„Steuersenkungen wären jetzt verfrüht“
Der Passauer Justiz-Staatssekretär Max Stadler (FDP) zieht nach einem Jahr Bilanz
Passau. Staatssekretär Max Stadler (FDP) spricht nach einem Jahr Amtszeit im Justizministerium über Erfolge und Rückschläge in der Regierungsarbeit, seine Auffassungen zur Sicherungsverwahrung, zur Steuerpolitik, zur Präimplantationsdiagnostik und über ihm wichtige Projekte.
Herr Stadler, ein Jahr Staatssekretär im Justizministerium - ist es so gelaufen, wie Sie es sich vorgestellt hatten?
Stadler: Ganz ehrlich, der Start hätte besser laufen können. Wir haben dann aber doch mit unserer Arbeit im Justizministerium, denke ich, erfolgreich liberale Akzente zugunsten der Betonung der Bürgerrechte gesetzt. Dazu gehört auch, dass wir den Widerstand des Bundesrats gegen einen besseren Schutz der Pressefreiheit überwunden oder die Rücknahme der Vorbehalte gegen die UN-Kinderrechtkonvention erreicht haben. Auch die Lösung von wirklich heiklen Herausforderungen wie die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals und der Neuregelung der Sicherungsverwahrung ist gut gelungen.
Sicherungsverwahrung: „Positiver Druck auf Täter durch neue Regeln“
Gerade bei der Sicherungsverwahrung gibt es viele Ängste bei den Bürgern. Sind die nicht gerechtfertigt?
Stadler: Ich bin überzeugt, dass die neue Regelung mehr Sicherheit für die Bürger bietet und rechtsstaatlichen Anforderungen genügt. Vor allem wird der Anwendungsbereich der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung auf Ersttäter erweitert. Praktiker sagen mir, dass diese im Urteil ausgesprochene Möglichkeit, später die Inhaftierung zu verlängern, einen positiven Druck auf die Täter ausübt, an sich zu arbeiten, weil sie stets dieses Damoklesschwert der Sicherungsverwahrung über sich haben. Im Bundestag zeigte sich übrigens letzte Woche, dass die SPD das Vorhaben wohl mittragen wird - ein Beleg dafür, dass wir für das neue Konzept nicht nur in der Fachwelt breite Zustimmung erhalten.
Was ist juristisch bei den Missbrauchsfällen noch aufzuarbeiten?
Stadler: Wir wollen die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadenersatzansprüche noch verlängern. Das hilft zwar den jetzigen Opfern nicht, weil zurückliegende Fälle davon nicht betroffen sind, soll aber ein ganz klares Signal für die Zukunft sein.
Das Bild der Koalition ist vor allem von Streit geprägt. Die CSU stellt sich gegen ein Punktesystem für Zuwanderer. Ist der nächste Konflikt schon wieder programmiert?
Stadler: Dass es zu schwierigen Themen unterschiedliche Positionen gibt, finde ich normal. Nur in Deutschland wird das immer gleich zur Regierungskrise hochgespielt. Aber richtig ist auch: Eine Regierung, die häufig Uneinigkeit vermittelt, kann logischerweise keine Zustimmung bekommen. Deswegen drängt die FDP darauf, dass Entscheidungen getroffen werden wie etwa jetzt bei der Energiepolitik. Hier hat die Regierung eine klare Linie vorgegeben, mit der so viel wie nie zuvor für erneuerbare Energien getan wird. Man mag das Konzept gut oder schlecht finden. Aber es geht voran. So muss es jetzt auch in anderen Bereichen, darunter die Integrationspolitik, laufen.
Da die Steuereinnahmen derzeit wieder zulegen, hätte vor allem in der FDP so mancher gerne eine neue Entscheidung für Steuersenkungen. Ist das realistisch?
Stadler: Die Verantwortung für die nachfolgenden Generationen gebietet es, jetzt erst die Staatsverschuldung zurückzufahren. Steuersenkungen wären daher verfrüht, bleiben aber auf der Agenda in dieser Legislaturperiode. Steuervereinfachungen kann und sollte man sofort machen.
Wie will Ihre Partei dann aus dem Umfragekeller kommen? Und was passiert mit dem Parteivorsitzenden Westerwelle, wenn die Landtagswahlen 2011 für die FDP böse ausgehen?
Stadler: Jetzt über ungelegte Eier zu spekulieren bringt nichts. Wir haben doch gerade deswegen Vertrauen verloren, weil wir Versprechungen und Ziele, die es vor der Wahl gab, nicht umsetzen konnten. Dieses Vertrauen kann man nur durch eine solide Regierungspolitik zurückgewinnen, und daran arbeiten wir. Wer sich von vorneherein aufgibt, der hat schon verloren. Bis zu den Landtagswahlen ist fast noch ein halbes Jahr Zeit - genug, um bei den Wahlen wieder besser als bei den jetzigen Umfragen abzuschneiden.
„Ich werde wohl für Möglichkeit zur PID stimmen“
Uneinig ist die Koalition auch beim Thema Präimplantationsdiagnostik (PID). Die FDP will sie in engen Grenzen erlauben, die CDU am liebsten verbieten. Wahrscheinlich wird die Abstimmung aber freigegeben. Wie werden Sie entscheiden?
Stadler: Das ist in der Tat eine ethisch schwierige Frage. Aber ich glaube nicht, dass ein vollständiges Verbot der Präimplantationsdiagnostik - also das Untersuchen einer befruchteten Eizelle auf Gendefekte, bevor sie eingepflanzt wird - überhaupt machbar ist. Man kann und sollte eine Mutter nicht zwingen, sich eine nicht untersuchte Eizelle einpflanzen zu lassen, wenn sie das nicht will. Deshalb werde ich wohl für die Möglichkeit einer PID in festen Grenzen stimmen.
Nach der Entdeckung von Paketbomben ist die Terrorangst zurück. Sehen Sie Lücken im Sicherheitssystem? Müssen neue Gesetze her?
Stadler: Dass diese Bomben entdeckt worden sind, zeigt, wie gut unsere Sicherheitsbehörden arbeiten, obwohl ein Unbehagen zurückkehrt. Die bestehenden Gesetze reichen aus. Das Verkehrs- und Innenministerium werden jetzt ein Konzept vorlegen, wie die Kontrollen verbessert werden können. Die FDP hat übrigens bereits zu Zeiten der Großen Koalition nach Sicherheitslücken im Frachtverkehr gefragt. Die Aussage der damaligen Regierung, dass es keinen Handlungsbedarf gebe, war wohl etwas zu optimistisch.
Abschließend: Worauf sind Sie nach einem Jahr als Staatssekretär persönlich besonders stolz?
Stadler: Dass ich auch Projekte vorantreiben konnte, die mir im Interesse der Freiheit und Bürgerfreundlichkeit wichtig sind. Dazu gehören verbesserte Transparenzregeln für kommunale Unternehmen - ein Ansatz, der sich aus meinen Passauer Erfahrungen speist. Oder auch die Einführung einer Art Volksinitiative. Künftig sollen Petitionen, die mehrere zehntausend Unterstützer haben, in einer öffentlichen Sitzung im Plenum des Bundestags beraten werden müssen. Dass ich damit eine bessere Einbeziehung der Bürger in die parlamentarische Demokratie angestoßen habe, empfinde ich als echten Erfolg.
Interview: Ernst Fuchs und Martin Wanninger