeugt. „Das Wirtschaftsministerium reagiert zurückhaltend, weil es derzeit von keinem rentablen Konzept ausgeht“, erklärt Brunner.
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„Wir haben bisher keinen Cent vom Staat“
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Bisher ging es auch ohne staatliche Hilfe. Unermüdliche Eigenarbeit in der Instandsetzung der Strecke war ein Teil davon, Darlehen und das Stammkapital der GmbH in Höhe von 770 000 Euro haben die Bahnfreunde vorgestreckt. „Die EU-Gelder brauchen wir jetzt, um die Substanz der Strecke zu verbessern, damit sie auch in 25 bis 30 Jahren noch in gutem Zustand ist“, erklärt Geschäftsführer Thomas Schempf.
Ob das Projekt Ilztalbahn zukünftig ausgebaut werden soll und etwa Werktagsverkehr eingeführt werden könnte, lassen die Gesellschafter offen. „Öffentlicher Personennahverkehr wird vom Staat bestellt - wir haben bisher keinen Cent vom bayerischen Staat“, betont Helmut Wast Streit, ebenfalls Geschäftsführer der Ilztalbahn-GmbH. Diesen Anspruch könne man also nicht stellen.
Ganz konnte die Ilztalbahn an ihrem ersten Betriebswochenende den Eindruck des Bummelzugs für Liebhaber noch nicht ablegen. Dennoch, die Aufregung vom Samstagmorgen ist am Nachmittag der Regionalbahn-Normalität gewichen. Gedämpfte Unterhaltungen, ein paar Kinderstimmen und müde Wanderer, die den Ausblick über die Höhen des Bayerischen Waldes nicht mehr genießen können, weil ihnen längst die Augen zugefallen sind. Für Heidi Geppert und ihre Schwester wird die Ilztalbahn dennoch immer ihre Nostalgiestrecke bleiben. Aber sie werden wiederkommen - und mehr wollen die Ilztalbahner doch gar nicht.

Staatssekretär Max Stadler (FDP):
„Ich bin glücklich, dass die Bahn jetzt fährt. Ich habe die Bemühungen von Anfang an unterstützt, war aber trotzdem skeptisch. Jetzt habe ich Vertrauen in die Bürger, die mit ungeheurem Engagement und großer Kompetenz an der Ilztalbahn gearbeitet haben - eine echte Bürgerbahn. Nostalgiefahrten werden überall angeboten und touristisch genutzt, warum nicht auch hier.“



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