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Papiers letzter Paukenschlag


Hans-Jügen Papier, Präsident des Bundes-
Verfassungsgerichts, hat in seinem letzten Urteil noch einmal Maßstäbe gesetzt: *Datenschutz* darf nicht beliebig der Angst vor Terror preisgegeben werden.

Von Andreas Herholz
Karlsruhe/Berlin. „Ich mache keinen Hehl daraus“, sagt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. „Ich freue mich über das Urteil“, erklärt die liberale Bundesjustizministerin vor der Hauptstadtpresse, strahlt und jubelt über „einen herausragend guten Tag“ für die Grundrechte und den Datenschutz. Beim Koalitionspartner sieht man das ganz anders und ist „ausdrücklich nicht froh“: „Solange wir keine Nachfolgeregelung haben ist die Lage für Straftäter komfortabel, weil für die Aufklärung von Straftaten keine Verkehrsdaten anlasslos gespeichert und genutzt werden dürfen“, kommentiert Innenausschuss-Chef Wolfgang Bosbach (CDU), die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
Das Karlsruher Urteil mit dem höchstrichterlichen Stopp der Vorratsdatenspeicherung beschwört den nächsten Koalitionsstreit herauf. Während die Union auf eine schnelle Gesetzesänderung noch vor der Sommerpause drängt und an der Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich festhalten will, sieht die FDP keinen akuten Handlungsbedarf und spielt auf Zeit.
Die Verfassungsrichter hatten gestern das Gesetz zur massenhaften Speicherung von Telefon- und Internetdaten für verfassungswidrig erklärt und die umgehende Löschung von gespeicherten Daten angeordnet. Bei dem Gesetz handele es sich um einen „besonders schweren Eingriff“ in das Fernmeldegeheimnis und die Grundrechte „mit einer Streubreite“ wie sie die Rechtssprechung bisher nicht gekannt habe. „Das Gesetz habe „ein diffuses bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorgerufen“, begründete Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts.
Die Justizministerin warnte ausdrücklich vor „nationalen Schnellschüssen“. Die unmissverständliche Botschaft der FDP: Ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung dürfte ihre Zustimmung nicht finden. „Wenn Frau Leutheusser-Schnarrenberger bei dem Standpunkt bleibt, dann haben wir ein Problem“, rechnet CDU-Innenexperte Bosbach mit neuem Streit in der Koalition. Das Bundesverfassungsgericht habe die Position der Justizministerin widerlegt und mit dem Urteil bestätigt, dass Vorratsdatenspeicherung nicht generell verfassungswidrig sei. „Durch die vom Verfassungsgericht angeordnete Löschung gehen wichtige Ermittlungsansätze und gespeicherte Beweismittel für alle Zeit verloren“, beklagte der CDU-Mann. „Wenn es hierzulande keine Vorratsdatenspeicherung mehr gäbe, würden immer mehr Straftäter aus dem europäischen Ausland in den Tatraum Deutschland ausweichen“, warnt Bosbach. „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“, empfiehlt dagegen Justizstaatssekretär Max Stadler (FDP) und wirbt für eine europäische Lösung.
Das Karlsruher Urteil - ein Tag zur Freude oder ein Tag zur Sorge? Nach den Urteilen zum Lauschangriff, zur Online-Durchsuchung und zu Hartz IV kippt das Verfassungsgericht jetzt das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung - „eine Ohrfeige für den Gesetzgeber“, urteilt der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. „Ein guter Tag für die Grundrechte.“ Er rechne nicht mehr damit, dass Deutschland eine solche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung bekommen werde, so der oberste Datenschützer.
Die Justizministerin setzt jetzt auf eine europäische Lösung. Hatten die Karlsruher Richter doch ausdrücklich erklärt, dass eine verfassungsgemäße Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie über die Vorratsspeicherung in Deutschland möglich sei. Nach dem Regelwerk sollen die EU-Staaten nationale Gesetze erlassen, die die Telekommunikationsanbieter zur Speicherung der Verbindungsdaten über sechs Monate verpflichten. Hatten sich Union und FDP in den Koalitionsverhandlungen noch überraschend schnell auf den Bereich Inneres und Recht verständigt, droht dort jetzt der nächste Zwist.


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