08.04.2011
Rede vom 07.04.2011
Deshalb haben die Innen- und Rechtspolitiker der CDU/CSU und der FDP schon bei den Koalitionsverhandlungen eine Änderung dieser Vorschrift verabredet.
Es gibt noch einen zweiten Grund, warum wir tätig werden sollten. Die Statistik belegt, dass die Berufungsgerichte die Vorschrift im bundesweiten Vergleich sehr unterschiedlich anwenden.
(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)
Beispielsweise werden beim Oberlandesgericht Bremen in 5,2 Prozent aller Fälle Berufungen durch Beschluss zurückgewiesen. Beim Oberlandesgericht Rostock erfolgt dies in 27 Prozent aller Fälle. Auch diese unterschiedliche Handhabung in der Praxis ist ein Anlass für ein Eingreifen des Gesetzgebers.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Die Bundesregierung schlägt daher im vorliegenden Entwurf vor, bei Zurückweisungsbeschlüssen die gleiche Anfechtbarkeit wie bei den streitigen Berufungsurteilen einzuführen. Künftig soll der Bundesgerichtshof auf die Nichtzulassungsbeschwerde einen Zurückweisungsbeschluss ab einer Beschwer von 20 000 Euro in gleicher Weise überprüfen wie jetzt schon ein Berufungsurteil. Wenn die Zulassungsgründe vorliegen, wird der Be¬schluss im Revisionsverfahren auf Rechtsfehler kontrolliert. Damit wird es für den Zugang zum Bundesge¬richtshof unerheblich, ob das Berufungsgericht durch Beschluss oder durch Urteil entschieden hat.
Meine Damen und Herren, das ist eine Verbesserung des Rechtsschutzes, und das ist keine rein technische Angelegenheit; denn von vielen Betroffenen haben uns Beschwerden erreicht, dass das jetzt geltende System auch bei bedeutenden Rechtssachen nicht den vollen Rechtsschutz bereitstellt, weil die beschlussmäßige Verwerfung derzeit unanfechtbar ist.
Wir haben auch bedacht, ob die Berufungsgerichte durch den Begründungsmehraufwand für die künftig anfechtbaren Zurückweisungsbeschlüsse im Übermaß belastet werden. Dies glauben wir nicht; denn die eigentliche Begründungsarbeit wird bereits bei dem Beschluss geleistet, der dem Zurückweisungsbeschluss vorangeht und die Parteien auf den voraussichtlichen Ausgang des Rechtsstreits hinweist.
(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)
In besonderen Fällen, zum Beispiel, wenn die Sache für den Berufungsführer existenzielle Bedeutung hat, muss künftig wieder mündlich verhandelt werden. Das war nämlich das zweite große Beschwernis aus der Praxis: Die Betroffenen hatten den Eindruck, sie würden mit ihrem Anliegen nicht hinreichend gehört. Bürgerinnen und Bürger haben nämlich oft den Eindruck, eine bloß schriftliche Vortragsweise habe nicht denselben Wert wie die mündliche Verhandlung.
Mit der Neuregelung besteht nunmehr eine Möglichkeit, im wahrsten Sinne des Wortes wieder rechtliches Gehör zu gewähren. Eine mündliche Erörterung bietet im Übrigen auch die Chance für die vergleichsweise Lösung eines Rechtsstreits, aber auch für Berufungsrücknahmen, wenn im Rechtsgespräch dem Berufungsführer die mangelnde Erfolgsaussicht seines Rechtsmittels dargelegt worden ist.
Wir meinen daher, dass der Entwurf, den wir Ihnen vorlegen, einen ausgewogenen Kompromiss darstellt. Wir schaffen die Vorschrift nicht gänzlich ab, weil sie durchaus eine gewisse Beschleunigungswirkung hatte und auch künftig haben soll, sondern greifen einen Lösungsansatz auf, den die FDP-Fraktion bereits in der letzten Legislaturperiode vorgeschlagen hat. Wir glauben, dass damit die aufgetretenen Probleme aus der Praxis und das Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger, stär-keren Rechtsschutz zu erhalten, in einer sinnvollen Weise einer Lösung zugeführt werden. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir für unseren Entwurf eine breite parlamentarische Unterstützung erhalten würden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)